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Über Haltung im Architektenleben
Оглавление»Die Architektur wackelt.« So lautet die Überschrift zu einem Kommentar in einer großen Tageszeitung über den Bericht des Wehrbeauftragten. Bis dahin ist mir verborgen geblieben, dass eine militärische Struktur Baukunst ist, die auch Haltungsschäden erzeugen kann. Wenn Architektur wackelt, ist sie nicht stabil gebaut. Wenn sie Bestand haben soll, muss sie über ein solides Fundament verfügen, muss Spannungen aushalten, gepflegt und wertgeschätzt werden.
Die allgegenwärtige inflationäre Verwendung des erweiterten und populären Architekturbegriffs lässt auf höhere Weihen schließen. Die Rede ist heute von Friedensarchitektur, Sicherheitsarchitektur, Rechnerarchitektur, von der Architektur der europäischen Außenpolitik, der neuen Finanzarchitektur, von der Architektur philosophischer Gedankengebäude oder gar von der Schönheit molekularer Architektur von Viren. Das alles kann Architektur sein. Wie auch Diskurse zwischen Architektur und Politik. Sie bereichern zuweilen ebenfalls gesellschaftliche Debatten, wenn es beispielsweise um die Förderung der Baukultur geht – und sie anzuregen ist die ureigene Aufgabe der Architektenkammer, deren Präsident ich in Niedersachsen viele Jahre war. Politischen Einfluss nehmen konnte ich mit dem Erfahrungsschatz als freischaffender Architekt, als Kenner der Baukultur und eben als Akteur des Berufsstandes. Aus den vielen Begegnungen und Gesprächen auf der beruflichen, gesellschaftlichen und politischen Ebene speisen sich Erlebnisse und Erkenntnisse, die ich in Form von Kolumnen verarbeitet habe.
So wie die Architektur hat auch der Beruf des Architekten viele Facetten. Diese Vielschichtigkeit macht das Wirkungsfeld mit seinen Gestaltungsmöglichkeiten so spannend und abwechslungsreich. Ich kenne die Untiefen der Baukultur ebenso wie die Widrigkeiten des Architekten- und Kammerlebens, das zuweilen kompliziert und herausfordernd ist – hin und wieder aber auch unterhaltsam. Nun ist Humor eine Alternative, den Unzulänglichkeiten des Geschehens mit heiterer Gelassenheit zu begegnen. Und darum geht es in diesem Band: einen Blick hinter die Fassade eines verantwortungsvollen Berufs zu werfen, der auch – in meinem speziellen Fall – Berufspolitik umfasste und dessen Alltag so ganz anders aussieht, als man ihn sich gemeinhin denkt. Die Kolumnen sind mal ernsthaft, mal abgründig, mal voll leiser Ironie. Sie bewegen sich zwischen Dichtung und Wahrheit, sind launig überzeichnet, garniert mit Subtilitäten und Absurditäten. Mit Haltung und einem Augenzwinkern wird in das Engagement und das Seelenleben der Architekten und zugleich Kammermitglieder geschaut, über das vielfältige Potenzial des Berufsstandes reflektiert.
An dieser Stelle möchte ich ganz herzlich Erik Liebermann danken, der mich mit seinen wunderbaren Illustrationen zwei Jahre lang auf meinen Kurzreisen durch das Architekten- und Kammerleben begleitet hat. Entspannt habe ich geschrieben, entspannend soll die Lektüre sein.
Wolfgang Schneider