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Jana

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Ohne voneinander zu wissen, saßen sie im gleichen Zug, dessen letzte Station Sassnitz war. Hier stand ein Lastwagen mit aufmontierten Sitzbänken auf der Ladefläche bereit. Er brachte die künftigen Gruppenleiter nach Glowe.

Für Frieder Gunsch war es das erste Mal, dass er an einer Ferienaktion der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung teilnahm. Jana Urban dagegen hatte bereits Erfahrungen im Umgang mit Kindern sammeln können, als sie noch vor ihrem Abitur mit einer Gruppe von zehn- bis 12jährigen Kindern, deren Eltern im Volkseigenen Betrieb ihres Vaters arbeiteten, ihre Ferien im Thüringer Wald verbringen durfte. Dann hatte sie den Bescheid vom Institut für Lehrerbildung in Potsdam erhalten. Alle, die jetzt mit ihr auf der Ladefläche des Lastwagens saßen und über eine holperige und mit vielen Schlaglöchern versehene Straße auf die Halbinsel Jasmund fuhren, hatten ähnliche Motive. Alle wollten sie Lehrer werden und jetzt das Angebot der Gewerkschaft nutzen, über ein Ferienlager ein außerschulisches Praktikum zu absolvieren.

In einer Woche würden die Sommerferien beginnen, eine Woche hatten sie also Zeit, sich auf ihre Aufgaben als Gruppenleiter vorzubereiten. Jana freute sich sehr auf Glowe. Als Zehnjährige war sie schon in einem Pionierlager an der Ostsee gewesen. Das Lager befand sich am Rande von Göhren und gehörte zu den zentralen Pionierlagern der DDR. Sie durfte an die Ostsee fahren, weil man sie für ihre guten schulischen und gesellschaftlichen Leistungen auszeichnen wollte. Das Lager war nach dem KPD Politiker Etkar André benannt und bot Platz für rund 800 Kinder. Die Zeit im Lager zählte Jana schon jetzt zu den besten ihres Lebens. Fast jeden Tag gab es Ausflüge. Nach Stralsund ins Meeresmuseum, nach Sassnitz ins Fischereikombinat, nach Stubbenkammer und auf den Königsstuhl. Es gab ein Neptunfest und fast jeden Tag ging es zum Baden. Vater hatte gesagt, dass sie nie wieder so billig Urlaub machen könne. Die Eltern mussten unfassbare zwei Mark am Tag bezahlen, inklusive Hin- und Rückfahrt mit der Deutschen Reichsbahn. Es war eine unbeschwert schöne Zeit.

Das Ferienlager in Glowe war nach dem Politiker und Gewerkschaftsfunktionär Herman Duncker benannt worden. Bis 1960 war Duncker, wie Jana gelesen hatte, Direktor der Gewerkschaftshochschule „Fritz Heckert“ in Bernau bei Berlin gewesen. Das zu wissen, konnte vielleicht einmal von Vorteil sein.

Als sie mit den anderen auf dem Bahnhofsvorplatz auf ihr Transportfahrzeug wartete, hatten sie sich einander vorgestellt. Der junge Mann, der ihr jetzt auf dem Lastwagen gegenüber saß, hieß Frieder und kam aus Erfurt. Er hatte ziemlich lange Haare, ein Gammler, hätte ihr Vater gesagt. Ihm haftete eine linkische Schüchternheit an, aber das machte ihn gleichzeitig sympathisch. Die anderen Männer in ihrer Gruppe waren ihr etwas zu laut. Alles Schwätzer, hatte sie gedacht, als sie unfreiwillig an ihrer Unterhaltung teilnehmen musste. Sie schienen ihre Rolle als Betreuer nicht allzu ernst zu nehmen, sie sprachen immer nur von den Mädels, die sie hier an der Ostsee vernaschen wollten.

Ferien an der Ostsee

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