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Bernd Schuster war nicht blind. Auch wenn er im Verlauf dieses Abends bereits vier Whisky genossen hatte, trübte das seinen Blick nicht. Und seine Menschenkenntnis litt erst recht nicht darunter.

„Entschuldige mich einen Moment“, sagte er zu dem Mann an seinem Tisch. „Ich möchte einen alten Bekannten begrüßen. Er könnte mich sonst für unhöflich halten.“

Er erhob sich und ging auf den Burschen zu, der unschlüssig an der Tür stehen geblieben war.

„Suchen Sie noch einen Platz, Stefan? Um diese Zeit ist es im 'Sandokan' meistens gesteckt voll. Wenn Sie wollen, setzen Sie sich doch zu uns. Herrn Wendler werden Sie wahrscheinlich nicht mehr kennen. Er war schon im Ruhestand, bevor wir beide uns kennenlernten. Früher arbeitete er für das Raubdezernat. Wir haben uns zufällig getroffen.“

Bernd machte eine einladende Handbewegung, aber Stefan Renner lehnte mit allen Zeichen deutlichen Entsetzens ab.

„Ich möchte wirklich nicht stören, Bernd“, versicherte er eifrig. „Außerdem, wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich in der Gesellschaft eines Polizisten noch immer nicht sonderlich wohl.“

„Eines ehemaligen Polizisten“, korrigierte der Privatdetektiv schmunzelnd. „Der tut Ihnen nichts mehr. Da brauchen Sie keine Angst zu haben.“

„Ich habe keine Angst“, brauste der Ganove auf. „Sehen Sie das Tischtuch hier, Bernd? So sauber ist mein Gewissen.“

Bernd lachte und schob den Aschenbecher beiseite. Darunter kam ein bräunlicher Fleck von der Größe einer Zehn-Mark-Note zum Vorschein.

„Hoffentlich haben Sie das nicht wörtlich gemeint, Stefan“, sagte er belustigt. „Womit verdecken Sie Ihren Fleck auf der weißen Weste?“

„Na hören Sie mal! Ich bin kuriert. Die Sache damals hat mir gelangt. Wissen Sie, wie viel ich bekommen habe? Achtzehn Monate. Und die hatte ich Ihnen zu verdanken.“

„Irrtum! Die hatten Sie einzig und allein sich selbst zu verdanken. Man fährt eben nicht mit Autos davon, die einem nicht gehören. Früher oder später geht das ins Auge und von da aus auf direktem Weg ins Gefängnis. Das können Sie unmöglich mir zum Vorwurf machen.“

„Sie haben ja recht, Schuster“, lenkte Stefan Renner ein. „Ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Jetzt kann mir niemand mehr etwas nachsagen. Sie nicht und Ihr Herr Wendler auch nicht.“

„Aber zu einem Drink darf ich Sie trotzdem einladen“, lockte Bernd. Er wurde das Gefühl nicht los, als hätte Stefan Renner etwas auf dem Herzen und suchte nur einen Zuhörer, dem er sich anvertrauen konnte. „Der Whisky ist hier ausgezeichnet. Mich interessiert, wie Sie den Sprung in das ehrliche Leben geschafft haben. Es tut gut zu hören, dass jemand trotz aller Schwierigkeiten den richtigen Weg gefunden hat.“

Stefan Renner schwankte. Einen kostenlosen Whisky durfte er nicht einfach ausschlagen. Erstens schonte das seine Finanzen - schließlich hatte er die fünf Riesen ja noch nicht. Zweitens würde sich Bernd Schuster wundern, und wenn sich der zu wundern begann, wurde es gefährlich. Dann folgte die Neugier, und die führte ihn in neunundneunzig von hundert Fällen auf genau die Spur, die man eigentlich vor ihm geheim halten wollte. Ein hartnäckiger Bursche, dem man einfach nichts vormachen konnte.

„Da sage ich nicht nein, Herr Schuster“, erklärte er mit erzwungener Freude. „Ich kann mich aber nicht revanchieren. So rosig geht es mir nun auch wieder nicht. Der Nachteil ehrlicher Arbeit ist der, dass man immer eine Mark zu wenig hat.“

Bernd führte seinen Gast zum Tisch und stellte ihn dem ehemaligen Fahnder Wendler vor, ohne freilich etwas von seiner Vergangenheit zu erwähnen.

Wendler blickte auf die Uhr und seufzte.

„Schon so spät? Nehmt’s mir nicht übel, aber ich muss Feierabend machen. In meinem Alter kann man leider nicht mehr so, wie man gerne möchte. Ruf mich doch gelegentlich mal an, Bernd. Meine Nummer hast du ja.“

„Du meine auch,“, erinnerte Bernd und schüttelte dem knochigen Mann mit den Tränensäcken unter den Augen herzlich die Hand.

Jetzt wird er dich nach allen Regeln der Kunst ausquetschen, dachte Stefan Renner. Und draußen steht der Jaguar und wird möglicherweise von der Polizei entdeckt. Ich hätte doch besser auf den Drink verzichten sollen.

Bernd bestellte zwei Doppelstöckige und wartete, bis der andere getrunken hatte. Dann wiederholte er die Bestellung.

„Ich nehme an, Sie reden nicht mehr gerne über die alten Zeiten“, begann er schließlich. „Ich gebe zu, dass auch ich lieber mit Ihnen den Whisky genieße, als dass ich Ihnen eine Verfolgungsjagd liefere. Junge, Junge, fahren konnten Sie. Das musste man Ihnen lassen.“

„Leider waren Sie noch etwas besser, Herr Schuster“, bekannte der Ganove. „Deshalb haben Sie mich auch erwischt. Eigentlich müsste ich heute noch sauer auf Sie sein. Eineinhalb Jahre. Die sitzt so ein kleiner Fisch wie ich nicht auf einer Backe ab.“

„Reden wir von Erfreulicherem“, schlug Bernd vor. „Was treiben Sie jetzt?“

„Gelegenheitsjobs. Mal dies, mal das. Aber alles sauber. Vor Kurzem habe ich es mit ’ner Currywurst-Bude versucht. Doch ich kann nicht stundenlang auf einem Fleck rumstehen. Das macht mich ganz krank. Ich habe jetzt die Chance, einen Vertreterposten zu bekommen. Dann bin ich ständig auf Achse und kann meine alten Fähigkeiten wenigstens nutzbringend verwerten.“

Diese Story war vom ersten bis zum letzten Buchstaben frei erfunden. Aber Bernd Schuster sollte ihm erst einmal das Gegenteil beweisen.

Bernd nickte wohlwollend.

„Ich wünsche Ihnen, dass es klappt, Stefan. Wenn sich irgendwelche Probleme einstellen sollten, rufen Sie mich einfach an. Ich werde dann versuchen, etwas für Sie zu tun. In gewisser Weise fühle ich mich für Sie verantwortlich.“

„Das ist riesig nett, Herr Schuster. Aber es ist wirklich nicht nötig. Bei mir ist alles in Ordnung.“

„Sind Sie ganz sicher, Stefan?“

Den Autoknacker traf ein forschender Blick, den er noch allzu gut in Erinnerung hatte. Damit brachte Bernd Burschen zum Reden, wenn sie nicht ganz und gar hartgesotten waren.

Stefan Renner hielt dem fragenden Blick stand, obwohl er innerlich ins Schwitzen geriet. Es war, als ob der Detektiv ihm die Sache mit dem Jaguar auf der Nasenspitze ablas.

„Absolut sicher“, behauptete er und griff hastig nach dem Glas. „Danke für den Whisky. War nett, Sie wieder mal getroffen zu haben.“

Er erhob sich abrupt, und der Detektiv hielt ihn nicht zurück.

Irgendwie hatte Bernd das Gefühl, dass Stefan ihm einen riesigen Bären aufgebunden hatte. Die Nervosität des Mannes ließ sich fast greifen.

Currywurst-Bude? Handelsvertreter? Da konnte er doch nur lachen.

Aber ihm sollte es egal sein. Falls Stefan wirklich zu den Unbelehrbaren, gehörte, sollte sich die Polizei mit ihm auseinandersetzen. Er hatte keinen Auftrag, sich um den Burschen zu kümmern, der noch vor drei Jahren seinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit dem Erlös aus Autodiebstählen bestritt.

Bernd fand, dass es auch für ihn an der Zeit war, dem „Sandokan“ den Rücken zu kehren.

Er lächelte, als er merkte, dass Stefan Renner seine Begleitung gar nicht angenehm war.

Aber er schwieg und verabschiedete sich nach kurzer Zeit.

Stefan Renner überquerte an der Kreuzung die Straße und hastete anschließend die Seitenstraße hinauf.

Auch Bernd war zu Fuß. Er nahm sich ein Taxi und war begeistert, dass der Fahrer keine Tricks versuchte. Die Fahrt endete bereits nach zwanzig Minuten in der Parkstraße vor seiner Detektei. Bevor er ins Bett ging, stellte er sich noch unter die Dusche und hörte dabei das Tonband des Anrufbeantworters ab.

Er machte sich anschließend ein paar Notizen für den kommenden Tag und hatte vor dem Einschlafen Stefan Renner längst vergessen.

Das war zu dem Zeitpunkt, als der Autoknacker fast aus den Schuhen kippte.

Bei Autodiebstahl - Mord! Berlin 1968 Kriminalroman Band 53

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