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LANDSCHAFTEN, DIE MEINE SEELE NÄHREN

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WARUM ICH FOTOGRAFIERE

Meine Entwicklung als Fotograf ist eng verbunden mit meinem Glauben an den hohen Wert von Wildnis und Naturschönheit sowie das Bedürfnis danach. Diese Überzeugung entstammt persönlicher Erfahrung – als mein Bruder im Sommer 1972 starb, war ich achtzehn. In jenem Sommer arbeitete ich im Glacier National Park. Dass ich mich in meiner persönlichen Notlage dieser Landschaft anvertrauen und in sie eintauchen konnte, hat mir die Augen geöffnet für die heilenden Kräfte der Natur, und es hat mich zu einem Leben in Fotografie geführt. Die Schönheit meiner Umgebung sickerte tief in mein Unterbewusstsein ein – die vor Farbe strotzende Wiese voller Wildblumen, die Wucht eines Gewittersturms, die Klarheit eines Bergsees. Im Versuch, diese lebensbejahenden Entdeckungen festzuhalten und auszudrücken, begann ich zu fotografieren, während ich den Park auf Rucksacktouren erkundete. Innerhalb weniger Jahre war Fotografieren alles, was ich wollte.

Ansel Adams griff gern auf Worte seines Mentors Alfred Stieglitz zurück, um seine Schüler daran zu erinnern, dass eine herausragende Fotografie das emotionale Pendant zur Reaktion des Fotografen auf sein Motiv darstellt. Nur selten erreicht man dieses hohe Ziel. Wir alle können uns glücklich schätzen, wenn wir zwei-, drei- oder viermal im Jahr eine Aufnahme machen, in der Technik und Emotion so ineinanderfließen, dass ein ganz besonderes Bild entsteht. Damit meine ich nicht einfach ein technisch exzellentes, schönes Foto. Ich meine ein Foto, das dank seiner hochgradig persönlichen und kreativen Perspektive Ihre besten Aufnahmen weit übertrifft. Übrigens: Ich bin mir nicht sicher, dass Profis in dieser Hinsicht eine höhere »Erfolgsquote« aufweisen als Amateurfotografen; die jeweiligen Erwartungen an die eigene Arbeit sind einfach zu verschieden. Wie dem auch sei: Es ist immer von Vorteil, wenn man eine gesunde Erwartungshaltung an die eigene Entwicklung hat.

Über die Jahre war ich auf der Suche nach Bildern, die – um es mit den Worten des großen Schwarzweiß-Fotografen Paul Caponigro zu sagen – in der Lage sind, »die Obertöne jener Dimension [der Natur] sichtbar zu machen, nach denen ich suchte. Traumgleich bewahren diese einzelnen Aufnahmen ihre ganz eigene Landschaft, entstanden durch das Zutun einer dort vorhandenen gestaltenden Kraft, und zwar nicht meiner. Auf geheimnisvolle Weise – und meist dann, wenn ich etwas gar nicht bewusst steuern wollte – schlich sich diese mächtige, zarte Magie ins Bild und spiegelte mir genau das, was ich empfunden und gesehen hatte.«

Ich glaube, dass es sich bei der Aufnahme Dawn, Lake Louise um ein solches Bild handelt, wie es Caponigro beschreibt. Ich war an diesem Sommermorgen sehr früh aufgestanden in der Hoffnung auf einen dramatischen, strahlenden Sonnenaufgang über dem Lake Louise und den gletscherbedeckten Bergen. Mag sein, dass meine Hoffnungen ein bisschen übertrieben waren nach den vorangegangenen zwei Wochen Fotografieren im Regen. Geduldig wartete ich auf den Sonnenaufgang, aber die Stimmung, die ich mir vorgestellt hatte, wollte sich nicht einstellen – hartnäckig verhüllten die Wolken die Berge. Es war eine stille, geheimnisvolle Dämmerung. Ich saß einfach da und nahm die Eindrücke in mich auf. Schließlich machte ich mit geringen Erwartungen zwei Belichtungen. Ich setzte meine Reise fort und hatte diesen Morgen bald komplett vergessen. Als ich nach meiner Rückkehr den Film sah, war ich verblüfft und begeistert. Ich musste wirklich darüber nachdenken, wann und wo ich dieses Bild gemacht hatte. Unbewusst, getragen von meiner Erfahrung und meinem Instinkt, hatten sich in diesem Moment die Kraft und die Magie der Landschaft auf dem Film verewigt.

Die Aufnahme vom Lake Louise habe ich mit meiner 4 × 5-Fachkamera und einem 150-mm-Objektiv gemacht (das entspricht 45 mm im Kleinbildformat). Weil ich einen niedrigempfindlichen Film verwendet und die Blende weit geschlossen hatte und es ziemlich dunkel war, lag die Belichtungszeit bei etwa zwei Minuten. Von den erwähnten zwei Aufnahmen war eine ein Querformat, die andere ein Hochformat. Die querformatige Variante sieht fast genauso aus wie die hochformatige, aber die Steine im Vordergrund fehlen. Meist finde ich Gefallen daran, Andeutungen und Hinweise auf die Tiefe einer Szene oder auf Größenverhältnisse aus meinen Aufnahmen zu entfernen, und die Querformat-Variante spiegelt meine normale Herangehensweise wider. Aber das Hochformat bringt die Tiefe besser zur Geltung, und irgendwie ist diese Aufnahme dank des dezenten Hinweises auf die Größenverhältnisse um eine wichtige Dimension reicher. Weil die Steine im Vordergrund von Wasser bedeckt sind und durch die lange Verschlusszeit ein bisschen verwaschen erscheinen, bilden sie ein geheimnisvolles kleines Gegengewicht im Bild.

Ich hatte eine Vorstellung davon, was ich an jenem Morgen am Lake Louise fotografieren wollte, aber als es sich nicht ergab, hatte ich nicht das Gefühl, dennoch unbedingt Aufnahmen machen zu müssen. Stattdessen legte mir die Landschaft einen anderen Vorschlag zu Füßen. Will man ein Bildkonzept mit Gewalt auf den Film bannen, kann es passieren, dass die Kreativität verloren geht. Ich musste kein Bild machen und habe deshalb eines gefunden. Diese Lektion hat der Fotograf Minor White in meinem Lieblingszitat von ihm schön zusammengefasst: »Sei still bei Dir selbst, bis das Objekt Deiner Aufmerksamkeit Deine Anwesenheit bestätigt.«

Also: Warten Sie, beobachten Sie, entspannen Sie sich. Es sind die magischen Aufeinandertreffen von Licht und Land und Kamera, zu denen wir wieder und wieder zurückkehren.

Die Essenz der Landschaftsfotografie

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