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Zu zweit

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Wir waren froh, wieder vereint zu sein und versprachen einander, von jetzt an zusammen zu bleiben! Sie berichtete mir von ihrem erfolglosen Suchen einer Arbeit oder Lehrstelle als Krankenschwester. Sie hatte in der Zwischenzeit einige Bergwanderungen unternommen und neue Freunde gewonnen. Ich erzählte ihr von meiner Reise und den Schwierigkeiten, die das Trampen mit sich gebracht hatte. Meine Idee war, einen alten VW-Bus zu kaufen und damit los zu düsen. Sie fand diese Idee jedenfalls besser, als mit den Mofas zu fahren. So sattelten wir wieder unsere Zweiräder und fuhren nach Kempten. Zuerst besuchten wir die Kommune in der alten Memminger Straße. Bully, so genannt, weil er immer an seinem VW-Bus rumschraubte und manchmal auch einen verkaufte, war gerade nicht da. Und die anderen wussten nicht, wo man schnell einen besorgen könnte. Er sei mit dem Maikel für ein paar Tage weggefahren, käme aber bald wieder. Doch so lange wollten wir nicht warten. Also besorgte ich das neueste ‚Käsblättle‘ und überflog die Annoncen. Da stand doch glatt ein ‚Bully‘-Lieferwagen, aber ohne TÜV und deshalb spottbillig. Wir fuhren ihn anschauen. Und was für eine Überraschung, der Verkäufer war derselbe, der mir vor über drei Jahren die BMW für die Weltreise verkauft hatte, die ich dann leider gegen meinen Mammut eingetauscht hatte und den damit verbundenen Ärger! Natürlich berichtete ich ihm kurz von meiner Weltreise. Der VW-Bus war leider das neue Modell mit der durchgehenden Frontscheibe und dem 1,5 Liter Motor. Für diese gab es im Osten, soviel ich wusste, noch keine Ersatzteile. Aber er war so günstig und bot viel mehr Fahrkomfort, sodass wir ihn kauften. Die Mopeds in den Laderaum und nach Hause damit! Als wir anhielten, kam gerade ein Freund von der Arbeit zurück. Er lernte Schreiner, und als wir ihm von unseren Plänen erzählten, bot er sich an, uns die Bretter für den Innenausbau zu besorgen und zu hobeln.

Alles wurde einfach und leicht gemacht. Der Tisch war aufklappbar und diente als Bett, die Bänke und Lehnen konnte man herausnehmen, um sie vor die Räder zu legen, im Falle, dass wir im Sand stecken blieben. Und dann zum TÜV. Doch unsere Sorgen waren unbegründet, das Fahrzeug war noch zu neu. Auch erinnerte sich der Prüfer an mein Seitenwagengespann, als ich ihm von unseren Plan erzählte, denn solche sah man nicht alle Tage. Er war erfreut, mich heil wiederzusehen. Was den Motor des Busses betraf, meinte er, er klinge gut, doch dürfe man nicht vergessen, dass deren Lebensdauer so bei 100 000 Kilometer liegt, je nach Fahrweise, und unserer hatte schon mehr als das auf dem Buckel…

Noch ein Besuch auf dem Schrottplatz, um uns mit einem doppelten Satz Reifen und Felgen auszurüsten, und unser Überlandbus war reisefertig. Wir brachen an einem Septembermorgen auf und nahmen die altbekannte Gastarbeiterstrecke über Salzburg und durch Jugoslawien in Richtung Türkei. Wir suchten zum Übernachten natürlich die schönsten Plätze aus, vor allem mussten sie diskret sein, wir wollten möglichst wenig gesehen werden. Denn, obwohl wir mit wenig Geld reisten, waren wir um vieles reicher als die Einheimischen. Der ‚Autoput‘, die jugoslawische ‚Autobahn‘, die eher einem Schweizer Käse glich, nahm unser Auto ganz schön in die Mangel. Aber diese Strecke, die mir damals ein Alptraum gewesen war, überstand unser Bully ohne eine einzige Panne (siehe Buch ‚Hippie Trail 1). Diesmal bogen wir nicht nach Griechenland ab, sondern steuerten Bulgarien an. Ich hatte einen neuen Pass und eigentlich nichts mehr zu befürchten (siehe Buch ‚Wintermärchen‘). Dennoch war mir nicht so ganz geheuer. Die Transitgebühr war inzwischen auf 50 Mark pro Person erhöht worden. Und das schien das einzige zu sein, was die Zöllner interessierte. Und die Straße war sehr gut. Nach einer Weile bogen wir von der Hauptstraße ab, um das Land zu sehen und einen Platz für die Nacht zu suchen. Kaum standen wir, da hielt schon ein Auto an, woraus zwei Uniformierte stiegen. Waren sie uns schon eine Weile hinterhergefahren? Soviel ich verstand, dürften wir nicht anhalten und vor allem die Transitstrecke nicht verlassen. Ich lobte ihr schönes Land und dachte, sie würden einlenken. Nichts zu machen. Zurück auf die Hauptstraße und weiterfahren! Oder in einem der daran gelegenen staatlichen Hotels übernachten. Sie fuhren uns noch eine Weile hinterher. Irgendwann sah ich sie nicht mehr im Spiegel. Als es dann dunkel wurde, fuhren wir auf einen Parkplatz und stellten uns zwischen die LKW. Was sollten wir unser weniges Geld für deren Hotels rausschmeißen! Das war ja gerade der Vorteil von einem Campingbus, dass man, wie eine Schnecke, immer sein Haus dabei hatte und auch nicht seinen Rucksack schleppen musste!

So kamen wir in ein paar Tagen bis Istanbul, der Stadt der tausend Türme. Hier versuchte man mehrmals, eine der Autotüren zu öffnen, sogar, wenn wir drinnen waren. So blieb uns nichts anderes übrig, als auf einen ‚bewachten‘ Parkplatz zu gehen, wo schon andere, meist bunt bemalte VW-Busse und englische Überlandbusse standen und das ‚Schutzgeld‘ an einen etwas zwielichtigen Parkwächter zu zahlen. Trotz diesem wurden in den paar Tagen, die wir hier verweilten, mehrere Autos geknackt. Dieser Platz lag zum Glück ziemlich zentral. Auf der einen Seite ging es zum Puddingshop und den anderen Freak-Treffpunkten, gegenüber erhoben sich hinter einem Park die Minarette der Blauen Moschee.

Zusammen erkundeten wir den Bazar, ließen uns von der Pracht der angebotenen Waren, die nicht für uns bestimmt waren, bezaubern. Wir saßen in Moscheen und lauschten dem Gesang des Muezzins. Hand in Hand wanderten wir am Bosporus entlang, sahen den Fischern beim Entladen ihres Fanges zu, folgten mit unseren Blicken den rauchenden Fähren nach Asien. In der Ferne verband schwebend die neue Hängebrücke Europa mit Asien, worunter sich langsam wie Schnecken die Ozeanriesen in beide Richtungen bewegten. Bisweilen tutete ein Nebelhorn, dessen dumpfer, vibrierender Ton mir bis tief unter die Haut drang und in mir ein unsagbares Fernweh auslöste. Ich versuchte das meiner Gefährtin zu erklären. Sie meinte, bei ihr löse dieser Klang eher Heimweh aus. Hier gestand sie mir auch, dass sie bei meinem unerwarteten Auftauchen in München gedacht hatte, ich sei zurückgekommen, weil ich genug vom Reisen hatte. Sie hatte sich nicht vorstellen können, dass ich ihren Brief in so kurzer Zeit erhalten habe. Ich erklärte ihr, dass ich umgedreht war, um mit ihr zusammen aufzubrechen, da ich es ihr nicht zumuten wolle, alleine bis nach Erzurum zu fahren… Auf jeden Fall waren wir jetzt zusammen hier und sie wollte auch weiter mit mir zusammen nach Osten. Jedenfalls war Istanbul eine gute Vorbereitung auf das, was uns bald erwartete.

Wir wollten den Staub der Reise loswerden und gingen in ein Hamam, ein türkisches Bad. Das sind meist uralte Gewölbe, innen überall mit Keramikfliesen bedeckt, wo eine erstickende, feuchtwarme Atmosphäre herrscht. In Nischen befinden sich Becken mit heißem und kaltem Wasser, was man mit Schüsselchen schöpft und über sich leert. Das Ganze mit einem Tuch um die Hüften, denn im Orient ist Nacktheit verpönt, und auch Männlein von Weiblein getrennt. In diesen Bädern wäscht man sich, man kann sich massieren lassen, man trifft sich zu einem gemütlichen Schwätzchen. Dabei kann man sich auf erhitzte marmorne Bänke legen. Eigentlich eine gemütliche Angelegenheit, doch für einen Fremden ist das anfangs etwas ungewohnt, es sei denn, man wird gleich als Deutscher erkannt und ein ehemaliger Gastarbeiter nimmt einen unter seine Fittiche. Doris musste natürlich in das Frauenbad. Dort nahmen ein paar Frauen sich ihrer und wollten sie mit einer grünen Paste einreiben, wohl um ihr alle Haare, außer denen auf dem Kopf, zu entfernen. Anscheinend ist das dort die Mode… Auf jeden Fall waren wir froh, uns wieder sauber und noch vollständig behaart wiederzusehen!

Am letzten Abend saßen wir im Sultan Ahmed Park, gegenüber der Blauen Moschee. Die Sonne war schon seit einer Weile großartig untergegangen und der Himmel war wolkenlos. Plötzlich zuckten Blitze auf und erleuchteten die Moschee mit bunten Farben. Donner dröhnte aus Lautsprechern, dann ertönte orientalische Musik. Eine Stimme las in verschiedenen Sprachen, auch in Deutsch, orientalische Poesie vor. Es war eine ‚Lightshow‘, hier wohl das Allerneueste. Wir waren entzückt, obwohl wir zu Beginn erschrocken waren. Teeverkäufer machten die Runde, Sesamkringel wurden geknabbert, und sogar ein paar Schuhputzer versuchten ihr Glück. Dann zurück zu unserem Bus. Wir waren jedes Mal froh, ihn heil wiederzufinden. Inzwischen war ein englischer Doppeldeckerbus voller Freaks angekommen und es ging hoch her. Wie der wohl unter den Brücken durchkam?



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