Читать книгу Tingas Reise durch Feuerland - Wiebke Sohst - Страница 7

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Guten Morgen, Feuerland!

„Haatschii, Haaatschiieee!“ Die ersten Sonnenstrahlen des Tages kitzelten Tingas Nase und er musste kräftig niesen. Ganz verschlafen drehte er sich noch einmal um und begrub seinen Kopf unter seinem weichen, buschigen Schwanz. „Es ist sicher noch viel zu früh zum Aufstehen“, dachte er. Ein mächtiges Gähnen brachte Tinga jedoch kurze Zeit später dazu, die Augen allmählich zu öffnen. Zuerst das rechte, dann das linke. Dann reckte und streckte er sich und kroch langsam aus seiner winzigen Erdhöhle ins Freie.

Dort, unter einem kleinen Busch, saß bereits Pichi. Wie jeden Morgen - nur einen Steinwurf von Tingas Bau entfernt.

„Hey Pichi, du unverbesserlicher Frühaufsteher, was ist das bloß für ein wunderschöner, sonniger Morgen heute!“, blinzelte Tinga. Das grelle Sonnenlicht blendete ihn. Er schüttelte sich, rieb sich den Schlaf aus den Augen und kratze sich mit der linken Hinterpfote an einem seiner Ohren. Um seinen verschlafenen Körper fit für den Tag zu bekommen, machte er einige flotte Gymnastikübungen. Anschließend streckte er die Vorderbeine über den Kopf in die Höhe, gähnte noch einmal und rief munter in die Landschaft: „Guten Morgen, Feuerland!“

Tinga war ein kleines Stinktier. Er hatte dichtes, schwarz-weiß gestreiftes Fell und eine rosa, leicht knubbelige Nase. Er war sehr sportlich. Am liebsten rannte er einfach so aus Spaß im Zickzack über die weitläufige Ebene. Das sah immer sehr komisch aus. Denn nur sein wehender, buschiger Schwanz lugte beim Laufen aus dem Gras hervor und verriet, wo er gerade entlang düste.

„Wenn du nicht immer so lange schlafen würdest, hättest du heute einen wunderschönen Sonnenaufgang beobachten können“, begrüßte Pichi ihn mit seiner hohen, näselnden Stimme. Er war damit beschäftigt, die im Gras liegenden Beeren gerecht aufzuteilen. Pichi war Tingas bester Freund. Er machte jeden Morgen für beide das Frühstück unter einem gelb blühenden Busch zurecht.

Für das Abendessen war dagegen Tinga zuständig. Die beiden trafen sich immer zu gemeinsamen Mahlzeiten. So brauchte jeder nur einmal am Tag auf Nahrungssuche gehen.

Pichi, ein Gürteltier, war etwas kleiner als Tinga. Sein harter Panzer, ähnlich wie der einer Schildkröte, war dünn und mit kleinen borstenartigen Haaren bewachsen. Sein Gesicht lief leicht spitz zu und war bis kurz vor der Nasenspitze mit einer Hornhaut bewachsen. Selbst der kleine schmale Schwanz war durch dicke Hornhaut geschützt. Zugegeben, Pichi könnte keinen Blumentopf bei einem Schönheitswettbewerb gewinnen. Aber seine kleinen pechschwarzen Augen funkelten verschmitzt. Und er wackelte zu gerne mit seinen lustigen, etwas abstehenden Ohren. Er war einfach ein pfiffiges, aufgewecktes Kerlchen.

Die beiden lebten in einer weitläufigen, landschaftlich schönen Ebene im Westen Feuerlands in Südamerika. Am Horizont tauchten ein paar Hügel auf, ansonsten war das Land in dieser Gegend flach. Bäume gab es weit und breit keine, nur ab und zu mal einen Busch.

In der Ebene wuchsen verschiedene Sorten Grasbüschel. Es gab graue, grüne, gelbe und braune Gräser. Auch einige Blumen und jede Menge merkwürdiger Pflanzen, die aussahen, wie große, flache Steine. Viele davon waren mit kleinen gelben Blüten übersät.

Die platte Landschaft hatte sich dem ewig wehenden Wind angepasst. Kaum eine Pflanze wuchs stark in die Höhe, denn je höher eine ragte, desto mehr wurde sie vom Wind durchgerüttelt. Und da Pflanzen Wind nicht so gerne mögen, wuchsen sie lieber in die Breite und bedeckten den Boden wie ein hübscher Teppich.

An diesem Morgen waren Tinga und Pichi besonders fröhlich, denn das Wetter meinte es heute sehr gut. Die Luft war angenehm mild. Pichi legte sich in die Sonne, die schon an Kraft gewonnen hatte, und seufzte zufrieden.

„Mmmmhhh, wo hast du denn diese leckeren Beeren gefunden?“, schmatze Tinga, der so etwas Feines lange nicht gegessen hatte.

„Tja, das ist mein Geheimnis.“ Pichi grinste vergnügt. Er freute sich, dass es seinem besten Freund so gut schmeckte. Dann hatte sich sein Morgenspaziergang zu dem weit entfernten Beerenbusch ja gelohnt.

Die beiden Freunde genossen das herrliche Frühstück und rätselten herum, wie wohl die schönen Farben von Sonnenauf- und -untergängen zustande kamen.

„Sag mal, Pichi.“ Tinga kaute schneller, weil er viel zu viel auf einmal in den Mund gesteckt hatte. „Was ist denn das da hinten am Himmel?“

„Na, der Sonnenaufgang jedenfalls nicht mehr, der ist vorüber.“ Pichi lehnte sich genüsslich an den Stamm des Busches und kaute nun auf einem Blumenstängel herum.

„Nein, nein, guck’ doch mal, da fliegt irgendetwas.“ Tinga legte beide Vorderpfoten um die Augen und starrte angestrengt in die Ferne.

Pichi folgte der Blickrichtung seines Freundes. Ganz weit entfernt konnte er einen kreisenden, schwarzen Punkt am Himmel erkennen. „Hm, was soll das schon sein? Ein Vogel oder eins dieser starren, lauten Ungetüme, die Professor Uhu Flugzeuge nennt.“

„Wohl eher ein Vogel. Der muss dann aber riesig sein!“ Tinga ließ die Pfoten sinken und schüttelte den Kopf. „Und er hat anscheinend irgendein Problem, er fliegt so planlos umher.“ Tinga legte sich ins Gras und streckte entspannt alle viere von sich. „Ach, egal.“

„Vielleicht ist es ein Raubvogel, der einfach nur nach Beute sucht.“ Pichi wollte genauer gucken und kletterte auf ein Grasbüschel. In der Hoffnung, von dort besser sehen zu können.

„Oh, das ist ein Kondor. Ganz bestimmt!“

„Ein Kondor? Du meinst einer dieser riesigen, seltenen Vögel?“ Tinga setzte sich begeistert auf. Diese Vögel sieht man nicht alle Tage. Sie haben tolle große Flügel und schweben herrschaftlich über die Landschaft hinweg. Eigentlich. Dieser hier machte ja nun nicht gerade einen entspannten Eindruck.

Pichi starrte weiter gebannt in die Luft. „Ja, und er kommt näher. Nein doch nicht. Hm, komisch, es sieht so aus, als wüsste er nicht, wo’s langgeht. Nach Beutefang sieht das nicht unbedingt aus.“

„Also hör’ mal“, sagte Tinga. „Ein Vogel weiß immer, wo es lang geht. Von da oben wird er ja wohl meilenweit sehen können. Vielleicht sogar bis ans Ende der Welt.“ Tinga hüpfte zu Pichi auf das Grasbüschel, fand jedoch keinen Halt. Wild mit den Vorderpfoten in der Luft rudernd, erfasste er in aller Not Pichis Schwanz, sonst wäre er hinuntergefallen. So war es aber auch nicht besser. Im Gegenteil! Tinga zog Pichi unsanft von seinem Aussichtspunkt und nun purzelten beide vom Grasbüschel.

„Tiiingaaa, du Idiot, was machst du denn?“, schimpfte Pichi. Sie lachten und halfen sich gegenseitig hoch. Klopften sich ordentlich den Dreck vom Körper und schauten noch einmal zum Himmel hinauf. Der Vogel kam mal näher, mal entfernte er sich. Mal flog er in die eine, mal in die andere Richtung. Die beiden kümmerten sich nicht weiter darum. Es gab schließlich noch jede Menge zu tun.

Tinga fing an, seine Behausung aufzuräumen, und Pichi machte sich auf zum nächsten Bach, um ein Bad zu nehmen.

Er war bereits einige Meter gelaufen, da rief ihm Tinga hinterher: „Pichiiii, wann kommst du denn heute Abend?“

Das kleine Gürteltier drehte sich um. „Etwas früher als sonst, damit wir in Ruhe essen und rechtzeitig zum Lagerfeuer-Treffen gehen können!“ Pichi winkte noch einmal, dann setzte er seine Wanderung zum Bach fort.


Tingas Reise durch Feuerland

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