Читать книгу Hemmungslos Real | Erotischer Roman - Willa von Rabenstein - Страница 3

Оглавление

Eva (Hamburg)

Die E-Mail aus dem Business-Forum reißt mich aus meiner Arbeit. Ich redigiere gerade einen Text, als ich das Postfach öffne.

»Sie sehen großartig aus!«, lautet der überraschende Inhalt. Was soll das? Welcher Spaßvogel tobt sich hier aus? Der Absender ist ein gewisser Robert. Das Foto zeigt einen etwa 40jährigen Mann mit hellblondem Haar und hellgrünen Augen. Nicht mein Typ, aber ein interessanter Mann. Als Journalistin bin ich gewohnt, auf Nummer sicher zu gehen. Ich recherchiere nicht nur persönliche Daten und den beruflichen Werdegang des Mannes, der sich Robert nennt, ich erfahre sogar, wo er arbeitet. Seine Angaben sind offenbar korrekt. Das Internet ist nicht zu unterschätzen. Irgendetwas reizt mich an diesem unerwarteten Kompliment. Ein ungewöhnlicher Weg, Kontakte zu knüpfen. Schmunzelnd entschließe ich mich, zu antworten.

»Woher wissen Sie das?«

Die Antwort kommt sofort. »Ich habe schon lange eine Notiz an Ihr Foto geschrieben. Wollen Sie wissen, welche?«

»Gern.«

»Wow, interessant und sehr sexy!«

»Was soll Frau dazu sagen?«

»Das weiß eine Frau wie Sie ganz genau.«

»Ich freue mich über das Kompliment.«

»Sie sind eine äußerst begehrenswerte Frau mit Stil. Ich schaue mir immer wieder Ihre Bilder an.«

»Welche Bilder? Im Forum gibt es nur eins.«

»Google.«

Ich gebe meinen Namen bei Google ein und eine ganze Reihe von Fotos erscheint. Die meisten dokumentieren meine Tätigkeit, andere sind von verschiedenen Websites.

Na dann ...

»Ich bewundere Ihre Haltung, Ihre Figur, Ihre Klasse«, schreibt er. »Tragen Sie manchmal offene Sandaletten mit hohen Absätzen?«

Aha, daher weht der Wind. Ein Schuhfetischist. Der traut sich was. Es verspricht, spannend zu werden und ich steige ein.

»Ja, ohne Strümpfe. Dazu einen schmalen, ganz engen Rock. Alles schwarz.«

»Vielleicht eine enge weiße Bluse?«

»Ja.«

»Und dunkelrot lackierte Fußnägel?«

»Natürlich.«

»Die Schuhe sind hoch?«

»Sehr hoch.«

»Tragen Sie gern schöne Wäsche?«

»Sehr gern.«

»Das dachte ich mir. Würden Sie einen Knopf Ihrer Bluse öffnen?«

»Okay.«

»Würden Sie bitte vor mir auf und ab gehen?«

»Gern.«

»Mmhh. I love it. Macht es Ihnen was aus, den Rock etwas hochzuziehen?«

»Warum nicht?!«

»Gut. Und sich vor mir hinzuknien?«

»Face to Face?«

»Ja, bitte. Und den Mund dabei öffnen?«

»Sie haben gern Blowjobs?«

»Welcher Mann nicht?«

»Okay.«

»Sie dürfen aber nicht blasen. Sie müssen passiv bleiben. Nur den Mund öffnen – erst einmal.«

»Dabei sieht Frau ziemlich blöd aus.«

»Glaub ich nicht. Außerdem müssten Sie in der Situation gehorchen. Sie müssten vor mir knien. Begehrenswert in diesem Outfit!«

»Ja.«

»... und ich würde Ihnen meinen heißen, harten Schwanz auf die Lippen legen, und es mir machen.«

Diese Anmache erregt mich, aber mir wird doch ein wenig mulmig. Habe ich den Verstand verloren? Ich breche das Spiel ab, ich will Zeit gewinnen.

»Das müssen Sie jetzt leider allein in Ihrer Phantasie tun«, schreibe ich Robert, »denn ich lege mich nun in meine Wanne und entspanne, damit ich danach zu meinem Tango-Unterricht fahren kann.«

»Rufen Sie mich aus der Wanne an.«

»Ein anderes Mal vielleicht. Heute bleiben Sie mit Ihrer Phantasie allein.«

»Wissen Sie, was ich dafür geben würde, Sie heute zu sehen?«

»Es wäre sehr unspannend, wenn sich solche Spannungen so leicht entspannen ließen.«

»Im Gegenteil. Heute würde ja nicht viel passieren und das würde die Spannung immens erhöhen.«

»Ein anderes Mal vielleicht.«

»Bitte! – Hier ist meine Telefonnummer ...«

»Heute nicht.«

»Ich möchte heute noch Ihre Stimme hören. Rufen Sie mich nachher aus dem Auto an.«

»Bis bald.«

»Der Mann in mir, der Sie unbedingt haben will, und der höfliche Kerl in mir streiten gerade darüber, ob ich die Telefonnummer von Ihrer Website wähle.«

»Da wünsche ich Ihnen sehr, dass der höfliche Kerl gewinnt.«

»Hat er schon.«

»Gut.«

Jetzt habe ich es brandeilig. Meine Tangostunde beginnt in einer knappen Stunde. Von meinem Haus sind es zwanzig Kilometer bis Hamburg-Ottensen und ich möchte Christof nicht warten lassen. Christof ist ein guter Freund, mit dem ich schon seit einem Jahr tanze. Er ist fünfundvierzig und leitet eine bekannte Hamburger Bank. Immer wieder ernten wir neidische Blicke, wenn wir ganz in Schwarz gekleidet über das Parkett schweben. Christof verkörpert mit seinen ein Meter zweiundneunzig durchtrainiertem Körper, dem lockigen schwarzen Haar und seinen hellgrünen Augen den Typ Mann, bei dem Frauen die Knie weich werden. Dazu hat er eine äußerst gewinnende Art. Ich genieße diese Blicke jedes Mal innerlich schmunzelnd, denn Christof ist schwul.

***

Nach dem Tango gehen wir, wie üblich, auf ein Glas Wein in eine gemütliche Kneipe gleich quer über die Straße. Kaum, dass wir an dem kleinen Tischchen auf der Empore Platz genommen haben, platze ich mit der Neuigkeit heraus.

»Kennst du zufällig einen Broker in Hamburg, der Robert heißt? Er hat ungefähr dein Alter und ich dachte, ich frag mal. Manchmal gibt es ja Zufälle.«

»Bedaure«, antwortet Christof. »Wer ist das?«

»Ich hatte heute einen ganz verrückten Online-Chat.«

»Interessant, dass du für solche Dinge Zeit hast, meine Liebe«, bemerkt Christof leicht ironisch.

»Normalerweise ja nicht, aber das heute war etwas anderes. Es hatte einen eigenartigen Sog und war ganz schön prickelnd.«

»Nun spann mich nicht auf die Folter. Erzähl schon!«, fordert Christof ungeduldig.

Ich gebe den Inhalt des Chats detailliert wieder und bin gespannt auf Christofs Reaktion, aber der verzieht keine Miene. Das kann er gut: zuhören, ohne das Gehörte durch Reaktionen gleich zu bewerten.

Als ich mit dem Satz »und dann habe ich die Mail schlicht mit gut geschlossen« ende, klatscht Christof begeistert Beifall und lacht.

»Was gibt es denn da zu klatschen?«, frage ich leicht irritiert. Ich fühle mich verunsichert, zumal mir das Ganze selbst sonderbar vorkommt.

»Ich finde es prima, dass du dich auf diese Geschichte eingelassen hast«, wehrt sich Christof lachend. »Du bist gern so sachlich, immer cool, immer kontrolliert. Ist doch spannend, mal den Bauch sprechen zu lassen. Was riskierst du? You fly the plane!«

»Ich bin froh, dass du das so siehst. Zur Sicherheit schicke ich dir aber die Daten von dem Typen, wenn ich darf.«

»Gern. Tu das. Und ich möchte unbedingt hören, wie das weitergeht! Da werde ich schon heiß beim Zuhören!«

»Ich auch«, muss ich zugeben. »Ich werde nachher gleich noch einmal ins Netz gehen.«

Wie immer tauschen wir uns über die Geschehnisse der vergangenen Woche aus, bevor ich Christof gegen dreiundzwanzig Uhr zur U-Bahn fahre und mich auf den Weg nach Hause mache. Die Straßen sind nicht mehr sehr belebt.

***

Ich biege in meine Einfahrt. Während ich die Garage aufschließe, atme ich tief durch. Die klare Winterluft tut gut. Ich stelle meinen schwarzen Alfa Spider hinein und verabschiede mich von ihm. Dieses Auto liebe ich wie einen Freund. Ich weiß, dass mancher darüber grinsen würde, aber das versteht eben nur ein Alfa-Fan. Der Bewegungsmelder lässt die Gartenbeleuchtung aufleuchten. Ich gehe ins Haus. Meinen Mantel und die Tangoschuhe werfe ich noch beim Laufen auf die Treppe, und steure schnurstracks auf mein Arbeitszimmer zu. Der Mac ist noch am Netz.

Und tatsächlich, es liegt eine neue Mail von Robert vor.

»Wenn Sie schon nicht da sind, werde ich Ihnen erzählen, wie ich es mir vorstelle:

Wir treffen uns.

Sie sind zuerst da.

Sie tragen das besprochene Outfit.

Ich betrachte Sie in der Tür.

Wir betrachten uns.

Keiner sagt ein Wort.

Ich dränge an Ihnen vorbei.

Sie können mich spüren.

Sie riechen mich.

Ich rieche Sie.

Ich gehe hinein und setze mich auf einen Sessel.

Lehne mich zurück und warte darauf,

dass auch Sie in den Raum kommen.

Sie stöckeln in den Raum, schauen mich an.

Ich behalte meine Hände bei mir und befehle:

›Stöckeln Sie ein wenig auf und ab,

betrachten Sie mich dabei.‹

Sie sehen, dass Sie mir gefallen.

Die fantastischen hohen Schuhe,

Ihre nackten Füße darin,

Ihre roten Fußnägel,

der enge Rock,

Ihre enge weiße Bluse,

die Ahnung Ihrer Wäsche darunter.

›Stellen Sie sich gegen die Wand, mit dem Rücken zu mir,

spreizen Sie die Beine ein wenig,

schauen Sie mich über die Schulter an,

drücken Sie den Po raus.‹

Sie sehen, wie Sie mir gefallen.

Meine Hose ist prall.

›Drehen Sie sich um,

öffnen Sie einen weiteren Knopf Ihrer Bluse

und kommen Sie langsam auf mich zu,

langsam, stöckelnd, provokant.‹

Sie tun, wie befohlen.

Sie stehen vor mir.

Wir atmen beide schwerer vor Erregung.

›Knien Sie nieder und öffnen Sie meine Hose.

Nur die Hose öffnen, nicht mehr.‹

Sie tun wie befohlen.

Sie können mich riechen,

den Geruch nach Sex,

meinen Schwanz.

Ein angenehmer Geruch.

Sie bleiben knien.

Ich fasse in meine Hose

und packe meinen Schwanz.

Sie sehen ihn jetzt: groß, heiß, pulsierend.

Törnt Sie das an?

Gefällt Ihnen das?

Falls ja, antworten Sie, sobald Sie die Mail lesen

oder schicken Sie mir eine Nachricht.«

Ich bin beeindruckt. Seine direkte Anmache törnt mich tatsächlich an. Ich entschließe mich jedoch, nicht zu antworten. Das dürfte das Ganze noch interessanter machen und die Spannung erhöhen.

»Bitte«, schreibt er wieder, »falls Sie meine Nachricht heute Abend noch lesen, antworten Sie und lassen Sie uns weiterspielen. Es sei denn, Sie haben eine Nachricht erhalten, dass ich offline bin.«

Ich bleibe standhaft. Die Mail hat mich heiß gemacht und ich will jetzt allein sein.

Robert schreibt noch einmal. »So, gnädige Frau, ich fahr jetzt langsam heim. Es war mir ein Vergnügen, heute mit Ihnen diese Konversation führen zu dürfen. Sie sind eine Frau mit mehr Klasse und Stil, als man wünschen mag. Tragen Sie noch einmal zu meiner Erregung bei.

Bald.

Oder sogar heute Abend.

Heute Abend würde schon eine App von Ihnen reichen,

um mich sehr zu erregen.

Auf bald, in Verneigung.«

Ist das zu glauben? Diese Sprache, diese galante Masche. Er hat es voll drauf. Und bestimmt nicht zum ersten Mal. Ich stellte mich unter die heiße Dusche. Während ich den Tag noch einmal im Kopf Revue passieren lasse, tue ich mir Gutes. Ich schäume mich mit der neuen Vanille-Duschlotion ein, und streichele und massiere sanft meinen Körper. Kreisende Bewegungen mit wechselnd hartem oder weichem, warmen Wasserstrahl direkt auf mein Geschlecht, tun dann ein Übriges. Ich ergebe mich und komme heftig zuckend. Ich halte mich an der Duschstange fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Erschöpft und zufrieden hülle ich mich anschließend in meinen flauschigen, weißen Bademantel und lasse den Tag mit einem Glas spanischen Rotwein in meinem Lieblingssessel ausklingen. Die Beine hochgelegt, sinniere ich über mein Leben. Zurzeit bin ich mal wieder Single und niemandem verpflichtet. Mein Beruf füllt mich aus. Es geht mir gut.

Die kommende Woche werde ich beruflich auf der Berlinale verbringen. Täglich kann man meine Beiträge im Radio verfolgen. Jeden Abend hetze ich von Party zu Party. Stars und Sternchen feiern sich hier. C-Promis huschen über den Laufsteg der Eitelkeiten in der irrigen Hoffnung, einen Job zu ergattern. Den Mittwochabend habe ich mir für die Tangonacht im »Roten Salon« in Berlin Mitte reserviert.

Als ich den Laptop schließen will, höre ich das kleine »Pling« des Posteingangsgeräusches. – Robert.

Mein Herz klopft.

»Sind Sie online?«, fragt er.

»Ja.«

»Gut. Ich will mit Ihnen spielen.«

»Ich weiß nicht, ob ich heute mitspiele.«

»Verstehe. Ich gefalle Ihnen nicht? Sie haben anderes zu tun?«

»Ich bin nicht so gut drauf.«

»Das ist ein Argument. Dann tröstet Sie vielleicht meine Verehrung. Ich habe selten virtuell eine so interessante, begehrenswerte Frau kennengelernt, wie Sie es zu sein scheinen. Sie gefallen mir. Alles, was ich bisher weiß, gefällt mir und zeigt mir, dass Sie eine Frau von Stil und Geschmack sind. Eine, nach der sich Mann und Frau umdrehen, wenn Sie vorbeigehen. Sie verstehen zu spielen und Sie beherrschen die Sprache als Instrument. All das führt dazu, dass ich Sie sehr verehre und sehr begehre.«

»Herzlichen Dank für das Kompliment. Und Sie haben recht. Nur ist es ein Unterschied, begehrliche Blicke zu registrieren oder Begehren verbalisiert zu bekommen. Sie verstehen, Ihre gute Erziehung und Ihren Charme einzusetzen.«

»Das ist mir ein großes Vergnügen und ein Bedürfnis. Sie sind eine Frau, die ein Mann von Klasse jeden Tag mit Komplimenten bedenken sollte. Frauen wie Sie sind ein guter Grund, ein Mann sein zu wollen. Ich hoffe, ich habe Sie beim Verbalisieren nicht verletzt oder bedrängt. Es ist ein absolutes Muss, einer Dame wie Ihnen mit Charme und wohlerzogen zu begegnen. Und seit Sie es so schön beschrieben, hab ich in bestimmten Situationen immer dieses Bild von Ihnen im schmalen engen Rock, der engen weißen Bluse und den hohen offenen Schuhen vor Augen ...«

Ich lächle in mich hinein. Er hat sich an diesem Outfit festgebissen. Warum steht er ausgerechnet auf unschuldiges Weiß? Zu viele Fragen. Ich will jetzt nichts analysieren. Deshalb schreibe ich zurück: »Nicht viele beherrschen die Klaviatur, auf der Sie zu spielen verstehen. Bravo.«

»Wissen Sie was? Noch nie bekam ich ein schmeichelhafteres Kompliment, das mir so viel bedeutet. Vielen Dank. Das erhöht meine Verehrung und mein Begehren. Eine andere Frage: Ich hab Ihnen neulich eine Kontaktanfrage im Forum gesendet. Mögen Sie diese bestätigen? Sie sähen mich glücklich.«

»Ist geschehen.«

»Ich bin glücklich, entzückt und geschmeichelt.«

»Bitte nicht übertreiben, das steht Ihnen nicht.«

»Ich übertreibe nicht. Ich schrieb Ihnen ja schon, was ich von Ihnen halte. Und wenn ich mich zu Ihren Kontakten zählen darf, dann ist das für mich eine Auszeichnung. Ich glaube, Sie unterschätzen, wie sehr Sie, jedenfalls aus meinem bisherigen Blickwinkel, aus der Menge herausstechen.«

»Das ist mir bewusst. Ich arbeite hart. Neider gibt es viele. Was immer ich tue, wird kritisch kommentiert. Aber Sie meinten wahrscheinlich weniger den Job?«

»Ich meine beides. Auch, und grade die Kombination. Im Job, aber jetzt auch insgesamt für mich. Wie Sie sehen ... Mich haben Sie schon wahnsinnig angemacht.«

»Gutes Aussehen gepaart mit Intelligenz ist bei Frauen nur für starke Männer eine Wunschkombination. Manche fürchten sich davor, andere kämpfen ums Überleben.«

»Tja, solche Männer sind einfach Würste. Ich kann keine Frau begehren, die ich nicht auch als Gesprächspartnerin ernst nehmen kann. Ich habe tatsächlich mal eine Eroberung in jungen Tagen nach Hause geschickt und behauptet, ich hätte Kopfschmerzen, weil die Dame mir im Gespräch doch arg dumm erschien.«

»Wir haben noch nicht über Sie gesprochen. Lieben Sie Ihre Arbeit? Wie groß sind Sie? Was tun Sie für sich?«

»Sie haben noch nicht gefragt. Ja, Broker sind manchmal sehr anstrengend, aber im Großen und Ganzen bin ich mit meiner Arbeit sehr zufrieden, interessante Aufgaben, interessante Projekte. Ich bin 1,92 und Sie? Sie meinen Sport? Zu wenig. Die Arbeit lässt mir wenig Raum. Ich ziehe geistige Aktivitäten vor und lese dann lieber, wenn ich Zeit habe. Aber ich bin noch vorzeigbar, das heißt, nicht zu dick. Und Sie?«

»Ich bin 1,70. Sie sollten sich die Zeit für Yoga oder Sport nehmen. Es zahlt sich aus. Männer zwischen 45 und 65 fallen zuweilen einfach tot um, wenn sie zu viel arbeiten.«

»Ich werde nicht tot umfallen. Ich achte darauf, dass mich die Arbeit nicht auffrisst. 1,70 ist perfekt. Sie können sehr gut schön hohe Schuhe tragen und sind dann noch nicht zu groß ...«

»Hohe Schuhe trage ich nur, wenn ich mich fühlen will, wie ›hohe Schuhe‹ oder anderen demonstrieren möchte, dass ich mich so fühle.«

»Ich habe mir vorgestellt, dass Sie hohe Schuhe tragen, weil Sie wissen, dass es mir gefällt und um zu sehen, wie sehr es mir gefällt.«

»Ja. Wie ich sagte: Sie sind nicht der Einzige, der darauf steht. Beine sehen in hohen Schuhen einfach schöner aus. Frauen werden auf hohen Schuhen zu Weibchen, ein wenig hilflos und manche auch überaus erotisch.«

»Ach, das meinten Sie mit ›demonstrieren‹. Ich weiß. Obwohl ich festgestellt habe, dass viele Männer unterschiedslos auf hohe Schuhe stehen. Bis jetzt bin ich der Einzige, von dem ich weiß, dass er hohe Riemchensandalen dermaßen anderen hohen Schuhen vorzieht, ohne dabei Fußfetischist zu sein.

Ja, ich will Sie.

Als Weibchen.

Erotisch.

Aber das Hilflose ist nichts, was mich anmacht.

Ich werde Sie in Situationen devot haben wollen,

aber nie hilflos.«

Seine Vorstellung provoziert mich und ich mache mir Luft.

»Da sind wir wieder an dem Punkt ›devot‹. Ich bin ein Kühlschrank. Man kann sich bei mir Gefrierbrand holen, oder – wenn mir danach ist – verbrennen. Ich spiele gern.«

»Ich auch. Schauen wir mal. Solange Sie Gefrierbrand verursachen, weil es zum Spiel gehört, ist das gut. Ich nehme an, Sie meinen damit nicht, dass es Ihnen Spaß macht, die Gefühle anderer zu verletzen?«

»Ich finde es wenig erwachsen, andere zu verletzen.«

»Sehr gut. Die Antwort hatte ich erwartet und erhofft. An Ihnen reizt mich vieles. Interessieren Sie sich speziell für jüngere Männer?«

Ich frage mich, ob ich ehrlich antworten soll. Ich kenne den Mann nicht. Vielleicht hat ihn jemand auf mich angesetzt? Vielleicht hat er eine Wette laufen? Von männlichen Kollegen bin ich einiges gewohnt. Ich finde mich dämlich. Warum so kompliziert, warum so ängstlich? Verschiedene verflossene Männer fallen mir ein.

»Nein. Sehr junge Männer sind häufig wie Welpen: niedlich und knackig, aber leider meist ungeschickt und harmlos. Wenn Männer zwischen 35 und 45 sich zu beweisen versuchen, findet Frau das auch nicht toll. Männer ab 50 neigen dazu, ihren Wert an der Anzahl sehr junger Trophäen zu messen. Frau weiß, dass das ein reiner Sachaustausch ist. Hartz4-Männer haben nämlich diese Chance nicht. Ich interessiere mich für starke Männer, das Alter ist zweitrangig. Ich brauche ein Gegenüber auf Augenhöhe. Sie müssen interessant und intelligent sein, Humor haben und gut riechen.«

»Okay. Hab ich schon gesagt, wie alt ich bin?«

»Nein, ich ahne es.«

»Wollen Sie Ihre Ahnung bestätigt wissen?«

»Natürlich.«

»Ich bin 39 und rieche gut, ich bin ein ziemlicher Ästhet. Ob ich intelligent bin oder zumindest bisher wirke, können nur Sie entscheiden. Rauchen Sie? Was für einen Duft verwenden Sie?«

»›Insolence‹ von Guerlin, ›Eternity‹ von Klein.«

»Ich bin kein Fachmann. Süße Düfte oder frisch? Oder herb? Und sagen Sie mir noch, ob Sie rauchen?«

»Herb/frisch, weich im Abgang, angenehm am nächsten Tag. Ich rauche nicht.«

»Perfekt. Ich hasse den Geruch von Rauch und von süßen Parfüms. Wie alt sind Sie? Ich stelle die Frage erst jetzt und weiß, dass ich Sie niemals hätte früher stellen können als Gentle­man. Und bin nicht sicher, ob ich Sie jetzt stellen darf. Wenn Sie Letzteres verneinen, ignorieren Sie meine Frage einfach.«

Ich erspare mir die Antwort. Niemand würde glauben, dass ich fünfundvierzig bin. Wegen meiner Figur und Haltung wirke ich lockere zehn Jahre jünger. Allerdings habe ich mich daran gewöhnt und die Frage nach meinem Alter langweilt mich inzwischen.

Die nächste E-Mail hat einen Anhang. Ich öffne ihn gespannt.

»Dort hab ich Ihnen ein paar Bilder von Schuhen geschickt. Tragen Sie so etwas?«

Es sind Fotos von extrem hohen, aber sehr geschmackvollen Sandaletten. Ich suche die schlichtesten aus und antworte. »Donna Karan und Charles David Cascade – ja.«

»Mmhh, perfekt. Tragen Sie so etwas für mich?«

»Wir werden sehen.«

»Gut.«

»Die Entscheidung, ob es passiert, liegt in Ihrer Hand. Hat sich Ihre Ahnung bei meinem Alter bestätigt?«

»Hat sie.«

»Ok.« Ich entscheide mich, ein wenig zu pokern und schieße eine Frage ins Blaue: »Weiß Ihre Frau von Ihrer Lust am Spielen?«

»Nein, bzw., sie teilt diese Lust nicht. Ihr Mann?«

Meine Entscheidung, mir spontan einen fiktiven Ehemann zuzulegen, fällt prompt. Ich gehe intuitiv davon aus, dass das Hintergehen von Ehepartnern für Robert die Spannung in diesem Spiel enorm erhöht. »Mein Mann ist eher praktisch als virtuell veranlagt.«

»Haben Sie meine Frau geraten oder sich erkundigt?«

»Sie sagen mir, was ich wissen will.«

»Verstehe. Beschränken Sie sich mit anderen Männern auf das Virtuelle?«

»Das entscheide ich von Fall zu Fall.«

»Gut. Weiß Ihr Mann davon?«

»Nein.«

»Gut. Also ist Ihr Handy tabu?«

»Ich bevorzuge das Internet. Abgesehen davon, schaut niemand in mein Handy. Es tut allerdings niemandem gut, wenn es zur falschen Zeit klingelt, nicht wahr?«

»Ich will Ihre Stimme hören. Heute. Und ich will Sie sehen.«

»Verstehe.«

»Ich würde mich auf eine App beschränken. Wenn Sie einen Signalton hätten, wäre das in der Tat schlecht.«

»Was könnten Sie mir da mehr sagen, als hier?«

»Naja, ich habe nicht immer einen Computer in Reichweite. Kann ich Sie anrufen? Jetzt?«, bittet er.

»Nein.«

»Haben Sie Bedenken?«

»Nein. – Ich bedanke mich für den gemeinsamen Nachmittag. Ich bin in Berlin und freue mich jetzt auf eine Milonga.«

»Ich wollte nicht lang mit Ihnen reden. Nur einmal Ihre Stimme hören, um Ihrem Bild in meinen erotischen Tagträumen eine Stimme zu verleihen. Haben Sie die Mailbox Ihres Handys besprochen?«

»Nein.«

»Da hätte ich Ihre Stimme hören können. Und Sie? Was wollen Sie von mir?«

»Vor allem erst einmal Kopfkino. Ihre detaillierten Phantasien erfahren, reflektieren und spüren, ob ich sie teile.«

»Gut. Wir werden sehen. Wir haben heute zu wenig über Phantasien gesprochen.«

»Das holen wir nach – oder geben Sie mir noch rasch eine mit auf den Weg?«

»Schwierig. Ich will Ihnen ja nichts erzählen, was Sie nicht erregt. Im Moment würde mich die Vorstellung faszinieren, Ihnen zum Tango zu folgen, Ihnen dabei zuzusehen, wie Sie begehrenswert tanzen und wie Sie sich anschließend im leeren Tanzsaal mit dem Gesicht zur Spiegelwand von Ihrem Tangopartner von hinten im Stehen nehmen lassen, und wissen, dass ich die ganze Zeit zusehe. Ich würde dazukommen wollen, nachdem ich Sie lang genug beobachtet habe.«

»Klingt gut.«

Nun schreibt er noch eine Nachricht! Ich antworte nicht, sondern entschließe mich spontan, ihm entgegen meiner Absage mit einem Anruf zu überraschen.

»Hallo, ich möchte Ihnen doch einen schönen Abend wünschen.«

Robert ist total perplex. Er freut sich, verhält sich aber angemessen cool. Er klingt jünger als neununddreißig und äußerst sympathisch. Seine Bewunderung scheint echt. Er verzehrt sich nach Frauen wie mir. Erfolgreich, groß, schlank und stolz müssen sie sein, und am liebsten blond. Er gibt zu, dass das Internet für ihn ein spannender Weg ist, sein Leben zu bereichern. Unser Kontakt scheint ihn besonders zu begeistern. Er hat, was die Sprachebene betrifft, in mir ein anregendes Pendant gefunden. Der Herr genießt und zieht unsere gemeinsamen Phantasien manch körperlicher Begegnung vor.

Ich gebe zu, dass es mir ähnlich geht und wünsche ihm einen schönen Abend. Auf die nächste Mail, die er mir für Mitternacht verspricht, freue ich mich schon jetzt.

***

Nachdem ich geduscht und mich zurechtgemacht habe, wähle ich zur schwarzen Marlene Hose ein enges, schwarzes, tief ausgeschnittenes Shirt mit langen Ärmeln. Ich werfe meine Lammfelljacke drüber, stopfe die Tangoschuhe in eine große Ledertasche und verlasse das Hotel. Das Wetter ist trocken und für Februar angenehm warm. Die kurze Strecke zum »Roten Salon« laufe ich zu Fuß. Robert geht mir durch den Kopf. Obwohl ich den Mann – jedenfalls, was sein Foto im Netz betrifft – optisch nicht besonders anziehend finde, fasziniert mich seine direkte und äußerst galante Art. Mir gefällt dieses Spiel mit den Möglichkeiten, dieses »alles können und nichts müssen«.

Beim Tango sitze ich nicht lange. Ich bin öfter hier und man kennt sich. Frauen, die gut tanzen, werden schnell aufgefordert. So tanze ich mit diversen Partnern und fühle mich stark. Ich werde begehrt. Ein gutes Gefühl. Ich genieße es jedes Mal, mich auf den Stil eines neuen Tanzpartners einzustellen, abzuwarten, was der Führende von mir will. Genau das war vor Jahren mein Motiv, mich dem Tango zuzuwenden. Ich, die in ihrem Beruf gewohnt ist, den Ton anzugeben, wollte geführt werden, wollte folgen müssen. Dabei der Tangomusik gehorchen, meist ein wenig schwermütig, aber immer eindringlich rhythmisch.

***

Kurz nach Mitternacht verabschiede ich mich bis zum nächsten Mal, wenn ich wieder in Berlin bin. Küsschen rechts, Küsschen links. Die Tangoszene ist herzlich.

Von Berlin Mitte zu meinem Hotel nehme ich jetzt ein Taxi. Gegen halb ein Uhr nachts komme ich an. Es war ein schöner Abend. Nach stundenlangem Tanzen auf hohen Tangopumps brauche ich Entspannung. Ich lasse heißes Wasser in die Badewanne und füge reichlich Meersalz hinzu. Das ist nicht nur prima für müde Füße, sondern tut dem gesamten Körper gut. Ich rücke einen Stuhl dicht neben die Wanne, stelle den Laptop darauf und steige in das heiße, duftende Wasser. Ich bin neugierig, was Robert eingefallen ist und kann es kaum erwarten, die Mailbox zu öffnen. Da ist die versprochene Mail! Wieder hat er in Zeilen geschrieben, denen er offenbar einen besonderen Rhythmus beimisst.

»Ich will,

dass wir dereinst

Kopfkino

in die Realität umsetzen.

Das würde mir sehr gefallen:

Ich sehe gern zu.

In einer anderen Phantasie,

in den späteren Sequenzen einer solchen Phantasie,

sitzen Sie auf meinem Schoß,

mit dem Rücken zu meinem Gesicht.

Wir gucken beide in den Spiegel.

Sie sehen meine Hände

und mein Gesicht.

Und ich sehe ihr Gesicht.

Meine Hände auf Ihnen,

Ihre hohen offenen Schuhe,

die sie auf meinen Knien abstützen,

und wir beide sehen

die Stelle zwischen unseren Körpern,

wo ich mit Ihnen verschmelze.

Der Anblick ist phantastisch.

Wenn Sie die Fortsetzung möchten

und noch Gelegenheit und Lust dazu haben,

schicken Sie mir als Reaktion heute Abend noch eine App.«

Ich klettere aus der Wanne. Tropfend angle ich mein Handy aus der Handtasche und tippe eine Antwort: »Schönes Bild.« Dann husche ich zurück in das heiße Salzwasser.

Die nächste Mail kommt sofort.

»Es freut mich sehr, dass Ihnen die Szene gefallen hat.«

Ich bin müde und möchte mich für diesen Abend ausblenden. »Das war viel heute. Ich bedanke mich für die schönen Bilder. Werde sie mit zurück nach Hamburg und dann in meinen wohlverdienten Urlaub nehmen. Ich bin in zehn Tagen zurück. Ihnen wünsche ich eine kreative Zeit.«

»Schade. Dennoch freue ich mich, dass die Bilder so gut sind, dass Sie sie mitnehmen werden. Und ich freue mich auf unsere Fortsetzungen.

Virtuell und real.

Bald.«

Ich steige aus der Wanne, wickle mich in ein riesiges Badelaken und verknote es vor der Brust. Während ich mich abschminke und die Zähne putze, plane ich, wie ich die letzten Reisevorbereitungen am folgenden Tag in Hamburg bewältigen will, bevor ich dann am frühen Abend in den Flieger nach Zürich steige. Einige Kleinigkeiten müssen dringend noch besorgt werden, vor allem einen frischen Sunblocker darf ich nicht vergessen. Nichts finde ich ordinärer, als ein sonnengegerbtes Gesicht. Den Zweitschlüssel für die Wohnung hat wie immer meine Nachbarin Gesine. Sie schaut nach der Post und gießt meine einzige Topfpflanze, eine riesige Anturie.

Endlich falle ich ins Bett. Was für ein ausgefüllter Tag! Mein Leben ist spannend.

Ich komme beruflich viel herum und kenne Hotels aller Kategorien. Deshalb möchte ich mich in meinem Urlaub auf guten Service und ein wenig Luxus verlassen können. Ich fahre zum dritten Mal in dieses Hotel.

Mein Flug in die Skiferien geht morgen um 18:15 Uhr mit Lufthansa.

Hemmungslos Real | Erotischer Roman

Подняться наверх