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III. Der Verfasser der Schrift
ОглавлениеDie Tradition vom kleinasiatischen Johannes.
Literatur. Zur allgemeinen Orientierung vergleiche man die umfangreichen Literaturnachweise bei Holtzmann, Einleitung² 445ff. und namentlich 475f.; E. Schürer, über d. gegenwärtigen Stand der johanneischen Frage 1889; A. Meyer, die Behandlung der johanneischen Frage im letzten Jahrzehnt. Theol. Rundschau II 1899, 255-263. 295-305. 333-345. Von älteren Arbeiten, die den Lösungsversuch in der unten ausgeführten Richtung versuchten, nenne ich Scholten, der Apostel Johannes in Kleinasien; aus neuerer Zeit vor allem Hugo Delff, das vierte Evangelium 1890. (vgl. bereits Grundzüge der Entwicklungsgeschichte der Religion² 1886; die Gesch. des Rabbi Jesu von Nazareth 1889, S. 69). In neuester Zeit ist die Frage Gegenstand besonders eindringender Untersuchung geworden, so daß die ältere Literatur antiquiert erscheint. Ich nenne: P. Corßen, Monarchianische Prologe zu den vier Evangelien 1896. — A. Harnack, die Chronologie der altchristl. Literatur I 1897 320-381. 656-680. — P. Corßen, warum ist d. vierte Evangelium für ein Werk des Apostels Johannes erklärt worden? Ztschr. f. neut. Wissensch. II 1900, 202ff; Die Töchter des Philippus, ebend. 289ff. — Th. Zahn, Forschungen zur Gesch. des Kanons VI 1900: Apostel und Apostelschüler in der Provinz Asien. — J. Weiß, das älteste Evangelium 1903. — F. L. Gutjahr, die Glaubwürdigkeit des irenäischen Zeugnisses über die Abfassung des vierten kanonischen Evangeliums 1904. — E. Schwartz, über den Tod der Söhne Zebedäi. Ein Beitrag zur Geschichte des Johannesevangeliums. Sonderdruck aus Abhandl. d. Gött. Gesellsch. d. Wissensch. N. F. VII 5. 1904. — J. Weiß, die Offenbarung des Johannes 1904. 155-164. — W. P. Badham, American Journ. of Theol. 1899, 729ff.; 1903, 539ff. — P. W. Schmiedel, Art. „John“ in Encyclopaeodia Biblica II 2503ff. — Bakon, Hibbert Journal. 1904, 323ff. — Für weitere Details der Untersuchung verweise ich auf meinen Artikel: Der Verfasser des Johannesevangeliums, Theol. Rundsch. VIII 1905, 225-244. 277-295. — Die Ausführungen von A. Hilgenfeld, der kleinasiatische Johannes und W. Bousset, Z. w. Th. XLVIII 1905, S. 560-567, vgl. auch ebendort S. 527ff., — und C. Clemen, the sojourn of the apostle John at Ephesus, American Journal of Theol. VIII 1905, 643-676 geben mir zu Änderungen im folgenden keinen Anlaß.
I. Der Verfasser der Apk nennt sich selbst 1,4.9; 22,8 Johannes. Wer war dieser Johannes? Er bezeichnet sich nicht als Apostel, sondern als Knecht Christi, Bruder und Genosse der Gemeinde. Doch ist diese Selbstbezeichnung an sich kaum ein Zeugnis gegen den Apostelrang des Verfassers. Dagegen könnte — die Einheit der Schrift einmal vorausgesetzt — eher sprechen, daß der Verfasser (21,14) so ganz fremd von den zwölf Aposteln des Lammes spricht. Noch mehr spricht dagegen, daß der Apokalyptiker in erster Linie Prophet sein will und seine Würde als Prophet sehr stark betont (vgl. Abschnitt V). Schließlich wäre ja auch noch die Frage zu erörtern, ob der Selbstanspruch der Apk berechtigt ist, oder ob nicht auch sie, wie alle apokalyptischen Schriften, unter das Gesetz der Pseudonymität fällt. Doch kann von dieser hier noch nicht zu entscheidenden Frage ganz unabhängig die andre untersucht werden, die uns hier vor allem interessiert: Wer war der Johannes, von dem die Apk geschrieben sein will? Die Frage läßt sich noch etwas bestimmter umgrenzen. Die Apk ist als Ganzes betrachtet eine Schrift, deren Heimat die Provinz Asien ist. Der Johannes, der hier ohne weitere Bestimmung genannt wird, oder sich nennt, muß eine Persönlichkeit der kleinasiatischen Kirchenprovinz von hoher Autorität gewesen sein. Die Sendschreiben zeugen deutlich und bestimmt genug von einem Johannes, der in Kleinasien eine solche Stellung einnahm, daß wenn nur der Name Johannes genannt wurde, kein Zweifel darüber entstehen konnte, wer damit gemeint sei. Wer war dieser kleinasiatische Johannes? Bei dem Versuch diese Frage zu beantworten, beginnen wir mit einer Negation.
II. Denn es läßt sich nun m. E. das Eine jetzt mit unsern Mitteln beweisen, daß der Apokalyptiker Johannes, wir können auch sagen der kleinasiatische Johannes, nicht der Apostel Johannes, der Sohn des Zebedaeus, gewesen ist. Wir haben hier in erster Linie das entscheidende Zeugnis des Papias zu respektieren. Das hier in Betracht kommende Papiasfragment ist uns durch zwei Zeugen aufbewahrt. 1) Der Codex Coislinianus 305 (Saec. X oder XI) der Chronik des Georgios Hamartolos berichtet, nachdem er die Rückkehr des Johannes aus der Verbannung unter Nerva erzählt hat: καὶ συγγραψάμενος τὸ κατ᾿ αὐτὸν εὐαγγέλιον μαρτυρίου κατηξίωται. Παπίας γὰρ ὁ ῾Ιεραπόλεως ἐπίσκοπος, αὐτόπτης τούτου γενόμενος, ἐν τῷ δευτέρῳ λόγῳ τῶν κυριακῶν λογίων φάσκει, ὅτι ὑπὸ ᾿Ιουδαίων ἀνῃρέθη. Es folgt ein Verweis auf Mrk 10,38 und auf die Bezeugung des Martyriums durch Origenes (in Matth. XVI, 6). 2) Ein Epitomator (600—800) der Χριστιανικὴ ἱστορία des Philippus von Sides (430) bringt unter einer Reihe echter Papiasfragmente die Notiz: Παπίας ἐν τῷ δευτέρῳ λόγῳ λέγει, ὅτι ᾿Ιωάννης ὁ θεολόγος καὶ ᾿Ιάκωβος ὁ ἀδελφὸς αὐτοῦ ὑπὸ ᾿Ιουδαίων ἀνῃρέθησαν. (cf. de Boor, Texte u. Untersuch. V 2. 170ff.). Wie auch das gegenseitige Verhältnis dieser Notizen beschaffen sein mag, so steht doch fest, daß die Überlieferung des Papiaszeugnisses sich bis auf Philippus Sidetes zurückverfolgen läßt. Und da es in dem Exzerpt aus Philippus Sidetes zusammen mit einer Reihe anerkannt echter Papiasfragmente steht, so wird an seiner Echtheit kaum noch gezweifelt werden können[1]. Freilich steht der Wortlaut des Zitates nicht ganz sicher. Aber wir können doch mit dem größten Grade von Wahrscheinlichkeit feststellen, daß in dem Fragment ursprünglich die beiden Brüder Johannes und Jakobus neben einander genannt wurden. In der Handschrift der Chronik des Georgios, in der Jakobus nicht erwähnt wurde, liegt überhaupt kein wörtliches Zitat vor, und da in dem ganzen Zusammenhang nur von Johannes die Rede war, so erklärt sich die Nichterwähnung des einen Bruders in völlig ausreichender Weise. Umgekehrt ist aller Wahrscheinlichkeit nach in dem Philippus-Sidetes-Fragment das „ὁ θεολόγος“ entweder von Philippus oder von seinem Exzerptor interpoliert. Wir haben also anzunehmen, daß die Notiz: „Johannes und Jakobus wurden von den Juden getötet“ tatsächlich in Papias Werk gestanden habe[2]. — Das Papiaszeugnis bekommt aber noch ein besondres Gewicht, wenn wir es im Zusammenhang mit der bekannten Weissagung des Herrn Mrk 10,39 betrachten. Wenn Jesus nach Mrk hier den beiden Zebedaiden weissagt: τὸ ποτήριον ὃ ἐγὼ πίνω πίεσθε, καὶ τὸ βάπτισμα ὃ ἐγὼ βαπτίζομαι βαπτισθήσεσθε, so kann man sich kaum denken, daß Mrk diesen Wortlaut der Weissagung Jesu überliefert hätte, wenn er nicht bereits, als er sein Evangelium schrieb, auf das Martyrium der beiden Brüder zurückgeschaut hätte (vgl. Wellhausen, das Evangelium Marci S. 90). Markus bestätigt also indirekt das direkte Zeugnis des Papias. Ist das Markusevangelium vor 70 geschrieben (so neuerdings J. Weiß, d. älteste Evangelium), so hätten wir damit zugleich auch einen terminus ad quem des Märtyrertodes des Johannes.
Das Zeugnis des Papias findet aber eine weitere Bestätigung durch ein altes Martyrologium. Unter dem Gesamttitel: „Die Namen unsrer Herren der Märtyrer und Sieger und ihre Tage, an denen sie die Kränze davontrugen“ bringt das syrische Martyrologium von 411 (Text bei Lietzmann, d. drei ältesten Martyrologien 1903, S. 9) zum 27. Dezember die Notiz: „Johannes und Jakobus die Apostel in Jerusalem“. Es ist freilich richtig, wenn dazu bemerkt wurde (Gutjahr S. 105 A. 5), daß die Ortsangabe „in Jerusalem“ nicht notwendig auf den Todesort der beiden Brüder bezogen werden muß, sondern nur auf den Ort, wo ihr Martyrium besonders gefeiert wurde. Aber wenn doch Jakobus das Martyrium in Jerusalem erlitt, wenn unmittelbar daneben zum 28. Dez. das Martyrium des Petrus und Paulus in Rom verzeichnet wird („in der Stadt Rom Paulus der Apostel und Simeon Kephas das Haupt der Apostel unsres Herrn“), so werden wir doch zu dem Schluß kommen, daß im Sinne des Verfassers des Martyrologiums Jerusalem auch als der Todesort[3] des Johannes zu gelten habe, zumal da schon die Notiz des Papias, daß Johannes von den Juden getötet sei, nach Jerusalem hinweist. Ebenso ist durch die Erwähnung des Jakobus dicht neben Johannes außer allen Zweifel gestellt, daß der hier genannte Johannes der Zebedaide sein soll. Was das Alter dieser Notiz betrifft, so hat Erbes neuerdings in eindringender Untersuchung nachzuweisen versucht, daß die Grundlage des syrischen Martyrologiums mit den Ansätzen zum 25-28. Dezember bereits 341 verfaßt worden ist (Z. f. Kirchengesch. XXV 3, 1904, S. 355ff.). – Wie im syrischen Martyrologium stehen auch im armenischen (nur in umgekehrter Reihenfolge) zum 27. Dez. Petrus und Paulus, zum 28. Jakobus und Johannes, die Donnerssöhne vermerkt (Z. f. Kirchengesch. XXII, 1901 S. 201; 1905 S. 31f.). Und in derselben Reihenfolge wie in der armenischen Überlieferung zählt Aphraates[4] ohne Ortsangabe und Kalenderdatum die Märtyrer Stephanus, der in den beiden Martyrologien zum 26. Dez. verzeichnet ist, Simon, Paulus, Jakobus, Johannes auf (Homilie XXI vom Jahr 343/4 nach der Übers. von Bert, Texte u. Untersuch. III, 188, S. 347). Endlich bietet auch das Martyrium Carthaginiense zum 27. Dez. die Notiz: „sancti Joannis baptistae et Jacobi apostoli, quem Herodes occidit“. Wenn hier an Stelle des Zebedaiden der Täufer erscheint, so ist das natürlich die Konjektur eines späteren Bearbeiters, der an der Notiz, daß der Apostel Johannes das Martyrium erlitten, bereits Anstoß nahm. — Wir haben es hier also mit einer weit verzweigten und offenbar weit zurückgehenden Tradition zu tun.
Und endlich erhält die Nachricht des Papias noch von einer dritten Seite her eine Unterstützung durch ein altes und wertvolles Zeugnis. Der Gnostiker Heracleon zählte bei Clemens Stromat. IV 9,71 diejenigen Apostel auf, die nicht Märtyrer geworden seien. Er nennt Matthäus, Philippus, Thomas, Levi. Er bezeugt also indirekt den Märtyrertod des Zebedaiden Johannes.
Auf Grund dieser Zeugnisse können wir die Behauptung aufstellen, der Apostel Johannes habe nach der ältesten Überlieferung vor dem Jahre 70 in Jerusalem das Martyrium erlitten[5]. Dann kann er nicht mit dem Apokalyptiker Johannes identisch sein. Selbst wenn wir einmal annehmen, daß der unter Domitian schreibende Apokalyptiker den Namen des Johannes nur adaptiert und dieser lange vorher in Kleinasien gelebt hätte (eine Annahme, die sich nicht halten lassen wird, s. u.), so würde jene Identifikation ziemlich unwahrscheinlich bleiben. Denn da die Wirksamkeit des Johannes in Kleinasien doch frühestens nach dem Weggang des Paulus angesetzt werden kann, da andrerseits Johannes in Jerusalem Anfang oder Mitte der sechsziger Jahre das Martyrium erlitten haben muß, so bleibt für eine Wirksamkeit des Apostels, die ihn zu einem angesehenen Manne in Kleinasien machte, kaum noch Raum[6].
III. Wenn aber der Apokalyptiker nicht der Apostel gewesen sein kann, wer war er dann? Können wir von ihm noch etwas mehr aussagen als was wir aus der Apk. von ihm erfahren? Hier taucht nun wenigstens die Möglichkeit einer andern Kombination auf. Wir erinnern uns nunmehr an das berühmte Papiaszeugnis, Eusebius III 394: εἰ δέ που καὶ παρηκολουθηκώς τις τοῖς πρεσβυτέροις ἔλθοι, τοὺς τῶν πρεσβυτέρων ἀνέκρινον λόγους· τί Ἀνδρέας ἢ τί Πέτρος εἶπεν ἢ τί Φίλιππος· ἢ τί Θωμᾶς ἢ Ἰάκωβος ἢ τί Ἰωάννης ἢ Ματθαῖος ἤ τις ἕτερος τῶν τοῦ κυρίου μαθητῶν, ἅ τε Ἀριστίων καὶ ὁ πρεσβύτερος Ἰωάννης, τοῦ κυρίου μαθηταὶ, λέγουσιν. Es wird nicht nötig sein, daß wir uns in diesem Zusammenhang in alle Einzelheiten und Deutungsmöglichkeiten dieses schwierigen und vielumstrittenen Fragments hineinvertiefen. Nur das, was hier unbedingt zur weiteren Untersuchung notwendig ist, soll gesagt werden: 1) Nur absolute Voreingenommenheit und kritische Gewalttätigkeit vermag noch zu leugnen, daß von Papias hier zwei Personen mit Namen Johannes genannt werden: der Apostel Johannes und der, den er im besondern Sinne den Presbyter nennt. 2) Während Papias vom Apostel Johannes ganz en passant und ohne irgend welches besondere Interesse redet, führt er den Presbyter Johannes in ganz besondrer Weise, die auf ein näheres Verhältnis zu ihm hindeutet, ein. 3) Wenn freilich Eusebius den Papias zu einem direkten Schüler des Johannes macht (III, 39,7), so wird diese Meinung sich gegenüber dem direkten Zeugnis des Papias nicht halten lassen. 4) Welches aber auch immer das Verhältnis des Papias zu dem Presbyter Johannes gewesen sein mag — ich nehme an, daß er nur durch ein Mittelglied von ihm getrennt war — jedenfalls war der Presbyter Johannes dem Papias (neben Aristion) indirekt der Hauptgewährsmann der von ihm benutzten mündlichen Überlieferung. Eus. III, 39,7: ὀνομαστὶ γοῦν πολλάκις αὐτῶν μνημονεύσας ἐν τοῖς αὐτοῦ συγγράμμασιν τίθησιν αὐτῶν παραδόσεις. III 39,14: καὶ ἄλλας δὲ τῇ ἰδίᾳ γραφῇ παραδίδωσιν Ἀριστίωνος τοῦ πρόσθεν δεδηλωμένου τῶν τοῦ κυρίου λόγων διηγήσεις καὶ τοῦ πρεσβυτέρου Ἰωάννου παραδόσεις[7]. 5) Wir werden deshalb auch Wert darauf legen, daß Papias die Apostel mit einem τί εἶπον den Aristion und den Presbyter Johannes mit einem ἅ τε ... λέγουσιν einführt, und aus dem Wechsel der Tempora schließen dürfen, daß der Presbyter ein älterer Zeitgenosse des Papias gewesen sei, daß er wenigstens noch lebte, als Papias seine Traditionen, die er in seinem Werke verwertete, sammelte. Es ist auch zum mindesten nicht unwahrscheinlich, daß der Presbyter, der Hauptzeuge des Papias von Hierapolis, in dessen örtlicher Nähe gelebt haben mag. 6) Als die Abfassungszeit des Werkes des Papias werden wir etwa die ersten beiden (drei?) Dezennien des zweiten Jahrhunderts ansetzen dürfen. Denn da Papias die Notizen zu seinem Werk noch zu Lebzeiten des Presbyters sammelte (also spätestens ca. 100), so werden wir mit der endgültigen Abfassung des Werkes nicht gut über 120-125 hinuntergehen dürfen. Andrerseits muß einige Zeit zwischen Sammlung und Abfassung des Werkes verstrichen sein (Eus. III, 39,3)[8]. 7) Wenn Papias den Aristion und den Presbyter Johannes als οἱ τοῦ κυρίου μαθηταί bezeichnet, so muß diese Wendung wahrscheinlich in dem allgemeineren Sinn verstanden werden, daß diese beiden Zeugen noch Mitglieder der Urgemeinde gewesen sind (Theol. Rundschau VIII 240)[9]. Mitglieder der Urgemeinde, die vielleicht allein damals noch am Leben waren, konnten sehr leicht einer späteren Generation als direkte Herrenjünger erscheinen. Daß aber um 100 noch einige Mitglieder der Urgemeinde lebten, die von den frühesten Zeiten dieser angehört hatten, gehört in das Gebiet der Möglichkeiten.
IV. Wird es nun möglich sein diesen Presbyter Johannes, den älteren Zeitgenossen und Hauptzeugen des Papias, zu dem Apokalyptiker Johannes in irgend eine Beziehung zu setzen? Es ist zuzugestehen, daß das bisher Festgelegte zu einem Schluß nicht ganz ausreicht, vor allem deshalb, weil wir in den Angaben des Papias kein direktes Zeugnis für die an sich allerdings sehr wahrscheinliche Annahme finden, daß der Wirkungskreis des Presbyters Kleinasien gewesen sei, wir vielmehr hier auf Wahrscheinlichkeitsgründe angewiesen sind. Wir werden deshalb, um zu einem bestimmten Ziel zu gelangen, mit unsrer Untersuchung noch weiter ausholen müssen.
Dabei richtet sich unser Blick in erster Linie auf die sogenannten Presbyterfragmente des Irenäus.Es handelt sich um fünf offenbar eng zusammengehörige Fragmente, als deren Gewährsmänner οἱ πρεσβύτεροι genannt werden II 22,5; V 5,1; V 30,1; V 33,3; V 36,1. In dreien dieser Fragmente werden die Presbyter in sehr enge Beziehung zu dem in Asien lebenden μαθητής ᾿Ιωάννης gerückt: II 22,5: καὶ πάντες οἱ πρεσβύτεροι μαρτυροῦσιν οἱ κατὰ τὴν Ἀσίαν ᾿Ιωάννῃ τῳ τοῦ κυρίου μαθητῇ συμβεβληκότες. – V 30,1: καὶ μαρτυρούντων αὐτῶν ἐκείνων τῶν κατ᾿ ὄψιν ᾿Ιωάννην ἑωρακότων. – V 33,3: quemadmodum presbyteri meminerint, qui Joannem discipulum domini viderunt. An den beiden andern Stellen werden die Presbyter als ἀποστόλων μαθηταί eingeführt. Nun ist es durch die Untersuchungen von Harnack (Chronologie I 333-340) und Corßen[10] (Ztschr. f. d. neutest. Wissensch. II 202ff.) außerordentlich wahrscheinlich gemacht, daß diese Presbyterfragmente des Irenäus nichts andres seien als Zitate aus dem Werke des Papias. Irenäus hätte dann eben, anstatt die Quelle zu nennen, aus der er schöpfte, nämlich Papias, die Quelle seiner Quelle zitiert. Da er in dem Prooemium des Papias las, daß dieser sich auf die παρηκολουθηκότες τοῖς πρεσβυτέροις und indirekt auf die πρεσβύτεροι berief, so setzte er anstatt den Papias zu zitieren, für Papias seine Gewährsmänner, die πρεσβύτεροι ein. Besteht diese Vermutung zu recht, so ergeben sich von hier aus wichtige Schlüsse über den in diesen Fragmenten so oft genannten Jünger Johannes. Wenn nämlich in diesen (Papias-)Fragmenten unter fünf Malen drei Mal die überlieferten Traditionen auf den Jünger Johannes in letzter Linie zurückgeführt werden, wenn wir andrerseits wissen, daß der Presbyter Johannes der Hauptgewährsmann des Papias gewesen ist, den er häufig ὀνομαστί zitierte, wenn endlich drittens der hier genannte Johannes, mit dem die Presbyter in Asien zusammentrafen, doch schwerlich nach dem oben Festgestellten der Zebedaide Johannes gewesen sein kann, so drängt alles zu dem Schluß, daß der Johannes der Presbyterfragmente bei Irenäus der Johannes Presbyter des Papias ist[11].
Wenn aber der Johannes der Presbyterfragmente des Irenäus der πρεσβύτερος Ἰωάννης ist, so läßt sich nun endlich die Verbindung zwischen dem Apokalyptiker und dem Presbyter Johannes herstellen. Denn in einem dieser Fragmente des Irenäus wird uns mitgeteilt, daß die, welche den Johannes noch persönlich gekannt haben, bezeugten, daß die Zahl des Tieres in der Apk 666 sei V 30,1. Diese Berufung auf Johannes aber hat nur dann Sinn, wenn Irenäus resp. der ältere Gewährsmann (Papias), auf den Irenäus sich beruft, den Johannes für den Verfasser der Apk hielt. Zu dieser Annahme der Identität des Presbyters mit dem Apokalyptiker würde ferner vorzüglich die Beobachtung stimmen, daß die sämtlichen Presbyterfragmente bei Irenäus mit einer Ausnahme (der Tradition über das Alter Jesu II 22,5) spezifisch eschatologischen Inhalt haben. Wenn ferner Irenäus berichtet, daß die Presbyter mit Johannes in Kleinasien zusammengetroffen seien, und daß dieser dort bis zu den Tagen Trajans gelebt habe (I 22,5) und wenn andrerseits angenommen werden darf, daß er diese Notizen seiner Quelle entlehnt hat, so deutet auch diese Überlieferung auf den Apokalyptiker Johannes, der nach der Überlieferung in Asien unter Domitian die Apk schrieb[12]. V. Wir können aber unsern Beweis noch verstärken, wenn wir nunmehr den gesamten johanneischen Schriftenkreis in unsre Untersuchung hineinziehen. Denn wenn es auch aus innern Gründen unmöglich ist, daß Evangelium, Briefe und Apk tatsächlich aus einer Hand stammen, so will doch andrerseits die Tatsache respektiert werden, daß die kirchliche Überlieferung von ältester Zeit her die johanneischen Schriften als eine Einheit betrachtet hat und nur von einem Johannes weiß (s. o. S. 21 u. ö.), dessen Person für sie hinter dem ganzen Schriftenkreis steht, und daß selbst die alten Bekämpfer der johanneischen Schriften die sogenannten Aloger (s. o. S. 24) diese als eine Einheit betrachten[13].
Was ist nun von dem Johannes, der nach kirchlicher Überlieferung hinter dem Evangelium und den Briefen steht, zu halten und in welcher Beziehung steht dieser zu dem Apokalyptiker und dem Presbyter? Ich beginne mit dem sogenannten Nachtragskapitel (Kap. 21) des vierten Evangeliums. In diesem Kapitel tritt uns der Jünger, aus dessen persönliche Autorität sich das vierte Evangelium stützt, in greifbarer Gestalt entgegen. Wir entnehmen aus dem 21. Kap., daß dieser betreffende Jünger so lange lebte, daß das Gerücht entstand, er werde die Parusie des Herrn noch erleben, ja daß sogar ein Herrenwort dieses Inhalts über ihn von Mund zu Mund ging. Mittlerweile war aber der Jünger — vor Abfassung des Kap. 21 des vierten Evangeliums — gestorben und nun beeilt sich der Verfasser dieses Kapitels zu versichern, der Herr habe jene Weissagung, daß der Jünger nicht sterben werde, nicht gesprochen; wenn er etwas Ähnliches gesagt habe, so habe er es anders gemeint. Im übrigen aber tritt in diesem Abschnitt der ungenannte Jünger in einen gewissen Gegensatz zu dem Märtyrer Petrus. Er kann jedenfalls kein Märtyrer gewesen und muß eines friedlichen Todes gestorben sein. Man kann sich dem Eindruck nicht entziehen, daß dieser ungenannte Jünger eine historische, in der Nähe des Verfassers von Kap. 21 lebende Gestalt ist[14]. Nun hieß jener Jünger nach der Tradition Johannes, und das Evangelium, das nach ihm den Namen trägt, zeigt deutliche Spuren kleinasiatischen Ursprungs (s. S. 44). Also tritt uns auch hier ein kleinasiatischer Johannes, der lange lebte und eines friedlichen Todes gestorben ist, folglich nicht mit dem Märtyrer und Zebedaiden Johannes identisch sein kann, entgegen. Sollte nun dieser kleinasiatische langlebige Johannes nicht identisch mit dem Apokalyptiker und dann auch mit dem Presbyter sein? Die Vermutung drängt sich mit stärkster Gewalt auf. Oder sollte es wirklich zwei Johannes gegeben haben, die beide am Ende des ersten Jahrhunderts lebten und beide in Kleinasien eine bedeutsame Rolle spielten?[15]
Von dem Schlußkapitel des vierten Evangeliums wenden wir uns den beiden kleinen Briefen zu, die unter dem Namen des Johannes überliefert sind. In ihnen führt sich der Verfasser bekanntlich schlechtweg als ὁ πρεσβύτερος ein. Da die Überlieferung diese Briefe unter die johanneische Literatur aufgenommen hat, so drängt sich auch hier die Vermutung mit großer Gewalt auf, daß „der Presbyter“ kein anderer sei, als der Presbyter Johannes des Papias. Die Papianischen Nachrichten zeigen zur Genüge, wie dieser Johannes zu dem Ehrennamen des πρεσβύτερος κατ᾿ ἐξοχήν kommen konnte. Ein Bedenken erhebt sich hier allerdings: Wenn der Presbyter des Papias zugleich der Apokalyptiker sein sollte und, wenn wir Grund haben anzunehmen, daß wirklich die uns vorliegende Apk von dem Apokalyptiker Johannes selbst geschrieben sei, so müßten wir nunmehr den Verfasser von II. III Joh und den Verfasser der Apk identifizieren. Gegen eine solche Identifikation scheint aber die ganz andersartige Eschatologie der Briefe zu sprechen. Für den Apokalyptiker ist die letzte und höchste feindliche Gewalt das römische Imperium, der Verfasser der Briefe scheint bei der Weissagung des Antichrist (II 8) nur an die Irrlehre zu denken. Die Irrlehrer der Briefe selbst aber zeigen gegenüber denen der Apk einen entschieden fortgeschrittenen, spezifisch christologischen Charakter. Damit hängt auch die energische Hervorkehrung der Begriffe ἀλήθεια und διδαχή zusammen. Andrerseits freilich zeigen die beiden kleinen Briefe und die sieben Sendschreiben eine ausgesprochene Ähnlichkeit weniger im einzelnen, als in der ganzen Haltung. Es wäre doch vielleicht möglich, daß der Apokalyptiker Johannes, der ja bis in die Zeiten Trajans gelebt haben soll, nachdem er unter Domitian (93 n. Chr.) die Apk geschrieben, acht bis zehn Jahre später, nachdem sich die Verhältnisse dem römischen Reich gegenüber zunächst etwas friedlicher gestaltet hatten und der Kampf gegen eine gnostisierende Irrlehre die Aufmerksamkeit der Gemüter auf sich gelenkt, seine Frontstellung in den Briefen etwas verändert hätte, ohne natürlich seine in der Apk niedergelegten Anschauungen prinzipiell aufzugeben[16]. Zugleich würden wir bei dieser Annahme verstehen können, wie aus dem Kreise unsres Presbyters dann auch die größeren Schriften, Evangelium und I Brief, stammen könnten. II und III Joh bilden die Brücke von der Apk zum Evangelium und zum ersten Brief.
Wir versuchen endlich, die Beziehungen des vierten Evangeliums zu der bereits besprochenen johanneischen Literatur und zu dem kleinasiatischen Johannes festzulegen. Und da scheint es sicher zu sein, daß auch diese Schrift in den besprochenen Schriftenkreis hineingehört. Sie ist als ein Evangelium κατὰ Ἰωάννην überliefert, und die Überlieferung sowohl, wie deutliche Spuren innerhalb des Evangeliums, vor allem die hervorragende Rolle die Philippus und Andreas in ihm spielen, weisen darauf hin, daß die Heimat desselben Kleinasien ist, Johannes also der kleinasiatische Johannes sein soll[17]; das letzte Kapitel bringt die Schrift deutlich zu diesem langlebigen kleinasiatischen Johannes in Beziehung. Endlich läßt sich nirgends nachweisen, daß nach der Auffassung des vierten Evangelisten der „Zeuge“ der Zebedaide Johannes sein soll[18]. — Auf der andern Seite ist aber auch das klar, daß die enge Beziehung des kleinasiatischen Johannes, die wir zur Apk (und zu II III Joh) festzulegen suchten, sich nicht halten lassen wird, wenn es nicht gelingt, das Evangelium um ein beträchtliches Stück von seiner Person abzurücken. Denn aus einer Quelle können eben so verschiedene Geisteserzeugnisse wie Apk und Evangelium nicht stammen. Das Evangelium weist uns aber hier mit seinen Andeutungen über sich selbst auf den rechten Weg. Denn es ist deutlich, daß es gar nicht von dem in ihm verherrlichten ungenannten Jünger selbst stammen will. Die ganze Art, wie dieser Jünger ungenannt und doch bekannt überall eingeführt und geflissentlich in den Vordergrund geschoben wird, wäre eben einfach geschmacklos, wenn hier der Zeuge des vierten Evangeliums selbst redete, wird aber sofort verständlich, falls hier ein getreuer Jünger seinen Meister verherrlichen wollte. Überdies gehören die Stellen, in denen der uns bekannte Jünger eingeführt wird, zu den Stücken des Evangeliums, bei denen die Übermalung des zugrunde liegenden synoptischen Berichtes am deutlichsten hervortritt[19]. Eine Stelle wie die vielerörterte Joh 19,35 gibt dann die authentische Bestätigung jenes allgemeinen Eindrucks. Das vierte Evangelium stammt also aus dem Schüler- und Anhängerkreis des ungenannten Jüngers (Johannes) und wird erst geraume Zeit nach seinem Tode entstanden sein. Gegen die Identifikation des Zeugen des vierten Evangeliums mit dem kleinasiatischen Johannes, dem Presbyter des Papias, wird nun kaum etwas einzuwenden sein. Vielmehr spricht vieles dafür. Als Überlebender einer älteren Generation galt er dieser als einziger und hervorragender Zeuge aus der ältesten Zeit. Wir sehen bereits wie Papias ihn einfach unter die μαθηταὶ τοῦ κυρίου einreiht, obwohl er freilich, wenn er wirklich bis an die Zeiten Trajans heranreichte und ein Werk von so jugendlichem Feuer wie die Apk um 93 schrieb, sich höchstens als Knabe oder kaum herangewachsener Jüngling mit Jesus eben berührt haben mag. Aber einer späteren Zeit galt er eben als ein Augenzeuge des Herrenlebens. Die kritischen Urteile über das Markus- und das Matthäusevangelium, die Eusebius (III 39,15f.) aus Papias Werk erhalten hat, führen das erste sicher (beachte die Einführung καὶ ὁ πρεσβύτερος λέγει), das zweite wahrscheinlich auf ihn zurück. Es pflegte in seiner Umgebung also selbst das Bewußtsein, daß er eine selbst den überlieferten Evangelien überlegene Kenntnis vom Leben Jesu besitze. Er muß auch, da der Zebedaide wieder gänzlich ausgeschlossen ist, dieser Johannes gewesen sein, von dem Polykarp dem Irenäus einst erzählte, und an dessen Worte über die Wunder und die Lehre Herrn dieser sich noch so gut erinnerte[20] (Brief an Florinus bei Euseb. V 20,6). So wird es verständlich, wie er einem begeisterten Jünger nun zu dem einzigen und wahren Hauptzeugen des Herrenlebens heranwuchs, wie dieser ihn überall in die unmittelbare Nähe des Herrn einführte, wie er auf diesen Zeugen gestützt, es wagen konnte, den alten Evangelien ein neues mit dem Anspruch der Überlegenheit gegenüberzustellen und seine auch weit über die seines Meisters hinübergewachsene christliche Gesamtanschauung direkt in das Leben Jesu hineinzutragen. — So wurde der Presbyter und Apokalyptiker zugleich einer späteren Zeit zum Hauptträger evangelischer Überlieferung. Wir werden ihn allerdings so hoch nicht einschätzen. Wenn in den Presbyterfragmenten des Irenäus auf ihn die Meinung zurückgeführt wird, daß Jesus fünfzig Jahre alt geworden sei (II 22,5), wenn er das Wort Jesu von der Fruchtbarkeit des Weinstocks in der Endzeit überlieferte (V 33,3), so werden wir der gesamten von ihm ausgehenden Evangelienüberlieferung von vornherein, was ihren historischen Wert betrifft, sehr mißtrauisch gegenüberstehen. Auch legt der ausgesprochen jerusalemische Charakter des Evangeliums, die Art, wie dieses gleichgültig an dem ganzen Leben Jesu in Galiläa vorübergeht[21], den Schluß nahe, daß der Zeuge desselben ein Jerusaleme war, und schon als solcher, wenn er überhaupt in die Zeit des Lebens Jesu hineinragte, nur wenig mit Jesus in Berührung gekommen sein kann.
Aber wir haben hier nicht über das vierte Evangelium zu urteilen, sondern nur den Nachweis zu führen, daß die Entstehung des gesamten johanneischen Schriftenkreises verständlich bleibt, auch wenn wir annehmen, daß es nur einen kleinasiatischen Johannes gab, der mit dem Presbyter Johannes des Papias, aber nicht mit dem Apostel und Zebedaiden identisch war; und daß die Gestalt des kleinasiatischen Johannes eine in sich mögliche und verständliche ist.
In späterer Zeit, und zwar sehr bald nach dem Abschluß des johanneischen Schriftenkreises, ist dann die Verwechselung des kleinasiatischen Johannes mit dem Apostel Johannes aufgekommen und sehr bald durchgedrungen. Wie man den Evangelisten Philippus sehr frühzeitig mit dem Apostel Philippus[22] verwechselte, so hält bereits Justin, Dial. c. Tryph. 81, den Apokalyptiker für den Apostel Johannes. Ebenso ist Irenäus davon als von etwas Selbstverständlichem überzeugt, daß der kleinasiatische Johannes der Apostel und Zebedaide sei. (Vor allem beweisend sind die Stellen I 9,2.3; [II 22,5] III 3,4). Aber es bleibt ein Irrtum, der auch bei einem Irenäus psychologisch verständlich ist. Denn auch er ist nur in seiner frühesten Jugend mit dem Schüler jenes Johannes Polykarp in Berührung getreten. Und Spuren der richtigen Erkenntnis haben sich hier und da erhalten. Denn es ist nach allem Gesagten doch wohl kein Zufall, daß Polykrates in seinem Brief an Victor von Rom (Euseb. V 24,2ff.) da, wo er die Autoritäten Kleinasiens mit ihren Ehrentiteln aufzählt, an erster Stelle den Apostel Philippus nennt, an zweiter Stelle erst den Johannes, den er deutlich als den Evangelisten charakterisiert und den er nicht ἀπόστολος, sondern μάρτυς und διδάσκαλος nennt, endlich an dritter Stelle die Bischöfe und Märtyrer Polykarp, Thraseus, Sagaris etc.[23] Im Kanon Muratori wird in den bekannten Ausführungen über das vierte Evangelium Andreas, auf dessen Offenbarung hin Johannes das Evangelium geschrieben haben soll, ausdrücklich als ex apostolis bezeichnet, während Johannes ebenso ausdrücklich als ex discipulis eingeführt wird. Selbst, daß Irenäus den Johannes, wenigstens wo er ihn namentlich einführt, immer als μαθητής bezeichnet, nicht als ἀπόστολος, erscheint in diesem Zusammenhang bemerkenswert. Das einfache Beiwort μαθητής haftete einmal an der Person des kleinasiatischen Johannes, auch nachdem er bereits zum Apostel geworden war.
VI. Möglicher Weise erklären sich von hier aus auch die mannigfaltigen und variierenden Nachrichten über ein — allerdings niemals zum Tode führendes — Martyrium des Apostels Johannes. Nach der alten Überlieferung war der Apostel Johannes Märtyrer in Jerusalem; ebenso bestimmt haftete an der Person des kleinasiatischen Johannes die Überlieferung, daß er nicht Märtyrer geworden sei. Wenn nun doch von dem Kleinasiaten später in dieser oder jener Weise ein Martyrium behauptet wird, so darf man schließen, daß bei der Identifikation des Kleinasiaten mit dem Apostel nun auch die alte Überlieferung von dem Martyrium des Apostels in irgendeiner Weise auf den Kleinasiaten übertragen wurde. Es ist nicht unmöglich, daß auf diese Weise erst die Tradition vom Pathmosexil des kleinasiatischen Johannes entstanden ist. Um diesen doch auf irgend eine Weise zum Märtyrer zu machen, las man aus Apk 1,9 ein Pathmosexil des Verfassers heraus, obwohl die Stelle keineswegs mit Notwendigkeit in dieser Weise verstanden werden muß. Beweis für diese Vermutung ist die Unsicherheit und das verhältnismäßig späte Auftreten dieser Tradition.
Irenäus weiß nichts von einem Pathmosexil. Auch in den alten leuzianischen Apostelakten hat vielleicht noch nichts von einem solchen Exil gestanden (vgl. Hennecke neutest. Apokryphen 428, anders urteilt Zahn Acta Johannis CXXIV.) Endlich schweigt auch der von Corßen behandelte alte Prolog zum vierten Evangelium (monarchianische Prologe 7). Es scheint ferner, als wenn sich die Tradition vom Pathmosexil zunächst ohne Anhalt in der Tradition eben aus Apk 1,9 entwickelt hat, und dann erst später mit der Notiz des Irenäus (s. o. S. 42) zu der Behauptung des Pathmosexil unter Domitian verbunden habe. Die ältesten Zeugnisse für das Exil haben keine bestimmte Zeitangabe und sprechen nur von einem Tyrannen, einem βασιλεύς, der den Johannes verbannt habe: Clemens Alexandrinus quis div. salv. 42; Origenes in Matth. 20,22 Tom XVI 6; vgl. Hippolyt de antichr. 36. — Die Notiz vom Pathmosexil unter Domitian hat erst verhältnismäßig späte Zeugen: Victorin in seinem Kommentar zu Apk 10,11; Eusebius H. E. III 18,1-3 (vgl. 20,9; 23,1) und in der Chronik, wo er die Notiz über das Pathmosexil (und die Apk) zum Jahre 2110 (14 Jahr des Domitian) bringt (ed. Schoene II 160-161); Hieronymus, de viris illustr. c. 9; c. Jovinian I 26; Sulpicius Severus, Chronicon II 31 etc. — vgl. noch die „Historia scholastica“ in der Rekonstruktion Corßens (monarchianische Prologe 9). Neben der Tradition vom Pathmosexil steht außerdem eine ganz andersartige Tradition von einem Ölmartyrium in Rom, eine Legende, die offenbar in Mark 10,39, wie die noch spätere vom „Giftbecher“ (vgl. Zahn acta Johannis CXVII) ihren Ursprung hat, und die freilich von Anfang an mit der Tradition von der Verbannung auf eine Insel verbunden ist: Tertullian de praescr. Haeretic. 36: (Roma) ubi apostolus Joannes, posteaquam in oleum igneum demersus, nihil passus est, in insulam relegatur. Daß dieses Martyrium unter Nero stattgefunden, hat bereits Hieronymus adv. Jovinian I 26 (II 16) aus Tertullian herausgelesen. Von da aus erklärt sich die Notiz der „syrischen Geschichte des Johannes“ (Wright, act apost. Syr. I 60f.), daß Johannes von Nero auf eine Insel verbannt und wieder freigelassen wurde (Pathmos ist nicht genannt). Auch Eusebius vertritt in der Demonstr. evang. III 5,65 die Nerotradition. Endlich ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, daß eine Reihe neutestamentlicher Handschr. zum Johannesevangelium berichten, daß dieses 32 (30) Jahre nach der Himmelfahrt auf der Insel Pathmos (Credner, Einl. i. d. NT 1836, S. 259ff.) geschrieben sei. — Es steht zu vermuten, daß eine Legende vom Ölmartyrium des Johannes (mit tötlichem Ausgang) in Rom auf Grund von Mrk 10,39 in einer Zeit aufkam, als die Tradition vom Pathmosexil noch nicht vorhanden oder wenigstens nicht allgemein durchgedrungen war, und daß sie dann in einer wenig geschmackvollen Weise mit dieser letzteren verbunden wurde.
Ganz singulär ist endlich die bei Epiphanius Haer. LI 12.33 sich findende Überlieferung, daß die Verbannung nach Pathmos und die Abfassung der Apk nach der Rückkehr des Apostels von dort unter Kaiser Claudius (41-54) erfolgt sei. Sie kann weder von Epiphanius selbst, der LI 12 den Apokalyptiker in hohem Alter (über 90 Jahre alt) die Apk schreiben läßt, noch aus dessen Hauptquelle Hippolyt stammen. Scharfsinnig hat Schwartz, „über den Tod der Söhne Zebedäi“ S. 39 vermutet, daß die Zeitbestimmung von dem (oder den) Gegner(n) stamme, die H. in seiner Schrift bekämpfe. Eine zweite Stelle, an welcher diese Nachricht sich findet, klärt uns vielleicht über die Herkunft der Notiz auf. In dem Apokalypsenkommentar des Bischofs Apringius (s. u.) ed. Férotin p. 7 findet sich folgende Notiz: „Sicut relatores ecclesiastici docuerunt Claudii Caesaris tempore, quando famis in illa invaluit, quae ab Agabo Propheta in actibus apostolorum ... venire nuntiata est, ea tempestate idem Caesar ..... persecutionem indicit ecclesiis. Quo in tempore etiam Domini nostri I. Chr. apostolum Iohannem mandat exilio mancipari, quem deportatum in Pathmos insula etiam praesens comprolat scriptura.“ (Aus Apringius schreibt Beatus ed. Florez p. 33 diese Notiz ab). Woher mag A. seine Nachricht haben? Sie ist entschieden von der kurzen Notiz des Epiphanius unabhängig. Ich vermute, daß in ältester Zeit, als die Tradition von einem Martyrium des Johannes in Jerusalem noch lebendig war. in Anlehnung an Mrk 10,38f. die Meinung entstand, daß Johannes gleichzeitig mit seinem Bruder Jakobus, also unter Claudius, Märtyrer geworden sei, (vgl. den gesperrten Satz im Apringiuszitat) und daß dann diese Anschauung mit der Tradition vom Pathmosexil verbunden sei. — So stehen neben der Annahme eines Pathmosexils unter Domitian zwei mit dieser wenig harmonierende Meinungen über das Martyrium des Johannes. Es gewinnt also den Anschein, als hätte man in dem Bestreben, den kleinasiatischen Johannes ein Martyrium zuzuschreiben, einerseits die Legende vom römischen Ölmartyrium erfunden, andrerseits aus Apk 1,9 ein Exil auf Pathmos heraus gelesen und später nach Irenäus Bericht über die Apk das Exil unter Domitian verlegt. In der Notiz, daß J. unter Claudius verbannt sei, zeigt sich noch eine letzte Spur vom eigentlich historischen Tatbestand (Martyrium der Zebedaiden in früher Zeit).
VII. Somit können wir zusammenfassen. Als der Johannes der Apk kann nicht der Apostel und Zebedaide in Betracht kommen; sondern nur ein anderer in Kleinasien angesehener Johannes. Dieser ist wahrscheinlich identisch mit dem Presbyter Johannes des Papias, mit dem langlebigen ungenannten Jünger des 21. Kap. des vierten Evangeliums, mit dem Presbyter von II und III Joh, mit dem „Zeugen“ des vierten Evangeliums und endlich mit dem Lehrer des Polykarp, von dem Irenäus im Brief an Florin berichtet. Mit seiner Person stehen alle Glieder der sogenannten johanneischen Literatur in engerer oder weiterer Beziehung. — Von hier aus fällt nun endlich auch ein helles Licht auf die Frage, ob der Johannes der Apk nicht vielleicht doch nach apokalyptischem Brauch ein Pseudonym war. Wir werden nunmehr diese Frage bestimmt verneinen. Denn wenn feststeht, daß die Apk unter Domitian geschrieben wurde (vgl. Abschnitt V), auf der andern Seite der kleinasiatische Johannes nach einstimmigem Zeugnis sehr lange lebte und ein älterer Zeitgenosse des Papias war, so ergibt sich m. E. die Unmöglichkeit der Annahme, daß der Johannesname in der Apk ein Pseudonym sei, man müßte dann schon annehmen, daß jemand noch zu Lebzeiten des Johannes und in seiner Nähe es gewagt hätte, unter dem von ihm erborgten Namen zu schreiben[24]. So kommen wir mit einiger Wahrscheinlichkeit zu dem Schluß, daß der Verfasser der Apk, wie sie uns vorliegt, der kleinasiatische Johannes, der Presbyter des Papias gewesen ist.
Fußnoten:
1. So zweifeln auch weder Harnack noch Zahn (a. a. O.), obwohl sie von dem in ihm enthaltenen Zeugnis über den Tod des Zebedaiden nichts wissen wollen, nicht mehr an der Echtheit des Fragmentes, sondern nur an der Genauigkeit der Überlieferung.
2. Lightfoots selbst von Harnack S. 666 angenommene Konjektur, daß in dem Papiaszeugnis etwa gestanden habe: ὅτι ᾿Ιωάννης [μὲν ὑπὸ τοῦ τῶν Ρωμαίων βασιλέως κατεδικάσθη εἰς Πάτμον, ᾿Ιάκωβος δὲ] ὑπὸ ᾿Ιουδαίων ἀνῃρέθη, und Zahns Vermutung, daß hier nicht der Zebedaide, sondern der Täufer Johannes gemeint sei, halte ich für undiskutierbare Vergewaltigungen des Textes. Wenn Harnack gegen den überlieferten Wortlaut des Papiaszeugnisses das Stillschweigen des Irenäus und Eusebius anführt, so ist demgegenüber zu sagen, daß die Notiz bei Papias ungemein kurz und unscheinbar auftritt und wohl, zumal sie gar nicht zu den überlieferten Vorstellungen paßte, leicht überlesen oder umgedeutet werden konnte.
3. H. Achelis, Die Martyrologien. Berlin 1900 S. 53: „In der Regel ist allerdings anzunehmen, daß der Märtyrer dort gefeiert wurde, wo er gelitten hatte“.
4. Ich verdanke die Notiz einer brieflichen Mitteilung des Herrn cand. min. Paul Schwen.
5. War der Apostel Johannes niemals in Kleinasien, so erklärt es sich auch, daß Ignatius ad. Ephes. 12,2 nur von Paulus als dem Apostel der Epheser spricht, und daß Polykarp (3,2; 9,1; 11,3) nur „Paulus und die übrigen Apostel“ nennt. Es mag endlich in diesem Zusammenhang noch erwähnt werden, daß es in einem alten Verzeichnis der Apostel mit ihren Gebieten (Martyrium Andreae 2 ed. Bonnet II 2. 47 heißt: Ἰάκωβος καὶ Ἰωάννης τὴν ἀνατολήν Φίλιππος τὰς πόλεις τῆς Σαμαρείας καὶ τὴν Ἀσίαν. Während hier Philippus Asien erhält, ist die Wirksamkeit des Zebedaiden Johannes auf den Osten beschränkt. Hier ist die Identifikation des kleinasiatischen Johannes mit dem Apostel noch nicht vollzogen.
6. Auch würden wir annehmen dürfen, daß wenn ein späterer im Namen des Märtyrers Johannes die Apk herausgegeben hätte, sich irgend ein Hinweis auf das Martyrium dieses Zeugen in der Apk finden würde. Gelegenheit wäre zu einem solchen Hinweis reichlich vorhanden gewesen.
7. Es kann m. E. auch nach diesen Aussagen des Papias kein Zweifel sein, daß der als Gewährsmann der Beurteilung des Markusevangeliums zitierte ὁ πρεσβύτερος III 39,15 kein anderer als der Presbyter Johannes ist. Wenn Eusebius auch vorher nach Erwähnung der von Papias zitierten διηγήσεις des Aristion und der παραδόσεις des Presbyter Johannes fortfährt: ἐφ' ἃς τοὺς φιλομαθεῖς ἀναπέμψαντες ἀναγκαίως νῦν προσθήσομεν ταῖς προεκτεθείσαις αὐτοῦ φωναῖς παράδοσιν, ἣν περὶ Μάρκου ... ἐκ τέθειται διὰ τούτων, so sagt er damit nicht notwendig, daß Papias diese παράδοσις nicht aus den παραδόσεις des Johannes geschöpft habe; er will vielmehr nur sagen, daß während er im übrigen auf das Buch des Papias selbst verweise, er mit dieser einen παράδοσις eine Ausnahme mache.
8. Harnack, Chronologie S. 356ff. setzt die Zeit des Papias auf 140-160 an. H. beruft sich für diesen Ansatz darauf, daß unter den durch Philippus Sidetes erhaltenen Papias-Sätzen sich auch die Bemerkung findet, daß die Toten, die Christus auferweckt, bis Hadrian lebten. Ich habe nachzuweisen versucht, daß dieses Fragment nicht aus Papias, sondern aus der Apologie des Quadratus stamme. Theol. Rundschau VIII 236f.
9. Den Versuch Mommsens, auf Grund der syrischen Übersetzung das τοῦ κυρίου μαθηταί ganz zu streichen, Ztschr. f. neutest. Wissensch. III 242ff., hat der Herausgeber der Kirchengeschichte des Eusebius abgelehnt (E. Schwartz, der Tod der Söhne Zebedäi 9); Harnack, Chronologie I 660 weist darauf hin, daß μαθηταί τοῦ κυρίου eine altertümliche, auf die ersten Zeiten gehende Selbstbezeichnung der Christen sei, vgl. Schwartz l. c. 12f.
10. Der Hauptbeweis beruht auf der Beobachtung, daß nach Iren. V 33,3f. die Überlieferung der Presbyter, qui Joannem discipulum domini viderunt, über den Herrenausspruch von der Fruchtbarkeit des Weinstocks in der Endzeit ausdrücklich zugleich auf das Vierte Buch des Werkes des Papias zurückgeführt wird. Dazu hat Corßen den Beweis erbracht, daß das ganze umfangreiche Zitat nicht auf mündlicher, sondern nur auf schriftlicher Überlieferung beruhen könne (vgl. im Text, nach der Erwähnung der Papiasquelle die merkwürdige mit: et adjecit (sc. Joannes) dicens – beginnende Ausführung. Überhaupt erinnert die Art der Einführung sämtlicher Fragmente unmittelbar an Papias Ausführung über seine Quellen bei Euseb. III 39,3ff.; vgl. noch meine Ausführungen Theol. Rundschau VIII 241ff.
11. Den entgegengesetzten Schluß zieht freilich Corßen. Er ist der Meinung, daß wenn bei Irenäus Presbyter angeführt werden, die ihrerseits wieder Traditionen von Johannes weitergeben, mit diesem Johannes nicht wieder der Presbyter, sondern nur der Apostel, die ältere Autorität hinter den Presbytern, gemeint sein könne. Allein Corßens Schluß steht und fällt mit der Annahme, daß die Einführungsformeln der Fragmente wörtlich aus dem Werk des Papias stammen. Das aber läßt sich nicht nachweisen. Vielmehr wird anzunehmen sein, daß die Einführungsformeln des Papias viel einfacher lauteten. Papias wird etwa (nach dem Zeugnis des Eusebius) geschrieben haben Ἰωάννης λέγει, oder ὁ πρεσβύτερος Ἰωάννης, oder ὁ πρεσβύτερος λέγει. Daraus machte dann Irenäus: alle Presbyter, welche mit Johannes zusammentrafen (oder welche Johannes gesehen haben) sagen. — Corßen setzt bei seiner Untersuchung voraus, daß Irenäus sich dieselbe peinliche Mühe, die Aussagen des Papias über seine Autoritäten zu verstehen und weiterzugeben, gegeben haben sollte, wie er selbst.
12. Vielleicht ist sogar das Zeugnis des Irenäus über die Entstehung der Apk, das sich in unmittelbarer Nähe eines dieser Presbyterfragmente findet: οὐδὲ γὰρ πρὸ πολλοῦ χρόνου ἑωράθη, ἀλλὰ σχεδὸν ἐπὶ τῆς ἡμετέρας γενεᾶς πρὸς τῷ τέλει τῆς ∆ομε- Anm: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt τιανοῦ ἀρχῆς V 30,3: Eus. H. E. V 8,6 – auf Papias zurückzuführen. Der Ausdruck σχεδὸν ἐπὶ τῆς ἡμετέρας γενεᾶς, der bei Irenäus immer wieder Anstoß erregt hat, würde für den um 120 schreibenden Papias vorzüglich stimmen.
13. Der Versuch des Dionysius von Korinth bei Eus. H. E. VII 25 für Apk und Evangelium verschiedene Verfasser anzunehmen, kann sich auf eine ältere Tradition nicht berufen. Denn die zwei Gräber des Johannes, die man nach ihm in Ephesus zeigte (VII 25,16), beweisen nur, daß man sich dort über die echte Grabstätte des einen Johannes nicht im klaren war.
14. Ganz anders urteilt E. Schwartz a. a. O. S. 48ff., gegen Schwartz vgl. meine Ausführungen Theol. Rundschau VIII 234ff.
15. Davon unabhängig ist die Frage für wen der Verfasser des 21. Kap. den langlebigen Jünger gehalten habe. Wenn man zum Beweise dafür, daß im Sinne dieses Verfassers jener Jünger der Zebedaide Johannes sein solle, sich auf die im ganzen Evangelium erstmalige Erwähnung der Zebedäussöhne 21,2 beruft, so gilt dagegen, daß nach dem Sprachgebrauch des vierten Evangeliums, den der Verfasser von Kap. 21 teilt [wenn es nicht überhaupt identisch mit dem Verfasser von Kap. 1-20 ist: Theol. Rundschau VIII 232,3], der ungenannte Jünger nicht unter den οἱ τοῦ Ζεβεδαίου, sondern unter den daneben erwähnten ἄλλοι ἐκ τῶν μαθητῶν αὐτοῦ δύο (21,2) zu suchen ist. Daß hier die Zebedäussöhne genannt werden, rührt daher, daß die der Legende von Kap. 21 zugrunde liegende synoptische Überlieferung diese Figuren bereits bot. Joh 21 ist bekanntlich eine Bearbeitung einer Erzählung, wie sie Luk 5,1-11 bietet.
16. Eine ähnliche, aber mit andern unhaltbaren Hypothesen belastete Vermutung bei J. Weiß, Offenbar. d. Joh. S. 155ff. In diese spätere Zeit wird die Erzählung vom Zusammentreffen des kleinasiatischen Johannes mit dem Ketzer Cerinth zu verlegen sein, die uns Irenäus (III 3 = Eus. H. E. III 28,6; IV 14,6) unter Berufung auf Polykarp überliefert. Auch diese Tradition kann nicht aus der Luft gegriffen sein.
17. Vgl. meine Ausführungen Theol. Rundschau VIII 286f.
18. In dem vierten Evangelium wird ein ziemlich deutlicher Unterschied zwischen den δώδεκα und den μαθηταὶ τοῦ κυρίου gemacht. Die ersteren werden nur ganz nebenbei gelegentlich des galiläischen Aufenthalts erwähnt 6,67. 70. 71, und sofort wird hier hervorgehoben, daß einer von den Zwölf den Herrn verriet. Es wird betont, daß der ungläubige Thomas εἷς ἐκ τῶν δώδεκα war 20,24, während vorher 20,19 von den μαθηταί die Rede ist. Sonst werden die δώδεκα nicht erwähnt. Seine eigentlichen Jünger hat Jesus in Jerusalem 7,2. Der Zeuge des vierten Evangeliums steht als μαθητής außerhalb des Kreises der δώδεκα, und wo er auftritt in einem deutlichen Verhältnis der Rivalität. 1,41, wo man einen bestimmten Beweis dafür hat finden wollen, daß der ungenannte Jünger der Zebedaide sei, ist zu lesen: εὑρίσκει οὗτος πρῶτον (nicht πρῶτος).
19. Theol. Rundschau VIII 289,1.
20. Polykarp erzählte ihm τὴν μετὰ Ἰωάννου συναναστροφὴν ... καὶ τὴν μετὰ τῶν λοιπῶν τῶν ἑορακότων τὸν κύριον. Wenn J. dann fortfährt: καὶ περὶ τοῦ κυρίου τίνα ἦν ἃ παρ' ἐκείνων ἀκηκόει (sc. Polykarp) καὶ περὶ τῶν δυνάμενων [Vorlage: δυνάμεων] αὐτοῦ καὶ περὶ τῆς διδασκαλίας, ὡς παρὰ τῶν αὐτοπτῶν τῆς ζωῆς τοῦ λόγου παρειληφὼς ὁ Πολύκαρπος ἀπήγγελλε ... so sind die von J. in der Mehrzahl eingeführten Augenzeugen des Polykarp natürlich der eine Johannes. J. liebt es aus einem Zeugen mehrere zu machen. Der Johannes des Polykarp kann aber kein Luftgebilde sein. Nur hat J. diesen kleinasiatischen Johannes mit dem Apostel vertauscht. Vgl. übrigens auch Polykarps Berufung auf seinen Verkehr mit Johannes „dem Herrenjünger und den übrigen Aposteln“ nach Irenäus bei Euseb. V 24,16.
21. Vgl. besonders 4,1ff.; 4,44; 7,1.3; ferner 2,11; 4,54.
22. Vgl. die ausdrückliche Angabe des Polykrates b. Euseb III 31,3; V 24,2; Clemens von Alexandria, Stromat. III 39,5-7; Eusebius III 39,5-7. Demnach kann kein Zweifel daran sein, daß Philippus von Hierapolis mit seinen Töchtern identisch ist, mit dem Evangelisten Philippus, den die Apg. wiederum nebst seinen (weissagenden) Töchtern 21,8 erwähnt. Irenäus nennt einen Presbyter, den er zunächst als einen Schüler der Schüler der Apostel einführt IV 27,1 [42,2], bald nachher einen direkten Schüler der Apostel IV 32,1 [49,1] und verwechselt den Herrenbruder Jakobus, (Apg 15,13) mit dem Zebedaiden III 12,15 [18], vgl. Schmiedel, Encyclopaedia Biblica 2511. (Art. John.)
23. Auf die Überlieferung des Polykrates, daß Johannes Priester gewesen sei, will ich keinen allzugroßen Wert mehr legen, obwohl die Notiz zu Kombinationen lockt. Vgl. Joh 18,15 (γνωστὸς τῷ ἀρχιερεῖ).
24. J. Weiß, Offenb. d. Johannes, S. 155-164 vermutet, daß der von ihm angenommene Redaktor der Apk eine ältere Apk des Presbyter Johannes zu dessen Lebzeiten umgearbeitet hätte. Die Hypothese trägt, wie W. selbst halbwegs zugesteht, (S. 163) den Stempel der Unmöglichkeit.