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Das Maß der Werte

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Es ist jedermann bestens vertraut: Außer jenen teuren Dingen, die „mit Geld nicht zu bezahlen“ sind, hat alles seinen Preis. Bei den Waren, die zum Verkauf anstehen, sieht man auf dem Preisschild, wie viel Geld sie kosten. Aber auch Gegenstände, an deren Veräußerung niemand denkt, werden mit der größten Selbstverständlichkeit andauernd in Geld gemessen. Die Eigenschaften eines Hauses, die es für seine Bewohner brauchbar machen, die Dienste einer Maschine für ihren Benutzer, die Vorzüge einer Stereo-Anlage – all das wird ziemlich gleichgültig, wenn es um die heiße Frage geht: Was tragen diese Dinge zum Reichtum einer Person bei? Ihre jeweilige Brauchbarkeit interessiert dann nur noch als Voraussetzung dafür, dass sie eine gewisse Summe Geldes wert sind. In dieser Eigenschaft addieren sie sich locker zum Geld hinzu, das der Betreffende womöglich auch noch hat. Das Ganze ergibt sein Vermögen, welches in der freien Marktwirtschaft entscheidet, was einer vermag. Es bestimmt den Grad der Freiheit, die man sich in der Welt des Marktes herausnehmen kann.

Einerseits scheint ein eigenartiger Idealismus am Werk zu sein, wenn alles irgendwie brauchbare Zeug einen Geldnamen verpasst kriegt. Der materielle Reichtum wird einem Geldquantum gleichgesetzt und gilt dabei als „Stellvertreter“ des Stoffs, der getrennt von den vielfältigen Gebrauchswerten den „eigentlichen“ Reichtum darstellt. In dieser Operation, die jedem geläufig ist, den es in die freie Marktwirtschaft verschlagen hat, braucht der abstrakte Reichtum noch nicht einmal greifbar zu sein, wenn er als Maß aller Dinge gewürdigt wird. Solange man nur wissen will, was eine Sache wert ist, tut es ein vorgestellter Geldbetrag auch. Sobald es jedoch darum geht, etwas zu kriegen, sich den Gebrauchswert einer Sache zu sichern, braucht man das Geld, das sie kostet.

Andererseits ist also überhaupt kein Idealismus vorhanden, wo alles in Geld geschätzt wird. Groß und Klein sehen sich da mit dem Materialismus des Privateigentums konfrontiert. Was immer jemand genießen und zu seiner Verfügung haben will – er muss es mit Geld bezahlen, weil es jemand anderem gehört. Und auch wenn auf den neuesten Scheinchen nicht mehr der Hinweis vermerkt ist: „Wer Banknoten nachmacht oder verfälscht oder nachgemachte oder verfälschte in Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft“, verfällt doch keiner auf die Idee, er dürfte sich die ihm als Geld vertrauten Zettel nach Bedarf zurechtkleben. So viel weiß der moderne Mensch schon als Kind über seine Heimat, in der die Gültigkeit des Geldes durch die staatliche Gewalt gesichert wird, so dass es sein Werk als Maß des Reichtums ordentlich verrichten kann: Von allem Nützlichen und Angenehmen, das er zu Gesicht kriegt und gebrauchen will, steht jedem das zur Verfügung, was er in sein Privateigentum verwandelt. Das Geld stellt die eine Privatperson mit allen anderen gleich – und in einen gesellschaftlichen Zwangszusammenhang. Dieser abstrakte Reichtum ist der Schlüssel zur Teilhabe an den Sorten des konkreten Reichtums, des vielfältigen Zeugs, das an allen Ecken der freien Marktwirtschaft arbeitsteilig produziert wird, um verkauft zu werden. Der Zwang zum Tausch macht sich als „Bedürfnis“ nach Geld bemerkbar. Obgleich selbst ungenießbar, will es jeder haben, da dieses Maß der Werte mit seiner unmittelbaren Austauschbarkeit seinen Besitzer zum Herrn über die Warenwelt macht. Vorausgesetzt, er hat genug davon.

Das Geld

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