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4. Kapitel
ОглавлениеIn der Kreisstadt, im zuständigen Kommissariat der Mordkommission, haben sich der Kommissar Heinz Klose und seine Kollegin Karin Meister eingefunden.
Es ist Samstag und sie wissen beide, dass es mit diesem mysteriösen Mordfall ein Tag voller Überstunden werden könnte. Dass es sich um ein Tötungsdelikt handelte, war beiden bewusst.
„Auf jeden Fall müssen wir den Fall aufarbeiten“, beginnt Karin Meister das Gespräch, um überhaupt etwas zu sagen.
„Was bleibt uns anderes übrig?“, ist die gewollt übertriebene geschäftige Antwort von Heinz Klose.
Der ist wie meistens mit einer Jeans und seiner braunen Lederjacke bekleidet. Heinz Klose machte nie ein Hehl daraus, aus einfachen Verhältnissen zu stammen. Entsprechend einfach war deshalb sein Auftreten mit Kollegen oder in der Gesellschaft. Sein Chef fühlte sich manchmal gemüßigt, seinen Kommissar darauf hinzuweisen, in welcher Position der sich befindet.
Mit einem: „Ziehen sie sich ein gescheites Jackett an!“, seitens seines Chefs wusste der Kommissar, dass hoher Besuch anstand.
Das hieß aber nicht, daß er sich bei Diskussionen zurückhielt. Im Gegenteil! Sein Fachwissen erlaubte ihm, in allen Diskussionen seine Meinung zu äußern.
Auch Karin Meister hat ihre offenbar geliebte schwarze Lederjacke zu ihrem Rock nicht vergessen. Die Kommissarin ist seit 5 Jahren in diesem Kommissariat und zurzeit nicht liiert. Sie liebte es, in das vermeintlich schöne Leben eintauchen zu können, wenn sie in ein Theater oder eine Oper gehen konnte.
Heinz Klose sitzt bequem an seinem Schreibtisch und beobachtet die Szene in dem Büro. Dabei nicht vergessend, dass offensichtlich eine Menge Arbeit auf die beiden wartet. Der Kommissar war in dieser Dienststelle groß geworden. Und das hatte er seinem Fleiß zu verdanken, das wusste er.
Karin Meister hat bereits den obligatorischen Kaffee gemacht. Nicht, weil sie es musste. Aber Heinz Klose mochte es irgendwie, wenn seine Kollegin sich im Amtszimmer bewegte.
Und er hatte auch in Gedanken, dass seine Kollegin immer wieder einmal ein Glas Wein zuviel trank. Das konnte er eben wie heute feststellen, wenn ihre erste Arbeit der Kaffee war.
Heinz Klose wusste auch warum! Karin Meister hatte vor der Zeit in diesem Kommissariat einen Kindesabgang gehabt. Eine Trennung von ihrem Freund war eine Folge gewesen. Eine andere Sache, dass sie einige Zeit zum Alkohol gegriffen hatte. Und sie hatte geglaubt, dass man solch ein schwerwiegendes Erlebnis verschweigen könne. Und das innerhalb der Polizei!
Auch wenn er verheiratet war sah er, dass seine Kollegin nicht nur kompetent, sondern auch anschaubar war. Und an die vielen Variationen ihrer T-Shirts hatte er sich schon lange satt gesehen! Und er dachte: Schließlich wurde man nicht blind, wenn man heiratete.
Aber zu mehr, als ein paar wohlwollende Blicke ließ er es nicht kommen. Dafür schätzte man sich auf kollegialer Ebene. Und der Kommissar wusste, dass zu enge persönliche Kontakte die Arbeit stören können. Darum ließ er es auch bei zwei oder drei privaten Kontakten bewenden. Die feierlichen Anlässe in der Dienststelle boten genügend Möglichkeiten für private Gespräche.
Und trotzdem wusste Heinz Klose, dass diese kompetente Kollegin diese seine Dienststelle verlassen wird, sobald sie eine Möglichkeit ihrer Beförderung sah.
Nein, er war deshalb seiner Kollegin nicht böse. So war es eben, das Leben. Und besonders das Leben in einer Dienststelle des öffentlichen Lebens.
Er hatte sich in den letzten Jahren eindringlich mit den Menschen und dem Leben beschäftigt. Der Grund für diese Beschäftigung war, als er einmal darüber nachdachte: Warum bin ich eigentlich so wie ich bin?
Und diese Frage hatte sich schnell ausgeufert. Letztlich dachte er darüber nach: Warum ist der Mensch, so wie er ist?
Deshalb war er bis zu den Anfängen des Lebens, nein, bis zum Entstehen dieses Universums zurückgegangen. Dabei hatte sich seine Einstellung zu den Menschen und zum Glauben an einen Gott verändert.
Für ihn hatte jedwede Glaubensrichtung an Bedeutung verloren. Sicher, sein Glaube war stärker geworden. Aber das hatte nichts mehr mit irgendeiner Religion zu tun.
Für ihn beinhaltete jede Glaubensrichtung lediglich Macht, Reichtum und Ansehen für eine Gruppe von Menschen, welche es geschickt verstanden, den Glauben der Menschen an einen Gott für sich auszunutzen.
Und dann die Menschen, bzw. die Menschheit. Aber die durfte man eben nicht als das alleinige Leben auf diesem Planeten bezeichnen. Bevor das Leben zum Menschen aufstieg, gab es seit Jahrmilliarden bereits Leben auf der Erde. Und das Verhalten des Menschen war auch von diesem frühen Leben abhängig.
Zum Entstehen des Lebens auf der Erde favorisierte er die so genannte Ursuppen-Theorie, auch wenn er sich mit der Tiefseetheorie anfreunden konnte. Im Grunde war das auch egal. Die Zutaten für eine Entstehung von Leben waren jedenfalls mit den Meteoriten aus dem Universum auf die Erde gekommen.
Er hatte sich dann gedacht, dass das entstandene Leben bereits vor vielen Milliarden Jahren sich Grundeigenschaften erarbeitet hatte, welche auch in der Jetztzeit noch galten.
Überleben, Sichern der Art, Neugier und gegenseitiger Austausch.
Also 4 Grundeigenschaften, wie die vier Grundbausteine der DNA (DNS).
Ihm war deutlich geworden, dass sich diese vier Eigenschaften in den Menschenschichten unterschiedlich bemerkbar machten. Die so genannte Elite eines Volkes dachte ganz anders, als das arbeitende Volk. Und dieses unterschiedliche Verhalten zu den Grundeigenschaften gab es in den drei tragenden Säulen des Lebens: Die Wirtschaft, die Politik und die Religion.
Und Heinz Klose war es deutlich geworden, dass diese Grundeigenschaften des Lebens von dieser so genannten Elite manipuliert wurden. Und zwar dahingehend, dass sie in eine gewünschte Gesellschaft passten.
Auch die Hemmschwelle zur Selbsttötung war erheblich gesunken. Man brauchte eben Selbstmörder um Terror erzeugen zu können.
Die Geburtenrate wurde je nach Gebrauch in einem Lande geregelt. Je nachdem man Arbeiter oder Soldaten benötigte.
Bei der Bildung ging es doch im Grunde darum, die Bürger auf einem Niveau zu halten, welcher bedeutet: Wer nichts weiß, muss alles glauben.
Aber was ihm mehr zu schaffen machte war, dass diese Manipulationen einer Elite von den Menschen nicht gesehen wurden.
„Nun ja“, dachte er dann immer amüsiert. „Wem man nichts sagt, dem braucht man nicht zu belügen!“
Heinz Klose grinste ein wenig in sich hinein, als er diese Gedanken auf seine Kollegin übertrug.
Aber dieser Gedanke war der Grund dafür gewesen, dass er für sich Bildung an erster Stelle gesetzt hatte. Er hatte das mit seiner Frau und seiner Familie gut in Einklang bringen können. Es war eben sein Hobby, sich lieber eine Dokumentation anzuschauen, als einen Kriminalfilm.
Und für sein Fachwissen musste alles an Bücher herhalten, was er für seinen Beruf gebrauchen könnte. Und Fortbildungsseminare natürlich.
„Und eben eine dieser Eigenschaften wird Karin dazu bringen, sich nach Höherem umzusehen! Mit ihrer Neugier schaut sie immer wieder nach Möglichkeiten, ihr Leben zu verbessern.“
Und er grinste immer noch in sich hinein, als er an einen seiner Sprüche dachte: „Wer Angst hat, einen Anderen aus dem Bett zu holen, muss deshalb nicht selbst weiter schlafen!“
„Hat die Spurensicherung schon irgendwelche brauchbare Ergebnisse melden können?“, wird Heinz Klose von seiner Kollegin aus den Träumen gerissen.
Der Angesprochene nimmt ein Blatt von seinem Schreibtisch und antwortet: „Nichts Besonderes. In der Kirche gibt es zu viele Abdrücke. Was ja auch logisch ist. Aber die Bruchstücke vom Kerzenständer, bzw. der Tatwaffe, sind mit Abdrücken aus dem Beichtstuhl identisch. Was heißt: Der Täter war vor der Tat mit dem Priester im Beichtstuhl.“
Sorgfältig legt Heinz Klose das Papier auf seinen Schreibtisch zurück und meint dann: „Zusammenfassend kann ich nur sagen: Warum lässt sich ein Priester auf diese Weise töten. Denn, nachdem was ich gesehen habe, gehe ich davon aus, dass dieser junge Priester sich hat freiwillig töten lassen. Es waren ja keinerlei Kampfspuren erkennbar. Weiteres dazu kann uns nur der Doktor sagen!“
Wieder eine kurze Pause des Nachdenkens, in der sich die Kollegen anschauen.
„Wir machen uns eine Timeline des Geschehens und warten auf den Doktor“, ist endlich die abschließende Bemerkung von Heinz Klose.
Es ist etwa eine Stunde in eifriger Beschäftigung vergangen, als der Gerichtsmediziner den Raum betritt.
„Grüßt euch, ihr beide“, sagt Manfred Holzmann jovial beim Eintreten.
„Ah, da bist du ja!“, ruft die Kommissarin erleichtert zurück. „Wir haben schon auf dich gewartet.“
Der Doktor lässt sich gar nicht lange bitten und beginnt mit seinem Bericht.
„Was ich zu sagen habe, ist leider sehr wenig. Die Uhrzeiten zum Tatverlauf habt ihr ja. Es ist wohl tatsächlich so, dass sich dieser Priester freiwillig auf diese grausame Weise hat töten lassen. Es gibt keinerlei Abwehrspuren, geschweige denn Kampfspuren!“
„Und weiter!“, fragt Heinz Klose ungeduldig. „Das kann doch nicht alles sein!“
„Doch“, ist die kurze Antwort des Mediziners. „Das ist alles!“
Er macht eine kurze Pause und meint dann geheimnisvoll: „Da gibt es etwas, was mir als Mediziner merkwürdig vorkommt. Im Blut des Priesters habe ich mikroskopische, zellulare Strukturen festgestellt, die in kein Blut hinein gehören!“
Nun ist es für einen Moment still im Arbeitszimmer der Kommissare.
„Und was willst du uns damit sagen?“, unterbricht Karin Meister die nachdenkliche Stille.
„Nichts! Keine Ahnung! Offenbar wollte man, dass tatsächlich kein Blut nach außen dringen sollte. Schon wegen dieses seltsamen Rituals, bin ich äußerst vorsichtig vorgegangen. Aber zunächst ist alles nur seltsam!“, ist die abschließende Antwort.
In diesem Moment klingelt das Telefon am Arbeitstisch von Heinz Klose.
Als er den Hörer abgenommen und einen Moment gewartet hat, schaut er zu seinen Kollegen und deutet auf das Telefon.
„Es ist der Abt des Klosters…!“, flüstert er den beiden zu.
Der Kommissar hat die Sprecheinrichtung auf Lautsprecher geschaltet, so dass das Gespräch im Raum mitgehört werden kann.
„Sie sind der leitende Kommissar?“
„Ja…! Hauptkommissar Heinz Klose.“
„Hören sie, Herr Klose. Aus Gründen, die ich ihnen nicht genau erklären kann, ist mir der Ablauf in der Kapelle bekannt. Ich kann nur so viel sagen, dass etwas Grauenhaftes geschehen ist. Der wahrscheinliche Täter ist eine männliche Person, welche allerdings mit unterschiedlichen Stimmen gesprochen hat. Schizophrenie, denke ich. Diese Person hat nur davon gesprochen, dass man ihn töten müsse. Aber auch, dass man ihn zurückbringen müsse.“
„Und? Haben sie eine Vermutung, wo sich der Täter aufhalten könnte?“
„Nein! Eigentlich nicht. Aber ich habe eine dunkle Ahnung, dass sich der Täter in oder in der Nähe der Kirche, bzw. des Klosters aufhalten könnte. Schließlich war es ihm offensichtlich wichtig, mit einem Priester zu sprechen.“
„Wir werden in Kürze bei Ihnen sein. Halten sie sich bis dahin zurück. Nach dem bisherigen Geschehen müssen wir davon ausgehen, dass der Täter mehr als gefährlich ist.“
„Habe verstanden. Ich erwarte sie!“
Heinz Klose hat das Gespräch beendet und schaut seine Kollegen ins Gesicht und nimmt seine Lederjacke.
„Machen wir uns fertig! Wir nehmen ein paar Beamte mit. Und auch sie Herr Doktor kommen mit uns. Auch ich habe ein merkwürdiges Bauchgefühl, dass wir sie brauchen werden, falls wir den Täter finden sollten.“