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Sonntag, 06. Juli 2014

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Stille lag über dem Jagstufer, und die sommerliche Landschaft wirkte absolut friedlich. Träge trieb die Strömung kleine Äste voran, nur hier und da hörte man ein Blubbern und kleines Plätschern der Fische. Kein Laut deutete jedoch darauf hin, dass hier Menschen waren, und hätte man die Augen geschlossen, so wäre man völlig überzeugt gewesen, hier mutterseelenallein in der Hohenloher Wildnis zu sein, fernab von jeglichem Trubel. Und doch war das Ufer des Flusses bevölkert. Gut 20 Männer saßen am Ufer, die meisten auf beängstigend fragil wirkenden Klappstühlen oder Hockern. Und alle waren still. Denn heute war Königsfischen des ASV Crailsheim, jenes Kräftemessen, bei dem der neue Fischerkönig des Angelvereins bestimmt wurde. Und jeder der Männer, die das Ufer der Jagst säumten, hatte vor, den Titel zu erringen.

Heinz Hintermann nahm einen zappelnden Tauwurm und spießte ihn auf den Haken. Sofort begann das große, speckig glänzende Tier, sich aufgeregt zu winden. Hintermann nickte. Prima. Das würde sich gut machen unter Wasser. Unwiderstehlich sein für einen fetten Spiegelkarpfen, der hoffentlich beißen würde. Er schielte kurz nach links und rechts. Neben ihm saßen Walter Siegler, der alte Fischerkönig, und Harald Zundel, sein härtester Konkurrent. Lass dich nicht ablenken, ermahnte sich Hintermann, konzentrier dich, das hier ist wichtig. Denn immerhin war das Königsfischen nur einmal im Jahr, nur einmal im Jahr gab es die Chance, sich als der beste Fischer des ASV Crailsheim zu beweisen und dann ein Jahr lang den Titel zu tragen. Fischerkönig. Das wäre schon was. Hintermann prüfte den Sitz der Spaltbleie, die den Tauwurm nach unten ziehen würden, wo die fetten Spiegelkarpfen gründelten. Denn beim Königsfischen war es wichtig, den größten Fisch zu fangen. Den schwersten. Welche Art, war vollkommen egal. Und Nummer Sicher waren auf jeden Fall Spiegelkarpfen, denn die wurden 20 Pfund und schwerer. Hintermann überblickte die Oberfläche der Jagst, schirmte seine Augen mit der flachen Hand vor dem allzu gleißenden Sommerlicht ab. Da. Da hinten. Luftblasen, die von einem Karpfen stammen könnten! Der Angler holte zum Überkopfwurf aus und positionierte den Köder mit einem leisen, aber peitschenden Wurfgeräusch gerade an der Stelle, wo er den Karpfen vermutete.

Harald Zundel beobachtete die Anstrengungen seines unmittelbaren Nachbarn. Hintermann ging auf Spiegelkarpfen, das war keine schlechte Idee. Aber ihm war das zu langweilig. Denn er liebte die Herausforderung. Spiegelkarpfen! Pah. Das waren Friedfische, langweilig bis zum Gehtnichtmehr. Gut, ein fetter Karpfen war unter Umständen ein würdiger Gegner. Aber die Wahrscheinlichkeit war hoch, eben statt eines riesigen Exemplars einen kleineren Fisch herauszuziehen, der für den Wettbewerb vollkommen nutzlos war. Er selbst ging auf Hecht. Nahezu mechanisch fasste er neben sich in den Eimer mit den Fetzen von kleinen Fischen. Hechte liebten Fischfetzen. Mit konzentrierter Ruhe befestigte Zundel den Fischkadaver am Haken, indem er ihn mehrfach aufspießte. Das wäre der perfekte Happen für einen riesigen Hecht. Er überprüfte den Sitz des Stahlvorfachs. Dies war nötig, um den großen Raubfisch daran zu hindern, die Schnur einfach durchzubeißen und abzuhauen. Gut so. Mit Schwung warf er die Angel in Richtung des anderen Ufers aus. Denn Hechte lauerten dort im Dickicht der Unterwasserpflanzen. Sie waren Jäger, wie er, Harald Zundel, einer war.

Walter Siegler betrachtete das zuckende Wurmbündel an der Angelschnur. Er nickte zufrieden. Dieser Tag war wichtig für ihn, sehr wichtig. Denn es ging um die Titelverteidigung. Es wäre eine rechte Schande, den Titel abgeben zu müssen, womöglich noch an so einen Nichtskönner wie den Hintermanns Heinz oder einen Hippie wie den Zundels Harald. Nein, das durfte nicht passieren. Siegler wischte sich den Schweiß von der Stirn, ein heißer Tag war das heute, sehr heiß. Und warum sollte jetzt, Anfang Juli, nicht ein richtig fetter Wels beißen. Welse waren eine echte Herausforderung. Gut, es war relativ unwahrscheinlich, hier an dieser Stelle ein 30-Pfund-Prachtexemplar aus der Jagst zu holen. Aber trotzdem, zwischen 0 und 30 gab es ja schließlich alles, und jeder Wels toppte einen läppischen Spiegelkarpfen oder einen popligen Hecht, auf den der Zundels Harald ja wohl ging. Und ein Bündel Tauwürmer war nun mal der beste Köder für Welse. Sie bewegten sich, wanden und drehten sich. Und das würde garantiert jeden Wels hinter dem Ofen bzw. zwischen dem Grundbewuchs hervorlocken. Das Kevlarvorfach saß auch. Der Fisch hätte keine Chance. Mit Schwung warf er den graubraunen Köder in das Wasser der Jagst. Er musste den Titel behalten. Es durfte nicht schiefgehen. Was würden denn da die Leute sagen.

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