Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 70

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FÜNFTE SZENE

Inhaltsverzeichnis

Juliens Kammer

Julia auf dem Bett. Die Wärterin kommt.

WÄRTERIN

Fräulein! - Nun, Fräulein! Julia! - Nun, das schläft!

He, Lamm! He, Fräulein! Pfui, Langschläferin!

Mein Schätzchen, sag ich! Süßes Herz! Mein Bräutchen!

Was, nicht ein Laut? Ihr nehmt Eur Teil voraus,

Schlaft für 'ne Woche; denn ich steh dafür,

Auf nächste Nacht hat seine Ruh Graf Paris

Daran gesetzt, daß wenig Ruh Ihr habt!

Behüt der Herr sie! Wie gesund sie schläft!

Ich muß sie aber wecken. - Fräulein! Fräulein!

Laßt Euch den Grafen nur im Bett ertappen,

Der wird Euch schon ermuntern; meint Ihr nicht? -

Was, schon in vollen Kleidern? Und so wieder

Sich hingelegt? Ich muß durchaus Euch wecken.

He, Fräulein! Fräulein! Fräulein! -

Daß Gott, daß Gott! Zu Hülfe! Sie ist tot!

Ach, liebe Zeit! Daß ich je ward geboren!

Bringt Weingeist, he! He, gnädger Herr! Frau Gräfin!

Grafin Capulet kommt.

GRÄFIN CAPULET

Was ist das für ein Lärm?

WÄRTERIN

O Unglückstag!

GRÄFIN CAPULET

Was gibts?

WÄRTERIN

Seht, seht nur! O betrübter Tag!

GRÄFIN CAPULET

O weh, o weh! Mein Kind, mein einzig Leben!

Erwach, leb auf, ich sterbe sonst mit dir!

O Hülfe, Hülfe! Ruft doch Hülfe!

Capulet kommt.

CAPULET

Schämt euch! Bringt Julien her! Der Graf ist da.

WÄRTERIN

Ach sie ist tot, verblichen, tot! O wehe!

GRÄFIN CAPULET

O wehe, wehe, sie ist tot, tot, tot!

CAPULET

Laßt mich sie sehn! - Gott helf uns! Sie ist kalt,

Ihr Blut steht still, die Glieder sind ganz starr,

Von diesen Lippen schied das Leben längst,

Der Tod liegt auf ihr, wie ein Maienfrost

Auf des Gefildes schönster Blume liegt.

Fluch dieser Stund! Ich armer alter Mann!

WÄRTERIN

O Unglückstag!

GRÄFIN CAPULET

O jammervolle Stunde!

CAPULET

Der Tod, der mir sie nahm, mir Klagen auszupressen,

Er bindet meine Zung und macht sie stumm.

Bruder Lorenzo, Graf Paris und Musikanten treten auf.

LORENZO

Kommt! Ist die Braut bereit zur Kirch zu gehn?

CAPULET

Bereit zu gehn, um nie zurückzukehren. -

O Sohn, die Nacht vor deiner Hochzeit buhlte

Der Tod mit deiner Braut. Sieh, wie sie liegt,

Die Blume, die in seinem Arm verblühte.

Mein Eidam ist der Tod, der Tod mein Erbe;

Er freite meine Tochter. Ich will sterben,

Ihm alles lassen; wer das Leben läßt,

Der läßt dem Tode alles.

PARIS

Hab ich nach dieses Morgens Licht geschmachtet,

Und bietet es mir solchen Anblick dar?

GRÄFIN CAPULET

Unseliger, verhaßter, schwarzer Tag!

Der Stunden jammervollste, so die Zeit

Seit ihrer langen Pilgerschaft gesehn.

Nur eins, ein einzig armes, liebes Kind,

Ein Wesen nur, mich dran zu freun, zu laben -

Und grausam riß es nun der Tod mir weg!

WÄRTERIN

O Weh! O Jammer - Jammer - Jammertag!

Höchst unglückselger Tag, betrübter Tag!

Wie ich noch nimmer, nimmer einen sah,

O Tag, o Tag, o Tag, verhaßter Tag!

Solch schwarzen Tag wie diesen gab es nie.

O Jammertag, o Jammertag!

PARIS

Berückt, geschieden, schwer gekränkt, erschlagen!

Fluchwürdger, arger Tod, durch dich berückt!

Durch dich so grausam, grausam hingestürzt!

O Lieb, o Leben! Nein, nur Lieb im Tode!

CAPULET

Verhöhnt, bedrängt, gehaßt, zermalmt, getötet!

Trostlose Zeit, deswegen kamst du jetzt,

Zu morden, morden unser Freudenfest! -

O Kind, Kind! Meine Seel und nicht mein Kind!

Tot bist du? Wehe mir, mein Kind ist tot,

Und mit dem Kinde starben meine Freuden.

LORENZO

Still! Hegt doch Scham! Solch Stürmen stillet nicht

Des Leidens Sturm. Ihr teiltet mit dem Himmel

Dies schöne Mädchen, nun hat er sie ganz,

Und um so besser ist es für das Mädchen.

Ihr konntet euer Teil nicht vor dem Tod

Bewahren; seins bewahrt im ewgen Leben

Der Himmel. Sie erhöhn war euer Ziel,

Eur Himmel wars, wenn sie erhoben würde;

Und weint ihr nun, erhoben sie zu sehn

Hoch über Wolken, wie der Himmel hoch?

O wie verkehrt doch euer Lieben ist!

Verzweifelt ihr, weil ihr sie glücklich wißt?

Die lang vermählt lebt, ist nicht wohl vermählt;

Wohl ist vermählt, die früh der Himmel wählt.

Hemmt eure Tränen, streuet Rosmarin

Auf diese schöne Leich, und nach der Sitte

Tragt sie zur Kirch in ihrem besten Staat.

Denn heischt gleich die Natur ein schmerzlich Sehnen,

So lacht doch die Vernunft bei ihren Tränen.

CAPULET

Was wir nur irgend festlich angestellt,

Kehrt sich von seinem Dienst zu schwarzer Trauer.

Das Spiel der Saiten wird zum Grabgeläut,

Die Hochzeitlust zum ernsten Leichenmahl,

Aus Feierliedern werden Totenmessen,

Der Brautkranz dient zum Schmucke für die Bahre

Und alles wandelt sich ins Gegenteil.

LORENZO

Verlaßt sie, Herr; geht mit ihm, gnädge Frau;

Auch Ihr, Graf Paris: macht euch alle fertig,

Der schönen Leiche hin zur Gruft zu folgen.

Der Himmel zürnt mit euch um sündge Tat;

Reizt ihn nicht mehr, gehorcht dem hohen Rat.

Capulet, Gräfin Capulet, Paris und Lorenzo ab.

ERSTER MUSIKANT

Mein Seel, wir können unsre Pfeifen auch nur einstecken und uns packen.

WÄRTERIN

Ihr guten Leute, ja, steckt ein, steckt ein!

Die Sachen hier sehn gar erbärmlich aus.

Ab.

[ZWEITER] ERSTER MUSIKANT

[zeigt auf sein Instrument.] Ja, meiner Treu, die Sachen hier könnten wohl besser aussehen, aber sie klingen doch gut. [Im Original bezieht der Musiker den Ausspruch der Amme aufgrund der Doppeldeutigkeit des Wortes »case« (Sache, Kasten) auf den Kasten für sein Instrument: »Ja, bei meiner Treu, den Kasten kann man doch ausbessern.«]

PETER

O Musikanten, Musikanten, spielt:

»Frisch auf, mein Herz! Frisch auf, mein Herz, und singe!«

O spielt, wenn euch mein Leben lieb ist, spielt:

»Frisch auf, mein Herz!«

ERSTER MUSIKANT

Warum: »Frisch auf, mein Herz?«

PETER

O Musikanten, weil mein Herz selber spielt: »Mein Herz voll Angst und Nöten.« O spielt mir eine lustige Litanei, um mich aufzurichten.

[ZWEITER] ERSTER MUSIKANT

Nichts da von Litanei! Es ist jetzt nicht Spielens Zeit.

PETER

Ihr wollt es also nicht?

[MUSIKANTEN] ERSTER MUSIKANT

Nein.

PETER

Nun, so will ich es euch schon [eintränken] gründlich geben.

ERSTER MUSIKANT

Was wollt Ihr uns [eintränken] geben?

PETER

[Keinen Wein] Kein Geld, wahrhaftig; sondern Spott, - ich werde es euch geben, indem ich euch als Spielmänner beschimpfe.

ERSTER MUSIKANT

Dann werde ich Euch eine Dienstboten-Kreatur nennen.

PETER

Dann wird Euer Schädel den Dolch dieser Dienstboten-Kreatur zu spüren bekommen. Ich dulde solche Töne nicht: [ich will euch eure Instrumente um den Kopf schlagen.] Ich will euch befa-sol-laen. Das notiert euch!

ERSTER MUSIKANT

Wenn Ihr uns befa-sol-laet, so notiert Ihr uns.

ZWEITER MUSIKANT

Bitte steckt Euren Dolch ein und zieht Euren Witz hervor.

PETER

Dann legt euch mit meinem Witz an! Ich werde euch mit eisernem Witz verbleuen und meinen eisernen Dolch einstecken. - [Hört, spannt mir einmal eure Schafsköpfe wie die Schafsdärme an euren Geigen.] Antwortet verständlich:

Wenn in der Leiden hartem Drang

Das bange Herze will erliegen,

Musik mit ihrem Silberklang -

Warum »Silberklang«? warum »Musik mit ihrem Silberklang«? Was sagt Ihr, Hans Kolophonium?

ERSTER MUSIKANT

Ei nun, Musje, weil Silber einen feinen Klang hat.

PETER

Recht artig! Was sagt Ihr, Michel Hackebrett?

ZWEITER MUSIKANT

Ich sage »Silberklang«, weil Musik nur für Silber klingt.

PETER

Auch recht artig! Was sagt Ihr, Jakob Gellohr?

DRITTER MUSIKANT

Mein Seel, ich weiß nicht, was ich sagen soll.

PETER

Oh, ich bitt Euch um Vergebung! Ihr seid der Sänger, Ihr singt nur; so will ich es denn für Euch sagen. Es heißt »Musik mit ihrem Silberklang«, weil solche Kerle wie Ihr kein Gold fürs Spielen kriegen!

Musik mit ihrem Silberklang

Weiß hülfreich ihnen obzusiegen.

Geht [singend ] ab.

ERSTER MUSIKANT

Was für ein Pestkerl ist das?

ZWEITER MUSIKANT

Hol ihn der Henker! Kommt, wir wollen hier hineingehn, auf die Trauerleute warten und sehen, ob es nichts zu essen gibt.

Alle ab.

Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch)

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