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Neuschwabenland

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„Isais“ verhielt sich beim Eintritt in die Erdatmosphäre besser, als wie es ihre zweiköpfige Besatzung vermutet hatte. Die Schwierigkeiten, die es auf dem Flug durch das All gab, schienen sich plötzlich gelegt zu haben. Zuversichtlich schauten die beiden Männer daher nun der Landung entgegen und steuerten die kleine Flugscheibe mit viel Fingerspitzengefühl den Gefilden der Antarktis entgegen. Aus großer Höhe erschien der Kontinent wie eine Symphonie aus blauweißem Eis, durch das an einigen Randbereichen dunkelbraune Bergketten hindurchschimmerten und unter dem glazialen Panzer hervortraten.

Zwar wußten sie vom letzten Kontakt mit „Thor“, daß Strese die Basis unter dem ewigen Eis „geschlossen“ hatte, aber sie hofften dennoch, irgendein Lebenszeichen, irgendeine Hilfe zu finden. Immerhin mußten sie zumindest die Flugscheibe einmal in Ruhe gründlich untersuchen. Außerdem hatten sie keine Lust, noch längere Zeit in ihren engen Wänden zu verbringen. Die Funkanlage war schon lange auf Empfang geschaltet, während sie über Feuerland hinweg südlichen Kurs nahmen und, als sie die kontinentalen Ränder Antarktikas erreicht hatten, hoch über dem Schelfeis nach Osten flogen. Der automatisch generierte Funkruf erreichte sie dann auch, als sie sich Neuschwabenland näherten. Mit klopfendem Herzen hörten sie die Botschaft. Sie erhielten von einer monoton klingenden Stimme Landefreigabe für die Basis. Es wurde jedoch gleichzeitig mitgeteilt, daß sie dort mit einem eingeschränkten Bewegungsspielraum zu rechnen hatten. Näheres würden sie nach der geglückten Landung erfahren.

So setzten sie bald darauf auf der Oberfläche des Warmwassersees nahe des Muehlig-Hofmann-Gebirges auf, sanken die drei dutzende Meter in die Tiefe und nahmen Fahrt in Richtung des Unterwassertunnels auf. Sie beglückwünschten sich, daß alles so gut gegangen war. Wie immer tauchte der dunkle, breite Kanal aus dem grünweißen Schimmer der Eis- und Felswände auf, die in dieser Tiefe nur noch einen schwachen Abglanz der automatisch eingeschalteten Scheinwerferbatterien zurückwarfen. Deren Licht strahlte hauptsächlich in den riesigen, ovalen Tunnel hinein, so daß die Besatzungen der U-Boote und Flugscheiben beim Navigieren keinerlei Sichtprobleme hatten. Zügig glitt „Isais“ durch den Felsen- und Eisschlauch der großen unterirdischen Grotte entgegen. Am Ende des Tunnels lag ein technisch ausgeklügeltes Tor, das nur mittels eines streng geheimen Funkcodes angesprochen und geöffnet werden konnte. Doch auch diese Technik funktionierte einwandfrei. Es öffnete und schloß sich hinter ihnen, wie sie es schon immer gewohnt waren. Nur die sonst begrüßenden Funksprüche aus der Zentrale der Basis blieben aus. Im Lautsprecher herrschte, für den Vorgang der Anlandung einer Flugscheibe, ungewohnte Stille. Als sie aus dem Wasser des Höhlensees aufgetaucht waren, ließen sie „Isais“ vorsichtigerweise erst einmal schweben. Mit dem ausgefahrenen Suchscheinwerfer leuchteten sie die nur spärlich erhellte Grotte zusätzlich aus, und über Funk und Außenlautsprecher riefen sie noch mehrmals. Aber es kam keine Antwort. Wie sie unschwer erkennen konnten, waren die Landeplätze für die Flugscheiben leer und verlassen. Nur am langen Betonpier dümpelte ein kleines U-Boot im Wasser des Sees vor sich hin. Sein dunkler Turm glänzte im Widerschein der glitzernden Wellenoberfläche. Keine Menschenseele ließ sich in den ausgedehnten Anlagen am breiten Uferbereich der unterirdischen Grotte blicken. Auch auf der Galerie, die sich oben an den Felswänden entlang zog, und von der man einen schönen Ausblick auf die darunter liegenden Anlagen, den kleinen Höhlenhafen und natürlich den phantastischen Grottensee mit seinem grünlich schimmernden Tiefwasser selbst hatte, zeigte sich kein Licht und keine Bewegung. Nur der große Reichsadler, der hoch oben von den rauhen Felswänden herabschaute, schien sie schweigend zu begrüßen.

Die so ungewohnte Stille und Verlassenheit wirkte unheimlich auf die beiden Männer in der Steuerkabine von „Isais“. Als sich nichts tat und sich auch nichts veränderte, setzten sie endlich zur Landung auf einem der freien Plätze an. Sie sprachen erst wieder ein Wort, als „Isais“ fest und sicher auf dem breiten Betonsockel stand, an dem mit großen Lettern die römische Ziffer II gemalt war.

„Sie scheinen wirklich alle verschwunden zu sein“, murmelte der Pilot vor sich hin. „Das kann ja noch heiter werden. Dann wollen wir mal raus.“ Sie öffneten die Schleuse und verließen die Flugscheibe. Wie erwartet, empfing sie die große Grotte dann auch mit ungewohnter Einsamkeit und Ruhe. Nichts war mehr da, von dem sonst hier so lebhaften Treiben. Keine Techniker liefen zwischen den nun verwaisten Standplätzen für die Flugscheiben und den Werkstätten herum. Keine Arbeitsgeräusche erfüllten mehr den weitgehend verlassenen Hafenbereich, und gähnende Leere herrschte auch da, wo sonst die kleinen Elektro-Transporter in ihren Fahrspuren zwischen den Kais für die U-Boote und der großen Lastenschleuse zu den inneren Bereichen der Basis sonst so emsig hin und her gerollt waren.

„Richtig unheimlich ist das jetzt“, sagte Co-Pilot Gunter Strox leise, als sie einen ersten Erkundungsgang hinunter zum Höhlensee machten. Ihre Schritte hallten ungewohnt laut auf dem feuchten Betonboden des Piers, und das Klatschen der dunklen Wellen drang überdeutlich an ihre Ohren. Aber auch hier unten war niemand. So liefen sie schließlich zur schwer gepanzerten Personenschleuse, die früher fast immer offen gestanden und dem Personal Zugang zur Basis geboten hatte. Doch hier ging es nicht mehr weiter. Dafür klemmte ein dicker, inzwischen etwas klammer Papierumschlag am Eingang. Sie nahmen ihn wortlos an sich und zogen sich damit in ihre Flugscheibe zurück.

Wieder in der Geborgenheit der Pilotenkabine von „Isais“, rissen sie die Versiegelung auf. Zum Vorschein kam ein von Kommandant Strese handschriftlich niedergelegtes Dokument. Darin beschrieb Strese die Umstände, die zur Stillegung der Basis geführt hatten und wies nachdrücklich an, keinen Versuch zu unternehmen, in ihr Inneres einzudringen. In den im Dokument genau bezeichneten Räumen der zugänglichen Werkstattgebäude am Seeufer der Grotte seien Lebensmittel und andere, eventuell notwendige Materialien für sie hinterlegt. Auch alle technischen Einrichtungen in der Grotte könnten dort weiter genutzt werden. Dann gab es den Hinweis auf die geheimen Punkte außerhalb Antarktikas, die sie für die Zukunft in Anspruch nehmen könnten. In Europa waren zwei Anlagen zur sicheren Unterbringung der Flugscheibe angegeben. Natürlich enthielt die Aufstellung keine genauen Koordinaten; diese waren den Besatzungen der beiden Flugscheiben vor dem Abflug zum Mars mündlich genannt worden und befanden sich hochgradig gesichert in verschlüsselter Form an Bord.

„Also werden wir unsere Jungs nicht mehr wiedersehen“, meinte Pilot Rudi Gelhaar resigniert und zerknitterte das Papier langsam in seinen Händen.

Das Erbe Teil III

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