Читать книгу Über das (sogenannte) Knocheneinrenken - On Bonesetting - Wharton Hood - Страница 9

Kapitel I Einleitung

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Die meisten Chirurgen wissen es bereits und viele mussten es durch hohe Kosten und Verluste erfahren, dass ein großer Teil der Patienten, bei denen Krankheit oder Verletzung eine verminderte Beweglichkeit oder Gebrauchsfähigkeit von Gliedern zur Folge hat, sogenannten Knocheneinrenkern in die Hände fällt. Diese Menschen behaupten in allen Fällen gewohnheitsmäßig, der betroffene Knochen oder das betroffene Gelenk sei »draußen«. (obwohl es keinerlei anatomische Anzeichen für eine Dislokation gibt) und wenden dann zu gegebener Zeit Manipulationen an, durch die, wie viele Beispiele zeigen, der Patient sehr schnell geheilt wird. Gelehrte der Chirurgie sind – sofern sie sich überhaupt dazu herablassen, über Knocheneinrenker und deren Arbeit zu sprechen – eher geneigt, sich über eine Verletzung zu mokieren, die bei so einer »rauen« Behandlung gelegentlich vorkommt, als über die dadurch oft erzielte Verbesserung. Es ist zweifellos nötig, Studenten davor zu warnen, ein entzündetes oder ulzeriertes Gelenk zu drehen oder zu ziehen. Ebenso angebracht ist es jedoch, sorgfältig zu hinterfragen, in welchen Fällen Knocheneinrenker Gutes erreichen und worin die Veränderung besteht, die ihre Manipulationen bewirken. Ein wahrscheinlich einzig dastehender, lobenswerter Versuch in diese Richtung ist Pagets5 vor drei Jahren im Krankenhaus St. Bartholomews gehaltene und danach im British Medical Journal veröffentlichte klinische Vorlesung, die allerdings den Nachteil hat, dass Paget sich bei seinen Anschauungen über die Behandlungsmethode der Knocheneinrenker lediglich auf Vermutungen oder auf mangelhafte Beschreibungen von Patienten stützt. Doch selbst wenn seine Annahmen in mancher Hinsicht falsch sein mögen: Seine Autorität zeigt ungeachtet dessen die große praktische Bedeutung der strittigen Fragen. Er sagt zu seinen Studenten: »Wahrscheinlich werden nur wenige von Ihnen praktizieren, ohne einen Knocheneinrenker zum Feind zu haben. Und wenn dieser einen Fall heilt, den Sie selbst nicht heilen konnten, hat er sein Glück gemacht und Ihres ist ruiniert.« Auf den ersten Blick könnte es so scheinen, als seien die von Paget festgestellten Zustände nur in der Praxis minder begabter Chirurgen und in den ärmeren und unwissenderen Gesellschaftsklassen Realität. Das trifft aber keineswegs zu, wie ich anhand von Beispielen zeigen werde, in denen Männer, die nicht weniger bedeutend sind als Herr Paget, bei prominenten Patienten versagt haben. Solche Fälle können nicht nur dem einzelnen Praktiker ernsthaft schaden, sondern auch die öffentliche Wertschätzung der gesamten chirurgischen Kunst mindern. Das macht es meines Erachtens erforderlich, dass jeder, der dazu im Stande ist, dem ärztlichen Berufsstand eine klare Beschreibung der Methoden, Fehlschläge und Erfolge des sogenannten Knocheneinrenkens liefert. Dieser Aufgabe habe ich mich, soweit ich es vermag, auf den folgenden Seiten gewidmet.

Das sogenannte Knocheneinrenken lässt sich kurz und prägnant als die Kunst definieren, bei der durch plötzliche Flexion oder Extensionalle Behinderungen der freien Gelenkbewegung überwunden werden, die nach dem Abklingen der frühen Symptome einer Krankheit oder häufiger noch einer Verletzung zurückgeblieben waren.

Wahrscheinlich kann ich keinen typischeren und häufigeren Fall anführen als folgenden:

Einem gesunden Mann, der sich einen oder beide Unterarmknochen gebrochen hat, werden in einem Krankenhaus auf die übliche Weise Schienen angepasst. Man behandelt ihn ambulant und nimmt die Schienen ab und zu herunter, um sie zu erneuern. Nach einigen Wochen ist der Bruch wieder fest zusammengewachsen, die Schienen werden beiseitegelegt und der Mann wird als geheilt entlassen. Er ist zwar noch immer nicht in der Lage, seine Hand oder seinen Unterarm zu gebrauchen, man versichert ihm aber, diese Schwierigkeit rühre von der durch die lange Ruhigstellung hervorgerufenen Steifheit her und werde bald verschwinden. Sie verschwindet jedoch nicht, sondern wird im Gegenteil eher schlimmer, bis der Mann sich nach einer gewissen Zeit hilfesuchend an einen Knocheneinrenker wendet. Arm und Unterarm sind dann fast rechtwinkelig zueinander gebeugt. Der Unterarm befindet sich zwischen Pronation und Supination, die Hand ist auf einer Linie mit ihm, die Finger sind steif und der Patient kann weder diese noch das Handgelenk oder den Ellbogen bewegen. Eine passive Bewegung ist zwar in engen Grenzen möglich, erzeugt aber eindeutig lokalisierbaren scharfen Schmerz am betroffenen Gelenk – ein Punkt, an dem zudem Druckempfindlichkeit besteht. Der Knocheneinrenker sagt zu dem Mann, sein Handgelenk und der Ellbogen seien »draußen«. Der Mann mag einwenden, die Verletzung habe in der Mitte des Unterarms stattgefunden – möglicherweise durch einen Schlag oder eine andere direkte Gewalteinwendung. Die Antwort lautet dann wahrscheinlich, dass der Arm in der Tat gebrochen gewesen sei wie behauptet, dass dabei aber sowohl das Handgelenk als auch der Ellbogen rausgeschoben worden seien und die Doktoren diese Verletzungen übersehen hätten. Der Knocheneinrenker wird sodann durch eine (nachfolgend beschriebene) schnelle Manipulation die Steifheit der Finger unmittelbar überwinden und dem Patienten ermöglichen, sie wieder in gewohnter Weise hin und her zu bewegen. Diese unmittelbar erfahrene Wohltat wird alle Bedenken hinsichtlich einer Manipulation von Handgelenk und Ellbogen zerstreuen, sodass auch diese sich schließlich wieder frei drehen lassen. Der Mann geht, beugt und streckt problemlos seine vor Kurzem noch steifen Gelenke und ist völlig überzeugt, dass er in den Händen der legitimierten Ärzte großen Schaden erlitten hat.

Das ist jedoch wie alle theoretischen Beispiele in gewissem Sinn ein idealer Fall. Und es mag der Mühe wert sein, ihm eine Reihe realer Begebenheiten hinzuzufügen. Bei einem Beispiel, wo man es mir erlaubt hat, so zu verfahren, habe ich den Patienten namentlich genannt, und zwar nicht nur als Garantie für Authentizität, sondern auch als zusätzlichen Beweis dafür, dass die Kunst des Knocheneinrenkens erfolgreich von Personen in Anspruch genommen wurde, die sich Hilfe von höchst angesehenen Londoner Chirurgen hätten holen können und diese auch erhielten. Die Tatsache, dass Letztere bei der Heilung der Patienten versagten, während ein Quacksalber sofort Erfolg hatte, bildet den Grund für meinen Glauben, dass die Praktik des Knocheneinrenkens nicht nur, wie die Lancet sagt, »in einer unbedeutenden Ecke der Chirurgie« verweilt, sondern auch auf gesunden, aus früherer Zeit überlieferten Bräuchen basiert. Ich halte es durchaus für möglich, dass der erste »Knocheneinrenker« der Diener oder unqualifizierte Assistent eines Chirurgen war, welcher genau wusste, was sich durch plötzliche Bewegungen erreichen lässt und wie diese auszuführen sind.

Ein solches Wissen kann der Profession leicht verloren gehen (denn welch große Menge an Kenntnissen stirbt mit jedem Menschen – selbst in unseren Tagen, wo es Bücher, Broschüren und Zeitschriften gibt!) und dann als Geheimnis eines Quacksalbers von jenen weitergegeben werden, die seinen Wert aus gutem Grund schätzen.

Meine Nachforschungen haben gezeigt, dass sich alle Knocheneinrenker in ihren Praktiken, soweit es die Manipulation anbelangt, sehr ähneln, sich jedoch in Bezug auf die erzielten Ergebnisse unterscheiden – und zwar teilweise deshalb, weil einige von Natur aus über ein besseres mechanisches Feingefühl verfügen als andere, viel mehr aber noch, weil einige eine Beobachtungsgabe besitzen, die fein genug ist, um die bei ungünstig verlaufenden Fällen auftretenden Symptome zu vermerken und in Erinnerung zu behalten und somit ähnliche Fehlschläge in der Zukunft zu vermeiden. Herr Hutton verdankte seine Reputation und seinen Erfolg vermutlich einer Kombination beider Qualitäten. Für einen Menschen, der über Anatomie und Pathologie nicht Bescheid weiß, wäre es unmöglich, die Laufbahn eines Knocheneinrenkers einzuschlagen, ohne großen Schaden anzurichten oder viele schreckliche Ergebnisse hervorzurufen – es sei denn, er ist intelligent genug, um durch Erfahrung Fallen vermeiden zu lernen. Er wird rechtzeitig erkennen, welche Gelenke man klugerweise in Ruhe lässt und welche gefahrlos und zu ihrem Vorteil bewegt werden können. Keinesfalls aufklären wird ihn die Erfahrung freilich über die Art dieses Unterschieds oder über die Beschaffenheit der Läsionen, die er gelindert hat. »Der Knochen ist draußen«, lautet im besagten Gewerbe die Überlieferung. Und seine Mitglieder bleiben stets bei dieser Aussage – wahrscheinlich weniger aus Falschheit als aus reiner Unwissenheit.

Ein Kranker kommt also mit einem steifen, schmerzenden und nicht funktionsfähigen Gelenk. Nun wird ein solches Gelenk wieder befreit und aktiviert durch Bewegungen, die einen vernehmbaren Laut hervorrufen und bei dem man leicht annehmen könnte, er sei durch die Rückkehr eines Knochens an seinen Platz verursacht worden. Dem Patienten und dem Knocheneinrenker (beide gleichermaßen unwissend in Bezug auf Anatomie und auf die Bedeutung und die Anzeichen einer Dislokation erscheint diese Erklärung völlig ausreichend. Wenn nun ein Chirurg behauptet, eine derartige Verletzung habe überhaupt nicht existiert, schenken der Patient, den er ja nicht hat heilen können, und die nicht professionellen Zeugen des Falles auf dieser Aussage keinerlei Beachtung.

Den Eindruck der Kunst des Knocheneinrenkens auf solche Personen, veranschaulicht folgender Brief in der Zeitschrift Echo aus dem Jahr 1870:

»Verehrter Herr,

vor kurzer Zeit fiel ein Maler, der für mich arbeitete, von der Decke herab auf den Boden, verletzte sich dabei schwer und musste ins St.-Bartholomew-Krankenhaus, aus dem er nach dreiwöchigem Aufenthalt als geheilt entlassen wurde, obgleich er nicht ohne Krücken zu laufen vermochte. Nach 14 Tagen ohne erkennbare Besserung, ließ er Herrn Hutton aus Wyndham Place, Crawford Street, W., kommen, der konstatierte, dass seine linke Hüfte und das linke Knie draußen waren, und er sie wieder an ihre angestammten Plätze bringen könne. Jetzt geht der Mann wieder ganz normal seiner Arbeit nach.

Es gibt noch weitere mir bekannte Fälle, die die Unfähigkeit des chirurgischen Berufsstands zeigen. Die Studenten lernen, wie man Beine und Arme amputiert und Krüppel erzeugt, aber nicht einer von ihnen weiß, wie man mit Dislokationen umgeht und dadurch eine mögliche Amputation vermeidet. Ich selbst habe veranlasst, dass durch Herrn Hutton die Amputation zweier Beine verhindert wurde. Das kann ich eindeutig beweisen. Diese Frage verdient Beachtung im Hinblick auf die Gründung eines Krankenhauses für Dislokationen. Ich bin gerne bereit, bei der Realisierung eines solchen Projekts mitzuhelfen und es mit einer ansehnlichen Spende zu unterstützen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Thomas Lawes

65, City Road.«

Dass unser ärztlicher Berufsstand es versäumt hat, der Frage nachzugehen, welche Wahrheiten sich hinter dem Knocheneinrenken verbergen, ist, wie ich meine, nahezu zweifellos auf zwei Gründe zurückzuführen: Erstens auf die ernsten und oft fatalen Ergebnisse, die in der Praxis aller Knocheneinrenker aufgetreten sind – wenn auch zumeist wohl durch Hände weniger kunstfertiger und gefühlvoller Angehöriger jenes Gewerbes. Uns zweitens auf die praktische Auswirkung der Feststellung, ein Knochen sei »draußen«gewesen und wieder an seinen ursprünglichen Platz gebracht worden. Chirurgen, die wissen, dass diese Behauptung keinerlei Basis hat, haben sie vielleicht zu schnell mit einer betrügerischen Absicht in Verbindung gebracht und dabei wohl zu wenig die Unwissenheit derer berücksichtigt, von denen diese Feststellung stammt. Verärgert und empört über deren Falschheit sowie über das schlechte Licht, das dadurch auf sie selbst fiel, schrieben sie die Heilung einfach der Wirkung mentaler Einflüsse, dem verstrichenen Zeitraum oder einer vorhergegangenen Behandlung zu und versäumten es, nachzufragen, ob hinter dem »Draußen«-Konzept womöglich nicht doch ein plausibler Grund stehen könnte oder welche Veränderung die Manipulationen des Knocheneinrenkers tatsächlich zustande gebracht hatten.

Nach diesen Vorbemerkungen fahre ich nun mit dem Bericht jener Fälle fort, auf die ich mich bezogen habe:

Um einen Freund zu begrüßen, stieg ein Herr, den ich Herrn A nennen möchte, rasch von seinem Arbeitsstuhl im Büro herunter. Sobald seine Füße den Boden berührten, drehte er, ohne sie zu bewegen, seinen Körper und verdrehte oder zerrte dadurch sein linkes Knie. Sofort spürte er in dem Gelenk einen fulminanten Schmerz, der etwa eine oder zwei Stunden andauerte, im Laufe des Tages aber wieder abnahm, sodass Herr A das Gelenk weiterhin den Umständen entsprechend bewegte. In der Nacht wurde er durch zunehmenden Schmerz geweckt und bemerkte, dass das Gelenk stark geschwollen war. Herr A, Bruder des Professors für Geburtshilfe an einer der führenden medizinischen Schulen Londons, erhielt daraufhin die beste chirurgische Beratung, die London zu bieten hatte. Man wies ihn an, das Knie ruhig zu halten und Wärme sowie Feuchtigkeit zu applizieren. Auf diese Weise gelang es ihm zwar, den Schmerz etwas zu mildern, die Schwellung blieb jedoch. Schließlich ließ er Herrn Hutton kommen, der sofort erklärte, das Knie sei »draußen«, und anbot, es wieder an seinen Platz zu bringen. Man vereinbarte zu diesem Zweck einen Termin, doch in der Zwischenzeit zog der Patient erneut bedeutende Chirurgen hinzu und schrieb an Hutton, er solle nicht kommen. Es vergingen zwei Jahre chirurgischer Behandlung, ohne dass sich etwas verbesserte. Schließlich ließ besagter Herr A erneut Herrn Hutton kommen, den ich bei diesem zweiten Besuch begleitete. Was ich dort beobachtete, machte einen starken Eindruck auf mich: Nach dem Entfernen des Verbandes sahen wir, dass das Gelenk stark geschwollen war und die Haut sich glänzend und farblos zeigte. Das Gelenk war unbeweglich und an der Innenseite sehr schmerzhaft. Sofort platzierte Herr Hutton seinen Daumen auf einen Punkt an der oberen Kante der inneren Femurkondyle. Der Patient zuckte bei dem Druck zusammen und klagte über große Schmerzen. Herr Hutton untersuchte das Bein nicht weiter, sondern fragte: »Was habe ich Ihnen vor zwei Jahren gesagt?« »Sie meinten, das Knie sei draußen«, erinnerte sich Herr A. »Und das sage ich Ihnen jetzt erneut«, antwortete Hutton. »Können Sie es wieder reinsetzen?«, fragte Herr A. »Das kann ich!« »Dann machen Sie es bitte«, sagte Herr A, wobei er ihm das Bein hinhielt. Herr Hutton wollte aber erst in einer Woche tätig werden. Er ordnete an, dass das Glied einstweilen in Packungen mit Leinsamenbrei gewickelt und mit Klauenöl eingerieben werden solle, vereinbarte einen Termin und verabschiedete sich. Während des Gesprächs hatte ich das Bein sorgfältig untersucht und mich davon überzeugt, dass keine Dislokation vorlag. Daher schloss ich, dass Ruhe und nicht Bewegung die hier angebrachte Behandlung sei. Nach Ablauf der Woche ging ich wieder zum Haus des Patienten und Herr Hutton kam kurz danach. »Wie geht es dem Knie?«, fragte er. »Es fühlt sich leichter an!« »Konnten Sie’s bewegen?« »Nein!« »Geben Sie es mir!« Das Bein wurde ausgestreckt und Hutton stand vor dem Patienten. Dieser zögerte und senkte sein Bein wieder. »Sie sind sich ganz sicher, dass es draußen ist und Sie es wieder einrenken können?« Es entstand eine Pause. Dann: »Geben Sie mir das Bein, wie ich sage!« Der Patient gehorchte widerstrebend und hob das Bein langsam in Huttons Reichweite. Dieser ergriff es mit beiden Händen um die Wade, wobei der ausgestreckte Daumen seiner linken Hand auf den schmerzhaften Punkt an der Innenseite des Knies drückte. Zudem hielt er den Fuß fest, indem er dessen Ferse zwischen seine Knie klemmte. Der Patient, dem gesagt wurde, er solle im Stuhl sitzen bleiben, hätte in diesem Augenblick wohl viel dafür gegeben, wenn er die Kontrolle über sein Bein wiedererlangt hätte. Herr Hutton neigte seine Knie nach rechts, womit er die Rotation einleitete, die er mit seinen Händen am Bein des Patienten ausübte. Er hielt mit dem Daumen einen festen Druck auf den schmerzhaften Punkt aufrecht – und flektierte das Knie dann plötzlich. Der Patient schrie auf vor Schmerz. Hutton senkte das Bein und bat Herrn A, aufzustehen. Dieser gehorchte und erklärte sofort, er könne sein Bein nun besser bewegen und der bisher schmerzende Punkt sei schmerzfrei. Er wurde angewiesen, täglich sanfte Übungen zu machen, und seine Genesung vollzog sich rasch und vollständig. Nach wenigen Tagen ging er wieder seinem Geschäft nach. Und bis zu seinem Tod, der drei Jahre später eintrat, blieb sein Knie vollkommen in Ordnung.

Kaum weniger bemerkenswert war der Fall des ehrenwerten Spencer Ponsonby, der damals beträchtliche Aufmerksamkeit auf sich zog. Da Herr Ponsonby seine Fallgeschichte freundlicherweise für mich aufgezeichnet hat und seine Beschreibung sehr anschaulich ist, zitiere ich am besten wörtlich. Dabei füge ich nur hinzu, dass die Initialen A, B, C usf. die Namen von Männern repräsentieren, die in unserer Profession sehr angesehen sind.

»Am 26. November 1864 lief ich durch den Garten bei Croxteth in der Nähe von Liverpool. Plötzlich hörte und empfand ich in der Wade des linken Beins ein Knacken. Das war so schmerzhaft, dass ich mich wie ein getroffenes Kaninchen überschlug. Nur mit Mühe erreichte ich das wenige Meter entfernte Haus, wo ich mein Bein sofort in einen Eimer mit heißem Wasser steckte und es eine Stunde sozusagen kochte. Da es am nächsten Tag nicht besser war, ließ ich einen Mediziner aus der Nachbarschaft kommen, der behauptete, ein Muskel sei gerissen und das Bein müsse ein paar Tage ruhen. Da es keinerlei Anzeichen für eine Entzündung gab, verwendete er ein kräftiges Einreibemittel und legte ein starkes Lederpflaster auf. Nach ein paar Tagen konnte ich humpeln. Dann wurde ich jedoch telegrafisch nach London gerufen und hatte dort in einem leeren Haus zu tun, wo ich mit meinem Zeh gegen einen Stift im Boden stieß und mich schlimmer verletzte denn je.

Von da an (2. Dezember) bis Anfang Mai betreute mich Herr A, wobei Herr B als Berater hinzugezogen wurde. Beide meinten, ›die Wade‹ sei gerissen (sie bezeichneten es, glaube ich, als Gastrocnemius), und behandelten mich entsprechend. Gelegentlich besserte sich mein Bein, aber schon die leichteste Anspannung rief Schmerzen und Schwäche hervor.

Am 2. Mai untersuchte mich Herr C, der, soweit es die Verletzung betraf, seinen Kollegen zustimmte, jedoch der Ansicht war, ich sei konstitutionell nicht in Ordnung, und mir deshalb Eisen usf. verordnete – was allerdings keine Wirkung zeigte. Mein Bein wurde zudem in einer eisernen Maschine fixiert, um die Wadenmuskeln zu entlasten. Am 26. Juni wurde dann ein weiterer bedeutender Chirurg hinzugezogen. Er war sich mit Herrn C in puncto Ursache und Behandlung der Lahmheit einig wie auch Herr D, den ich bei meinem Besuch in Wildbad konsultierte.

14. August – Da keine Besserung eintrat, steckte Herr C. mein Bein für einen Monat in einen Gummiverband. Daraufhin ging ich segeln, um mich richtig zu erholen. Mein bis dato schlechter Gesundheitszustand verbesserte sich durch die Seeluft zwar, mein Bein jedoch nicht. Der an Bord der Jacht anwesende Chirurg Dr. E, der mich auch untersuchte und in Bezug auf die Ursache meiner Lahmheit mit seinen Kollegen übereinstimmte, meinte: ›Vielleicht kann sie ja eine kundiges Weiblein heilen, ein Doktor jedenfalls kann es nicht.‹

Am 7. September wurde der Verband entfernt und anschließend versuchte man es drei Wochen hindurch mit galvanischen Anwendungen. Danach trat ich für vier Monate eine Segeltour an und unterzog mich während dieser Zeit Seewasserduschen. Immer war ich auf Krücken oder mit zwei Stöcken unterwegs. Meine Gesundheit verbesserte sich durch die Segeltour erheblich, doch das Bein war wie immer und inzwischen sogar auf die Hälfte seiner normalen Größe geschrumpft.

15. April – Nun begann Herr F mit seinem System, mein Bein zu heilen. Seiner Meinung nach waren die Muskeln durchtrennt, würden sich aber, dauerhaft zusammengebracht, wieder verbinden. Zu diesem Zweck trug ich tagsüber einen Stiefel mit hohem Absatz und nachts wurde meine Ferse so fixiert, dass sie in derselben Position blieb. Da sich nach einem Erprobungsmonat auch diese Behandlung als erfolglos erwies, suchte ich schließlich Herrn Hutton auf, der, als er meinen hohen Absatz sah, fragte: ›Wozu tragen Sie denn diese Maschine? Wollen Sie sich selbst lähmen?‹ Ich versuchte, ihm die Meinungen der verschiedenen Chirurgen zu meinem Fall darzulegen, doch er sagte nur: ›Lassen Sie mich mit Anatomie in Ruhe. Davon versteh ich nichts. Aber ich kann Ihnen sagen, dass Ihr Knöchel draußen ist und ich ihn wieder einrenken kann!‹ Nach einigen Wochen, in denen er im Norden war und meinen Fall nicht übernehmen konnte, kam ich am 27. Juni wieder zu ihm und teilte ihm mit, dass ich mich – obgleich zwischenzeitlich konsultierte Chirurgen mir gesagt hätten, was immer mir auch wehtue, mein Knöchel sei in Ordnung – seiner Behandlung unterziehen wolle. Er untersuchte mich, beginnend am Knöchel, erneut äußerst sorgfältig, und setzte dann seinen Daumen auf eine Stelle, die mich ziemlich schmerzte und die Empfindung eines scharfen Nadelstichs hervorrief. Er arbeitete weiter und nach einiger Zeit kam es zu einer deutlich spürbaren Rückmeldung – und von diesem Augenblick an verschwand der Schmerz. Herr Hutton wies mich an, maßvoll zu gehen, jedoch für lange Zeit keine heftigen Leibesübungen durchzuführen, und recht viel kaltes Wasser zu verwenden. Von da an ging es meinem Bein allmählich besser. Im September konnte ich wieder zur Jagd gehen und am 14. Oktober, als ich einen Zug verpasste, ging ich 24 km auf der Landstraße. Im folgenden Jahr fing ich mit Cricket, Tennis und anderen kräftigen Übungen an und das geht bis heute so.

Ich vergaß zu erwähnen, dass ich am 5. Juli 1866, also ungefähr eine Woche nach der ersten Behandlung, mein Bein durch Überanspannung erneut verletzte und wieder wie zuvor lahm war. Doch Herr Hutton wiederholte seine Behandlung und ich hatte danach keinen Rückfall mehr. Hutton sagte mir, dass dann, wenn das Knöchelgelenk disloziert sei, auch die Muskeln disloziert seien und nicht heilen würden.«

Die folgende Fallgeschichte wurde mir freundlicherweise teils vom Patienten selbst, teils von Herrn Keyser aus Norfolk, Crescent, erzählt, der sich in einer späten Phase damit befasste. Der Patient, Herr G, ein Mitglied des Parlaments, war bis zum Oktober 1866 völlig gesund. Während eines Landaufenthalts Anfang jenes Monats weckten ihn jedoch eines Morgens heftige Schmerzen in nahezu jedem Gelenk seines Körpers. Er blieb liegen, bis seine Diener auf waren, und versuchte dann, mit deren Unterstützung aufzustehen. Unter großer Anstrengung gelang ihm das zwar, aber nach kurzer Zeit schon musste er wieder ins Bett zurück. Im Verlauf des Tages nahm der Schmerz – der laut Aussage der hinzugezogenen Ärzte von rheumatischer Art war – weiter zu und konzentrierte sich letztlich im linken Knie sowie im linken Handgelenk, begleitet von einer beträchtlichen Schwellung und Erhitzung der betroffenen Gelenke.

Man behandelte den Patienten in der üblichen Weise und nach einiger Zeit ließ der Schmerz nach. Herr G kehrte daraufhin in die Stadt zurück, wo ihn Herr Keyser und zwei Chirurgen betreuten. Trotz aller Behandlungen blieben sein Knie und das Handgelenk unbeweglich. Nachdem die akuten Beschwerden schließlich abgeklungen waren, versuchte man es mit passivem Bewegen der Gelenke, was jedoch abgebrochen werden musste, weil extremer Schmerz auftrat, sobald der Versuch gemacht wurde, ein Glied über einen bestimmten Winkel hinaus zu flektieren. Eine Stärkebandage am Knie brachte nichts und wurde nach zwei Tagen wieder entfernt. Es folgte die Anwendung verschiedener lokal applizierter Heilmittel und Herr G konnte schließlich mit Hilfe von Krücken humpeln.

Als sechs Monate nach Beginn seines Leidens noch immer keine deutliche Besserung eingetreten war, beschloss er, einen Knocheneinrenker zu konsultieren. Er ließ Herrn Hutton kommen, der seinen Daumen auf einen Punkt an der Innenseite des kranken Knies drückte, was großen Schmerz erzeugte. Auch Herr Keyser, der dabei war, platzierte seinen Daumen auf die Stelle und bestätigte die Empfindlichkeit. Eine Woche mit Breipackung und Öl wurde empfohlen, dann wurden die Gelenke in der üblichen Weise manipuliert. Nach der Behandlung war, wie Herr Keyser feststellte, der schmerzhafte Punkt verschwunden und es bestand eine verhältnismäßig große Bewegungsfreiheit. Der Patient konnte das betroffene Knie unmittelbar darauf über das andere schlagen, was seit Beginn der Krankheit nicht mehr möglich gewesen war, und die normalen Gelenkbewegungen ließen sich nicht nur nahezu vollständig, sondern auch schmerzfrei durchführen. Herr G sagte, er spüre, dass sich das Bein nun wieder normal anfühle. Er erholte sich rasch und erlangte bald darauf wieder die volle Kontrolle über sein Knie, die bis heute anhält.

Der springende Punkt bestand in diesem Fall in der Tatsache, dass sich der Patient zuvor viele Wochen hindurch in einem unveränderten Zustand mit Empfindlichkeit an der Innenseite des Knies befunden hatte und dass sich die Wirkung der an ihm durchgeführten Manipulation sofort im Verschwinden jener Empfindlichkeit und im Beginn einer schnellen Wiederherstellung der normalen Funktion zeigte.

Der nächste Fall wurde mir freundlicherweise von Dr. Douglas Reid aus Penbroke berichtet: Frau X, die sich eine unglückliche Verletzung an einem Daumen zugezogen hatte, wurde von ihrem Vater zu einem sehr bekannten Chirurgen gebracht, der eine Schiene anbringen ließ und äußerliche Jodanwendungen verordnete.

Nach mehreren Wochen war das Daumengelenk immer noch steif, unbrauchbar und empfindlich, und die Patientin, die ihren Zustand und die erfolglose Behandlung gründlich satt hatte, entschied sich, einen Knocheneinrenker zu konsultieren. Dieser äußerte sich auf die typische Art zu ihrem Fall und stellte anschließend mit einer einzigen scharfen Flexion und Extension ihr Wohlbefinden und die Gebrauchsfähigkeit ihres Daumens wieder her.

Das und einige andere, die ich noch erwähnen werde, sind Fälle, bei denen beste Chirurgenkunst versagt, die Methode eines Quacksalbers dagegen sofortige Erleichterung erzielt hat. Auf den folgenden Seiten werde ich beschreiben, welchen Prinzipien die Methoden des Knocheneinrenkens ihre heilende Wirkung verdanken und wie sich diese Prinzipien sicher und wissenschaftlich von den legitimierten Mitgliedern unseres Berufsstands anwenden lassen.

Über das (sogenannte) Knocheneinrenken - On Bonesetting

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