Читать книгу Borreliose natürlich heilen - eBook - Wolf-Dieter Storl - Страница 8

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VORWORT: VOM HOHEN ROSS GEFALLEN

In diesem Buch geht es um eine neue Volkskrankheit, die allmählich epidemische Ausmaße anzunehmen scheint: die Borreliose.

Borreliose ist in. Die Publikationen zum Thema häufen sich. Meistens sind es schulmedizinkonforme Abhandlungen, Analysen, die der gegenwärtigen kulturellen Konstruktion der Wirklichkeit verpflichtet sind und den wissenschaftlich-objektiven Rahmen nicht sprengen. Die Vektoren – Zeckenbiss und anschließende Borrelieninfektion – werden aufgezeigt, Diagnosen gestellt und schließlich eine wissenschaftlich vertretbare Lösung angeboten. Diese heißt dann Antibiotika. Leider wirken diese Wundermittel bei der Borreliose kaum. Diese cleveren Bakterien vermögen unseren schärfsten Waffen, den Antibiotika, Paroli zu bieten. Sind diese Kleinlebewesen vielleicht doch nicht so unintelligent und primitiv, wie wir meinen?

Wo wenig hilft, da sollte mehr helfen. »Truppenverstärkung« ist angesagt! Noch größere Mengen und eine länger dauernde Anwendung von Mikrobenkillern scheint das Einzige zu sein, was der Schulmedizin dazu einfällt. Dass die Borreliose möglicherweise ein weiteres Indiz dafür ist, dass wir am Ende des Antibiotikazeitalters angelangt sind, fällt ihr schwer zuzugeben. Auch die Komplementärmedizin hat Schwierigkeiten, einen eigenen Ansatz zu finden. Wie Sancho Pansa trottet sie auf ihrem »alternativen« Esel hinter dem stolzen schulmedizinischen Don Quijote einher. Die Richtung ist dieselbe. In ihrem Sack schleppt sie eine verwirrende Vielzahl von »natürlicheren« Mitteln. Beide Ansätze jedoch, die schulmedizinische wie auch die alternative, bleiben dem offiziell sanktionierten wissenschaftlichen Weltbild verhaftet. Die Situation ist ein gefundenes Fressen für Scharlatane und Quacksalber, die alle möglichen Wundermittel anbieten. Es ist Zeit für einen wirklich neuen Ansatz.

Ethnomedizin

In der Ethnologie und Kulturanthropologie ist man sich bewusst, dass es auch andere Erklärungsmodelle für Krankheit und andere Methoden der Heilung gibt als jene, die unsere Schulmedizin – die sich inzwischen »Biomedizin« nennt – im Angebot hat. Lange zweifelte niemand daran, dass die moderne westliche Schulmedizin in ihrer Methode »objektiv« ist, frei von Metaphysik, unangreifbar und einwandfrei wissenschaftlich bewiesen (Pfleiderer 1995: 45). Im Gegensatz dazu galten die Heilsysteme der nichtwestlichen Ethnien – der »traditionellen Völker«, der »Eingeborenen«, der »Wilden« – als auf Aberglauben beruhend, empirisch-wissenschaftlich nicht nachweisbar und von irrationalen Vorstellungen und Handlungen geprägt. Bei näherer Betrachtung stellt sich diese Auffassung jedoch als ethnozentristisches Vorurteil heraus, als eine aus Unwissen gespeiste kulturelle Überheblichkeit. Immer wieder konnten die völkerkundlichen Feldforscher belegen, dass nicht nur die Mediziner aus nichtwestlichen Hochkulturen – traditionelle chinesische Heiler oder indisch ayurvedische Ärzte – sehr gut und erfolgreich mit für westliche Begriffe nicht nachvollziehbaren Modellen arbeiten, sondern dass auch Kräuterweiber, trommelnde und tanzende indianische Medizinleute, Giftgebräu mischende und Ahnengeister beschwörende afrikanische »Hexendoktoren«, mit bewusstseinsverändernden Pflanzen hantierende südamerikanische Curanderos, ekstatische sibirische Schamanen und andere Heiler der »schriftlosen Völker« beachtenswerte Heilerfolge vorweisen können. Das wird inzwischen auch von Resolutionen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Unesco anerkannt. Schon 1976 würdigte die WHO die wesentliche Rolle, die traditionelle Heiler bei der Sicherung der Gesundheitsvorsorge bei über der Hälfte der Weltbevölkerung spielen (Foster/Johnson 2006: 10). Anlässlich der Konferenz von Alma Ater (Kasachstan, 1978) forderte die WHO eine Aufwertung der traditionellen Medizin und deren Integration in die moderne Medizin (Heinrich 2001: 2).

Aus ethnomedizinischer Sicht ist die Schulmedizin eben nicht die letzte Instanz, was Heilung und Medizin betrifft. Sie hat keinen Alleingültigkeitsanspruch, sondern stellt, genauso wie die anderen Heilkunden, lediglich eine von vielen möglichen Gesichtspunkten dar. Auch sie ist kulturell geprägt, ist eine kulturelle Konstruktion, ist Produkt bestimmter geschichtlicher und gesellschaftlicher Prozesse. Unsere medizinische Forschung »entdeckt« nicht gegebene, objektiv vorliegende Fakten, sondern »produziert« diese Fakten durch die Interaktion zwischen Forschern und Gegenstand. Ohne dass sie sich dessen bewusst ist, geht sie a priori von begrifflichen Grundannahmen aus, die nicht hinterfragt werden.


Schamanische Heiler.

Dazu zählen etwa:

• die Aufstellung von Gegensatzpaaren: Natur versus menschliche Kultur, Körper versus Geist, Individuum versus Gesellschaft, Leidenschaft (Gefühle) versus Vernunft, Gesundheit versus Krankheit, natürlich versus übernatürlich, objektiv versus subjektiv.

• die Annahme, dass man durch Logik und wissenschaftliche Methode natürliche Vorgänge, wie einen Krankheitsablauf oder Heilung, verstehen kann.

• die Annahme, dass man mit technologischen Methoden die natürliche Welt, auch den Körper, beherrschen, manipulieren und in Griff bekommen kann. Dahinter steht die neuzeitliche Auffassung, dass der Mensch eigentlich eine Maschine ist – allerdings eine kybernetisch vernetzte, intelligente Biomaschine mit einer Art Rechner als Hirn, auf dessen Festplatte Daten gespeichert sind.

Zu diesem Bild passen dann auch Begriffe wie »keine Energie mehr haben«, »ausgeleiert« oder »aufgezogen sein«, »Batterien leer«, »die Pumpe kaputt«, »die Rohre verstopft«. Bionische Humanoide, wie der von Arnold Schwarzenegger gespielte Terminator, gehören zur Mythologie dieses Weltbildes ebenso wie die Idee, dass Hirntote oder Klone als Ersatzteillager dienen könnten und dass Nieren und Lebern ausgetauscht werden können wie Vergaser und Zündkerzen im Auto.

• dass der Glaube an Geister, Ahnen und übersinnliche Instanzen überflüssig ist und abgelegt werden sollte, wenn man einen Krankheitsverlauf verstehen will (Lock/Scheper-Hughes 1996: 43).

»Was für einen Körper braucht die Gesellschaft, der Staat?«, fragt der französische Philosoph Michel Foucault. In dieser Frage steckt die Erkenntnis, dass der »Körper« nicht etwas ist, was einfach biologisch vorgegeben ist. Er ist – wie auch die Arzneimittel, die Krankheitsbezeichnungen, Diagnosen und Therapieabläufe – ein kulturelles Konstrukt. Das gilt auch für den Körperbegriff der Schulmedizin, die seit der Aufklärung den physischen Körper von der Seele trennte und ihn zum Mechanismus erklärte. Erst im 20. Jahrhundert wurde, in der Psychiatrie und in der Psychosomatik, der Versuch gemacht, den Bruch zwischen Körper und Seele wieder zu kitten. Aber auch hier wird noch immer nach »wirklichen«, das heißt materiellen, organischen Ursachen, vor allem im Hirnstoffwechsel, gesucht.

Körpermodelle gibt es ebenso viele, wie es Heilsysteme gibt. Die traditionellen Völker stellen sich den Körper, das Leibesinnere und das Funktionieren der Organe nicht als ein Maschinenwesen vor. Auch reduzieren sie die »Wirklichkeit« nicht nur auf das Wägbare und Messbare. Das heißt nicht, dass sie nicht sorgfältig und genau beobachten. Sie beobachten die natürlichen Phänomene oft genauer, als wir es tun (Levi-Strauss 1977: Kap. I). Sie schließen aber die energetischen, seelischen und geistigen Aspekte nicht von vorneherein als »irreal« oder »subjektiv« aus. Nicht ein Uhrwerk oder ein Computer liefert für sie das Denkmodell, sondern die Landschaft, das Klima, der Wandel der Jahreszeiten oder die Bewegungen der Planeten. Analog dem jahreszeitlichen Wandel, den Naturrhythmen erkennt und versteht man, was sich im menschlichen Mikrokosmos abspielt. Die große Natur, der Makrokosmos, ist selbst ein atmender, lebender Leib. Es ist die »Mutter Erde«, der »Urriese« oder das ursprüngliche Zwitterwesen, das sich opferte und zur Schöpfung wurde. Es hat Knochen (Steinformationen) wie wir, Adern und Venen (Flüsse, Seen), ein Herz (Sonne), ein Hirn (Mond), Haut (die Humuserde), Haare (die Wälder, das Gras), eine Vagina (Quellen, Sümpfe), Brüste, Glieder, Atem (Winde) und so weiter. Für die meisten Zeitgenossen ist diese Metapher reichlich naiv und primitiv. Dass es sich dennoch gut mit solchen Metaphern denken lässt und dass sich damit brauchbare Bezüge herstellen lassen, zeigt etwa die traditionelle chinesische Medizin. Funktionskreise und Wandlungsphasen verbinden fünf Elemente, fünf Jahreszeiten, fünf Geschmacksrichtungen, fünf Seelenstimmungen und fünf Körperteile miteinander: Holz (Leber, Galle, Zorn, Frühjahr) brennt als Feuer; Feuer (Herz, Freude, Sommer) wird zu Erde oder Asche; Erde (Milz, Sorge, Spätsommer) ergibt Metall; Metall (Lunge, Trauer, Herbst) schmilzt und wird flüssig (Wasser); Wasser (Nieren, Furcht, Winter) ernährt wiederum das Holz.


Das chinesische Modell: Yin-Yang und die fünf Elemente.

Ein ähnliches Schema benutzten die Heiler des alten Griechenlands. Vier Jahreszeiten mit ihren verschiedenen Graden von Hitze und Feuchtigkeit stehen analog zu vier Lebenssäften (Blut, gelbe Galle, schwarze Galle, Schleim), zu vier Elementen, vier Tageszeiten, vier Lebensaltern, vier Persönlichkeitstypen und anderen Erscheinungen. Mit dieser Metapher wurde über tausend Jahre lang, bis über die Renaissance hinaus geheilt.

Die Qollahuyaindianer in Bolivien vergleichen den Körper mit einem Berg, mit Kopf, Herz (das Dorf), Magen, Innereien, Brüsten, Füßen und so weiter. Quellen und Bäche sind sein Blut, der jahreszeitliche Wandel sein Lebensrhythmus. Kahlschläge und Bergbau gefährden seine Gesundheit; Erdbeben, Rutsche, plötzliche Sturzbäche sind Krankheiten. Man heilt menschliche Pathologien, indem man sich mit Ritualen um einen heiligen Berg in der Nähe des Dorfes kümmert (Lock/Scheper-Houghes 1996: 57).


Humoralpathologisch es Schema.

Die alten Ägypter verglichen den menschlichen Körper mit dem grünen, von staubiger Wüste eingegrenzten Niltal. Der Nilstrom, der das Leben ermöglicht, indem er fruchtbare Erde anschwemmt, die Vegetation labt und das faule, infizierte Wasser der Bewässerungskanäle wegschwemmt, wurde dem Verdauungstrakt, der vom Mund bis zum Dickdarmausgang reicht, gleichgesetzt. Es galt, Austrocknung, Flüssigkeitsansammlungen, Abänderungen, Störungen und Blockierungen der Kanäle auszugleichen. Daher spielten in der ägyptischen Heilkunde vor allem Abführmittel, Brechmittel, Klistiere, Schröpfen und Aderlass eine wichtige Rolle.

In Indien waren es die drei markanten Jahreszeiten, die das Modell abgaben: Erlebt der Mensch nicht auch Hitzezustände (Pitta), die der heißen, staubtrockenen Vormonsunzeit gleichen? Erfährt er nicht ebenso feucht-heiße, schleimige, ansteckende Zustände (Kapha), die der Monsunzeit ähneln, oder kühle, windige (Vaya/Vata), wie man sie im Spätherbst in der Natur erlebt (Storl 2004a: 30)?

Bei einigen Völkern, auch bei den vorchristlichen Europäern, stellte man sich den Körper als ein Haus vor: Der warme Herd in der Mitte, die Feuerstelle, war das Herz; der sich im selben Gebäude befindende Stall mit all seinen Tieren war der Unterleib. Krankheit ist nach dieser Vorstellung Unreinheit, Mangel an Futter oder Holz oder ein unwillkommener Besuch (von Geistern, Dämonen).

Im Mittelalter und vor allem in der Renaissance wurde der menschliche Leib einbezogen in ein kosmisch-astrologisch-energetisches Beziehungsnetz: Er galt als das mikrokosmische Abbild des gesamten Kosmos. Der gesamte Tierkreis fand sich in ihm wieder, von den Widderkräften im Kopf bis hinab zu den Fischekräften in den Füßen. Die Planeten beherrschten die Organe und das Befinden; planetarische Energien zogen ihre Bahn durch den gesamten Leib. Der Arzt musste Astrologe sein, musste wissen, welche Planeten in den Organen und in den Heilkräutern wirksam sind und wie diese in Beziehung zueinander zu bringen sind.

Im traditionellen Afrika ist der Mensch und sein Körper Teil des gesellschaftlichen Spannungsfelds. Krankheit beschränkt sich nicht auf das Individuum. Spannungen in Sippe oder Nachbarschaft, Tabubrüche, Beleidigungen der Ahnen und Ähnliches machen krank. Neid, Hass, böse Gedanken stören die gemeinschaftliche Harmonie und gelten als Hexerei. Krankheitsdiagnose bedeutet die Störquelle finden, und diese liegt nicht in organischen Fehlfunktionen oder bei ansteckenden Bakterien, sondern im zwischenmenschlichen Bereich. Die Gesellschaft, das gesamte Dorf wird in das Heilritual mit einbezogen.

Weitere Beispiele könnten ein Buch füllen. Aber genug damit. Was uns hier interessiert, ist die Tatsache, das jedes Heilsystem, jedes Denkmodell, seine Gültigkeit hat und erfolgreiche Krankenheilungen vorzuweisen hat. Folglich werden wir uns in diesem Buch nicht nur auf orthodoxe biomedizinische Forschungen und Konstruktionen verlassen, sondern auch ethnomedizinische und ethnobotanische Quellen mit einbeziehen.


Der menschliche Embryo im Tierkreis.

Die geistige Führung ist nicht immer nett

Dieses Buch wurde nicht aus eitlem Wissensdrang oder Forscherneugierde geschrieben, sondern es entstand aus der bedrohlichen gesundheitlichen Notlage, die sich ergab, nachdem ich selbst von der Borreliose befallen wurde. So ist es auch ein ganz persönliches Buch, das den langen, abenteuerlichen Weg aufzeichnet, der zur Auffindung des richtigen Heilmittels und der richtigen Behandlung für mich führte. Auf diesem Weg kam mir zugute, was ich als Ethnologe von verschiedenen Völkern lernen durfte. Zugleich konnte ich aus dem altüberlieferten Erfahrungswissen der westlichen Heilkräuterkunde Erkenntnisse schöpfen. Von Cheyenne-Medizinmännern, indischen Heilern und dem alten Bergbauern Arthur Hermes lernte ich, meinen Intuitionen zu vertrauen. Ich lernte, dass wir unseren eigenen Körper besser kennen, als es unser zaghafter Verstand wahrhaben will. Unser Geist kann in der Meditation und Innenschau den Leib besser ausloten und abtasten als die kompliziertesten Computertomografien, Scanner und Ultraschallmethoden. Auch wenn es dem oberflächlichen, alltäglichen Verstand schwer fällt, es zu verstehen, weiß unsere Seele, was uns plagt und was uns gut tut. So bemühte ich mich, neben dem genauen Beobachten der äußeren körperlichen Symptome, das Bewusstsein nach innen zu lenken. Von den Indianern lernte ich, auf die Bildbotschaften der Träume zu achten. Die amerikanischen Ureinwohner sind überzeugt, dass viele Visionen, Träume, heilende Inspirationen, aber auch Krankheiten von unseren Mitgeschöpfen, unseren »Verwandten«, den Tieren, Steinen, Wolken, Bergen und Pflanzen geschickt werden – und von den Ahnen, die uns wortwörtlich die richtigen Ahnungen eingeben. Den Ahnen verdanke ich es, dass ich die richtige Heilwurzel, die Weberkarde, als Heilmittel bei Borreliosebefall fand; denn Weber waren diese Vorfahren, und seit Jahrhunderten hatten sie mit dieser Pflanze zu tun gehabt.

Um es vorwegzunehmen:

Kardenwurzeltinktur oder-tee, über einige Wochen hinweg eingenommen, dazu jeden Tag oder alle paar Tage eine Überhitzungstherapie (Sauna, heiße Bäder oder Schwitzhütte, mit einer Hitze von über 42 Grad), bietet eine gute Möglichkeit zur Ausheilung der Borreliose (detaillierte Angaben dazu Seite 150ff. und 160ff.).

Im Laufe der Zeit hatte es sich herumgesprochen: Immer mehr Betroffene wurden aufmerksam auf diese Kur mit der Karde, und immer mehr Anfragen per E-Mail, Brief oder Anruf erreichten mich. So wurde mir klar, dass es an der Zeit war, ein Buch zu diesem Thema zu schreiben. Zuletzt meldete sich ein Biophysiker aus der Wetterau. Er schrieb, dass er selbst an Borreliose gelitten habe. Chronische Müdigkeit, Muskelschmerzen, taube Glieder, Gedächtnisausfälle bis hin zu psychoseähnlichen Zuständen hatten ihn geplagt. Dann habe er die Kur mit der Karde versucht, und, siehe da, die Symptome verschwanden. »Sie haben sich mit dieser Kur medizinisch verdient gemacht«, schrieb er und bot an, mir zum Dank seine Forschungsunterlagen zum Thema Borreliose auszuleihen, so lange ich sie brauche. Bald lag dann das Päckchen mit einem dicken Aktenordner im Briefkasten. Der Ordner enthielt eine Auswahl der neusten medizinischen Forschungsberichte und Fachliteratur. Neugierig blätterte ich durch die Texte und stolperte durch einen Dschungel voller esoterischen Medizinerlateins: Cerfuroxim, Human Granolocytic Ehrlichiosis, Western Blot, Lipopolysaccharide, Zytokine und dazu immer wieder Abkürzungen: CPK1, ELISA2, ESR3, EMC4, JHR5, IgM und IgG6, PCR7 usw., die nicht weiter erklärt wurden. Heiliger Pschyrembel, hilf! Es würde Wochen dauern, um sich durch diesen Wust durchzuarbeiten. Das hatte ich doch nicht nötig. Außerdem war da noch eine Menge Holz zu hacken, der Garten musste winterfest gemacht, die Komposte umgesetzt, die Zäune repariert und der Stall gemistet werden. Ich legte den Ordner beiseite und nahm mir vor, morgens die körperliche Arbeit in Haus und Stall zu erledigen, nachmittags zu schreiben und den Ordner zu vergessen.

Ehe ich mich an den Computer setzte, um das Projekt in Angriff zu nehmen, wollten wir noch einmal reiten gehen. Es war ein schöner sonniger Tag. Wir sattelten die Pferde, und ab ging es über Stock und Stein, einen Holzweg entlang, durch die Fichten. Die Hunde rannten hechelnd mit. Bald wurde der Ritt zum Wettrennen. Meistens verliere ich, aber diesmal witterte ich die Chance, als Erster die Wegkreuzung, die unser Ziel war, zu erreichen. Doch plötzlich, mitten im Vollgalopp, drehte mein Pferd im scharfen Winkel vom Weg ab. Der Sattel rutschte. Ich knallte mit dem Gesicht gegen einen Baumstamm und fiel. Es fühlte sich an, als hätte mir ein Bergriese mit dem Knüppel übers Gesicht gehauen. Zum Glück hatte mich der Schlag unterhalb des Nasenbeins getroffen, sonst wäre die Nase gebrochen. Aber die Vorderzähne waren locker und die Lippe gespalten. Und dann, als ich wieder aufsteigen wollte, merkte ich, dass etwas mit meinem linken Arm nicht stimmte. Das Handgelenk schwoll schnell an; es war gebrochen. Die Indianer, die ich in Montana kannte, hätten sich als Erstes gefragt, welcher Geist wohl in das Pferd gefahren sei. Aber hier in Europa fragt man sich so etwas nicht. Arthur Hermes, der mir die Götter und Geister in der Natur nahegebracht hatte, hätte wahrscheinlich gesagt, dass dieser Schlag aus der »anderen Dimension« kam, dass es mit der »geistigen Führung« zu tun habe. Und zur Illustration hätte er die Geschichte hervorgekramt, wie er im Januar 1945 auf seinem verschneiten Berghof im Schwarzwald mit den Skiern über die Weide geflitzt war und sich bei einem unvermittelten Sturz das Bein gebrochen hatte. Es war ihm ein Rätsel, wie das hatte geschehen können, denn er war ein geübter Skiläufer und immer vorsichtig. Als er am selben Tag nach Hause kam, lag ein Einberufungsbefehl im Briefkasten. Es sollte eine Kavallerieeinheit zum Kampfeinsatz an der Ostfront aufgestellt werden, und sie brauchten Männer, die im Umgang mit Pferden erfahren sind. Hermes war damals schon 55 Jahre alt, aber die Lage war ernst. Als sein Beinbruch ausgeheilt war, war der Krieg vorüber. »Das war die geistige Führung! Sicher wäre ich nicht wieder lebendig nach Hause gekommen. Die Götter hatten etwas anderes mit mir vor.«

Für mich war es nun aus mit Holzhacken, Gartenumgraben, Ausmisten. Auch das Tippen auf der Computertastatur konnte ich vergessen. Ich konnte nicht einmal mehr eine Apfelsine schälen, die Schuhe anziehen, ein Marmeladenglas aufschrauben, die Jacke zuknöpfen. Absolut nichts, außer essen, schlafen und … lesen. Nun hatte ich Zeit zum Lesen, viel Zeit. Also nahm ich den Ordner des Wissenschaftlers wieder hervor und vertiefte mich darin, bis das Gehirn dampfte. Dabei wurde mir allmählich bewusst, dass ich das vorliegende Buch ohne diese Vorstudien gar nicht hätte schreiben können. Die Literatur war aufschlussreich. Es wurde mir klar, wie viele Widersprüche und nicht fundierte Behauptungen hinter all den Ziffern und Zahlen der Forschungsberichte und den komplizierten Formulierungen verborgen waren. Hinter der Fassade gehobener Wissenschaftlichkeit steckte viel Ratlosigkeit, Verwirrung, aber auch Profilierungssucht. Die angeführten Statistiken widersprachen sich häufig. Wie hoch zum Beispiel ist der Grad der Verseuchung der Zecken mit Borrelien? Jeder Experte lieferte andere Zahlen. Wie schnell breiten sich die Spirochäten im Körper aus? Dauert es Wochen, wie einige Experten meinen, oder dauert es nur wenige Stunden? Ist es eine leichte Infektion, die sich mit einer dreiwöchigen Antibiotikabehandlung beheben lässt? Ist es gar eine Modekrankheit, die einfach zu häufig diagnostiziert wird? Oder handelt es sich um eine inzwischen weltweit verbreitete Epidemie, die immer weiter um sich greift und sich hinter ständig wechselnden Symptomen verbirgt? Die Erfolgsquote der schulmedizinischen Borreliosetherapie liege bei 90 Prozent, berichten einige Experten, andere sprechen von 25 bis 45 Prozent, und wieder andere geben an, es sei eine unheilbare Krankheit. Man stritt sich über den Wert der Bluttests (Serumdiagnostik), und immer wieder schien durch, dass diese Tests kaum sichere Aussagen ermöglichen. Sind es nur die Zecken, die diese Spirochäten übertragen, oder auch Bremen, Mücken, Milben und andere Gliederfüßler; oder wird die Infektion gar durch Speichel und andere Körperflüssigkeiten, durch Samen (Sperma) und Muttermilch übertragen? Oder gar über Blutkonserven im Krankenhaus? Man weiß es nicht. Wie viele Neuerkrankungen gibt es? Die offiziellen Schätzungen in den USA schwanken zwischen 18 000 und 1 800 000 im Jahr. Ist es eine neue Krankheit, oder hat es sie schon immer gegeben? Warum war die Borreliose damals, 1907, als der Straßburger Arzt Borrell die schraubenförmigen Bakterien entdeckte, kein Problem? Wie viele Borrelienstämme gibt es? Rufen sie alle die gleichen Symptome hervor? Und stimmt es, dass in Amerika vor allem Borrelia burgdorferi in Zecken und bei Patienten gefunden wird, in Europa aber auch andere Stämme vorhanden sind (B. afzelii, B. garinii, B. lusitaniae, B. valaisiana)? Wie kann das sein? Wissen die Bakterien noch nicht, dass sie per Flugzeug und Frachtschiff ohne Problem die Meere überqueren können? Unzählige Fragen und kaum eindeutige Antworten. Um so mehr ich las, um so faszinierender wurde die Lektüre.

Wahrscheinlich war es doch die »geistige Führung«, die mich außer Gefecht gesetzt hatte, damit ich ernsthaft an die Sache herangehen konnte. Die geistige Führung ist nicht immer so lieb und nett, wie meine Freunde aus der New-Age-Szene immer wieder beteuern. Sie kann auch ganz schön ruppig sein! Und manchmal spannt sie einen Bergtroll mit schwerem Knüppel ein oder schickt einen Kobold durch das Gehirn eines Pferdes.

Nebenbei bemerkt, der gebrochene Unterarm – Speiche und Elle – heilte schnell. Nachdem ich in der Meditation meinen Geist durch den Arm wandern ließ und dabei erkannte, dass die Knochen sauber gebrochen waren und kein Bänderriss vorlag, wusste ich, dass ich nicht zum Arzt zu gehen brauchte. Röntgen, Eingipsen und Schmerztabletten konnte ich mir ersparen. Dafür packte ich den Arm in Umschläge mit frisch geraspelten Beinwellwurzeln – das regt die Granulationsprozesse8 und die Knochenkallusbildung an und wirkt zudem noch etwas schmerzlindernd – und trank viel Ackerschachtelhalmabkochung, dessen Kieselsäure ebenfalls die Knochenbildung unterstützt. Zusätzlich badete ich den Arm einmal am Tag in heißem Ackerschachtelhalmabsud, dem ich entzündungswidrigen Schafgarbentee beimischte. Die Schienen, die dazu dienten, das Gelenk stillzulegen, hatte mir meine Frau aus dünnen, biegsamen Weidenruten geschnitzt. Diese ließen sich zur Behandlung des Bruchs mit den Kräutern leicht entfernen. Das wäre mit einem Gipsverband nicht möglich gewesen, und dann hätte die Genesung viel länger gedauert. So kam es, dass ich schon nach gut drei Wochen wieder an der Tastatur sitzen und diese Zeilen schreiben konnte.

Vorwort zur 2. Auflage

Dieses Werk erntete nicht nur Lob, sondern auch Kritik. Es sei fahrlässig zu behaupten, dass Antibiotika bei Borreliose nicht helfen, und betroffene Menschen, die sich an solche Ratschläge hielten, würden sich einem Invaliditätsrisiko aussetzen. Ich sage nicht, dass Antibiotika nicht helfen, sondern dass sie oft nicht helfen. Ich schrieb dieses Buch unter anderem, weil mich viele Hunderte Briefe und Mails erreichten von Betroffenen, die trotz Antibiotikakur nicht gesund wurden und die gehört hatten, es gäbe andere Möglichkeiten. Im Anfangsstadium ist es eher möglich, die Infektion mit Antibiotika zu stoppen. Es dauert jedoch 3 und manchmal bis zu 6 Wochen, bis sich nach der Infektion serologisch nachweisbare Antikörper bilden; oft merken die Infizierten gar nicht, dass sie von einer Zecke gebissen wurden. Auch die Wandernde Röte, ein erstes Leitsymptom, zeigt sich nur bei rund 50 Prozent der Infizierten. In dieser Phase ist es dann meist zu spät für Doxycyclin, da sich die Borrelien inzwischen im Körper ausgebreitet und in schlecht durchblutetem Gewebe (Knorpel, Narben, Endothelien usw.) versteckt haben. Außerdem können sie sich, wenn ihnen das Milieu unangenehm wird, bis zu zehn Monate verkapseln, ehe sie wieder aktiv werden.

Aufgrund all dieser Schwierigkeiten in der Behandlung der Borreliose erschien es mir sinnvoll, ethnomedizinische Anregungen aus nicht-westlichen Kulturkreisen sowie aus der altüberlieferten Erfahrungsmedizin in Betracht zu ziehen. So wurde ich zur Karde geführt und konnte am eigenen Leib erfahren, dass sie mir bei meiner Borreliose gute Dienste leistete. Selbstverständlich sollte dieses Phythotherapeutikum weiter überprüft und – wertfrei – untersucht werden.

Auch die Überhitzungstherapie mit Temperaturen von gut 40 Grad Celsius, eine Anregung aus dem karibischen Kulturkreis, wurde als lebensgefährlich kritisiert. Sie kann in der Tat gefährlich sein, aber nur für Menschen mit äußerst schlechter Konstitution, mit Kreislaufproblemen oder Epilepsie. Doch das steht ja schon im Text. Schwitzhütten oder die üblichen Temperaturen im Gangestal in der Vormonsunzeit sind noch heißer (45°C).

Zuletzt möchte ich festhalten, dass es mir trotz gelegentlich zugespitzter Formulierungen keineswegs um eine »Ärzteschelte« oder eine Kampagne gegen die »Schulmedizin« geht. Ich weiß um den Stress und die Last, die der praktische Arzt zu tragen hat. Nicht Dogma, sondern Anregungen soll dieses Buch bieten.

Lass es nicht so weit kommen,

bis du dich mit der Diagnose abgefunden hast,

denn dann ist dein Schicksal besiegelt.

Clemens Kuby, »Unterwegs in die nächste Dimension«

Wir wissen, dass die Lyme-Borreliose Antibiotika widerstehen kann.

Zu sagen, jemand sei geheilt,

weil er eine bestimmte Menge Antibiotika erhalten habe, ist Unsinn.

Willi Burgdorfer, Entdecker der Borrelien-Spirochäte, 2001

Die Antibiotikatherapie kann Patienten mit Symptomen der chronischen

Lyme-Borreliose oder mit Post-Lyme-Borreliose beträchtlichen Schaden zufügen.

Henry M. Feder et al. und Ad Hoc International Lyme Disease Group, in: New England Journal of Medicine 357 (14) 4. Oktober 2007

1 Creatinphosphokinase.

2 Nicht der Mädchenname ist hier gemeint, sondern »enzyme-linked immuno sorbent assay«.

3 Erythrocyten-Sedimentations-Rate oder Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit.

4 Wandernde Röte.

5 Jarisch-Herxheimer-Reaktion.

6 IgM und IgG sind Klassen von Immunglobulinen.

7 Polymerase-Kettenreaktion.

8 Bei der Heilung auftretende zellreiche, weiche Gewebsneubildung.

Borreliose natürlich heilen - eBook

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