Читать книгу Berlin - eine Biografie - Wolfram Letzner - Страница 9

Propst Nikolaus von Bernau († 1325) –
Lynchmord vor der Marienkirche

Оглавление

Nach dem Aussterben der Askanier in der Mark Brandenburg 1320 blieb die Nachfolgefrage zunächst ungeklärt, denn auch die Machtverhältnisse im Reich waren unklar. Erst 1322 setzte sich der Wittelsbacher Ludwig IV. in der Schlacht bei Mühldorf am Inn als König durch. 1323 erklärte er daraufhin die Mark Brandenburg zum »erledigten Reichslehen« und belehnte seinen erst achtjährigen Sohn mit der Mark.

Doch die Reichspolitik blieb weiter unruhig und geriet noch 1323 auch in Konflikt mit den Machtansprüchen Papst Johannes XXII. Dieser steigerte die kirchlichen Ansprüche auf Abgaben ins Unermessliche und geriet hierüber vor allem mit dem dem Armutsgebot verpflichteten Orden der Franziskaner in Streit. Als der Papst das Armutsgebot für Ketzerei erklärte, floh die Führung des Franziskanerordens zu Ludwig IV. 1324 exkommunizierte Johannes XXII. daraufhin Ludwig und erklärte ihn wenig später als König für abgesetzt. Es erwies sich jedoch, dass mit der Exkommunikation eines Königs anders als in den Jahrhunderten zuvor in Deutschland nicht mehr ohne weiteres Politik zu machen war. Ausläufer dieser weltpolitischen Auseinandersetzung des 14. Jhs. streiften aber auch die Mark Brandenburg.

So behauptete Herzog Rudolf I. aus der askanischen Seitenlinie Sachsen-Wittenberg, der zudem mit einer brandenburgischen Askaniertochter verheiratet war, eigene Ansprüche auf die Mark Brandenburg und den Markgrafentitel. Angesichts dessen war die Bevölkerung der Mark, wie auch die Bürgerschaft von Berlin/​Cölln, in Anhänger der Wittelsbacher und der sächsisch-askanischen Ansprüche gespalten.

In dieser Situation suchte am 16. August 1325, dem letzten Tag des Laurentiusmarktes, der Propst Nikolaus von Bernau, einer um 1230 entstandenen Stadt nordöstlich von Berlin, seinen Berliner Amtsbruder Propst Eberhard auf, um in dessen Sprengel in der Marienkirche eine Gastpredigt zu halten. Über Nikolaus wissen wir nicht viel mehr, als dass er der Hofkaplan des letzten askanischen Markgrafen Woldemar gewesen und nach dessen Tod 1319 vermutlich vom Bischof von Brandenburg zum Propst in Bernau ernannt worden war. Sicher ist aber, dass er ein engagierter Vertreter des Papsttums und in der Auseinandersetzung zwischen dem gebannten König Ludwig IV. und Herzog Rudolf I. von Sachsen, schon aufgrund seiner askanisch geprägten Vergangenheit, ein Gefolgsmann des Letzteren war.

Am 16. August 1325 predigte er jedenfalls zornerfüllt von der Kanzel der Marienkirche, beschimpfte die Bürger, weil sie den fälligen Peterspfennig noch immer schuldeten und weiter zum gebannten König hielten. Als er immer heftiger gegen den Wittelsbacher Markgrafen wütete und den königstreuen Bürgern schließlich mit Kirchenstrafen drohte, wuchs die Erregung unter den Zuhörern. Aus Murren wurden Wutschreie. Schließlich zerrte die Volksmenge Nikolaus aus der Marienkirche auf den Neuen Markt, wo man ihn erschlug und auf einem Scheiterhaufen verbrannte.

Papst Johannes XXII. verhängte daraufhin für mehr als 20 Jahre über Berlin/​Cölln den Kirchenbann. Entgegen der Meinung vieler Chronisten tat dies der Entwicklung Berlins aber kaum Abbruch. So wurde die geistliche Versorgung der Stadt vom Berliner Kloster der in Opposition zum Papst stehenden Franziskaner gewährleistet. Gleichwohl blieb der päpstliche Bann ein Schönheitsfehler für die aufstrebende Handelsstadt Berlin/​Cölln, von dem man sich erst 1347 durch die Zahlung eines hohen Sühnegeldes von 850 Mark Silber an den Bischof von Brandenburg freikaufen konnte. Außerdem musste die Stadt ein steinernes Sühnekreuz am Ort der Tat errichten. Dieses Kreuz steht auch heute noch neben dem Hauptportal der Marienkirche.

Berlin - eine Biografie

Подняться наверх