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Samstag, 09. August 2014

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Die Kette um seinen Hals klimperte. Es war ein vertrautes Klimpern, eines, das ihm in diesem Jahr lieb geworden war. Und obwohl die Kette schwer und unhandlich war, trug er sie gern, denn sie wies ihn als König aus, als Fischerkönig, um genau zu sein. Walter Siegler seufzte schwer. Ein ganzes Jahr hatte er die Kette tragen dürfen, so war es der Brauch. Bis der neue Fischerkönig gekrönt wurde, und das wäre morgen beim Sommernachtsfest des ASV Crailsheim der Fall. Dieses Jahr hatte es der Heinz geschafft, naja, so war eben das Leben. Es war ja nicht so, dass er die Kette ununterbrochen getragen hätte in diesem Jahr. Auf keinen Fall, das wäre ja albern. Aber zu besonderen Gelegenheiten, ja, das schon. Hauptsächlich natürlich zu Veranstaltungen des ASV. Wieder seufzte er, und die Kette hob und senkte sich auf seiner schmalen Brust. Er schloss die Tür des Fischerheims und ließ seinen Blick wohlwollend über die Landschaft schweifen. Ruhig und friedlich lag der Asbacher Weiher vor ihm. Die Schwere des Spätsommers hatte sich über die Szenerie gelegt. Ohrenbetäubendes Grillenzirpen schwängerte die Luft. Mückenschwärme schwirrten im hellgoldenen Licht. Es war Abend geworden, und er liebte die Abende im August. Abwesend spielten seine Finger mit den Kettengliedern. Eine lieb gewordene Angewohnheit, die er sich ab morgen wieder würde abgewöhnen müssen. Aber so schlimm war es nun auch nicht. Denn schließlich gäbe es im nächsten Frühsommer wieder ein Königsfischen, und dann hätte er die Chance, die Trophäe zurückzuerobern. Und er würde es schaffen, jawohl. Er warf einen letzten Blick auf das Fischerheim, wo morgen die verhängnisvolle Zeremonie stattfinden würde. So war eben das Leben, sagte er sich und machte sich auf den Weg zu seinem Wagen. Er umrundete die kleine Allee und ging auf seinen Mercedes zu. Walter Siegler bemerkte nicht, dass ihm jemand huschend folgte. Erst, als sich die Fischerkönigskette um seinen Hals schlagartig zuzog, ein brennender Schmerz seine Kehle durchfuhr und seine Augen aus ihren Höhlen quellend hervortraten, wusste er, dass es vorbei war.

Irina Siegler wartete. Sie wartete auf ihren Mann. Sie hatte keine Ahnung, wo er war. Er ging abends oft alleine in die Kneipe nach Crailsheim. Er musste in die Stadt, denn in Goldbach, dem Dorf, in dem sie lebten, hatte die letzte Wirtschaft schon vor Jahren dichtgemacht. Es war nicht so, dass sie ihn wirklich vermisste. Oder sich ehrlich um ihn sorgte. Es war eher Gewohnheit. Eine Art Pflichtbewusstsein. Lästiges Pflichtbewusstsein. Sie sah auf die Uhr. Halb drei. So spät war er schon lange nicht mehr nach Hause gekommen. Sein Handy war aus, was aber nicht unüblich war, er war eben nicht der Typ für die modernen Medien. Vielmehr gehörte Walter gerade jener Generation an, die einen Tick zu alt dafür war. Sicher, er hatte ein Handy. Aber es war so gut wie nie an. Irina ging ins Kinderzimmer, wo die Kleine selig in ihrem Bettchen schlummerte. Ein hübsches Kind war ihre Viktoria, ein liebes Kind. Soeben lächelte Irinas Tochter im Schlaf und sah aus wie ein kleiner Engel. Die Mutter streichelte dem Mädchen die verschwitzten blonden Locken aus der Stirn und ging zurück ins Wohnzimmer, von wo aus sie die Garageneinfahrt einsehen konnte. Ein seltsames Gefühl beschlich sie, ein latentes Unwohlsein, das sich in ihrem Bauch festsetzte. Wenn nun etwas passiert wäre? Wenn der Walter nicht mehr nach Hause käme, nie wieder vielleicht? Oder wenn Alex doch …, nein, das könnte er nicht. Sie starrte zum Fenster hinaus, vorbei an den unsagbar hässlichen olivgrünen Vorhängen, die hatten bleiben müssen, weil sie schon immer da gewesen waren und da gut hingen. Die Vorhänge waren schon länger da als sie und hatten sozusagen Vorrang. Irina war neu und hatte sich anzupassen. Wenn der Walter nie wiederkäme – würde es ihr etwas ausmachen? Oder wäre es ihr egal, gleichgültig, würde sie sich auch hier fügen, gerade so, wie sie sich in ihre Hochzeit gefügt hatte? Sie schaute, ob vielleicht draußen der vertraute Lichtkegel des protzigen Mercedes erschien oder ob der kraftvolle Motor der Karosse in der Ferne zu hören war. Aber sie lauschte und schaute vergeblich. Kurz vor drei beschloss sie, ins Bett zu gehen. Vielleicht war der alte Sack doch noch in die Mauerklause gegangen.

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