Читать книгу Asche zu Asche, Sterne zu Staub - Wiebke Schmidt-Reyer - Страница 15

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5Arme Mary Agnes! Es war in ihren Plänen nicht vorgesehen, dass Auguste eine Stelle als Privatsekretärin annahm. Sie hätte zurück nach Hause kommen, auf dem Weg die Familie in London besuchen und eine Weile bleiben sollen, idealerweise einen jungen Mann kennen lernen. Aber Charly kam noch nicht einmal bis London. Der Krieg riet von einer Rückkehr nach Deutschland ab, und noch bevor irgendjemand sich Gedanken machen konnte, was aus Charly werden sollte, rief Miss McInnes, die Mathematiklehrerin, sie zu sich in ihr Büro. „Charly“, begann Miss McInnes das Gespräch, „ich kann mir vorstellen, dass der Gedanke an den Abschluss beunruhigend für dich ist.“

Charly sah sie verständnislos an. Sie hatte keine Angst vor dem Abschluss. Sie war eine gute Schülerin, und die Prüfungen versetzten sie nicht in Schrecken. Sie hatte keine Vorstellung, worauf die Frage abzielte, aber sie wollte weder brüsk noch zu selbstsicher wirken. „Danke, Miss McInnes, natürlich sind es wichtige Prüfungen, und man muss sich gut darauf vorbereiten. Aber ich bin mir sicher, alles zu bestehen. Ich habe nie im Unterricht gefehlt und alles gut gelernt.“

„Nein, nein, so meine ich das nicht“, verteidigte sich Miss McInnes hastig. „Du bist eine gute und fleißige Schülerin. Sicher wirst du als eine der Besten deines Jahrgangs abschließen. Was ich meine …“ Sie zog das letzte Wort in die Länge und blickte aus dem Fenster, als hätte etwas da draußen ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Den Blick aus dem Fenster gerichtet, sprach sie weiter: „Was ich meine, ist, dass du nach dem Abschluss nicht mehr hierbleiben kannst.“ Sie sah Charly fast ein wenig bittend an, als flehe sie sie an, doch von alleine zu verstehen.

„Nein, natürlich nicht“, antwortete Charly ein wenig verwirrt angesichts dieser sich selbst erklärenden Tatsache. „Nach dem Abschluss ist die Schulzeit zu Ende.“

„Ja“, sagte Miss McInnes und erst mal nichts weiter und verwirrte Charly damit noch ein wenig mehr. Nach einer Pause seufzte sie einmal tief, sah Charly offen an und sagte: „Hast du vor, nach Deutschland zurückzukehren?“

Als Miss McInnes Deutschland aussprach, hörte Charly es in seiner Bedeutung von Feind, und endlich verstand sie, dass sie von dem Moment an, da sie Fenmoore verließ, ungeschützt sein würde. Fenmoore hatte sie unter seine Fittiche genommen, hatte ihr Asyl gewährt und sie vor ihrer Herkunft geschützt, die sie durch ihre perfekte Eingliederung und ihren Akzent, der sich in nichts von dem ihrer Mitschülerinnen unterschied, vergessen machen konnte. Aber das Refugium währte nur so lange, wie sie hier zur Schule ging. An dem Tag, da sie Fenmoore verließ, wurde sie zur Feindin des Landes, das sie während der vergangenen Jahre so gut behandelt hatte.

Miss McInnes sah sie unverwandt an; vielleicht wartete sie tatsächlich auf eine Antwort; vielleicht wartete sie nur ab, dass Charly ihre Worte verarbeitete. „Ich weiß nicht“, sagte Charly und wandte den Blick aus dem Fenster, wo Miss McInnes zuvor hingestarrt hatte. „Ich sollte nach London zur Familie meiner Mutter fahren und dann weiter nach Hause. Aber …“ Sie blieb das Ende des Satzes schuldig.

Miss McInnes sah an Charly vorbei, als wäre die Konversation leichter, wenn sie einander nicht anschauten, wie ein Pfarrer und ein Sündiger im Beichtstuhl. „Ich habe einen Vorschlag für dich“, begann sie, „aber du musst dich sofort entscheiden oder das Angebot geht an jemand anderen. Es gibt einen älteren, sehr wohlhabenden Herrn in Schottland, dessen Schwester hier mal unterrichtet hat. Er schreibt uns alle paar Jahre, wenn er eine Privatsekretärin sucht, ob wir ihm eine gute Abgängerin empfehlen können. Seine letzte Sekretärin ist gerade gegangen, weil sie heiratet, und nun sucht er eine neue. Er zahlt anständig und behandelt seine Angestellten gut. Er lebt irgendwo in den Highlands, weit weg von allem. Dort kümmert es niemanden, dass du aus Deutschland kommst. Ihn selbst am allerwenigsten. Ich glaube, er mag die Deutschen sogar.“ Sie machte eine Pause, wie um zu sagen, dass jeder das mit sich selbst ausmachen müsse. „Du könntest für ihn arbeiten und dort leben. Es wäre eine Lösung wenigstens für eine Weile, bis man weiß, wie alles weitergeht.“

Miss McInnes schwieg. Charly verstand, dass sie das Protokoll umging, indem sie ihr die Stelle zuerst anbot. Sicher hätte sie einen Aushang machen müssen oder das Angebot laut beim Abendessen vorlesen, damit alle Mädchen eine Chance bekamen, sich zu bewerben. Sie verstand, dass Miss McInnes gerade einen Rettungsring für sie auswarf und dass sie danach greifen musste. Sie sahen einander nach wie vor nicht an. Wenn Charly jetzt das Falsche sagte, würde Miss McInnes sich erheben und so tun, als habe das Gespräch nie stattgefunden.

Charly nickte. „Ich würde die Stelle sehr gerne antreten“, sagte sie. Dann, und sie machte den einfachen Satz so lang wie möglich, um mehr Worte zu haben, in die sie ihre Dankbarkeit legen konnte: „Ich danke Ihnen herzlich, Miss McInnes.“

Die Lehrerin nickte wohlwollend und sah Charly nun direkt an. Dann erhob sie sich geschäftig. „Gut, das freut mich. Ich bin mir sicher, dass du die Stelle hervorragend ausfüllen wirst. Ich werde Mister Erskine informieren, dass du nach den Prüfungen zu ihm kommst.“

Das Gespräch war damit beendet. Charly erhob sich und schickte sich an zu gehen. Als sie schon fast bei der Tür war, kam ihr ein Gedanke. Sie wandte sich um und wollte Miss McInnes die Frage stellen, die ihr auf der Zunge brannte: Sie sind die Schwester dieses Schotten, nicht wahr? Die Schwester, die in Fenmoore unterrichtet. Er ist Ihr Bruder, und er hat überhaupt nur Ihnen geschrieben. Aber sie wollte ihren rettenden Engel nicht in Verlegenheit bringen, und so fragte sie einfach: „Darf ich fragen, wo Mister Erskine lebt?“

„Bei Ar…“, und dann folgte ein gutturaler Laut, aus dem Charly beim besten Willen keine Buchstabenfolge heraushören konnte. Vielleicht war noch nicht einmal der erste Buchstabe ein A. Sie traute sich aber nicht nachzufragen. Miss McInnes deutete ihren verwirrten Blick richtig. „Es gibt eine größere Stadt in der Nähe, aber auch das ist nicht wirklich nahe.“ Sie lächelte ein wenig schelmisch. „Es ist sehr friedlich dort.“

So reiste Charly gen Norden statt nach London und nach Hause, mit dem Zug nach Glasgow und dann mitten ins Herz der Highlands, durch das mystische Ödland von Rannoch Moor, wo sich der Himmel so dicht an den durchweichten Boden drückte, dass sich der Zug regelrecht zwischen oben und unten hindurchzwängen musste. Bis Dismal Downs sollte sie fahren, hatte Miss McInnes ihr gesagt, dort würde Mister Erskine sie abholen lassen. Als sie an der genannten Station, die aus nicht mehr als einer windschiefen Bretterbude bestand, ausstieg und sich umsah, sank ihr das Herz. Es war eine Sache, in einem Zug mit hoher Geschwindigkeit durch die Gottverlassenheit von Rannoch Moor zu brausen und die faszinierende Einförmigkeit, die unwirtliche Schönheit der Landschaft zu bewundern, eine ganz andere jedoch, hier die Fahrt zu beenden und sich dieser Abgeschiedenheit auszusetzen.

In dem Moment, da sie ihren Fuß auf den Bahnsteig setzte, erstarrte alles: Der Zug neben ihr schnaufte, stand aber regungslos. Kein Tier, kein Laut, kein Leben rührte sich, der Wind hielt inne, und die Wolken froren am Himmel fest, als sei die Natur selbst erschrocken, dass jemand in ihr monadenhaftes Dasein eindrang. Noch bevor Charly Zeit gehabt hatte, von ganz links nach ganz rechts zu schauen, schüttelte der Zug mit einem tiefen Seufzer seine Lähmung ab und setzte sich schwerfällig, dringlich, fast fluchtartig wieder in Bewegung, als verheiße der schnurgerade Schienenstrang nach Norden die einzige Rettung aus der Verlorenheit.

Wie aus dem Nichts trat ein dunkelhäutiger Mann auf Charly zu. Er trug einen dunkelblauen Wollmantel und eine Chauffeursmütze, die er zum Gruß zog. „Guten Tag“, sagte er deutlich, noch bevor er ganz bei ihr war. „Sie müssen Miss Ierschbach sein. Gestatten Sie, mein Name ist Madhukar. Mister Erskine hat mich geschickt, Sie abzuholen. Aber bitte, nennen Sie mich einfach Kenny.“

Charly starrte Kenny/Madhukar mit großen Augen an. Nicht im entferntesten war diese Gestalt dazu geeignet, sie davon zu überzeugen, dass sie an einen realen Ort mit realen Menschen gekommen war; seine Haut glatt, warm, samtig, braun wie eine Rosskastanie, seine Augen tintenschwarz, abgrundtief und herzensgut und seine Aussprache seltsam wattig. Voller Neugierde ergriff sie die Hand, die er ihr zur Begrüßung entgegenstreckte, und erwartete fast, dass sie sich als unwirklich herausstellen und sie ins Leere greifen würde. Aber wundersamerweise war die Hand Wirklichkeit, außen dunkel und rau, zart und hell auf der Innenseite.

Sie schüttelte sie andächtig und wollte gar nicht loslassen, ehe sie dieses Wunder nicht ausreichend bestaunt hatte. „Mein Name ist Charly“, stellte sie sich vor. Und dann noch, weil sie sich in all ihrer Verwirrung gerade noch rechtzeitig ihrer guten Erziehung besann: „Das ist sehr freundlich von Ihnen, dass Sie mich abholen.“

„Kommen Sie“, sagte Kenny mit melodischen Vokalen, „das Auto steht hier drüben.“

Er griff sich ihren Koffer und führte sie zu einem großen Auto, das im Windschatten des windschiefen Bahnhofschuppens geparkt war. Auf der Fahrt, die fast vierzig Minuten dauerte, erzählte Kenny ihr etwas über die Landschaft, durch die sie fuhren, und die Gegend, in der sie von nun an leben würde. Zu Charlys Erleichterung erfuhr sie, dass es eigentlich einen Bahnhof gab, der näher an Mister Erskines Anwesen lag, wo die Züge aber nicht so häufig hielten, weswegen man sie nach Dismal Downs hatte fahren lassen. Demnach schien ihre zukünftige Bleibe doch nicht ganz so weit entfernt von allem zu sein, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte.

Es war dann noch immer weit genug. Erskines Landsitz Grey Heron Hall lag auf einem sanft geschwungenen Highland-Hügel am Loch Unpronounceable, wie Kenny ihn vorstellte. Aufgrund seiner Aussprache wie unter Wasser dachte sie zunächst, das sei Gälisch und wirklich der Name des Sees. Als sie den richtigen Namen später geschrieben sah, verstand sie, warum er Loch Unpronounceable genannt wurde und nannte ihn dann ebenfalls nie anders. Kenny stoppte den Wagen vor dem großen Portal von Grey Heron Hall und stieg behände aus, um ihr die Tür aufzuhalten. Sie fühlte sich beschämt, wo sie doch auch eine Angestellte von Mister Erskine war und damit nicht bessergestellt als er. Aber da kam schon eine große, nein: dicke Frau die breit geschwungene Treppe hinunter und wedelte aufgeregt mit beiden Armen und Händen. Sie stellte sich vor als Mrs Titcum, Haushaltsvorstand und Feuerlöscher überall, wo’s brennt. Mrs Titcum war eine imposante Erscheinung, eine wogende Masse Mensch in grellen, großgeblümten Kleidern. Sie bewegte sich stets in einem leichten Trab durch die Gegend, der ihren gewaltigen Körper in wabernde Schwingungen versetzte, wobei nie ganz klar war, ob dieser Trott eine Notwendigkeit war, um ihr Gewicht überhaupt von der Stelle bewegen zu können, oder ob er das Resultat der in Bewegung geratenen Masse war. Ihr Herz aber stand im richtigen Verhältnis zu diesem gewaltigen Fleischberg, und als sie Charly an ihren Busen drückte und mit einer merkwürdig hohen Fistelstimme, die nicht zu ihren Ausmaßen und ihrem Damenbart passen wollte, willkommen auf Grey Heron Hall säuselte, fühlte Charly sich nicht bloß willkommen, sondern eher wie einst verloren und jetzt wiedergefunden. Sofort wusste sie, dass dies nicht das schlechteste Zuhause sein würde.

Es vergingen drei Tage, ehe sie dem Hausherrn und ihrem Arbeitgeber vorgestellt wurde. Am ersten Tag nach ihrer Ankunft heftete sie sich an Mrs Titcums Fersen und folgte ihr durch die Zimmerfluchten und Flure, bis ihr schwindelte und sie sich sicher war, sich in diesem verwinkelten, verschachtelten Haus nie zurechtzufinden. Am zweiten Tag führte Mrs Titcum sie in das Büro, einen unterkühlten, kargen Raum, in dem ein riesiger Schreibtisch prangte, und legte mehrere Aktenordner auf den Tisch, die von nun an ihre Arbeit sein würden. Charly verbrachte den Vormittag damit, sich in die Unterlagen einzulesen und ein wenig zu verzweifeln, bis sie nach dem Mittagessen mithilfe der Notizen, die ihre Vorgängerin hinterlassen hatte, das Ablagesystem zu begreifen begann. Am dritten Tag zeigte Simon, der Gärtner, ihr das Anwesen rund um Grey Heron Hall, was fast einen ganzen Tag in Anspruch nahm, denn Mister Erskines Ländereien waren ausladend. Ein Großteil des Landes lag brach und verwildert. Die spröde Moorlandschaft war von keinerlei Nutzen und ließ sich niemandem verpachten, aber Simon hatte wenigstens den Teil direkt ums Haus herum in so etwas wie einen Garten verwandelt, den er aufopferungsvoll hegte und pflegte.

Die Mahlzeiten wurden in der großen Gesindeküche eingenommen, aber selten waren alle Angestellten gleichzeitig anwesend, da ihre Aufgaben sie zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten beanspruchten. Außer Mrs Titcum, Kenny, dem Fahrer, und Simon, dem Gärtner, gab es noch Mister Titcum, der sich als Mrs Titcums Ehemann, natürlich vorstellte, ohne weiter auf seine Aufgaben einzugehen. Er und Mrs Titcum waren die einzigen Angestellten, die nicht im Haupthaus wohnten. Sie bewohnten ein eigenes kleines Häuschen an der großen Auffahrt, nicht weit hinter dem großen Haupttor. Dann waren da noch Celeste, das Zimmermädchen, die in Charlys Alter zu sein schien, Babette, die Köchin, die sich kaum auf Englisch verständigen konnte und daher die meiste Zeit für sich blieb, und Paddy, der Mister Erskines wenige verbliebene Reitpferde versorgte und als eine Art Faktotum fungierte.

Am vierten Tag, als Charly morgens das Büro betrat, um sich von neuem in die Papiere zu vertiefen, saß hinter dem Schreibtisch ein alter Mann, den sie sofort als Mister Erskine erkannte, da Mrs Titcum ihr seine Portraits in der Ahnengalerie gezeigt hatte. Er mochte einmal eine stattliche Erscheinung gewesen sein – groß und kräftig und mit aristokratischen, langen Gliedmaßen. Aber seine mittlerweile vierundneunzig Jahre hatten seine einst geschmeidige Gestalt gebeugt, seine Gesichtszüge in unendlich viele feine Falten gelegt und ihn auf sehnige sechzig Kilogramm Lebendgewicht reduziert. Ein wenig sah er aus, als könne man ihn mit wenigen Atemstößen wieder zu seiner ursprünglichen Größe und Fülle aufpusten, aber jetzt war die Luft raus. Geblieben waren ihm der wache Blick aus lebhaften braunen Augen und – ein rarer Segen in seinem Alter – ein Kopf voll dichtem Haar, so hellblond, dass es Menschen, die ihn nicht ihr Leben lang gekannt hatten, gar nicht auffiel, dass es nicht ergrauen wollte. Er saß am Tisch und sah ihr entgegen, als sie eintrat, und als er sah, dass sie erschrak und leicht zusammenzuckte, schickte er eine Art Lächeln über seine dünnen Lippen, um ihr das Unbehagen zu nehmen.

„Ich werde nicht aufstehen, auch wenn sich das gehören würde, wenn eine Dame den Raum betritt. Aber es fällt mir schwer, und ich hoffe, Sie haben Verständnis für das Alter“, sprach er mit einer vollen, kräftigen Stimme, die seinen Worten spottete.

„Natürlich, natürlich“, beeilte Charly sich zu sagen. „Stehen Sie bitte meinetwegen nicht auf.“

„Sie sind Charly.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.

Charly nickte und schickte dann, weil sie sich nicht sicher war, was sich gehörte, ein ja, Sir hinterher.

„Mein Name ist Alexander Erskine, aber das wissen Sie bereits.“ Einen Moment lang sah er sie sehr aufmerksam an, dann hob er den Blick zur Decke und sprach, die Augen nach oben gerichtet und in sehr sachlichem Tonfall weiter: „Ihre Aufgaben werden die Buchhaltung und die Korrespondenz sein. Fenmoore hat mir gesagt, dass Sie sehr fähig sind. Ich hoffe, Sie langweilen sich nicht. Es ist nicht sehr kompliziert. Das Mädchen vor Ihnen …“, er tippte auf den Ordner mit Anweisungen, den Charlys Vorgängerin hinterlassen hatte, „… hat alles aufgeschrieben. Jeden Mittwoch gehen wir gemeinsam die Unterlagen durch und was erledigt werden muss. Wann Sie das dann machen, bleibt Ihnen überlassen. Dies ist Ihr Arbeitszimmer. Wenn es Ihnen zu kalt ist, sagen Sie Mrs Titcum Bescheid. Wenn Sie mich an einem anderen Tag als Mittwoch sprechen müssen, sagen Sie ebenfalls Mrs Titcum Bescheid. Das sollte aber nur in Ausnahmefällen geschehen. Alles, was Sie sonst wissen müssen, sagen Ihnen Mrs Titcum und die anderen.“

Er hielt inne, dann stützte er sich mit den Händen auf die Tischplatte und erhob sich langsam und mühselig. Sein Körper und seine Stimme schienen zwei verschiedenen Menschen zu gehören. Wenn er sprach, wirkte er wach und kraftvoll wie ein dreißig Jahre jüngerer Mann. Aber seine Bewegungen waren langsam und zitterig. Charly dachte intuitiv, wie sehr es ihn ärgern musste, dass er körperlich nicht mit seinem klaren Kopf mithalten konnte, und war sich nicht sicher, ob sie ihn stützen sollte oder ob er selbst zurechtkommen wollte. Er griff nach einem Gehstock, der am Schreibtisch lehnte, machte eine einladende Handbewegung, wie um ihr zu bedeuten, dass der Schreibtisch nun zu ihrer Verfügung stand, und machte sich mit winzigen Schritten auf den Weg zur Tür. Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum und zog die Tür sanft hinter sich zu.

Charly nahm an dem großen Schreibtisch Platz und sah ihrem Arbeitgeber hinterher. Seine tiefe, feste Stimme und seine ruhige, knappe Art zu reden hatten ihr gefallen. Sie hätte ihm gerne noch weiter zugehört, aber er hatte alles gesagt, was er ihr zu sagen hatte, und nun war es an ihr, sich an die Arbeit zu machen. Sie saß den Vormittag hindurch über den Ordnern und Büchern. Das vorhergehende Mädchen hatte alles sorgfältig aufgeschrieben, und Charly war sich sicher, ihre Aufgabe bald ohne weiteres ausfüllen zu können. Da es unmittelbar nichts weiter zu tun gab, nahm sie sich den Nachmittag frei, steckte ihr Fernglas ein und unternahm einen Spaziergang in die nähere Umgebung von Grey Heron Hall.

Asche zu Asche, Sterne zu Staub

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