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Danny

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Danny konnte die Siegesgewissheit in Nobles Augen erkennen, wann immer dieser über das Gold sprach. Er nahm aber auch die Blicke, die sich die anderen drei währenddessen zuwarfen, wahr. Die beiden anderen Männer und die Frau blieben offenbar gern unter sich und Danny wusste gut genug, wie sich Angst äußert, um das nervöse Flackern in Eriks Augen interpretieren zu können. Natürlich waren sie hinter dem Gold her … Narrengold, wenn man Gus Glauben schenken durfte. Mit Sicherheit beschäftigte sie darüber hinaus aber noch etwas anderes. Was es war, würde Danny heute Nacht allerdings nicht herausfinden können.

Nach dem Zähneputzen und einer Katzenwäsche mit eisigem Wasser aus der Regentonne legten sich alle ohne größeres Gerede auf die Pritschen. Sie schliefen komplett angezogen, obwohl es in der Hütte ziemlich warm war, nachdem der Ofen mehrere Stunden lang geheizt hatte.

Am Morgen war die Wärme allerdings verflogen und es gehörte zu Dannys Aufgaben, etwas dagegen zu unternehmen. Leise fachte er also den Ofen wieder an, bevor er nach draußen stapfte und sich, vor der Kulisse der Rockies, über den Rand der Veranda erleichterte. Dabei beobachtete ihn ein neugieriges Eichhörnchen.

Als die Städter endlich aufwachten und vor Schmerz jammerten, hatte Danny bereits den ersten Kaffee des Tages aufgebrüht. Die kurze Spanne zwischen dem Frühstück und den Vorbereitungen für die Weiterreise bot kaum Gelegenheit für ausschweifende Konversationen. Er half Jess stattdessen draußen bei der Einstellung der Schulterriemen ihres Rucksacks, der deutliche Spuren früherer Trips zeigte.

»Du hast so etwas offenbar schon öfter gemacht«, stellte er fest. »Denn du hast bequeme Klamotten an.«

»Damit komme ich aber auch nicht schneller vorwärts. Ich habe tatsächlich schon einige Bergtouren hinter mir, so hoch hinaus, wie es heute geht, bin ich allerdings auch noch nie gewesen. Ich war hauptsächlich an der Westküste wandern und zelten, in der Gegend, wo ich geboren wurde, bei New Brunswick. Im Herzen bin und bleibe ich wohl ein Landmädel.«

»Man merkt es.« Die Worte waren Dannys Lippen kaum entschlüpft, da wurde ihm klar, dass sie das durchaus missverstehen könnte. »Ich wollte nicht … ich meine …«

Sie lachte. »Ich weiß, dass du das nicht wolltest. Kannst du mir einen Gefallen tun und heute bitte besonders auf Mike und Erik aufpassen? Noble hängt ständig im Fitnessstudio rum, er ist in guter Form und sein schierer Wille treibt ihn schon von ganz allein an. Ich schätze aber mal, dass die anderen beiden keinen Schimmer haben, was ihnen heute blüht. Sie könnten uns also Stress machen.«

»Ich werde mich um sie kümmern und sie schon in der Spur halten, und Gus wird dort oben ganz bestimmt keinen leichtsinnigen Unfug zulassen.«

Endlich war sie da, die Chance auf eine längere Unterhaltung mit Jess, bei der Danny vielleicht herausfinden konnte, was die Stadtmenschen so sehr bedrückte.

Doch da rief Gus plötzlich nach ihm, und der Moment war verflogen. »Beweg deinen Arsch hier rüber, unsere Zeit ist kostbar. Ich möchte oben sein, bevor es heute Abend zu dämmern anfängt.«

»Ich beweg meinen Arsch ja schon, Chef«, entgegnete Danny lautstark, womit er sich ein weiteres Lächeln von Jess einheimste, bevor er sich umdrehte.

Fünf Minuten später waren sie bereits unterwegs.

***

Gus marschierte an der Spitze, Noble und Jess unmittelbar dahinter. Dann kamen Mike und Erik, denen eine lebhafte Diskussion über den letzten Star-Wars-Film Ablenkung von ihren Blasen verschaffte. Danny bildete das Schlusslicht.

Nach nur zehn Minuten wusste er, dass es ein zäher Tag werden würde, denn Gus, Jess und Noble hatten bereits vierzig Meter Vorsprung und Erik beschwerte sie in einer Tour über die harte Steigung, die Fliegen, die Kälte und was ihm sonst noch einfiel. Danny wünschte sich insgeheim, der Kerl würde in einen Haufen Elchmist treten, damit er wirklich etwas hätte, wofür sich seine Meckerei lohnen würde.

»Kommt schon, Kumpels«, trieb Danny die beiden unentwegt an. »Gus ist absolut verrückt nach Kaffee. So wie ich ihn kenne, werden wir bestimmt bald die erste Pause einlegen.«

Das war eine glatte Lüge, denn Gus konnte ohne Probleme einen halben Tag lang ohne Unterbrechung wandern … wenn es sein musste, sogar einen ganzen.

Doch davon haben sie keinen Schimmer.

In der nächsten Viertelstunde wuchs die Distanz zu dem Trio weiter vorn stetig an und Danny verlor die drei bereits komplett aus der Sicht, wenn sie um Ecken oder Felsvorsprünge bogen. Bedenken plagten ihn deswegen allerdings keine, denn der Pfad war zwar schmal aber leicht erkennbar und – zumindest bis jetzt – ohne gefährliche Stellen, an denen man abstürzen konnte.

Die kommen erst später.

Das sollte er aber wohl besser nicht laut sagen, denn er ahnte bereits jetzt, dass auf die beiden Männer vor ihm schwere Prüfungen zukommen würden, wenn sie erst einmal in das richtige Gebirge kamen, und damit hinein in raueres Wetter und klirrende Kälte. Hoffentlich litt keiner der Typen unter Höhenangst, denn wenn dem so war, würden sie garantiert niemals im Tal eintreffen.

Als Erik mal wieder über die Blase an seinem Zeh maulte, schaltete Danny seine Ohren einfach auf Durchzug.

Nun, da sie sich ein gutes Stück jenseits der Baumgrenze bewegten, hatten sie endlich freie Sicht nach Norden, zu den blauen Felstürmen mit den weißen Spitzen, die sich vor einem grauen Himmel abzeichneten, an dem dicke Wolken die Sonne verdeckten. Den Hang im Nordosten, den sie erklimmen würden, berührten grundsätzlich nur selten Sonnenstrahlen, selbst im Hochsommer. Von den Höhenzügen blies ein frostiger Wind herab, ein Vorbote, von dem, was ihnen dort drohte. Hinter ihnen reichte die Wildnis fast so weit, wie man sehen konnte. Lediglich eine Eisenbahnlinie, auf der regelmäßig Güterzüge durch einen Bergpass ratterten, zeugte von menschlicher Zivilisation.

Gefühlt lag Jasper hundert Meilen weit entfernt, und für Danny war das vollkommen in Ordnung. Sein Sommer war bisher eher mies verlaufen, denn er hatte kaum vernünftige Jobs an Land ziehen können. Ein paar Wochenenden hatte er in einer Bar an der Theke geschuftet, ansonsten hatte es nur einige Tage als Aushilfe bei der Müllabfuhr und als Hilfspolizist für Verkehrskontrollen gegeben. Jede Arbeit war gefühlt schlechter als die andere bezahlt worden und alle waren zum Schreien stumpfsinnig gewesen. In der freien Natur hingegen fiel der ganze Ärger jetzt langsam von ihm ab. Als er das letzte Mal in den Bergen gewesen war, hatte er sich genauso lebendig gefühlt. Er grübelte jetzt über Nobles Bemerkungen von gestern Abend nach … darüber, dass in Kürze Ströme von Menschen hierherkommen würden, die alle einen Führer benötigten. Danny fantasierte gerade über einen festen Job in dieser Branche, als er plötzlich in Erik hineinlief, weil dieser wie angewurzelt stehen geblieben war.

Die Wanderung dauerte noch keine dreiviertel Stunde, und Danny konnte die Hütte, von der aus sie losmarschiert waren, sogar noch mit bloßem Auge erkennen, und doch schien es so, als sei der Stadtmensch vor ihm schon am Ende seiner Kräfte.

»Ich kann das einfach nicht«, klagte er und ließ sich stöhnend auf die Erde fallen. »Was für eine bescheuerte Idee.«

Mike wirkte, als wolle er etwas sagen, doch Danny kam ihm zuvor: »Soll mir recht sein, denn bezahlt werde ich so und so. Da entlang geht es runter zur Hütte. Dann mal Tschüss. Ach ja, dort befindet sich leider nichts zu mehr Futtern, kein Kaffee und kaum Wasser bis zum nächsten Regen. Aber ich bin mir sicher, Sie haben alles unter Kontrolle, bis wir wieder da sind. Gus schätzt, dass es in ein paar Tagen soweit sein wird. Passen Sie aber auf die Bären auf, denn um diese Jahreszeit herum rennen hier echt üble Viecher rum.«

Erik war bereits ganz weiß im Gesicht, dennoch trieb es Danny jetzt auf die Spitze: »Natürlich könnten Sie auch versuchen, bis zu den Autos zu laufen. Sie haben sich den Weg ja bestimmt gemerkt, oder etwa nicht?«

Danny wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern ging einfach an dem Sitzenden vorbei. Er packte Mike am Ellbogen und sagte: »Los geht’s. Jetzt sind wir nur noch zu zweit. Ohne ihn kommen wir garantiert schneller vorwärts.«

Er drehte sich erst wieder um, als er Erik in seinem Rücken protestierend schreien hörte. »Warten Sie. Ich musste doch bloß ein wenig verschnaufen. Alles in Ordnung.«

Mike grinste Danny verschwörerisch an, als dieser Erik aufmunternd auf die Schulter klopfte, nachdem er sie eingeholt hatte. Zusammen liefen sie jetzt in dem gleichen Schneckentempo wie zuvor weiter.

Wenigstens ist mit dem Rumgeheule erst mal Schluss.

***

Nach einer halben Stunde erklommen sie endlich einen Hügelkamm, auf dessen Scheitel Gus und die anderen gerade ihr Kaffeegeschirr verstauten, und dabei waren, wieder aufzubrechen.

»Wenn ihr pro Stunde zehn bis fünfzehn Minuten zu uns verliert«, erklärte Gus, »werdet ihr erst im Dunkeln im Höhenlager eintreffen. Ihr nehmt jetzt also besser mal die Beine in die Hand. Passt auf herabfallendes Geröll auf, denn gleich wird es sehr steil und der Boden ist nicht besonders fest in dieser Gegend. Es kann also sein, dass wir unabsichtlich Dreck auf euch herabregnen lassen.«

Nachdem Danny Kaffee gekocht hatte, drängte er Mike und Erik dazu, sich zu beeilen, da Gus und die anderen beiden inzwischen nur noch als kleine Striche oben auf dem Berg zu sehen waren.

»Sie haben gehört, was Gus gesagt hat. Sie können auch im Laufen etwas trinken. Ich will nach Sonnenuntergang nämlich ganz bestimmt nicht mehr hier draußen rumlaufen, und Sie können mir gern glauben, dass Sie das auch nicht wollen.«

Er rechnete mit einem Aufstand, aber die Städter waren offenbar schon zu müde, um Widerworte zu geben und marschierten einfach kommentarlos weiter, nachdem Danny den Gaskocher und die Kaffeekanne in den Rucksack zurückgepackt hatte.

***

Dannys Pflichten für den Rest des Tages erforderten es, seine beiden Schützlinge abwechselnd dazu zu ermuntern, einen Fuß vor den anderen zu setzen und in Bewegung zu bleiben. Ihre Route schlängelte sich teilweise steil an in Abgründe abfallende Klippen vorbei und Mike und Erik schafften es nur weiterzugehen, indem sie die ganze Zeit ausschließlich auf ihre Füße starrten.

Gegen Mittag schlossen sie endlich zu den anderen auf, als diese gerade dabei waren nach einer Pause wieder aufzubrechen. Danny kochte einen Eintopf, den die Bürohengste ohne Genuss verspeisten, dann stachelte er sie an, aufzustehen und weiterzulaufen.

Bereits ab dem späten Nachmittag schwand das Tageslicht. Sie kamen der Schneegrenze immer näher und die Kälte wurde nun beißend. Weiter oben, im Übergangsgebiet zwischen Felsen und Schnee, flatterte etwas Grünes. Gus baute offenbar das Camp auf. Danny rechnete noch mit einer weiteren Stunde Kletterei, um ihn zu erreichen.

Im Endeffekt wurden es fast zwei Stunden. Sie trafen in fast vollkommener Dunkelheit an der Felsplatte ein. Schuld war dieses Mal Mike und nicht Erik, der sie extrem aufgehalten hatte, nachdem sich die Blase an seiner Ferse in eine offene Wunde verwandelt hatte. Pflaster hatten nicht mehr ausgereicht, um der Blutung Einhalt zu gebieten, und sie hatten anhalten müssen, damit Danny ihm einen Feldverband aus seiner Erste-Hilfe-Tasche, die er hier oben immer bei sich trug, anlegen konnte. Danach konnte Mike eine Weile besser auftreten, aber kurze Zeit später fing er wieder an zu humpeln. Das letzte Stück stützten ihn Danny und Erik unter den Achseln, bis sie ihn erschöpft am Rande des Nachtlagers absetzten.

»Schön, dass ihr auch mal vorbeischaut«, begrüßte sie Noble, woraufhin ihm Mike den Mittelfinger entgegenstreckte, obwohl ihn das Anheben des Unterarms offenbar einige Mühe kostete.

Dannys Rücken und Beine schmerzten ebenfalls, aber er hatte noch keinen Feierabend, denn er musste jetzt ihr Zelt komplett allein aufstellen, da weder Erik noch Mike fit genug waren, um ihm dabei helfen zu können. Gus lachte, als Danny ihm einen bittenden Blick zuwarf und Noble ignorierte ihn kurzerhand. Jess hingegen erhob sich, um ihm zu helfen, als er die Zeltteile auswickelte.

»Danke.«

»Kein Thema. Ich danke eher dir, dass du unsere beiden Schäfchen sicher hier raufgebracht hast.«

Als sie mit dem Aufbau fertig waren, beanspruchten die vier Zelte fast die gesamte Fläche der Gesteinsplatte. Danny teilte sich eines mit Gus, Noble und Jess hatten ein eigenes, und das Letzte war für die anderen zwei Männer reserviert.

Mike und Erik erweckten den Anschein, als hätten sie die erforderliche Nachtschwere bereits in den Gliedern und als könnten sie eine Woche ohne Pause durchschlafen, dabei war es erst sieben Uhr. Sobald sie gegessen und getrunken hatten, krochen die beiden tatsächlich in ihre Schlafsäcke. Die restlichen vier kauerten sich das letzte Mal um den tragbaren Ofen herum, denn so weit oberhalb der Baumgrenze würde es bald kein Holz mehr geben, um ihn schüren zu können.

»Höher als hier war ich noch nie«, verkündete Gus. »Mein alter Herr hat mich vor dreißig Jahren genau an diesen Ort gebracht. Soviel ich weiß, war seitdem keiner außer mir mehr hier, geschweige denn weiter oben.«

»Genauer gesagt, seit hundertfünfzig Jahren nicht mehr«, ergänzte Noble. »Wie hart wird es morgen werden?«

»Noch wesentlich härter als heute«, erklärte Gus.

Danny war froh, dass Erik und Mike gerade wie Tote schliefen und ihn nicht hörten. Auch so würde er morgen schon genug Schwierigkeiten haben, sie in die Puschen zu kriegen.

»Die beiden hier sind ganz ordentlich geklettert«, meinte Gus widerwillig. »Besonders sie … und das ohne irgendwelche Klagen. Nicht so, wie unsere zwei Spezialisten da drüben.«

»Danke auch noch mal dafür, dass ich ihre Händchen halten darf«, antwortete Danny, während Gus aus seinem Rucksack eine Flasche Rum fischte. »Ich habe keine Ahnung, wie es mit denen weitergehen soll.«

»Wir sind schon viel zu hoch oben«, erwiderte Gus, öffnete die Flasche und goss einen großen Schuss in seinen Kaffeebecher. »Allein können sie schlecht zurückfinden und hierbleiben können sie auch nicht einfach. Das ist zu riskant. Also werden sie mitkommen müssen.«

Danny hatte gerade keine Lust auf eine Diskussion, also beschränkte er sich darauf, so viel Kaffee mit Rum wie nur möglich runter zu kippen. Deshalb saßen sie, unter einem Himmel voller Sterne, Wolken und einem Dreiviertelmond, stumm da.

Danny hielt Gus gerade seinen Becher hin und wollte einen neuen Schuss Rum in Empfang nehmen, als ein schrilles Kreischen die Stille zerriss. »Was zur Hölle …?«, fragte er erschrocken, ohne zu bemerken, dass der Rum gerade hauptsächlich über seinen Handrücken und dann auf den Boden anstatt in den Becher rann.

»Ein Adler. Das muss ein Adler gewesen sein«, antwortete Gus.

»Es klang aber riesig.«

Gus nippte an seinem Becher.

»Oder etwa nicht?«, fragte Danny nach.

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