Читать книгу Lexikon für das Lohnbüro 2022 (E-Book EPUB) - Wolfgang Schönfeld - Страница 301

Оглавление

c)Arbeitgebereigenschaft nach DBA

Für die Zuweisung des Besteuerungsrechts kommt es beim internationalen Arbeitnehmerverleih auf die Arbeitgebereigenschaft nach den einschlägigen DBA an. Dabei nimmt bei einer grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG grundsätzlich der Entleiher die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen wahr (vgl. Rz. 159 des BMF-Schreibens vom 3.5.2018, BStBl. I S. 643)[82]. Die entliehenen Arbeitnehmer sind regelmäßig in den Betrieb des Entleihers eingebunden. Dementsprechend ist mit Aufnahme der Tätigkeit des Leiharbeitnehmers beim Entleiher in der Regel dieser als Arbeitgeber i. S. d. DBA anzusehen.

Bei einer doppel- oder mehrstöckigen Arbeitnehmerüberlassung ist in der Regel der letzte Entleiher in der Kette als wirtschaftlicher Arbeitgeber nach DBA anzusehen.

Nicht selten, z. B. bei nur kurzfristiger Überlassung (vgl. auch BFH-Beschluss vom 4.9.2002, BStBl. 2003 II S. 306), können auch wesentliche Arbeitgeberfunktionen beim Verleiher verbleiben. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse der Verleiher oder der Entleiher überwiegend die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt und damit als Arbeitgeber i. S. d. DBA anzusehen ist. Nach Rz. 161 des o. a. BMF-Schreibens vom 3.5.2018 sind bei dieser Prüfung insbesondere folgende Kriterien zu beachten:

 Wer trägt die Verantwortung oder das Risiko für die durch die Tätigkeit des Arbeitnehmers erzielten Ergebnisse? Hat der Entleiher im Falle von Beanstandungen das Recht, den Arbeitnehmer an den Verleiher zurückzuweisen?

 Wer hat das Recht, dem Arbeitnehmer Weisungen zu erteilen?

 Unter wessen Kontrolle und Verantwortung steht die Einrichtung, in der der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt?

 Wer stellt dem Arbeitnehmer im Wesentlichen die Werkzeuge und das Material zur Verfügung?

 Wer bestimmt die Zahl und die Qualifikation der Arbeitnehmer?

 Wer trägt das Lohnkostenrisiko im Falle der Nichtbeschäftigung?

 Wer legt die Arbeitszeiten sowie die Urlaubszeiten des Arbeitnehmers fest bzw. muss diesen zustimmen?

 Auf welcher Grundlage wird die Vergütung für den Verleiher berechnet?

Beispiel A

Der im Inland ansässige Verleiher überlässt den im Inland ansässigen Arbeitnehmer an ein ebenfalls im Inland ansässiges Unternehmen (Entleiher), das den Arbeitnehmer für nicht mehr als 183 Tage zur Erfüllung einer eigenen Lieferungs- oder Werkleistungsverpflichtung bei einem fremden dritten Unternehmen im Ausland einsetzt.

Das im Ausland ansässige Unternehmen nimmt keinerlei Arbeitgeberfunktionen gegenüber dem Arbeitnehmer wahr und ist damit nicht dessen Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne. Wirtschaftlicher Arbeitgeber des Arbeitnehmers ist vielmehr der im Inland ansässige Entleiher. Das Besteuerungsrecht für die vom Arbeitnehmer im Ausland ausgeübte Tätigkeit richtet sich ausschließlich nach den Art. 15 Abs. 1 und 2 OECD-MA entsprechenden Vorschriften der DBA. Da der Arbeitnehmer nicht mehr als 183 Tage im Ausland eingesetzt ist und der Entleiher dort weder ansässig ist, noch eine Betriebsstätte unterhält, steht das Besteuerungsrecht für die Vergütungen aus der Tätigkeit ausschließlich Deutschland zu.

Beispiel B

Der im Inland ansässige Verleiher überlässt den im Inland ansässigen Arbeitnehmer an ein ebenfalls im Inland ansässiges Unternehmen (Entleiher), das den Arbeitnehmer für nicht mehr als 183 Tage im Ausland bei einem zum Konzern gehörenden Unternehmen einsetzt.

In diesem Fall ist zu prüfen, welche der beiden Konzerngesellschaften als Arbeitgeber im Sinne des DBA anzusehen ist. Ist der im Inland ansässige Entleiher der wirtschaftliche Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, entspricht die Lösung der im Beispiel A und das Besteuerungsrecht verbleibt im Inland. Ist dagegen das im Ausland ansässige Unternehmen als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen, sind die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA nicht erfüllt und der ausländische Tätigkeitsstaat hat nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht.

Zu weiteren Anwendungsbeispielen bei grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassungen vgl. die Rdnr. 167 bis 171 des o. a. BMF-Schreibens vom 3.5.2018 (BStBl. I S. 643[83]).

Ist der ausländische Verleiher als Arbeitgeber anzusehen, kann dieser nach § 39 Abs. 4 Nr. 5 EStG einen Antrag auf Freistellung des ausländischen Leiharbeitnehmers von der inländischen Besteuerung stellen, wenn der Arbeitnehmer sich nicht länger als 183 Tage in Deutschland aufhält (vgl. auch das Stichwort „Doppelbesteuerungsabkommen“). Hält sich der Arbeitnehmer länger als 183 Tage im Inland auf, steht Deutschland als Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zu. Ist der inländische Entleiher Arbeitgeber im Sinne eines DBA, kommt für den ausländischen Leiharbeitnehmer eine Freistellung des Arbeitslohns vom Steuerabzug selbst bei einer Tätigkeit von weniger als 183 Tagen im Inland nicht in Betracht.

Beispiel C

S ist ein in Spanien ansässiges Unternehmen. Es betreibt eine Arbeitnehmerüberlassung für hoch qualifiziertes Personal. D ist ein in Deutschland ansässiges Unternehmen für hochwertige Dienstleistungen im Bausektor. Zur Fertigstellung eines Auftrages im Inland benötigt D für fünf Monate einen Spezialisten und wendet sich deswegen an S. X, ein in Spanien ansässiger Spezialist, wird daraufhin von S für fünf Monate eingestellt. Gemäß einem separaten Vertrag zwischen S und D erklärt sich S damit einverstanden, dass die Arbeitsleistungen von X während dieser Zeit an D erbracht werden. Gemäß diesem Vertrag zahlt D das Gehalt, Sozialversicherungsabgaben, Reisekosten und andere Vergütungen des X.

Im Rahmen der internationalen Arbeitnehmerüberlassung wird D als Entleiher wirtschaftlicher Arbeitgeber des X. D nimmt während des genannten Zeitraums die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen wahr. X ist in den Geschäftsbetrieb des D eingebunden. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Freistellung des Arbeitslohns vom inländischen Steuerabzug nach Art. 14 Abs. 2 Buchstabe b DBA-Spanien sind nicht erfüllt, auch wenn die Tätigkeit des X nicht länger als 183 Tage dauert. Deutschland wird somit das Besteuerungsrecht für die Vergütungen des X für den genannten Zeitraum zugewiesen.

Nach den verschiedenen Doppelbesteuerungsabkommen (z. B. DBA mit Dänemark, Frankreich, Italien, Norwegen, Polen, Schweden) ist die 183-Tage-Regelung auf Leiharbeitnehmer nicht anwendbar, d. h. sowohl der Ansässigkeitsstaat des ausländischen Verleihers als auch der Tätigkeitsstaat haben ein Besteuerungsrecht. Die Doppelbesteuerung wird in diesen Fällen durch eine Steueranrechnung vermieden. Im Lohnsteuerabzugsverfahren kann zur Vermeidung der zeitweiligen Doppelbelastung analog § 39a Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG aus Billigkeitsgründen das Vierfache der voraussichtlich abzuführenden ausländischen Abzugssteuer als Freibetrag berücksichtigt werden. Der Arbeitnehmer muss durch geeignete Unterlagen (z. B. durch eine Bestätigung des Arbeitgebers) nachweisen oder glaubhaft machen, dass es zu einem derartigen Steuerabzug kommen wird oder bereits gekommen ist. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 EStG besteht in diesen Fällen eine Veranlagungspflicht. Die vorstehenden Regelungen gelten gleichermaßen auch für Nicht-DBA-Länder, bei denen der Auslandstätigkeitserlass aber nicht anzuwenden ist und es deshalb im laufenden Kalenderjahr ebenfalls zu einer doppelten Besteuerung kommt (Rz. 177 des o. a. BMF-Schreibens vom 3.5.2018[84]). In diesem Fall dürfen bei der Berechnung des Freibetrags nur ausländische Steuern des Nicht-DBA-Landes zugrunde gelegt werden, die der deutschen Einkommensteuer entsprechen. Sofern eine nach dem Auslandstätigkeitserlass begünstigte Tätigkeit vorliegt (vgl. das Stichwort „Auslandstätigkeit, Auslandstätigkeitserlass“ unter Nr. 5), kann dieser auch bei der Arbeitnehmerüberlassung angewendet und eine Steuerfreistellung des Arbeitslohns beantragt werden.

Grundsätzlich gilt:

Die nach den DBA bestehende Arbeitgebereigenschaft des Entleihers hat nur Bedeutung für Zuweisung des Besteuerungsrechts und lässt die steuerrechtliche Arbeitgebereigenschaft des ausländischen Verleihers unberührt (vgl. R 42d.2 Abs. 1 Satz 2 LStR).

Lexikon für das Lohnbüro 2022 (E-Book EPUB)

Подняться наверх