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„Warte, lass die Blonde erst noch wegfahren.“

Die beiden Männer in ihrem Wagen parkten nur wenige Meter von der Eisdiele entfernt am Lützowplatz-Park.

„Hm, die würde ich aber auch mal gern durch die Stadt begleiten und ein Eis mit ihr essen!“, brummte Dirk.

„Kannst du dich mal auf das konzentrieren, was ich dir gerade erkläre?“

Sein Partner starrte der schlanken Frau hinterher, die eben ein Paket auf den Rücksitz eines Mercedes 450 SEL legte, rasch einstieg und davonfuhr.

Franziska Jahn hatte in der neu eröffneten Eisdiele für sich und Bernd als Erfrischung zwei große Becher mit bestem, italienischen Eis geholt.

Die beiden Typen, die ihr hinterher starrten, hatte sie nicht bemerkt. Überhaupt war sie schließlich in Eile, wenn es auch bis zur Detektei in der Kurfürstenstraße nur knapp fünf Autominuten waren. Aber es wäre schade gewesen, wenn das Eis unterwegs schon geschmolzen wäre. So hatte sie sich kurzerhand Bernds Mercedes geschnappt und lieferte nun fröhlich die beiden Portionen in der Detektei ab.

„Hörst du mir jetzt zu, Dirk?“, erkundigte sich Frank gereizt.

Dirk Baldamus kratzte sich bedächtig am Hinterkopf und zog ein Gesicht, als misstraue er seinen eigenen Fingernägeln.

„Drei Riesen für jeden von uns?“, brummte er. „Da muss doch irgendein Haken an der Geschichte sein.“

Frank Harrer sah ihn wütend an. Diese ewige Schwarzmalerei machte ihn ganz kribbelig. Das konnte er gerade jetzt nicht gebrauchen, denn der Coup, der vor ihnen lag, war eigentlich ein paar Nummern zu groß für sie. Aber drei Riesen waren drei Riesen, und warum sollte nicht auch ihnen mal das Glück lächeln? Sonst schnappten ihnen ja doch immer nur die anderen die lohnenden Brocken weg.

„Was soll da für ein Haken dran sein?“, antwortete er. „Wir greifen uns die Kleine, bringen sie an den vereinbarten Ort und kassieren. Das ist alles.“

„Ja, das ist alles“, äffte Dirk Baldamus, ein Bursche mit Kugelkopf und dazu passenden Froschaugen, nach. „Und da warten die Polypen auf uns und nehmen uns hopp.“

„Du musst doch einen Schwelbrand unter der Plattform haben“, entgegnete Frank Harrer ärgerlich. „Die Polypen kriegen doch frühestens nach der Lösegeldforderung Wind davon, und damit haben wir nichts mehr zu tun. Darüber sollen sich die anderen ihre Birne zerbrechen.“

„Trotzdem. Entführung ist kein Kavaliersdelikt. Und kein Mensch schafft sich unnötig Zeugen. Die werden uns abservieren, nachdem wir die Drecksarbeit für sie erledigt haben. Unseren Zaster kriegen wir bestimmt nicht. Die Sache stinkt.“

Frank Harrer seufzte. „Du bist dämlich und bleibst es auch“, stellte er fest. „Wenn du die Hosen voll hast, mache ich es eben allein, aber dann gehört dein Anteil mir, das dürfte doch wohl klar sein.“

Wieder wurde der Kugelkopf ausgiebig gekratzt. Es war das einzige Geräusch in der Stille des Wagens.

„Und wenn sie schreit?“ Dirk Baldamus Bedenken waren noch längst nicht ausgeräumt.

„Dann darfst du sie ein bisschen streicheln, aber so, dass sie ganz schnell den Mund hält. Das wird nicht allzu schwierig sein, denn in dieser vornehmen Gegend sind um diese Zeit kaum Leute unterwegs.“

Dirk Baldamus wagte noch einen letzten Anlauf. Er war der Typ, der lieber alle Möglichkeiten vorher diskutierte, anstatt sich hinterher in einer Zelle zu ärgern. „Wenn sie nun aber nicht auftaucht? Es könnte doch sein, dass ...“

„Das kannst du sie ja selbst fragen“, zischte Frank Harrer.

„Wieso?“

„Da kommt sie.“

Der Kugelkopf schwang herum. Er glotzte durch die Windschutzscheibe und wurde noch aufgeregter. „Teufel auch! Die sieht aber knackig aus.“

„Nichts für uns. Leider. Aber tröste dich. Drei Riesen knacken zwar nicht, aber dafür knistern sie umso schöner.“

Eine ungefähr Achtzehnjährige mit kastanienbraunen, gewellten Haaren und fröhlichem Gesicht kam ihnen entgegen. Sie trug ein sandfarbenes, leichtes Kostüm und darunter eine grüne Bluse. Die hochhackigen Schuhe verlängerten ihre ohnehin atemberaubenden Beine, die genau bis zu den Knien zu sehen waren. Über ihrer Schulter hing an langem Riemen eine Ledertasche.

Ihre Linke hatte sich in den Riemen eingehakt, am Handgelenk glänzte ein Gliederarmband in mattem Gold.

Ein unauffälliger, aber äußerst gediegener Schmuck.

Die beiden Männer blickten sich rasch um.

Weiter hinten, auf der anderen Straßenseite, ging ein älterer Mann mit seinem Hund. Ansonsten war die Straße leer. Besser hätten sie es kaum treffen können.

„Also los!“, zischte Harrer.

Baldamus atmete tief durch. Dann startete er den Motor.

Der Wagen rollte langsam auf das Mädchen zu. Dreißig Meter vorher stoppte er schon wieder. Frank Harrer stieg aus und ging auf einen Zigarettenautomaten zu, der an einer Hauswand hing. Er warf ein paar Münzen in den Schlitz und fluchte unterdrückt. Er schien nicht das passende Geld zu haben.

Er hob den Kopf und sah das Mädchen kommen. Zögernd ging er auf sie zu und hielt ihr die flache Hand mit den Münzen entgegen.

„Sie werden entschuldigen“, begann er höflich. „Hätten Sie wohl ein Zweimarkstück? Der Automat ist ein bisschen wählerisch.“ Er grinste verlegen.

Die Kastanienbraune wollte erst weitergehen. Sie ließ sich normalerweise nicht von einem Mann unter irgendeinem Vorwand auf der Straße ansprechen. Aber diesmal schien der Fall anders zu liegen. Warum sollte sie nicht behilflich sein?

„Einen Moment“, sagte sie. „Ich muss erst nachsehen.“

Sie öffnete ihre Schultertasche und kramte darin herum.

Erst jetzt merkte sie, dass der Fall tatsächlich anders lag, ganz anders, als sie sich vorgestellt hatte.

Eine derbe Hand presste sich auf ihren Mund. Gleichzeitig langte ein Arm um ihre Hüfte und drängte sie zur Seite.

Sie sah den dunklen Wagen, dessen hintere Tür offenstand. Dorthin wurde sie geschoben, obwohl sie sich nun heftig zu wehren versuchte.

Sie wollte auch schreien, doch die Hand auf ihrem Mund ließ das nicht zu.

Wenn wenigstens der alte Herr auf der anderen Straßenseite etwas merken würde, doch der unterhielt sich mit seinem Hund und sah nicht, was in seiner unmittelbaren Nähe geschah.

Das Ganze dauerte auch nur Sekunden. Sie wurde in den Wagen gestoßen. Der Mann warf sich neben ihr in die Polster und hielt plötzlich einen Revolver in der Hand, dessen Lauf er unmissverständlich auf sie richtete.

„Wenn du brav bist, passiert dir nichts“, versicherte er.

Sie nahm sich vor, sich alles genau einzuprägen. Die Gesichter der beiden Männer – der zweite trat gerade aufs Gaspedal und ließ den Wagen vorwärts schießen – ihre Stimmen und was bei der späteren Fahndung sonst noch von Wichtigkeit sein konnte.

Aber sie war nicht sicher, ob sie noch Gelegenheit finden würde, diese Weisheiten auszuplaudern.

Kein Lösegeld für Tote Berlin 1968 Kriminalroman Band 54

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