Читать книгу Dunkles Wasser - Heller Mond - Wolfgang Ommerborn - Страница 3
Vorbemerkung
ОглавлениеDieser Roman wurde von dem außergewöhnlichen, durch Höhen und Tiefen geprägten Leben des in der Ming-Zeit (1368-1644) wirkenden chinesischen Philosophen Li Zhi (1527-1602) inspiriert, der hier unter seinem Pseudonym Li Zhuowu in Erscheinung tritt. In seinem Leben und Denken spiegelt sich der Konflikt und die Zerrissenheit zwischen den konventionellen Verpflichtungen gegenüber der Familie, der Gesellschaft und dem Staat einerseits und dem Drang nach konsequenter Selbstverwirklichung des Einzelnen andererseits im Kontext des vorherrschenden konfuzianischen Systems in aller Deutlichkeit wider.
Li Zhuowu war ein individualistischer und kritischer Denker, der die zu seiner Zeit als orthodox geltende und das Geistes- und Gesellschaftsleben dominierende Strömung innerhalb des Konfuzianismus und ihre zeitgenössischen Anhänger mit scharfer Zunge attackierte. Zwar hatte auch er eine traditionelle konfuzianische Ausbildung durchlaufen, sogar Ämter in der staatlichen Administration ausgeübt, sympathisierte aber gleichzeitig mit buddhistischen und daoistischen Vorstellungen. Den herrschenden Dogmatismus und seinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit lehnte er rigoros ab. Zugleich prangerte er die Glorifizierung geistiger Autoritäten an, von denen behauptet wurde, dass nur sie den Weg zur Wahrheit aufzeigen würden. Li Zhuowu betonte hingegen, dass der Maßstab für das richtige Denken und Handeln in jedem einzelnen Menschen natürlich vorhanden ist und schließlich auch nur dort individuell gefunden werden kann. Beeinflusst wurde er dabei auch von konfuzianischen Strömungen, die im Gegensatz zur Orthodoxie standen und darum vielfach als ketzerisch inkriminiert wurden. Außergewöhnlich und seiner Zeit weit voraus waren zudem seine Vorstellungen zur Bedeutung und Rolle der Frau, die im patriarchalischen Denken des konfuzianischen China und seiner festgefügten patriarchalischen Gesellschaftsordnung ausgesprochen provokativ wirkten. Immer wieder geriet er aufgrund seiner Lehren und seiner Haltung in Konflikt mit konfuzianischen Gelehrten und den von konfuzianischen Beamten geführten staatlichen Behörden. Als für Staat und Gesellschaft gefährlicher Ketzer angefeindet und angeklagt, endete sein Leben schließlich auf dramatische Weise in einem Gefängnis der kaiserlichen Hauptstadt Beijing.
Der Roman stellt keine exakte Biographie Li Zhuowus dar. Er folgt wichtigen und charakteristischen Phasen und Begebenheiten seines Lebens, wobei Phasen und Begebenheiten, die für die Handlung dieses Romans nicht relevant oder von sekundärer Bedeutung sind, ausgeklammert bleiben. Die authentischen Ereignisse, die geschildert werden, sind durch Biographien über Li Zhuowu bzw. seine Autobiographie oder andere, meist von Zeitgenossen vorgenommene Beschreibungen dokumentiert, wie z.B. die Schicksalsschläge innerhalb seiner Familie oder der Bruch mit seiner Frau und Tochter, wiederum andere sind Fiktion, wie z.B. die Begegnung mit den Piraten oder seine Liebesbeziehung zu einer jüngeren Frau. Aber auch die fiktiven Darstellungen orientieren sich nach Möglichkeit an die den Quellentexten zu entnehmenden Angaben hinsichtlich der Charaktereigenschaften und der Lebensweise dieses Mannes.