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2 Anwendungsbereich

Grundsätzlich ist der durch die Whistleblower-RL gewährte Schutz nur dann anwendbar, wenn es sich um eine Meldung von bestimmten, unionsrechtlich relevanten, Sachverhalten handelt. Unionsrechtlich relevant ist ein Sachverhalt, wenn er einen Verstoß gegen bestimmte, in der die EU-Whistleblower-RL aufgezählten Unionsrechtsakte oder die finanziellen Interessen der EU betrifft. Dies kann anhand von folgendem Beispiel näher erläutert werden:

Angenommen ein österreichisches Industrieunternehmen verursacht durch einen seiner Betriebe erhebliche Belastungen der Umwelt, welche den unionsrechtlichen Vorschriften zum Umweltschutz (gemäß Anhang der Whistleblower-RL Teil 1 lit E) zuwiderlaufen. Dieser Verstoß wird von einem aufmerksamen Mitarbeiter beobachtet und intern gemeldet. Dieser Mitarbeiter genießt den Schutz der Whistleblower-RL und darf keine Repressalien erleiden.

Angenommen der Geschäftsführer dieses Unternehmens macht sich der Korruption im privaten Sektor strafbar. Auch dieser Verstoß wird von einem achtsamen Mitarbeiter beobachtet und zunächst intern gemeldet. Als Konsequenz der Meldung wird der Mitarbeiter entlassen. Hier genießt der Whistleblower keinen Schutz durch die Whistleblower-RL, da die Korruptionsbestimmungen im österreichischen Strafgesetzbuch rein national geregelt werden.

Aus Compliance-Sicht ist somit auffällig, dass die „klassischen“ Compliance-Themen wie Korruptions- und Betrugsbekämpfung wie soeben dargestellt nicht von der Whistleblower-RL umfasst werden, da nur Verstöße gegen Unionsrechtsakte erfasst werden (siehe zu den durch die Whistleblower-RL abgedeckten Bereiche im Detail Kapitel 2.1). Die Mitgliedsstaaten werden vom Unionsgesetzgeber jedoch dazu angeregt, den Anwendungsbereich auf ebensolche Rechtsgebiete auszudehnen. Die verschärfte Umsetzung von EU-Richtlinien (sogenanntes „Gold Plating“) wird oft kritisch bewertet, beim Thema Whistleblowing ist sie allerdings zu begrüßen.

In der Whistleblower-RL wird zudem festgestellt, dass bestimmte bereits bestehende Unionsrechtsakte, die spezifischere Regelungen zum Whistleblower-Schutz enthalten – beispielhaft können hier Bestimmungen im Finanzsektor genannt werden – der Whistleblower-RL vorgehen. Insofern soll die Whistleblower-RL als Ergänzung dieser Bestimmungen herangezogen werden.[7]

2.1 Sachlicher Anwendungsbereich

Der sachliche Anwendungsbereich der Whistleblower-RL[8] ist auf die Meldung von Verstößen gegen das Unionsrecht beschränkt. Darunter fallen jedoch nicht Verstöße gegen alle Richtlinien und Verordnungen der EU, sondern vielmehr nur ausgewählte Rechtsakte. Welche dies sind, zählt der Anhang der Whistleblower-RL abschließend auf. Diese Rechtsakte betreffen die folgenden Bereiche:

+Finanzdienstleistungen, Geldwäscheprävention,

+Produktsicherheit und -konformität,

+Verkehrssicherheit,

+Umweltschutz,

+Datenschutz, Sicherheit von Netz- und Informationssystemen,

+Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit,

+Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit,

+Tiergesundheit und Tierschutz,

+öffentliche Gesundheit,

+Wettbewerbs- und Beihilfenrecht,

+Verbraucherschutz.

Hinweisgeber sind auch dann geschützt, wenn sich ihre Meldungen auf Verstöße beziehen, welche die

+Finanziellen Interessen der Union (iSv Art 325 AEUV),

+Binnenmarktvorschriften (iSv Art 26 Abs. 2 AUEV) einschließlich Vorschriften des

+Körperschaftssteuerrechts,

+Wettbewerbsrechts und staatlicher Beihilfen

betreffen.

Die Whistleblower-RL gewährt somit keinen allumfassenden Schutz für Hinweisgeber, sondern schränkt ihren eigenen Anwendungsbereich auf Meldungen, die sich auf bestimmte Verstöße beziehen, ein.

2.2 Persönlicher Anwendungsbereich

Wie aus den der Whistleblower-RL voranstehenden Erwägungsgründen entnommen werden kann, war es im Sinne der Europäischen Kommission, mit der Whistleblower-RL ein möglichst breites Spektrum von Personengruppen zu schützen.

Es sind somit Unionsbürger und Drittstaatsangehörige umfasst, die aufgrund ihrer beruflichen Stellung Zugang zu Informationen haben, welche auf Verstöße gegen das Unionsrecht schließen lassen. Irrelevant ist in diesem Zusammenhang nicht nur die Art der Tätigkeit des Hinweisgebers, sondern auch, ob diese noch aufrecht ist oder die Informationen im Rahmen von Vertragsverhandlungen bzw. Bewerbungsgesprächen erlangt wurden. Des Weiteren ist es unerheblich, ob eine solche Tätigkeit gegen Vergütung erfolgt bzw. erfolgte.

Der umfassende persönliche Anwendungsbereich[9] erstreckt sich auf:

+Arbeitnehmer, inklusive Beamte,

+Selbstständige,

+Anteilseigner,

+Angehörige von Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorganen eines Unternehmens, inklusive nicht-geschäftsführender Mitglieder,

+Freiwillige,

+bezahlte und unbezahlte Praktikanten,

+bloße Stellenwerber,

+ehemalige Dienstnehmer,

+Personen, die unter der Aufsicht oder Leitung von Auftragnehmern, Unterauftragnehmern und Lieferanten arbeiten.

Ebenso geschützt sind:

+Mittler,

+Dritte, sofern sie mit dem Hinweisgeber in Verbindung stehen und im Berufsleben Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt sein könnten (z. B.: Kollegen, Verwandte),

+juristische Personen, die im Eigentum des Hinweisgebers stehen, für die er arbeitet oder mit denen er beruflich in Verbindung steht.

2.3 Bedingungen für den Schutz

Der Schutz gilt jedoch nicht unbeschränkt, sondern wird vielmehr von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig gemacht. Geschützt ist nämlich nur derjenige Hinweisgeber, der zum Zeitpunkt der Meldung angesichts der Umstände und der verfügbaren Informationen hinreichend Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihm gemeldeten Sachverhalte der Wahrheit entsprechen und gleichzeitig einen Verstoß gegen Unionsrecht oder die finanziellen Interessen der EU betreffen. Eine weitere Voraussetzung des Schutzes ist, dass die Meldung in Form einer der vorgesehenen Meldearten (siehe Kapitel 3) erfolgt.

Beachtlich ist auch, dass die Whistleblower-RL nicht vorsieht, dass auf anonyme Meldungen zwingend reagiert werden muss. Die Mitgliedsstaaten sind darin frei, gesetzliche Regelungen zu erlassen, welche die zwingende Entgegennahme und Weiterverfolgung anonymer Meldungen vorsehen. Somit besteht der durch die Whistleblower-RL gewährte Schutz nur für Hinweisgeber, deren Identität gegenüber der zuständigen Behörde oder eines zur Einrichtung von Meldesystemen verpflichteten Rechtsträgers bekannt ist oder nach anonymer Meldung bekannt wird. Diese Identität ist aber als streng vertraulich zu behandeln. Sollte die Identität eines Hinweisgebers einer anonymen Meldung nachträglich bekannt werden, so genießt dieser bei Erfüllung der oben genannten Voraussetzungen ebenfalls den Schutz der Whistleblower-RL.

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Praxistipp:

Anonyme Meldungen

Die Whistleblower-RL zeigt, dass Vertraulichkeit nicht mit Anonymität gleichzusetzen ist. Ein Hinweisgeber, welcher nicht die Möglichkeit hat, unternehmensintern eine anonyme Meldung zu erstatten, neigt jedoch eher dazu, sich direkt an eine Behörde zu wenden. Dies kann für das Unternehmen, wie noch im Folgenden näher erklärt wird, negative Konsequenzen haben.

Somit sollten Unternehmen, obwohl sie nicht zur Ergreifung von Folgemaßnahmen verpflichtet sind, anonyme Meldungen ebenfalls ernst nehmen und verfolgen. In der Praxis stellen anonyme Meldungen einen wesentlichen Teil der Meldungen dar. Unternehmen, die diese Hinweise nicht näher untersuchen, riskieren den Verlust der Glaubwürdigkeit gegenüber ihren Mitarbeitern sowie weiteren Stakeholdern. Zusätzlich verschließen sie sich der Möglichkeit, vermeintliche Verstöße zunächst intern aufzuklären und die positiven Effekte des Whistleblowings für sich zu nutzen.

2.3.1 Sanktionen gegen Whistleblower

Der Schutz der Whistleblower-RL erstreckt sich nicht auf bewusste Falschmeldungen, diese sind vielmehr auf geeignete Weise von den Mitgliedsstaaten zu sanktionieren. Somit soll sichergestellt werden, dass Hinweisgeber bei der redlichen Meldungserstattung bestärkt werden. Jedoch sollen Hinweisgeber, die wissentlich falsche Informationen gemeldet oder offengelegt haben, die Möglichkeit erhalten, verursachte Schäden wiedergutzumachen.

2.3.2 Weitere Sanktionen

Die Whistleblower-RL sieht überdies vor, dass für all jene (natürlichen und juristischen) Personen Sanktionen zu normieren sind, die

+Meldungen vereiteln oder behindern,

+Repressalien gegen geschützte Hinweisgeber ergreifen oder gegen diese mutwillig Gerichtsverfahren anstrengen,

+entgegen der Vertraulichkeitspflicht die Identität der Whistleblower offenlegen.

Welche Rechtsfolgen konkret zu erwarten sind, lässt die Whistleblower-RL offen. Deutlich wird jedoch, dass die umfassend vorzusehenden Sanktionen als Schutzfunktion dienen, um potentielle Hinweisgeber zur Meldungserstattung zu ermutigen.

2.4 Wovor Whistleblower geschützt werden müssen

Personen, die von einem relevanten Rechtsverstoß Kenntnis erlangt haben, sollen keine negativen Konsequenzen in Form von Vergeltungsmaßnahmen aufgrund der Meldung dieser Verstöße erleiden. Die Ergreifung von Repressalien als Reaktion auf eine Hinweismeldung ist daher zu untersagen und zu ahnden (siehe Kapitel 2.3.2 Sanktionen gegen Verpflichtete).

Im Wesentlichen können diese Vergeltungsmaßnahmen in drei Kategorien unterteilt werden:

1.Repressalien im beruflichen Kontext

Die Whistleblower-RL nennt hierfür beispielhaft Entlassung, Gehaltseinbußen oder Diskriminierungen.

2.Gerichtsverfahren

Abhängig von der Art der Informationen, könnten auf den Hinweisgeber verschiedenste gerichtliche Verfahren zukommen. Da diese meist mit intensiven Kosten und Belastungen verbunden sind, können sie auf Whistleblower besonders abschreckend wirken.

3.Haftung

Eine allfällige Haftung käme aufgrund der Beschaffung und dem Zugang zu Informationen in Betracht. Für solche Handlungen ist der Hinweisgeber nur dann strafbar, wenn sie einen Tatbestand des nationalen Strafrechts erfüllen. Dies gilt nicht für Vertragsverstöße und bloße Verwaltungsstraftatbestände.

Es wird somit deutlich, dass nur ein umfassendes Verbot negativer Konsequenzen einer Meldung den wirksamen Schutz von Hinweisgebern gewährleisten kann. Daher ist die Ergreifung von Repressalien nicht nur nach erfolgter Meldung verboten, sondern auch die Androhung sowie die versuchte Verhängung ebendieser. Die Whistleblower-RL enthält eine demonstrative Liste von Maßnahmen, welche als verboten anzusehen sind.[10]

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Praxistipp:

Mitarbeiter aufklären

Ein potentieller Hinweisgeber, der sich bezüglich Meldungserstattung und bestehendem Schutz unsicher ist, verliert möglicherweise den Mut, eine Meldung zu erstatten.

Unternehmen sollten daher sicherstellen, dass hierzu einschlägige Informationen in einer klaren und intern leicht zugänglichen Weise bereitgestellt werden.

7Whistleblower-RL 2019/1937 Art 3 Abs 2.

8Whistleblower-RL 2019/1937 Art 2 Abs 1.

9Whistleblower-RL 2019/1937 Art 4.

10Whistleblower-RL 2019/1937 Art 19.

EU-Whistleblower-Richtlinie kompakt

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