Читать книгу Finanzmafia - Wolfgang Hetzer - Страница 7

Оглавление

EINLEITUNG

Die pflichtwidrige Vernichtung fremden Kapitals ist eine Straftat. Diese Auffassung hatte der amtierende Bundespräsident Christian Wulff zu Beginn des Jahres 2009 noch in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident Niedersachsens vor dem Hintergrund der Finanzkrise öff entlich geäußert. Sie beschreibt weder die Rechtslage noch die Realität zutreffend. Es gibt keinen Straftatbestand der »Kapitalvernichtung«. Und bislang ist noch niemand wegen der Verursachung der Finanzkrise rechtskräftig verurteilt worden. Hinter der Aussage des jetzigen Bundespräsidenten steckt wohl nur ein Wunschdenken, wenn auch ein sehr nachvollziehbares.

Dafür gibt es gute und schlechte Gründe. Niemals zuvor haben so wenige Menschen so vielen einen derart hohen Schaden zugefügt, wie dies in der bisherigen und sich weiter verschärfenden Finanzkrise geschehen ist und weiter passieren wird. Die naheliegende Frage, wer hierfür die Verantwortung trägt, führt aus der Sicht des ehemaligen Bundesministers der Finanzen, Peer Steinbrück, ins »Nirwana«. Sein ehemaliger Amtskollege Frank-Walter Steinmeier erkärt gar: »Wer nach der Schuld fragt, liegt falsch.«1 Und für den Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, ist niemand verantwortlich, weil es sich »nur« um ein Regulierungsversagen handelt.

Das Muster dieser Entwicklung scheint sich in einer Umformulierung des berühmten Romans von Robert Musil, Mann ohne Eigenschaften, in »Eigenschaften ohne Mann« zu verbergen. Die Teilnahme an Systemkriminalität ist offensichtlich ohne Strafbarkeitsrisiko. Die verantwortlichen Akteure auf den Finanzmärkten, die Politiker in den Aufsichtsgremien von Finanzinstituten und die Mitglieder der Parlamente scheinen auf den ersten Blick keine persönliche Schuld zu tragen. Das ist bemerkenswert, sind die schädlichen Wirkungen konkreten menschlichen Verhaltens doch nicht mit den Folgen einer Naturkatastrophe zu verwechseln.

Es geht nicht nur um die Bemessung des tatsächlichen Schadens individueller Anleger und Sparer. Wir stehen vor einem Szenario der Staatskrisen, in deren bisherigem Verlauf ganze Wirtschaftsregionen und Währungssysteme bis in die Grundfesten erschüttert wurden. Ein Ende ist nicht absehbar. Die Bestrafung einzelner Täter und Gruppierungen wird keine grundsätzliche Abhilfe schaffen können. Soweit sich bestimmte Personen aber strafbar gemacht haben, ist und bleibt deren Verfolgung ein Gebot der Gerechtigkeit. Das Strafrecht ist in seiner gegenwärtigen Verfassung dafür nicht geeignet. Das gilt auch für Ausstattung und Qualität der zuständigen Behörden und Gerichte.

Zudem darf man sich keine Illusionen darüber machen, dass strafrechtliche Sanktionierungen für die Bewältigung historischer Umbrüche grundsätzlich ungeeignet sind. Die Finanzkrise und die damit verbundenen unübersehbaren Schäden sind auch das Ergebnis ordnungspolitischen Versagens. Für dessen Kompensation ist nicht der Staatsanwalt, sondern der Souverän, also alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, zuständig. Sie sollten sich überlegen, in welcher Form man auf das weitverbreitete Staatsversagen reagiert, das auch die Frage aufwirft, ob es eine »Korruption durch Inkompetenz« geben kann.

Leider kann sich das vorliegende Werk nicht mit allen aufgeworfenen Problemen angemessen beschäftigen. Es beschränkt sich auf die Frage, ob die internationalen Finanzmärkte zum Tummelplatz einer besonderen Art der Organisierten Kriminalität geworden sind, die es in einem Milieu höchster krimineller Energie, exquisiter fachlicher Qualifikation und korruptiver Verflechtung geschafft hat, die Zusammenhänge zwischen Arbeit, Leistung und Erfolg als Grundlagen einer bürgerlichen Gesellschaft und einer rechtsstaatlichen Kultur in einer jahrelangen hemmungslosen und selbstsüchtigen Bereicherungsorgie zu zerstören. Die damit verbundenen Risiken übersteigen das Potential jeder in der bisherigen Geschichte bekannten Verschwörung gegen alle bekannten Gemeinwesen.

Ein Anlass für die Arbeit an diesem Buch war eine Äußerung des griechischen Ministerpräsidenten Georgios Papandreou während eines Aufenthaltes in Deutschland. Er hatte erklärt, dass sein Land auch deshalb in die derzeitige Lage gekommen sei, weil Korruption dort weit verbreitet sei. Es wäre dennoch völlig verfehlt, bestimmte Länder wie etwa Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien über einen Kamm zu scheren. Im Hinblick auf regelgerechtes Verhalten haben auch Länder wie Deutschland und Frankreich keine weiße Weste, wie deren frühzeitige Verletzung des europäischen Wachstums- und Stabilitätspaktes der Europäischen Union zeigt. Überall innerhalb und außerhalb Europas lässt sich zeigen, wie ökonomische Interessen, politische Ambitionen und nationale Egoismen sich immer wieder in gesamtwirtschaftlich riskanter und tatsächlich schäd licher Weise verbunden haben.

Diese Verhältnisse und Vorgänge liegen außerhalb der Reichweite strafrechtlicher Normen. Sie folgen dem Primat der Politik. Mit dessen kritischer Erörterung können selbst für einen Analytiker existenzbedrohende Aspekte verbunden sein. Die Berufung auf die Meinungsäußerungsfreiheit ist nur ein unvollkommener Schutz gegen die Reaktionen von Vorgesetzten, vermeintlichen Autoritäten und von Machthabern aus der Wirtschaft und der Finanzwelt.

In Auseinandersetzungen gehen sie übrigens selten auf das faire Angebot ein, das in einem Hollywood-Film unterbreitet wurde: »Hören Sie auf, Lügen über mich zu verbreiten, dann höre ich auf, die Wahrheit über Sie zu sagen.«

Das vorliegende Buch stützt sich nicht nur deshalb ausschließlich auf allgemein zugängliche Quellen und reflektiert Verlauf und Inhalt einer öffentlichen Debatte. Es werden keine internen oder klassifizierten Papiere zitiert. Selbstverständlich gilt für alle genannten natürlichen Personen bis zur Rechtskraft einer eventuellen (wenn auch unwahrscheinlichen) Verurteilung die Unschuldsvermutung.

Die Vorbereitung dieses Projekts war nur möglich, weil der leider allzu früh im Januar 2010 verstorbene Generaldirektor des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF/Office Européen de Lutte Anti-Fraude), Franz-Hermann Brüner, mit all seinen menschlichen und fachlichen Qualitäten die Bedingungen geschaffen hat, die dafür unabdingbar waren. Sein Tod hat in jeder Hinsicht eine große Lücke gerissen, die für lange Zeit nicht zu schließen sein wird. Trotz der dadurch entstandenen, oft nur schwer erträglichen personellen und sachlichen Widrigkeiten konnten die notwendigen Arbeiten fortgesetzt werden.

Das Werk ist deshalb dem Andenken von Franz-Hermann Brüner gewidmet.

Aber nicht nur ihm gebührt Dank. Meiner Lektorin, Beate Koglin, ist es in höchst professioneller Weise in unglaublich kurzer Zeit gelungen, ein monströses Manuskript in einen lesbaren Entwurf zu verwandeln.

Meine Agentin, Aenne Glienke, wurde nicht müde, mich fürsorglich zu betreuen.

Martin Schulz war als Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender der Sozialdemokratischen Fraktion des Hohen Hauses bereit, ein in der Sache klares Vorwort beizutragen.

Professor Dr. Dr. h. c. mult. Hans-Heiner Kühne, Universität Trier, und Justizrat Rechtsanwalt Professor Dr. Egon Müller, Saarbrücken, haben mit ihrem ausgewogenen Rechtsrat dazu beigetragen, dass ich in einer keineswegs immer freundlichen beruflichen Umgebung die erforderlichen Arbeiten guten Gewissens abschließen konnte.

Meiner Frau Susanne gilt mein besonderer Dank. Sie hat die Entstehung des Manuskripts mit engelsgleicher Geduld nicht nur ertragen, sondern konstruktiv begleitet, obwohl wir beide sehr viel Wichtigeres und Dringlicheres gemeinsam zu tun gehabt hätten.

Das Werk enthält nur meine persönlichen Auffassungen und verpflichtet die Europäische Kommission in keiner Weise.

Finanzmafia

Подняться наверх