Читать книгу Der Schmetterlingsmann - Wolfgang Brunner - Страница 11

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Sieh her! Uns gehört die Ewigkeit!, sagten die Schmetterlinge im Chor und wirbelten näher ans Bett. Fast schien es, als wollten sie mir zu erkennen geben, wie wichtig diese Form der Liebe ihres Empfindens nach war. Wir sind der Geist der Erotik!

Mir wurde schwindlig, als ich die Worte der Schmetterlinge hörte.

Erotik.

Bilder von Dir und mir blitzten durch meine Gedanken, ohne dass ich Einfluss darauf hatte. Dein Lächeln, deine Berührungen.

Erotik.

Mein rechtes Bein begann zu kribbeln und ich widerstand der Versuchung, ins Nichts zu greifen, um mich zu kratzen. Ich konzentrierte mich wieder auf die Schmetterlinge vor meinem Bett.

»Erotik ist die Symbiose aus Sehen, Fühlen und Denken. Sie führt oft zur körperlichen Liebe, hat jedoch eine weitaus höhere Bedeutung als diese«, begann ich mit meinen Ausführungen. »Schon eine kleine Geste des Menschen, den man liebt, führt dazu, dass man zu denken beginnt. Und mit diesem Nachdenken über jene Geste beginnt die Erotik.«

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf die Eigenschaften der Erotik, die mir einfielen, während noch immer Bilder von Dir in meinen Gedanken umherwirbelten. »Erotik ist …«, erneut machte ich eine Pause, um eine möglichst genaue Beschreibung meiner Empfindungen zu geben. »Mimik, Gestik, Aussehen und bestimmte Charakterzüge und Eigenarten des Menschen. Selbst die Stimme ist von hoher Erotik, wie auch Handlungen, die mit der Liebe zu einem Menschen eigentlich gar nichts zu tun haben.« Ich verstummte und betrachtete die Schmetterlinge eine Weile, bevor ich fortfuhr. »Nacktheit hat wenig mit dieser Art von Liebe zu tun. Ich würde sagen, bei der Erotik gilt: weniger ist mehr.«

Meine Atmung war ruhig und gleichmäßig, als würde mich das Nachdenken über diese Form der Liebe beruhigen. Tatsächlich fühlte ich mich bei dem Gedanken an die Mannigfaltigkeit der Erotik geborgen.

»Die Signale des Senders müssen vom Empfänger verstanden werden, erst dadurch kann Erotik überhaupt entstehen. Was für den einen erotisch ist, kann für den anderen völlig bedeutungslos sein. Erotik ist das Zusammenspiel zweier Menschen, die sich lieben. Ihre gegenseitige Sinnlichkeit zieht sie an. In kleinen wie großen Dingen herrscht Übereinstimmung und Verstehen. Man muss lernen, die Erotik zu erkennen. Erst dann sieht man die wahre Anmut, die dahinter steckt …«

Sie ist zu erlernen wie die Liebe, bestätigten die Falter.

Ich nickte. »Sehen, Fühlen, Denken … Sehen mit den Augen und dem Herzen, Fühlen mit den Händen und dem Herzen, Denken mit dem Gehirn und dem Herzen. Erotik ist eine Sache, die im Herzen und der Seele stattfindet, ein wichtiger Teil der Liebe.«

So hast du erneut verstanden.

»Ich bin noch nicht fertig«, sagte ich leise. »Eine flüchtige Berührung ist für mich erotisch, wenn ich die Person liebe, die mich berührt. Ein nackter Körper erregt mich, ein mit seidenem Stoff bedeckter wirkt hingegen anmutig und erotisch. Erotik ist die zarte Seite der Liebe, voller Mysterien, die es zu entdecken gilt. Ohne Erotik würde der Liebe das Knistern fehlen, sie wäre eintönig und bedeutungslos.« Ich senkte die Stimme und richtete das Wort an Dich, als lägst du neben mir. »Wenn ich dich sehe, wie du die Augen schließt und dich fallen lässt, so ist das erotisch für mich. Du bist sympathisch und begehrenswert. Solche Dinge veranlassen mich jeden Tag aufs Neue, dich zu lieben.«

Du scheinst die wahre Liebe immer mehr zu verstehen.

»Durch Fantasie wird die Erotik beflügelt. Durch sie werden wir dazu aufgefordert, ihre Geheimnisse zu ergründen. Und wenn man die Rätsel entschlüsselt und begriffen hat, ist man seinem Ziel näher. Dann erst erkennt man den Menschen, den man liebt in all seiner Schönheit und weiß, warum man ihn liebt. Erotik ist der Schlüssel, der die Tür zur Erkenntnis der wahren Liebe öffnet. Und hat man diese Tür erst einmal aufgeschlossen, gilt es, sie mit seinem Herzen offen zu halten.«

Ich beobachtete die Schmetterlinge aus dem Augenwinkel. Sie hatten mit dem hektischen Flattern aufgehört und verhielten sich still.

»Demjenigen, der diese Tür geöffnet hat, sei geraten, sie niemals wieder zu schließen …«

Meine Worte erschütterten mich und ich begann leise zu schluchzen, als könne ich mich dadurch von der Last meiner Emotionen erleichtern: »Ich liebe dich.«

Sie liebt dich ebenfalls, gaben die Schmetterlinge zur Antwort. Sie ist der Schmetterling …

»Verstehst du die Liebe wie ich?«, wollte ich von dir wissen, obwohl du nicht bei mir warst.

Bis vor kurzem hast du selbst die Liebe nicht derart verstanden wie jetzt. Und … du bist noch nicht am Ende. Der Schmetterlingsmann ist noch nicht fertig.

Ich sah zu meinen Füßen und dem unfertigen Schmetterlingsmann auf der anderen Bettseite.

»Was passiert am Ende?«

Du meinst, wenn Du zum Schmetterlingsmann geworden bist?

Ich gab keine Antwort und schloss die Augen. Ich fühlte mich erschöpft und mein Körper verlangte Ruhe. Gleichzeitig war ich neugierig, wie dieses »Spiel« weiterging. Was war die nächste Art der Liebe, die ich den Schmetterlingen erklären sollte?

»Habe ich die Erotik richtig verstanden?«, erkundigte ich mich.

Als Antwort zerstreuten sich die Falter und flatterten in die Luft.

»Das ist Erotik für mich«, bestätigte ich mir meine Überlegungen noch einmal selbst und sah an mir herab.

Die Schmetterlinge flogen hinüber auf die andere Seite des Bettes und versammelten sich am oberen Teil des von ihren Artgenossen bereits nachgebildeten rechten Fußes. Sie vervollständigten den Teil des Beines und verharrten bewegungslos.

Flüsse des Lebens, Ströme des Herzens … und Gewässer der Liebe!

Der Schmetterlingsmann

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