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Vorwort

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Als ich das vorliegende Buch plante, war dieses thematisch eher eng angelegt. Im Zentrum sollte der aktuelle Tempowahn stehen, also das, was sich nun vor allem in den Kapiteln 8 und 9 findet. Es waren dann vor allem meine Recherchen hinsichtlich dessen, was ich zu dem Thema bereits einmal teils geschrieben und teils auch selbst erlebt hatte, was zu dem jetzt umgesetzten weit breiteren Themenspektrum führte. In dem 1986, 1987 und 1992 erschienenen Buch „Eisenbahn und Autowahn“ finden sich bereits Abschnitte, die Ivan Illichs Theorie der „gesellschaftlichen Durchschnittsgeschwindigkeit“ aufgreifen. Wobei es dort im Kapitel „Geschwindigkeitsmythos“ noch um Autos geht, „deren Spitzengeschwindigkeiten bis vor zwei Jahrzehnten dem Rennsport vorbehalten waren“. Damit waren jedoch Tempi von „bis zu 200 km/h“ gemeint. Derzeit haben alle drei großen deutschen Autohersteller Modelle mit Spitzengeschwindigkeiten von 300 plus im Angebot. Auch gibt es Autovermieter, die sich auf Pkw mit solchen Spitzengeschwindigkeiten spezialisiert und dabei vor allem junge Männer als potenzielle Kunden (und nicht selten als Mörder respektive als Selbstmörder) im Fokus haben. Das Buch „Verkehr. Umwelt. Klima“, das 2007 und 2009 bei Promedia erschien, hatte bereits den richtungsweisenden Untertitel „Die Globalisierung des Tempowahns“. Und als – erneut bei Promedia – 2020 die dritte Auflage von „Mit dem Elektroauto in die Sackgasse“ erschien, da durfte ich bereits über Elektroautos mit solchen Top-Geschwindigkeiten und „mit 510 PS im Heckmotor, weiteren 263 PS im Frontmotor und einem Leergewicht von 2486 Kilogramm“ berichten. Es geht um das Model X von Tesla, von der EU als „Zero-Emission-Vehicle“ eingestuft.

Insofern kann ich beim Thema Tempowahn aus dem Vollen schöpfen. Das gilt auch für die Notwendigkeit der Entschleunigung. In meiner Jugend verfügte ich über ein Kartenspiel mit dem Titel „Rennen und Rekorde“. Abgebildet war unter anderem der Dampfer „Britannia“, der 1840 die Transatlantik-Querung in der Rekordgeschwindigkeit von zwei Wochen bewältigt hatte. Mit an Bord war immer eine Kuh, damit die Passagiere täglich ihre frische Milch trinken konnten. Man mag füglich bezweifeln, dass dabei das Tierwohl in ausreichendem Umfang beachtet wurde; doch für die Passagiere handelte es sich zweifellos um ein entschleunigtes Reisen. Die leistungsstärksten Schiffe in diesem Quartett waren 18 Knoten oder 33 Stundenkilometer schnell. Es ging um das „Blaue Band“; man sprach damals tatsächlich von Transatlantik-Rennen. Anfang der 1990er-Jahre befuhr ich dann – selbst am Ruder stehend – den Llangollan-Canal in Wales, und las abends auf dem narrow boat die Beschreibung darüber, wie der in dieser Region Anfang des 19. Jahrhunderts erstellte exzellente Käse auf tagelangen Kanalschifffahrtstransporten – am Ende auf dem Shropshire Union Canal – reifte, um schließlich auf dem Wochenmarkt der Stadt Chester verkauft zu werden. In meiner Zeit als Bundestagsabgeordneter entwickelte ich meine Begeisterung für die Nachtzüge. Ich konnte irgendwo in Baden-Württemberg abends eine Veranstaltung abhalten, danach noch ein oder zwei Viertel Gutedel trinken; Hauptsache ich war bis 23.26 Uhr in Karlsruhe oder bis 0.05 Uhr in Mannheim: Der Talgo-Nachtzug brachte mich dann bis Punkt 8 Uhr früh nach Berlin; das Frühstück im Zugrestaurant war wirklich ausgezeichnet.

Doch lesen Sie selbst – die Geschichte von Mensch und Geschwindigkeit, Industrialisierung als Zeitdiktat, Ford und Faschismus, Globalisierung und Corona und den „Griff des in einem (rasenden) Zug reisenden Menschengeschlechts nach der Notbremse“, wie Walter Benjamin die notwendige Revolution charakterisierte.

Für Lektorat und intensiven Austausch bedanke ich mich bei Andreas Jacobson.

Winfried Wolf, Michendorf, im März 2021

Tempowahn

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