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3. Kapitel

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Nachdem die Leiche sorgfältig in Isoliermaterial umwickelt aus der Kirche abtransportiert worden ist, verlässt auch Guido die kleine Kirche. Er weiß, dass er diese Art des Mordes mit seinem Abt zu besprechen hat.

Aber was soll er denn auch sagen, als das, was er gesehen und von den Kriminalbeamten gehört hat. Schleppenden Schrittes macht er sich auf, um seinen Abt in dessen Arbeitszimmer aufzusuchen.

Entsprechend zögerlich ist seine Bitte um Eintritt.

„Grüß Gott! Wo warst du zum Abendgebet, Bruder Guido?“, wird der irgendwie verwundert und vorwurfsvoll begrüßt, als er in das Zimmer seines Abtes eingetreten ist.

Guido muss erst seine Gedanken ordnen, bevor er antworten kann, bzw. um ebenfalls mit einem Grüß Gott seinen Abt Ehre zu erweisen, bzw. zu begrüßen.

„In der Kapelle ist ein fürchterlicher Mord geschehen“, beginnt er dann stockend und vorsichtig zu erzählen.

„Ich habe dort unseren Bruder Marcus tot aufgefunden, ermordet“, bricht es dann weiter aus ihm heraus, um sich sofort zu bekreuzigen.

„Was sagst du da? Das ist ja schrecklich! Was ist passiert?“

Der Abt ist erschreckt von seinem Stuhl aufgesprungen und schaut den Mönch erstaunt an, um sich ebenfalls das Kreuzzeichen seines Glaubens zu geben. Dann greift er in eine seiner Schubladen auf der rechten Seite seines Schreibtisches und schenkt sich ein Glas Wein ein.

„Nun berichte, Bruder!“, fordert der Abt dann neugierig, als er ein Schluck des köstlichen Weins gemundet hat.

„Als Bruder Marcus nicht zum Abendgebet erschienen ist, bin ich in die Kapelle gegangen, um nach ihn zu schauen“, beginnt Guide zögernd. „Und als ich in die Kapelle eingetreten bin, habe ich ihn am Boden liegen sehen. In seiner Brust steckte einer dieser schweren Kerzenständer. Dieser wurde ihn mit voller Wucht ins Herz gestoßen. Bruder Marcus muss sofort tot gewesen sein!“

„Das ist ja schrecklich!“, wiederholt der Abt noch einmal und schlägt das Kreuz erneut. Dieses Mal mit Entsetzen in seiner Stimme und lässt sich wieder auf seinen Stuhl nieder, um sich erneut mit einem Schluck Wein zu beruhigen.

Er ist ein wenig kleiner, als Guido. Trotzdem ist sein leichter Bauchansatz unter der Soutane zu erkennen.

„Ich habe sofort die Polizei benachrichtigt“, berichtet Guido nun unbeirrt weiter: „Aber bisher war es nicht möglich, näheres zu erfahren. Ich habe auch niemanden gesehen. Weder als ich zur Kapelle kam, noch in der Kapelle. Das ist schon seltsam, da der Mord erst kurz zuvor geschehen sein musste.“

Und nach einer kurzen Pause schiebt er nach: „Die Leiche von Marcus wurde von der Polizei mit großer Vorsicht in die Gerichtsmedizin überführt.“

Der Abt macht eine zögerliche Pause, bevor er auf die Meldung von Guido antworten kann.

„Ist gut Guido“, sagt er endlich. „Da werden wir die Informationen der zuständigen Behörden abwarten müssen. Gehe du und mache dein Abendgebet. Es wird dir gut tun!“

Nach diesen Worten, die Guido als Entlassung wertet, verlässt er das Büro seines Abtes.

Der Abt bleibt nachdenklich, gesenkten Hauptes, an seinem Schreibtisch sitzen und um immer wieder an seinem Wein zu nippen.

Nach einigen Minuten erinnert er sich daran, dass einmal ein Nottelefon im Beichtstuhl eingerichtet wurde. Für den Fall, wenn ein Priester dort in unübersehbare Schwierigkeiten geraten sollte. Wurde bisher weder gebraucht, bzw. genutzt.

Aber vielleicht war der Mörder in der Kapelle, um zu beichten. Und es ist zu einem heftigen Disput gekommen. Der Abt weiß ja schließlich aus eigener Erfahrung, dass Menschen, welche in einer Beichte schreckliche Erlebnisse verarbeiten wollen, Schreckliches zu erzählen haben und eben auch zu Schrecklichem fähig sind.

„Ja!“, denkt der Abt abschließend und ein wenig hoffnungsvoll neugierig. „Und vielleicht hat Marcus dieses Nottelefon benutzt…?“

Nachdenklich erhebt er sich, um eine Tür seines Büroschrankes zu öffnen.

„Tatsächlich!“, denkt er dann wenig verwundert. „Das Licht des Aufzeichnungsgerätes blinkt rot, also hat auch jemand gesprochen! Vielleicht war es Marcus…?“

Das Gerät ist schnell aktiviert…

„…das Gefühl, dass in meinem Körper etwas unfassbares Böses eingedrungen ist!“, hört er sofort eine dunkle Männerstimme laut schreien. Der Aufschrei wird mit zittriger und bebender Stimme herausgeschrieen, so dass die grauenhaften Worte entsetzlich unterstrichen werden.

„…Sie müssen mich zurückbringen!“, wird diese Männerstimme sofort von einer helleren, undefinierbaren Stimme unterbrochen.

Vor Schrecken bleich schaltet der Abt das Aufzeichnungsgerät aus. Es müssen schon bereits einige Sätze gesprochen worden sein, die Marcus dazu veranlasst hat, aus Verzweiflung die Verbindung zu aktivieren.

„Das sind zwei unterschiedliche Stimmen“, denkt er dann verblüfft. „Da waren doch nicht gleichzeitig zwei Personen im Beichtstuhl. Denn die Stimme von Marcus ist nicht dabei.“

Und nach einer Weile des Überlegens: „Wenn ich die Wahrheit erfahren will, muss ich mir das Band wohl oder übel anhören müssen!“

Der Abt ist nun gefasst, als er das Band wieder einschaltet.

„Sagen sie mir, wie ich ihnen helfen kann!“, hört er dann die zittrige Stimme von Marcus.

„Sie müssen mich zurückbringen!“, ist die Antwort einer helleren, irgendwie unnatürlich klingenden Stimme.

„Nein, Herr Pastor. Sie müssen mich töten!“, kommt sofort die dunklere, bebende Stimme.

„Warum sollte ich sie töten?“, ist die verständnislose Frage von Marcus.

„Da ist etwas in mir, was mich verändert. Ich habe das Gefühl, dass sich irgendetwas in meinen Körper, in mein Bewusstsein geschlichen hat, was nur noch Angst und Panik und Grauen…! Als hätte ich den Teufel in mir. Schauen sie mein Blut an…!“, schreit es aus dem Mann im Beichtstuhl heraus.

„Gehen sie zum Altar und beten sie zu Gott!“, ist die Antwort von Marcus, der aber sofort wieder von der helleren Stimme unterbrochen wird.

„Sie müssen mich zurückbringen… oder ich muss mich töten…!“

„Wohin zurück?“

„Das wissen sie doch! Euch habe ich meinen Zustand zu verdanken. Ihr habt uns abgelegt, wie Säcke voller verfaulter Kartoffel!“

„Hören sie nicht auf diese Stimme, Herr Pfarrer!“, ist wieder die voller Panik klingende Stimme der ersten Person zu hören. „Das ist das Andere in mir. Ich kann es nicht auf Dauer kontrollieren. Sie müssen mich töten! Sie als Priester wissen doch, wie man Hexen wie mich zu töten hat!“

„Bringen sie mich zurück…!“, ist sofort wieder die hellere Stimme zu hören.

„Lassen sie uns zum Altar gehen und gemeinsam zu Gott beten“, ist die seltsam klingende Stimme von Marcus zu hören und dann das Öffnen des Beichtstuhles.

Die Personen sind offensichtlich aus dem Beichtstuhl in die Kirche eingetreten.

„Kommen Sie!“, ist Marcus nur mehr leise zu hören, was sofort mit einem bestialischen Aufschrei quittiert wird:

„Sie haben mich berührt…!“, schreit die Person aus dem Beichtstuhl entsetzt auf.

Dann ist nichts mehr zu hören. Nur noch Stille!

Langsam geht der Abt zu seinem Schreibtisch zurück und setzt sich bedächtig auf seinen Stuhl und nimmt den letzten Schluck Wein aus seinem Glas.

„Was war das?“, denkt er entsetzt. „Was hat sich dann danach in der Kirche abgespielt?“

Und nach einigen Überlegungen: „Was muss sich in der Kirche für ein Grauen abgespielt haben, dass dieser Fremde unseren Marcus auf diese Weise töten musste? Was muss diese Person für ein Grauen empfunden haben, dass er sich töten lassen will! Und wohin ist dieser andere, dieser doppelte Fremde abgeblieben?“

Der Abt vermag es gar nicht, sich vorzustellen, was in der Kirche passiert, bzw. abgelaufen sein muss. Sein Mitbruder muss sich doch freiwillig diesen Kerzenständer in die Brust und genau ins Herz stoßen lassen haben. Auf dem Band waren keinerlei Geräusche zu hören gewesen, welche auf einen Kampf hinweisen könnten!

Was Schreckliches muss passiert sein, dass Bruder Marcus diesen hässlichen Tod über sich hat ergehen lassen?

War es dieses Grauen, von dem diese unbekannte Person gesprochen hat? Hat auch Marcus dieses Grauen gespürt?

Dann muss dieses Gefühl der Angst und des Grauens gewaltig sein!

Und mit einem befremdlichen Seufzer will er seine entsetzlichen Gedanken beenden.

„Es wird mir nichts übrig bleiben, als dieses Band der Mordkommission zu übergeben.“

Leichen leben!

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