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Architekt Baumann und der Steuerer

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Frühmorgens um acht. Eilens einberufene Bauherrenbesprechung im kleinen Kreis. Anwesend: Bauherr, Haifischlächeln, distinguierte Erscheinung; Rechtsanwalt, stur gegen die Wand schauend; Projektsteuerer, hektisch Papiere ordnend, roter Kopf, zerknirschte Miene; Architekt Baumann (was sollte er mit diesem Namen auch anderes werden), ergeben freundlicher Blick.

Kurze Begrüßung durch den Bauherrn. Bittet den Projektsteuerer um Erklärung, warum »gewisse Dinge nicht laufen«.

Bericht folgt in knarzendem Tonfall. Der Steuerer fordert Baumann lautstark auf, seine Leute »auf Vordermann« zu bringen. Ob vielleicht nicht doch fehlende oder unvollständige Architektenpläne die Ursache für das »unsägliche Versagen« seien. Es gehe nicht an, immer wieder Handskizzen nachzuschieben. Der »Ablauf« würde behindert. Die Fachplaner kämen nicht weiter, der ganze Ausbau komme zum Erliegen. Und wie »die Baukünstler« den Terminverzug aufzuholen gedächten? Er müsse jetzt für Ordnung sorgen und diesem »Schreckensszenario« unverzüglich ein Ende bereiten. »Geht alles zu Ihren Lasten. Sie hören von uns.« Wumm.

Krisengespräch. Architekt Baumann ist sauer. Vermutet Schutzbehauptungen des Steuerers, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Versammelt leicht erzürnt seine »Vordermänner«: Projektleiterin nebst Planerin und einen Bauzeichner. Ziel: Widerlegung der »unflätigen Attacke«. Kann doch alles nicht wahr sein! Wurde das Büro nicht vor geraumer Zeit softwaretechnisch aufgerüstet, um Schnittstellen besser und effektiver in den Griff zu bekommen? Auch um terminliche Engpässe zu vermeiden? Sind Handskizzen jetzt ein Teufelszeug im System?

Die beiden hochgeschulten Mitarbeiterinnen meinen unisono und etwas kleinlaut-steif, Chef solle ein beschwichtigendes Telefonat mit dem Steuerer führen, sie würden derweil die Pläne »wenn nötig« vervollständigen und »zeitnah« an die Fachplaner verteilen. Klingt sehr fremdgesteuert. Der Bauzeichner gibt derweil den Obercoolen und rät, mit Haltung Widerstand zu leisten, die Sache auszusitzen. Chef solle es drauf ankommen lassen. Das mit dem Verzug könne doch mal passieren. Kein Grund, sich aufzuregen. »Möchte ich überhört haben«, brummt augenrollend der Architekt. Und eilt von dannen.

Verabredet »Bei Lucy« mit Toni, befreundeter Kollege, legere Kleidung, gut gelaunt. Baumann erzählt ihm, noch etwas aufgebracht, vom morgendlichen Erlebnis. Toni winkt ab, sei immer das Gleiche, dieser »Eiertanz zwischen Entwurfsoptimierung beim Bauen und künstlerischer Freiheit. Schön gegenhalten«. Baumann seufzt, dass dem Berufsstand »immer weniger Respekt« entgegengebracht werde, wenn die Dreieinigkeit Bauherr, Anwalt und Steuerer am Tisch sitze. Überhaupt, mit Palladio wäre man seinerzeit nicht so umgesprungen. Toni nickt zustimmend und merkt an, dass die Baukunst immer mehr zur Hochrechnung verkomme und die Baukultur dabei baden gehe.

Die Freunde verabschieden sich. Toni geht ins Schwimmbad. Baumann zurück ins Büro. Im Laufe des Nachmittags stellen sich bei näherer Betrachtung gewisse Inkompatibilitäten zwischen den Computerzeichnungen seiner Mitarbeiter und Handskizzen von ihm selbst heraus. Letztere sind vielleicht etwas fehlinterpretiert worden. Er hat versäumt, die Umsetzung zu kontrollieren. Die Sache ist ambivalent, eigentlich viel Lärm um nichts. Trotzdem ärgerlich. Baumann sinniert, dass es, wie so oft, ums Menschliche und Ängstliche gehe und überall Schutzzäune aufgebaut würden. Zeit, endlich Feierabend zu machen, um auf andere Gedanken zu kommen.

Frühabends im Biergarten. Architekt Baumann will den Tag ausklingen lassen. Allein sein. Stattdessen winkt ein gut gelaunter Projektsteuerer am Nachbartisch. Zufällig. Sei ja eine Schlacht gewesen heute Morgen. Habe sich aber nicht vermeiden lassen. Schließlich sei er als Steuerer schon vor der Sitzung unter Druck geraten. Er würde zu nachsichtig mit den Baukünstlern umgehen und musste daher dem Bauherrn beweisen, dass ein Steuerer sein Geld wert sei. Mit Vorwärtsstrategie und klarer Kante. Sein »Rhetorikgedöns« müsse er von Zeit zu Zeit wiederholen, »bitte nicht übel nehmen«. Ein Schreiben sei auch schon unterwegs. Rechtlich abgesichert. »Lassen Sie es einfach dabei bewenden und antworten Sie nicht«, insistiert er. »Zeigen Sie einfach Haltung.«

Architekt Baumann kommt ins Grübeln, denkt bei der Bestellung nicht an Hopfen und Malz, sondern: In vino veritas.

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