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5. Spiritualität – Wahre Lebendigkeit
Оглавление»Geistliche Übungen« lautet der Titel des geistlichen Bestsellers von Ignatius. Darum lohnt es sich und ist notwendig, die beiden Worte »geistlich« und »üben« ein wenig zu erklären. Zunächst: Was ist mit Spiritualität, geistlichem Leben gemeint? In einer Meditation im Exerzitienbuch lässt Ignatius bitten um »Erkenntnis des wahren Lebens«, das der »höchste und wahre Anführer« zeigt, und »um Gnade, Ihn nachzuahmen« (EB 139). Dies könnte man als eine Umschreibung von Spiritualität gelten lassen: wahre Lebendigkeit. Und diese nicht nur zu erkennen, sondern aus ihr heraus zu leben – in der Verbundenheit mit Christus, dem »verdadero capitán«, dem wahren Anführer des Lebens.
Spiritualität – Glaubend-hoffend-liebender Umgang mit Realität
Der Begriff »Spiritualität« hat in den letzten Jahrzehnten eine gewisse Wortkarriere gemacht. Man weiß vielleicht nicht so ganz genau, aber doch ungefähr, was er bedeutet. Er hat zu tun mit Religiosität, mit Frömmigkeit, geistlichem Leben, Selbstverwirklichung, Esoterik, Meditation usw. Was bedeuten also Spiritualität und spirituelles Leben und spirituelle Übung?
Spiritualität kommt vom lateinischen Wort »spiritus«. Es bedeutet Hauch, Wind, Atem und kann als Lebensstrom verstanden werden. Am Atem kann man spüren, ob jemand lebt. Ein spiritueller Mensch ist ein lebendiger Mensch, in dem Lebenskraft wirkt. Das isländische Wort »Geysir« ist mit dem Wort Geist verwandt; der Geysir offenbart in seinem Ausbruch, wie aus einem »stillen Wasser« große Kraft kommen kann.
Biblisch verstanden, meint Spiritualität Lebendigkeit des Menschen. Geist ist der Lebensodem und Liebesatem, den Gott dem Menschen, dem »Erdling« Adam, einhaucht und ihn so zu einem lebendigen Wesen macht. Wenn die Propheten auftreten, verkünden sie Gottes Wort, das »Geist und Leben« ist.
Maria empfängt das göttliche Leben, Christus, durch den »heiligen Atem«, den Heiligen Geist Gottes und durch seine schöpferische Liebes-Kraft. Diese ist zugleich »Kraft des Allerhöchsten« und berührt doch zart wie ein Schatten: »Die Kraft des Höchsten wird dich überschatten« (Lk 2,35). Jesus, die Frucht der Begegnung, lässt sich in seiner Sendung tragen und treiben durch den Heiligen Geist. Er kämpft gegen den »bösen Geist« und von seinem Sterben heißt es: »Er hauchte seinen Geist/Lebensatem« aus – in Gott.
In der neutestamentlichen Brief-Literatur ist der Heilige Geist sozusagen allgegenwärtig: Die Kirche kommt sich selber an Pfingsten zu Bewusstsein; die Gemeinde baut sich aus den Gnadengaben des Geistes auf; er ist das »Prinzip« von Vielheit in Einheit; es ist der Geist, der »in uns betet«; durch den Geist »ist die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen«.
Christliches Leben ist ein Leben »im Heiligen Geist« – erkennbar an den »Früchten des Geistes«: Liebe, Freude, Einfachheit, Mut, Freiheit, Wahrhaftigkeit, Demut, Friedfertigkeit – oft vermischt mit dem »Ungeist«, d.h. Gewalt, Lüge, Egoismus, Eifersucht, Neid usw.
Umschreibungen von Spiritualität
Einige kurze Definitionen:
– Spiritualität ist gläubiger Umgang mit Realität (Georg Mühlenbrock)
– Spiritualität ist »Lebensziel im Lebensstil«
– Spiritualität ist Lebensmitte und Lebensmittel
– Spiritualität ist die gelebte Antwort auf die Fragen: Woher komme ich? Woraufhin lebe ich? Was sind die Quellen meines Lebens? Wie lebe ich?
– Spiritualität zielt auf das Geheimnis des Ganzen der Wirklichkeit: Warum gibt es überhaupt etwas und nicht nichts? Was ist der Sinn von Sein und Leben?
– Christliche Spiritualität ist glaubend-hoffend-liebender Umgang mit Realität im Geist des Evangeliums Jesu Christi.
Um die Vielfalt spirituellen Geschehens zu sehen und ein wenig zu sortieren, können einige Ebenen bzw. Dimensionen von Spiritualität genannt werden:
– die Ebene des Haltes, die sich auf den letzten Grund des Daseins bezieht: Glaube, Weltanschauung. Wer und wie ist »mein Gott« bzw. »mein Götze«?
– die Ebene der Haltungen: Vertrauen/Misstrauen, Liebe/Egoismus, Demut/Stolz usw.
– die Ebene des Verhaltens: Wie begegne ich anderen durch Worte, Gesten, Taten?
– die Ebene der Verhältnisse: Wie wird das Äußere, Materielles, Natur, Kultur, Politik, Wirtschaft, Normen, soziales Umfeld gestaltet?
Vor und nach allen Umschreibungen ist für Christen entscheidend, dass sie ihr Leben als »Leben im Heiligen Geist« verstehen und dass sie »der Liebe nachjagen« (1 Kor 14,1). Im Geist allein ist Christus gegenwärtig, so schreibt Paulus. Und auch wir begegnen einander als Menschen im Geist (vgl. 2 Kor 5,15–18), freilich in dem Geist Gottes, von dem es heißt, dass er Fleisch geworden ist. – Wes Geistes Kinder sind wir?