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BUSINESSKLEIDUNG UND MEDITATIONSKISSEN

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IM ERSTEN MOMENT MAG ES NAHELIEGEN, sich vor die Wahl gestellt zu sehen: Möchte ich nach innen gehen und mich damit von der Welt abwenden oder möchte ich mich voll ins Leben stürzen und Erfolge, beispielsweise im Business, feiern? Beides zugleich scheint sich auszuschließen. Müssen wir uns also entscheiden?

Für manche Menschen gehört es durchaus zu ihren WEGEN ZUM ICH, starke Veränderungen in ihren äußeren Lebensumständen vorzunehmen. Wenn sie spüren, dass sie sich selbst irgendwo im Alltagsgeschehen verloren zu haben scheinen, lassen sie vielleicht Familie und Freunde, Arbeit und Besitz zurück, um ihr Leben vollkommen neu auszurichten. Zu diesem Zweck ziehen sich manche in die Abgeschiedenheit zurück, um sich ganz und gar ihrem Inneren zuzuwenden. Sie haben für sich erkannt, dass sie ihre zarte innere Stimme nur dann wahrnehmen können, wenn die lauten Eindrücke um sie herum (vollständig) verklungen sind.

Für diese Menschen ist es häufig sehr schmerzhaft, zu erkennen, dass sie für sich bisher (noch) keinen geeigneten Platz in dieser Welt gefunden haben, der zu ihnen zu passen scheint. Manche werden zu Aussteigern, die sich so konsequent wie möglich aus allem zurückziehen, was von außen auf sie einströmen und sie (über-)fordern könnte. Manche widmen ihr Leben der spirituellen Weiterentwicklung und treffen die Wahl, ihren Fokus dabei dauerhaft auf ihre eigene Innerlichkeit gerichtet zu halten. Soweit sie es können, vermeiden sie Ablenkungen von außen.

Wir müssen aber nicht unbedingt das eine wählen und dem anderen entsagen. Wir können Menschen in unserem Alltag inmitten des Spannungsfeldes aus persönlichem Leben und herausforderndem Business sein und dabei den Kontakt nach innen entdecken, halten und vertiefen.

Es ist also nicht zwangsläufig für jeden notwendig oder gar sinnvoll, das bisherige Leben hinter sich zu lassen. Viele Menschen entscheiden sich für WEGE ZUM ICH, die sie lediglich zeitweilig aus dem Trubel der Welt herausführen. Sie bleiben in ihren jeweiligen Lebensumständen und nehmen sich hier bewusst den Raum, um ihrem Inneren auf die Spur zu kommen.

Wie lange solche Phasen dauern, ist sehr unterschiedlich. Manche legen ein Sabbatical ein, andere besuchen Retreats, Exerzitien und Kurse und schaffen sich dadurch Inseln im Alltag. Wieder andere nehmen Bücher wie dieses zur Hand und üben ein, täglich nach innen zu gehen. Manche wählen eine Kombination aus unterschiedlichen Formaten und schaffen sich dadurch Rhythmen im Tages-, Wochen-, Monats- und Jahresverlauf. Diese erinnern sie fortwährend an eine bedeutsame Entscheidung, die sie für sich getroffen haben. Sie haben gewählt, ihrem eigenen Inneren Priorität beizumessen. Infolgedessen bestimmen nicht vornehmlich die äußeren Umstände über ihr inneres Befinden. Für sie ist es umgekehrt, sodass ihr inneres Dasein ihr äußeres Erleben prägt. Was bedeutet das konkret?

ES IST EINE ENTSCHEIDUNG, DEM EIGENEN INNEREN PRIORITÄT EINZURÄUMEN, UM VON INNEN NACH AUSSEN ZU LEBEN.

Wenn Sie diese Zeilen lesen, darf ich vermutlich davon ausgehen, dass Ihre täglichen Grundbedürfnisse derzeit (weitgehend) befriedigt sind. Sie gehören wahrscheinlich zu den privilegierten Menschen, die Zugang zu sauberem Trinkwasser, zu Nahrung, Obdach und Bildung haben. Sobald wir uns nicht mehr mühevoll um unser Überleben sorgen müssen, entsteht Raum, um unser Leben zu gestalten. In einer Gesellschaft, in der Wohlstand allgegenwärtig ist und (fast) alles unmittelbar verfügbar erscheint, erweitern sich die Wünsche nach mehr Komfort, mehr Besitz und mehr Erlebnis.

Werbung setzt genau hier an, nämlich bei dem Wunsch nach einem rundum bequemen und sorglosen äußeren Leben. Sie suggeriert, dass wir einem entsprechenden Lebensgefühl näherkommen können, wenn wir beispielsweise dieses oder jenes Produkt konsumieren. Zusätzlich zu Besitztümern spielen in unserer Leistungsgesellschaft Ansehen und Status eine Rolle. Menschen werden danach beurteilt, was sie in ihrem Leben bereits erreicht haben, welche Position sie bekleiden und welchen Einfluss sie auf ihr soziales Umfeld haben.

Allzu leicht geschieht es, sich in Abhängigkeit von derlei Äußerlichkeiten zu begeben. Wer seinen Wert als Mensch an Leistung, Besitz und Status hängt, wird vielleicht sogar zeitweilig berufliche Erfolge aufweisen und seinen materiellen Wohlstand ausbauen. Der Preis, der dafür zu zahlen ist, besteht häufig in einem unfreien Leben, das nicht selten existenzielle Ängste auslöst und nährt. Der Mensch ahnt, dass er tagein, tagaus in Vergängliches investiert, wenn er seinen Wert mit Können, Ansehen und Wohlstand verwebt. Der Tag wird kommen, an dem alle äußeren Reichtümer und Trophäen wertlos sind. Was bleibt dann noch von ihm und seinem Wert übrig, wenn all das weggebrochen ist, was ihn reich und glücklich gemacht zu haben schien?

Wir haben also ständig etwas zu verlieren, wenn wir den Symbolen unserer äußeren Existenz zu viel Bedeutung verleihen und ihnen nachjagen. Wenn wir das nicht möchten, müssen wir nicht unbedingt auf physischen Komfort, Karriereerfolg und ein gefülltes Bankkonto verzichten. Entscheidend ist vielmehr, diesen Äußerlichkeiten nicht die Macht zu geben, über den Wert unseres Menschseins zu entscheiden.

Wir können uns klarmachen, dass Leistung, Besitz und Status kommen und gehen. Damit erklären wir uns mit ihrer Vergänglichkeit einverstanden. Wir wissen, dass wir diese Erde genauso nackt und mit leeren Händen wieder verlassen werden, wie wir einst gekommen sind. Deswegen lassen wir uns nicht länger von äußeren, vergänglichen Dingen, Ansichten und Erfahrungen beherrschen. Wir verankern die Herrschaft über unser Leben fest in unserem inneren, unvergänglichen Wesenskern. Dadurch leben wir frei von innen nach außen. Dann können wir das Spiel des Lebens spielen, ohne Angst davor zu haben, zu einem Verlierer zu werden. Wir wissen:

WER NACH INNEN GEHT, KANN NUR GEWINNEN.

Wer die Wahl trifft, in der Welt zu bleiben und von innen nach außen zu leben, wird sich immer wieder von Tendenzen loszusagen haben, die suggerieren wollen, dass sein Heil vielleicht doch in den schönen Dingen dieser Welt liegt. Da er der Welt nicht den Rücken zukehrt und sich ihr deshalb auch nicht vollständig entzieht, wird der dafür empfängliche Teil im Menschen – das Ego – immer wieder in Versuchung geführt. Dem Ego sind die vergänglichen Reichtümer kostbar. Es will nicht von ihnen ablassen, weil sie die Requisiten in den Geschichten sind, die es dem Menschen über sich selbst und andere erzählt.

Deshalb ist es wichtig, wachsam zu sein und immer wieder neu und konsequent die Entscheidung für die eigene Innerlichkeit zu bekräftigen. Es lässt sich trainieren, von innen nach außen zu leben, statt sich in Äußerlichkeiten zu verlieren. Eine solche Haltung einzuüben, mag nicht immer einfach sein, es ist aber lohnenswert. Diese Landkarte bietet zahlreiche gedankliche und praktische Impulse, um die eigene Lebenshaltung zu überprüfen und neu auszurichten.

Wer in seinem eigenen Inneren Heimat gefunden hat, wird das Spiel des Lebens früher oder später durchschauen. Es wird ihm auffallen, sobald sich das Ego wieder regt, und er wird es konsequent in seine Schranken weisen. Er ist dann kein unruhig Suchender mehr, der dort draußen einen Ort der Einkehr und des Schutzes zu finden hofft und deshalb empfänglich für die Versprechungen der äußeren Welt ist. Er hat sich fest in sich selbst gegründet.

Die Augen desjenigen, der sein Glück nicht mehr außen sucht, wirken wie Tore zu einer friedvollen Seele. Wissende Lachfältchen umspielen diese Augen, die Zeugnis davon ablegen, dass der Mensch, der durch sie in die Welt schaut, sie im wahrsten Sinne des Wortes durch-schaut. Er hat das Ringen um Erfolge in dieser Welt als das erkannt, was es ist: ein Spiel. Er verschmäht dieses Spiel nicht, weil er weiß, dass er dann zu seinem Sklaven würde. Er versteht es hingegen, dieses Spiel zu beherrschen, statt sich von ihm beherrschen zu lassen. Er weiß, dass es ihn rastlos machte, wenn er es zu ernst nähme und dass es ihn verfolgte, wenn er es verachtete. Also lebt er mit ihm und in ihm, ohne das Spiel und sich selbst zu wichtig zu nehmen.

Er hat etwas Kindliches, aber nichts Kindisches. Die Lippen eines wachen Menschen formen ein leichtes Lächeln, das um den Wert von innerer Versenkung, Selbstzentrierung und Einkehr ebenso weiß wie um den von Disziplin, Entschiedenheit und konsequentem Handeln. In sich vereint der Spieler des Lebens die selbstbestimmte Entschlossenheit eines siegessicheren Kämpfers mit der vertrauensvollen Hingabe eines entdeckenden Kindes.

EIN SPIELER DES LEBENS IST SIEGESSICHER, WEIL ER ES VERSTEHT, VON INNEN NACH AUSSEN ZU LEBEN.

Wer zu einem solchen Spieler des Lebens werden möchte – und wir alle haben das Potenzial dazu –, darf sich ganz praktisch darin üben, sich im Alltag immer genauer zu beobachten und zu befragen: Wann fühle ich mich in mir selbst gut beheimatet? Wie achtsam gehe ich mit mir und meinen Mitgeschöpfen um? Wie gelassen und friedvoll reagiere ich auf unvorhergesehene Situationen? Wie viel Dankbarkeit empfinde ich für die kleinen und großen Schätze in meinem Leben? Wie sehr gelingt es mir schon, Zeiten der inneren Einkehr mit der Geschäftigkeit meines Alltags zu verbinden?

In allem Fragen, Nachdenken, Fühlen und Handeln geht es schließlich darum, innen und außen klug miteinander zu verbinden. Wie Sie Transzendenz und Weltlichkeit miteinander ausbalancieren können, lässt sich ganz praktisch auf den Punkt bringen: Gehen Sie nach innen, üben Sie sich in Mitgefühl und Vergebung, überwinden Sie Grenzen des Sichtbaren, senden Sie Licht und Liebe in diese Welt und putzen Sie Ihr Bad, geben Sie Ihrem Leben Struktur, begleichen Sie Ihre Rechnungen und gehen Sie Ihrer Arbeit nach.

Wenn Sie trainieren, in diesen und anderen Alltäglichkeiten mit Ihrem Inneren in Kontakt zu bleiben, werden Sie mit der Zeit mehr und mehr feststellen, dass sich innen und außen weniger stark unterscheiden, als Sie es vielleicht einmal annahmen. Die Tätigkeit des Badputzens kann beispielsweise so achtsam durchgeführt werden, dass sie zu einer kontemplativen Übung wird. Dadurch schulen Sie sich nicht nur in Versenkung, sondern auch das Bad wird deutlich sauberer, als wenn Sie es mit Groll geputzt hätten. Wenn es also an der Zeit ist, das Bad zu putzen, dann können Sie es auch mit Hingabe tun und dabei sogar Glück empfinden. Es mag komisch klingen, aber selbst das Bad kann durch die Art und Weise, wie sie mit ihm umgehen, zu einem Resonanzraum für Innenschau werden.

Auch Ihre Arbeitsstunden geben Ihnen die Möglichkeit, Ihr inneres Wesen in das einzutragen, was Sie tun. Vielleicht kennen Sie diese Momente, in denen Sie das erleben, was gemeinhin unter »Flow« verstanden wird. Es ist ein erhebendes und zugleich sehr geerdetes Gefühl, wenn Sie mit voller Konzentration einer Tätigkeit nachgehen und zugleich in einem starken Kontakt zu Ihrem Inneren stehen. Dann gehen Sie ganz und gar in diesem Moment der konzentrierten Vertiefung auf und die Ergebnisse, die Sie in solchen Phasen erzielen, sind von höchster Qualität.

Dies sind (kleine) Meilensteine. Es sind alltägliche Erfahrungen, die Sie machen können, wenn Sie von innen nach außen leben. Je mehr Sie trainieren, den Kontakt nach innen zu halten, desto selbstverständlicher wird es Ihnen einstweilen erscheinen, Ihre innere Weisheit in Angelegenheiten des äußeren Lebens um Rat zu fragen. Sie werden erleben, wie sich Qualität und Tiefe Ihres Lebens intensivieren lassen, wenn sich die Intelligenz des Verstandes mit der Weisheit der inneren Quelle verbindet. Diese Verbindung ermöglicht es Ihnen, zwischen Businesskleidung und Meditationskissen zentriert zu bleiben.

Es liegt bei Ihnen, Ihr Inneres zu erforschen und zu üben, seine Schönheit und Stärke auch im äußeren Leben sichtbar werden zu lassen. Wie lässt sich der Zugang zu Ihrer inneren Landschaft nun konkret anbahnen?

SELBSTERINNERUNG

Ich kann ein Spieler des Lebens sein, der sich auch in seinem äußeren Leben von seiner inneren Weisheit leiten lässt.

Wege zum Ich

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