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Babylon

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Vor mehr als 5000 Jahren entwickelten die Sumerer in Mesopotamien in der Nähe des persischen Golfs eine Hochkultur. Ihre Schrift ist neben den ägyptischen Hieroglyphen die älteste, von der wir heute wissen. Mit ihr wickelten die Sumerer ihre komplexen Geschäfte ab. Dazu brauchten sie auch Zahlzeichen. Neben ganzen Zahlen finden sich in rund 5000 Jahre alten Texten aus Uruk sogar Brüche. In ähnlich alten Inschriften aus Ägypten stehen bereits sehr große Zahlen. So wird etwa erwähnt, eine Beute habe aus 1 420.000 Ziegen bestanden. Offensichtlich war zu dieser Zeit der Zahlbegriff bereits hoch entwickelt.

Statt wie die Ägypter auf Papyrus zu schreiben, drückten die Sumerer mit einem hölzernen keilförmigen Griffel ihre Schriftzeichen in feuchten Ton, der häufig anschließend gebrannt wurde. Als die Babylonier Sumer eroberten, verschmolzen die beiden Kulturen. Die sumerischen Zahlen blieben erhalten. Archäologen haben Tausende von Tonstücken – von winzigen Scherben bis zu ganzen Tafeln – mit umfassenden Rechnungen gefunden. Sie zeugen von fortgeschrittenen mathematischen Kenntnissen. Die Babylonier rechneten mit Quadraten, Kuben und anderen Potenzen – Letzteres vermutlich um Kreditzinsen zu bestimmen. Ihre Gelehrten waren Meister der Rechenkunst, formulierten ihre Lösungsverfahren jedoch nicht mit mathematischen Symbolen, sondern in Worten. In erster Linie orientierten sie sich an praktischen Problemen: Buchhaltung, Finanzen, Maße und Gewichte. Für astronomische Beobachtungen entwickelten sie auch theoretische Ansätze.

Für ihre Zahlen benutzten die Sumerer und die Babylonier wie wir heute ein Stellenwertsystem, das heißt, ein Zahlzeichen bedeutet Verschiedenes, je nachdem, an welcher Stelle es auftritt. Bei 243 zum Beispiel steht die Zwei an der dritten Stelle von rechts und deshalb für 200, die Vier an der zweiten Stelle und daher für 40, die Drei an der letzten Stelle und somit für 3. Ähnlich waren die Zahlen der Babylonier aufgebaut, die allerdings nur zwei Zeichen kannten: Ein annähernd T-förmiges Zeichen stand für 1 (»gesh«), ein <-förmiges für 10 (»u«). Je nach Stellung konnte ein T auch 60 bedeuten oder sogar 60 mal 60 (also 3600). Für 83 (= 60 + 2 ⋅ 10 + 3 ⋅ 1) schrieben die Sumerer T<<TTT, für 73884 (= 2 ⋅ 60 ⋅ 60 + 3 ⋅ 10 ⋅ 60 + 1 ⋅ 60 + 2 ⋅ 10 + 4 ⋅ 1) TT<<<T<<TTTT. Auf diese Weise konstruierten sie Zahlen bis in Millionenhöhe.

Dass die 10 bei ihrem System eine besondere Rolle spielte, ist einfach zu erklären: Mit einiger Sicherheit rührt das vom Rechnen mit zehn Fingern her. Warum aber die 60 ein eigenes Zeichen bekam, weiß niemand. Womöglich geht das auf die sumerische Einteilung des Jahres in 360 (= 6 ⋅ 60) Tage zurück. Dazu passt auch, dass die Sumerer den Kreis in 360 Abschnitte unterteilten, was sich bis heute beim Messen von Winkeln erhalten hat. 360 Winkelgrad ergeben eine komplette Umdrehung. Und ein Grad hat bekanntlich 60 Winkelminuten, die wiederum aus je 60 Winkelsekunden bestehen. Bei der Zeitmessung findet sich ebenfalls das Erbe Babylons: Eine Stunde sind 60 Minuten oder 60 ⋅ 60 = 3600 Sekunden. Die sumerische Zahl <TTT<<<<TT könnte man als 13 Minuten und 42 Sekunden gleich 822 Sekunden lesen.

Die Vorteile eines Stellenwertsystems liegen auf der Hand. Erstens lassen sich so beliebig große Zahlen darstellen, ohne dass man neue Zeichen einführen müsste. Zweitens erleichtert das System das Rechnen mit größeren Zahlen enorm. Addition und Multiplikation lassen sich auf Rechnungen zurückführen, in die jeweils nur eine Stelle eingeht. Dennoch verwendeten weder Ägypter noch Griechen noch Römer ein Stellenwertsystem.

Viele Kulturen rechneten offenbar mit den Fingern und entwickelten Zehnersysteme, manche scheinen zudem die Zehen herangezogen zu haben. Zwanzigersysteme entdeckten Forscher etwa bei den Mayas, Azteken, Basken und Kelten. Das französische Wort für 80 erinnert daran (quatre-vingt, »vier-zwanzig«). In einem Zwanzigersystem braucht man 20 verschiedene Symbole für die Ziffern, was das Rechnen schwieriger macht. Das kleine Einmaleins, das jeder Grundschüler auswendig lernen muss und das man beim Multiplizieren größerer Zahlen ständig verwendet, reicht dann bis 19 mal 19.

So ausgeklügelt die Sumerer bereits rechneten, eine wichtige Zahl kannten sie nicht: die Null. Und das führte zu Fehlern. << kann als 20 oder als 10 ∙ 60 + 0 ∙ 60 + 10 = 610 gelesen werden. Um solche Missverständnisse zu vermeiden, ließen die Schreiber zwischen den Zeichen Platz, wenn sie nicht zur selben Stelle gehörten. So war TT als 2∙ 1 = 2 und T T als 1 ∙ 60 + 0 ∙ 10 + 1 ∙ 1 = 61 zu lesen. Schwieriger wurde es bei der Zahl 60, die die Sumerer mit einem einzigen T schrieben, das etwas eingerückt wurde. Um Fehlinterpretationen zu vermeiden, gebrauchten sie zeitweise ein spezielles Zeichen als Platzhalter. Auf keiner Tontafel steht der Platzhalter aber allein. Die Zahl Null kannten sie offenbar nicht. Die sollte erst viele Jahrhunderte später in einem anderen Teil der Welt erfunden werden.

Eine kurze Geschichte der Mathematik

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