Читать книгу Die Suche nach Tony Veitch - William McIlvanney - Страница 11

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DER »GAY LADDIE«, John Rhodes’ Lieblingsbar in Calton, am Anfang – und wie einige meinten auch am Ende – des Glasgower East End, war gerammelt voll. Jedenfalls kam es einem so vor. Macey, Dave McMaster und Hook Hawkins waren da. Außerdem John Rhodes.

Trotz seiner Erfahrenheit ließ sich Macey immer noch von John einschüchtern. Das hatte keinen bestimmten Grund. Nicht seine beachtliche Größe. Nicht die irre Strahlkraft seiner Augen, so blau wie eine Ansichtskarte vom Meer. Äußerlich gab es nichts, womit man das Gefühl hätte erklären können. Vielleicht hatte es etwas mit der Gewalt zu tun, die John in der Vergangenheit auf sich gezogen und angesammelt hatte, den schlimmen Orten, die er besucht und von denen er wieder zurückgekehrt war. Auf Macey wirkte er wie eine drohende Gefahr, als würde er mit Flüssigsauerstoff jonglieren. Und immer wieder widerlegte seine gelassene Natürlichkeit diesen Eindruck.

Wenn er sich John jetzt so ansah, wie er den Tee, den Dave hinten aufgegossen hatte, in vier Becher schenkte, war sich Macey erneut der explosiven Widersprüche bewusst, die John Rhodes ausmachten. Dass sie hier waren, gehörte dazu. Sie trafen sich in dem Pub, weil John nicht duldete, dass die brutalen Methoden, mit denen er sein Geld verdiente, in sein Zuhause einbrachen und sein Familienleben störten, das er mit seiner Frau und den beiden Töchtern führte, als wäre er der Geschäftsführer einer Bank.

Der befremdende Gedanke fand Widerhall in der Befremdlichkeit der Kneipe. Es war circa halb zehn Uhr morgens, und durch die hohen Fenster, die kaum mehr als drahtverstärkte Glasschlitze waren, drangen Lichtstrahlen voll wirbelnder Staubpartikel, was dem fast leeren Pub eine verstörende Feierlichkeit verlieh, ähnlich einer Kapelle mit Baugerüst. Als das Teeritual beendet war, sprach der Hohepriester.

»Hook«, sagte er. »Sag die Wahrheit. Weißt du, was Cam Colvin vorhat?«

Hook Hawkins blickte auf. Sein erhobener Kopf bewegte sich, als wollte er absichtlich die Narbe betonen, die sich von seiner linken Wange bis unter sein Kinn zog. Manche behaupteten, sein Spitzname rühre daher, denn er habe sie einem Mann mit einer Hakenhand zu verdanken. Andere behaupteten, der Name stamme aus seiner kurzen Karriere als Boxer.

Macey dachte an sein Treffen mit Ernie Milligan später am Abend und hatte außer seiner angeborenen Neugierde weitere Gründe, aufmerksam zuzuhören. Er wusste, dass Hook und Paddy Collins zerstritten waren, hatte aber nie erfahren warum. Er fragte sich, ob es um etwas ging, das noch nicht ausgestanden war. Aber er fand Hooks Darbietung überzeugend.

»Bei Gott, ehrlich. Ich weiß nicht, worum’s geht, John. Keine Ahnung.«

»Paddy Collins ist tot«, sagte John. »Weißt du was darüber?«

»Wir waren Freunde.«

»Nicht immer.«

»Ist lange her, John.«

»Vielleicht sieht Cam das anders. Ist dieser Sammy auch ein Freund von dir, Macey?«

»Ja. Na ja, ein Bekannter, John. Der ist harmlos.«

John sah Dave McMaster an. Macey bereute seine letzte Bemerkung. Er hatte nur John gegenüber klarstellen wollen, dass er keinen Unruhestifter in dessen Pubs einführen würde. Aber er begriff jetzt, dass er Daves Situation damit verschlimmert hatte, weil er ihm unterstellte, er würde zulassen, dass Unschuldige belästigt werden. Hoffentlich würde Dave es ihm nicht übel nehmen.

»Dem geht’s gut«, ergänzte Macey beschwichtigend. »Ist nichts passiert. Nur die Jacke sieht jetzt aus, als wär sie gebatikt.«

Wenn er in Stimmung war, ließ sich John ebenso leicht unterhalten wie das Publikum im Glasgow Empire an einem regnerischen Dienstag. Immer noch ruhte sein Blick auf Dave. So angeguckt zu werden, dachte Macey, ist, als würde man einem Schmelzofen zu nahe kommen. Man weicht automatisch zurück.

»Was macht Mickey Ballater hier oben? Wer will diesen Abschaum hier haben? Und Panda Paterson? Wenn ich scheiße, kommt was Besseres raus als der.«

»Der war kein Problem, John«, sagte Dave. »Aber ohne dein Okay wollte ich mich nicht mit Cam anlegen. Jetzt wird’s ernst. Das ist alles.«

John starrte ihn an.

»Das will ich hoffen«, sagte er. »Auf einen Laden aufpassen heißt auch, dass man sich um alle kümmert. Wenn du einem Arschloch erlaubst, dir ins Gesicht zu pissen, kommt der Nächste gleich mit ner ganzen Busladung vorbei, und die wollen dann alle mal. Kann ganz schnell einreißen, wenn sich rumspricht, dass man sich im ›Crib‹ was erlauben kann.«

Er trank seinen Tee. Eigentlich fällte er gar keine Entscheidung. Er ließ sie fällen. Bedachtsamkeit war nicht seine Stärke. Dafür Wut. Als er dort saß, lockte er sie aus ihrem Zwinger, legte ihr Bruchstücke des Geschehenen vor, als wollte er sie auf eine Fährte setzen.

»Einen zweiten Durchbruch zur Straße?«, sagte er. »Ich glaube kaum, dass das klappt. Wir müssen mal sehen, wie er’s haben will. Wenn er uns so kommt, verpass ich ihm einen Durchbruch in den Brustkorb. Ich hau Löcher rein, da können Vögel drin nisten.«

Er sah Macey an.

»Mach was mit ihm aus.«

»Wann, John?«

»Jetzt.«

»Hier?«

»Nein. Er soll sich’s aussuchen. Egal wo. Aber komm gleich wieder. Ich will ihn gleich sehen.«

Macey ließ den Tee stehen, den er kaum angerührt hatte, und ging zur Tür.

»Macey. Am besten irgendwo in der Nähe von einem Krankenhaus.«

John Rhodes grinste, ein Ereignis, so freundlich wie eine Sonnenfinsternis im Winter.

Die Suche nach Tony Veitch

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