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Die Archäologie

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Die Archäologie ist eine gesellschaftswissenschaftliche Disziplin, die bei allen ihren bemerkenswerten und achtenswerten wissenschaftlichen Leistungen zu einem großen Teil aus tradiertem Glauben, patriarchal-monotheistischer christlicher Herrschaftsreligion, Ideologie und Weltanschauung besteht.

Zum wissenschaftlichen Arsenal dieser Gesellschaftswissenschaft gehören alle materiellen Artefakte (Gegenstände, die durch menschlichen Einfluss geformt worden waren), Spuren von menschlicher Aktivität in der/dem vom Menschen genutzten Landschaft/Heimat/Revier wie Bauten, Feuerstellen, Gruben und Gräben sowie durch menschliche Aktivitäten wie über große Entfernungen nur transportierte, aber ansonsten unveränderte („exotische“/revierfremde) Materialien wie spezielle Molluskenschalen, Federn, Steine, Mineralien und mittels wisenschaftlicher Methoden und Apparate ermittelte Daten/Ergebnisse von Artefakten und anthropogen beeinflussten Bodenschichten. In diese Faktenkategorie gehören auch alle Formen von graphischen Einheiten unterschiedlicher Größe, Form und technischer Gestaltung wie Felszeichnungen durch Farbauftrag oder Materialabtrag, Geoglyphen durch Steinauflagen/-legungen und Bodenabtrag (Scharrzeichnungen).

Die physischen Artefakte haben im Allgemeinen eine konstant bleibende Form und Struktur. Manche bewahren sie jedoch nur bei entsprechend guter und schneller Konservierung nach ihrer Freilegung; manche müssen sofort/kurzfristig allgemeinverständlich dokumentiert werden, da eine qualitätserhaltende Konservierung mit heutigen Methoden - noch - nicht möglich ist. Letzteres betrifft vor allem organische Materialien und Farben. Scheinbar unveränderliche und durch wissenschaftliche Methoden ermittelte Daten von Artefakten und anthropogenen Spuren können jedoch durch neue, bessere, verbesserte Untersuchungsmethoden erkentnistheoretischen Veränderungen/Korrekturen unterliegen ohne deshalb ihren wissenschaftlichen Charakter zu verlieren – man muss jedoch das zur Zeit der Datenermittlung vorhandene wissenschaftliche Untersuchungsniveau berücksichtigen. Eine vor 100 Jahren getroffene und zu ihrer Zeit völlig korrekte wissenschaftliche Aussage kann durch neue, aktuelle Untersuchungsergebnisse stark verändert bis widerlegt werden.

Die völlig berechtigte Ausrichtung auf wissenschaftliche Belege führt aber auch dazu, dass mögliche Fakten und Sachverhalte, die wissenschaftlich nicht ermittelt wurden, auch in praxi nicht existieren oder als Möglichkeit weitgehend unbeachtet (geblieben) sind. Wenn z.B. die untersuchten Abfallhaufen nur Knochen von Kleinwild enthalten, dann gab es eben - mangels Belegen - keine Jagd auf Großwild. Dass vom eventuell erlegten Großwild - falls es nicht schon am Ort seiner Erbeutung zerlegt und verzehrt worden war - nur das wertvolle Fleisch und anderes nutzbares organisches Material bis zum Standort des archäologisch untersuchten Abfallhaufens kommt, wird außer acht gelassen. Der erlegte Hirsch ist ohne Funde von Knochen, Geweih und/oder Hufschalen zwar gemäß Erfahrungen durchaus wahrscheinlich, aber eben nicht bewiesen. Hier kommen dann „Glaubenfragen“ und Vermutungen unterschiedlicher Plausibilität in die Betrachtung der untersuchten Kultur hinein.

In die informelle Kategorie des Glaubens in der Archäologie gehören alle „Geschichten“ um die oben genannten wissenschaftlichen Fakten, die als Glauben, Vermutungen, Erfahrungen, Interpretationen, Modelle und Vorstellungen präsentiert werden und Gegenstand teils heftiger und kontroverser, mehr oder weniger wissenschaftlicher Diskussionen und Streite sind. Ein Teil der „Glaubensinformationen“ stützt sich auf Erfahrungen und/oder Analogien oder gibt vor, sich auf solche zu stützen. Ob dokumentierte Erfahrungen und Analogien wissenschaftlichen Kriterien genügen und ob diese methodisch wissenschaftlich sind, ist oft eine Frage und eine Grundlage für weitere Diskussionen im Kreis von „Experten“. Von heutigen vatikanischen Zeremonien auf die religiösen Aktivitäten in den frühchristlich genutzten römischen Katakomben zu schließen wäre – in meinen Augen – ein solch unwissenschaftlicher Akt, aber bei den Gemeinschaften in zentralen San Juan River Becken im nordamerikanischen Südwesten wird diese Verfahrensweise oft (noch) als legitim angesehen (z.T. im Rahmen der political correctness).

Die verbalen Aktivitäten um Deutungshoheiten bestimmter akademischer Schulen in der Archäologie sind wie in allen Gesellschaftswissenschaften/Geisteswissenschaften von der Ideologie der HERRschenden Finanzierer archäologischer Aktivitäten abhängig und damit durch ideologische Vorgaben und/oder Erwartungen relativ wissenschaftsimmun. („Wess´ Brot ich ess´, dess´Lied ich sing!“) Das bedeutet keinesfalls ein Verzicht auf die Erlangung wissenschaftlicher Erkenntnisse, aber sie müssen in den HERRschenden ideologischen Kontext passen. Im Glaubensfeld der Archäologie gibt es ein permanentes „Wabern“, das teilweise von neuen wissenschaftlichen Fakten, aber noch mehr durch Ideologien und Anschauungen und auch deren Wechsel im Gang gehalten wird. Ein „Umschreiben der Geschichte“ tritt also aus unterschiedlichen Gründen immer wieder auf. Diese Zusammenhänge zwischen Datenlage und ihrer Interpretation sind bei jeder archäologischen Darstellung und Interpretation zu beachten.

Und Wissenschaftlichkeit ist nicht automatisch gegeben, wenn ich einen Autor und seine Aussage(n) ordnungsgemäß zitiere. Für ein aus den wissenschaftlichen Fakten abgeleitetes möglichst realitätsnahes Bild (wenige Fakten, viel Glauben) ist jeder Autor selbst verantwortlich – ein akademisches Verstecken hinter „Experten“ ist unethisch, aber weit verbreitet. Der gesamte Informationspool an ermittelten und publizierten wissenschaftlichen Fakten und Glaubenssätzen ist menschliches geistiges Allgemeingut, aber kein einzelner Mensch kann diesen Pool ausschöpfen. Es wird also im Kopf des einzelnen publizierenden Menschen immer ein Informationsmangel bestehen und dieses Individuum muss sich auch der Möglichkeit der durch ihn erfolgten mangelhaften bis fehlerbehafteten Vernetzung von wissenschaftliche Fakten bewusst sein. Das Gleiche gilt natürlich auch für das geistig konsumierende Individuum, die Leserrin/den Leser einer solchen Publikation.

Archäologie und Kunstraub sind kriminelle Geschwisterkinder der patriarchalen HERRschaft. In Form des profitablen Antikenhandels erhalten sie ihre zivilisatorisch-kommerzielle und inspirierende/motivierende Form. Sie dienen dem Repräsentationsbedürfnis der HERRschenden. Schändung/Zerstörung von Grabstätten und Ritualanlagen waren die ergiebigsten Quellen für Repräsentationsobjekte, für die, ab dem europäischen Feudalismus, Kunstkammern und Museen eingerichtet wurden. Diese Trophäen belegen den siegreichen HERRen und die physische und/oder spirituelle Vernichtung des Anderen, des Vergangenen, des Besiegten. Dass durch diese Trophäenschau einige wenige Zeugnisse der spirituellen und handwerklichen Fähigkeiten und der Kunst der (eigenen oder fremden) Ahnen der heutigen Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht wurden, ist nur eine gesellschaftliche Nebenerscheinung des Repräsentations- und Legitimationsbedarfes der HERRschenden. Der Erwerb von Wissen über die Ahnen ist ein angenehmer Kollateral-Nutzen der oben genannten kriminellen Aktivitäten. Auch ich bin ein Nutznießer dieser Aktivitäten, dieses Umgangs mit den materiellen Kulturzeugnissen ganzer Epochen und Völker.

Der nordamerikanische Südwesten war auf Grund seines trockenen Klimas und einer relativ geringen heutigen Bevölkerungsdichte und ihrer zerstörenden Einwirkungen auf Spuren der „Ahnen“ ein archäologischer Gunstraum (gute Erhaltungsbedingungen alter Aktivitäten und Artefakte), der außerdem noch bemerkenswerte (große, attraktive, gut sichtbare) Spuren der früheren Bewohner aufwies. Im spanisch-mexikanischen Bereich wurden durch frühe Reisende und Missionare einige auffällige alte Ruinenstätten zur Kenntnis genommen und informell als relativ uninteressant (kein Erwerb von „Schätzen“ und Prestige) abgelegt. Die Vernichtung der nichtchristlichen indigenen Kulturen war für die Spanier/Mexikaner wichtiger als eine mögliche Erforschung von deren Ursprüngen.

Die US-Amerikaner betraten „ihr“ Südwestgebiet erst nach dem Vertrag von Guadalupe Hidalgo (02. Februar 1848). Erste Kenntnisnahme von prähistorischen Ruinenstätten erfolgte durch US-amerikanisches Militär. 1849 „entdeckten“ bei einem militärischen Zug der U.S. Army Topographical Engineers der First Lt. James H. Simpson und sein indianisch-mexikanischer Reiseführer Carravahal die Ruinenstätte von Pueblo Bonito und auch von Pueblo Pintado, Una Vida, Hungo Pavi, Chetro Ketl, Pueblo del Arroyo und Peñasco Blanco, die von ihm und/oder seinen mexikanischen Führern ihre noch heute bekannten Namen erhielten. Danach publizierte J.H. Simpson eine Beschreibung der Stätte und einiger weiterer Ruinen/Bauten aus dem Chaco Canyon mit einigen Illustrationen der Stätten durch zwei mitgereiste Künstler.

In den USA hatte sich jedoch im Osten durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den physischen Erscheinungen und Überresten der sogenannten Moundkulturen bereits eine allmählich wissenschaftlich getragene archäologische Tradition entwickelt. Zwischen 1850 und 1900 wurde der Südwestbereich von den US-Amerikanern allmählich wirtschaftlich und auch archäologisch-ethnographisch erfasst und erschlossen. Es entstand die „Archäologie des Südwestens“, primär getragen durch US-amerikanische Menschen, Interesssenten und Geldgeber. Hauptsächliche Triebkraft der ersten Ausgrabungen und Grabungsexpeditionen war die Erlangung von attraktiven Artefakten für die Museen der Geldgeber (s.o. Grabraub).

Der wissenschaftlich-archäologische „Startschuss“ für die archäologische Erschließung des Südwestens war die auf die Ruinen-Stätte von Pueblo Bonito angesetzte Hyde-Expedition, die unter der praktischen Leitung von Richard Wetherill und unter der wissenschaftlichen Leitung von George H. Pepper vom American Museum of Natural History stand und von 1896 bis 1900 ca. 190 Räume von insgesamt ca. 650 bis 800 Räumen von diesem Pueblo von Mauerschutt- und Erosionsmassen suchend und untersuchend freilegten. Die Finanzierer waren die sehr vermögenden New Yorkerer Sammler und Philantropen Frederick und Talbot Hyde, die nach Abschluss der Expedition die gewonnenen Artefakte (Pfeile/Pfeilspitzen, zugeschnittene Holzteile, Flöten, Steinfiguren, Zylindergefäße und große Mengen an Türkis) dem American Museum of Natural History übergaben. Sie hatten ihren gesellschaftlichen Image-Gewinn bezahlt und überließen die musealen und wissenschaftlichen Folgekosten dem Staat.

Für diese Zeit Ende der 1890er Jahre entsprachen die Ausgrabungsmethoden des Ranchers Wetherill, der seine archäologisch-wissenschaftlich Grundausbildung von dem schwedisch-finnischen Gelehrten Gustaf Nordskiöld erhalten hatte, dem wissenschaftlichen Stand der Zeit. Nordenskiöld erkundete ab Juli 1891 unter Führung von Richard Wetherill (und dessen Verwandten) prähistorische Stätten im Mesa Verde Gebiet und sandte die ausgegrabenen Artefakte in seine schwedische Heimat. R. Wetherill war auch der „Erfinder“ der Basketmaker. Er erkannte bei seinen Expeditionen, dass die Erbauer von Pueblos und Hersteller von Keramik die kulturellen Nachfolger von Nomaden waren, deren archäologisch wichtigste Behältnisse Körbe (engl. baskets) waren.

Das allmähliche Erkennen kultureller Hintergründe (heidnisch, primitiv! aus der Sicht der frühen Forscher) war eine sich ergebende Begleiterscheinung. Ungeachtet der Motivation „Artefakt-Erlangung“ ist der physische und geistige Einsatz früher Photographen (Jackson) sowie ernsthafter Amateurarchäologen (Wetherill-Familie, speziell Richard Wetherill) und professioneller Wissenschaftler wie z.B. Mindeleff und Pepper nicht hoch genug einzuschätzen.

Im 19. Jahrhundert entstand auch ein Markt für indianische Artefakte und damit eine Profitquelle, die von Raubgräbern bedient wurde und bis heute noch bedient wird. Auch der Südwesten brachte jetzt seinen Anteil dafür ein. Über den wissenschaftlichen Schaden brauche ich mich hier nicht mehr auszulassen.

Der Gral des Pueblo Bonito

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