Читать книгу Die wilden Ponys von Dublin - Wolfram Hanel - Страница 8

2.

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Ich hocke mit angezogenen Knien auf einem Strohballen, während Johnny-Gut-Drauf mir langsam aber sicher die Haare abkaut. Es ist warm und trocken im Schuppen und es riecht nach Pferd und frischem Heu. Trotzdem bin ich kurz davor zu heulen …

Als wir vorhin nach Cherry Orchard zurückkamen, schien alles ganz einfach. Und ich war total glücklich. Ich war noch nicht mal besonders enttäuscht, dass die anderen nicht da waren. Klar, ich hatte schon gehofft, sie würden alle da sein und mich sehen, wie ich mit meinem eigenen Pferd nach Hause komme. Und Stewart, der miesen Ratte, würden vor Schock die Augen aus dem Kopf fallen oder so was.

Aber es goss in Strömen und außerdem lief irgend so ein bescheuertes Fußballspiel. Überall hinter den Fenstern flimmerten die Fernseher und die Ponys standen mit eingeklemmten Schweifen, die Rücken dem Wind zugedreht.

Wir sind hinten ums Haus rum und haben Johnny-Gut-Drauf in den Schuppen gebracht, den Billy vor ein paar Wochen leer geräumt hat, um sich eine Werkstatt zu bauen. Aber daraus wird wahrscheinlich sowieso nichts werden. Billy ist mein Vater, und er hat ständig irgendwelche Pläne, aus denen dann nichts wird. Seine verrückteste Idee war, als er mal mit Ron zusammen einen „Steilwand-Zirkus“ aufmachen wollte. Also so ein Ding, wie man es manchmal auf Rummelplätzen sieht, wo ein paar völlig durchgeknallte Idioten mit ihren Motorrädern immer im Kreis an einer senkrechten Wand langrasen, ohne runterzufallen. Wenn sie Glück haben natürlich nur.

Aber dann ist Rons Motorrad geklaut worden und deshalb ist nichts draus geworden. Haben sie jedenfalls gesagt. Ich glaube jedoch eher, mein Vater hat selber eingesehen, dass die Idee nicht so gut war. Außerdem glaube ich, dass er gar nicht Motorrad fahren kann.

Vor ein paar Wochen jedenfalls hat er erst einen Anbau an den Schuppen gebastelt und dann musste Madonna, die Ziege von meiner Mutter, in den Anbau und der ganze andere Kram, der vorher im Schuppen war, liegt jetzt im Garten. Mindestens zehn alte Autoreifen, zwei Kotflügel, ein halber Motor und jede Menge Bretter mit rostigen Nägeln. Aber David, mein Bruder, hat seine Blumentöpfe mit den Eichen drum rum gestellt (mein Bruder sammelt Eichen!), deshalb sieht es nicht ganz so schlimm aus.

In der Werkstatt will mein Vater „irgendwann mal“ ein Gerät erfinden, das zum Beispiel einen Mähdrescher automatisch abschaltet, wenn der Fahrer aus Versehen vom Sitz gefallen ist. Damit der Mähdrescher nicht über ihn rüber fährt. Mein Vater hat gesagt, letztes Jahr sind in Irland zwölf Bauern von ihren Mähdreschern überfahren worden! Wahrscheinlich sogar noch mehr. Und weil es in Irland ein paar Tausend Mähdrescher gibt, würden wir mit dem Gerät natürlich ziemlich reich. Wenn jeder eins kauft. Und wenn mein Vater es dann mal erfunden hat. Was aber noch dauern kann.

Auf jeden Fall ist aber der Schuppen schön leer geräumt und ich habe erst mal einen richtig guten Stall für Johnny-Gut-Drauf!

Ich habe Johnny-Gut-Drauf also trocken gerieben und Neill hat mir geholfen, sie zu bürsten und die Eisen sauber zu machen.

„Sie ist noch nicht lange draußen“, hat er wieder gesagt, „hier, du siehst ja, sie lässt alles mit sich machen. Was ich nicht verstehe“, hat er dann hinzugesetzt, „ist, wieso irgendein Bauer so blöd sein kann und sie einfach auf die Weide schickt. Mann, so ein Pferd wegzuschicken ist echt schon fast ein Verbrechen.“

Ein Pferd „auf die Weide schicken“ heißt, dass der Bauer es nicht mehr haben will. Weil es ihm die Haare vom Kopf frisst oder weil er glaubt, dass sein neuer Traktor einfach besser ist und er das Pferd nicht mehr braucht. Er nimmt es also und bringt es möglichst weit rauf in die Wicklow-Berge, klatscht ihm noch mal aufs Hinterteil und macht, dass er wegkommt. So ungefähr wie bei einem alten Kühlschrank, den man einfach an den Straßenrand kippt.

Zum Glück sind die meisten Pferde, die es bei uns gibt, Connemaras, und ein Connemara kann ganz gut auch mit Kälte und Regen klarkommen und findet fast überall was zu fressen (ich habe gehört, dass es an der Westküste sogar Connemaras geben soll, die angespülte Fische fressen oder was die Möwen sonst noch so übrig lassen, aber ich weiß nicht, ob es stimmt). Trotzdem meine ich, dass es okay ist, wenn wir uns so ein Pferd hierher nach Cherry Orchard holen. Obwohl eigentlich niemand von uns Geld für Heu oder Stroh hat. Und einen Stall hat sowieso keiner, höchstens einen Schuppen oder irgendeinen Bretterverschlag hinten im Garten. Und wahrscheinlich ist es für die Pferde auch nicht gerade toll, den ganzen Tag zwischen den Wohnblocks rumzurennen. Aber UNS hilft es. Ich meine, sogar Stewart gibt sich echt Mühe mit seinem Tinker-Hengst. Bürstet ihn wie verrückt und kümmert sich drum und hat sich ein Halfter mit Messingbeschlägen besorgt, wahrscheinlich geklaut, sieht aber trotzdem klasse aus.

Fast jeder hier, der älter ist als zehn oder zwölf, hat ein Pferd. Deshalb wollte ich ja auch eins. Und ich habe mir ganz fest vorgenommen, dass Johnny-Gut-Drauf es auch richtig gut haben soll bei mir. Ich bin mir auch total sicher, dass ich es irgendwie schaffen werde, obwohl meine Mutter offensichtlich nicht so überzeugt davon ist.

Neill hat sich gleich verdrückt, als sie plötzlich in der Schuppentür stand, und das war wahrscheinlich auch besser so, sie mögen sich nämlich nicht besonders.

„Hallo, Mrs Gallagher“, hat er noch irgendwo zwischen den Zähnen rausgequetscht, „na, wie finden Sie ihn? Nicht schlecht, was? Und dabei ist er gar kein Er, sondern eine Sie, aber das kann ihnen Moira alles viel besser erklären …“ Und weg war er.

Meine Mutter hat hinter ihm hergestarrt wie ein lebendig gewordenes Fragezeichen. Und dann hat sie sich wieder zu mir umgedreht und ist ausgeflippt. Auf ihre Art. Und die ist manchmal schlimmer als jedes Geschrei. Weil von vornherein klar ist, dass man keine Chance hat. Egal, was man sagt.

„Und wo willst du das Heu herkriegen?“, hat sie gefragt und ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

„Neill will mir helfen“, habe ich fast genauso leise geantwortet.

„Und den ganzen anderen Kram? Sattel und Zaumzeug und …“

„Kein Mensch braucht einen Sattel, das weißt du genau. Und Neill besorgt mir noch ein echtes Lederhalfter und er hat auch noch Bürsten und alles. Und als Hufkratzer kann ich gut ein Stück Holz nehmen, hat Neill gesagt.“

„Ach ja? Und was ist, wenn das Tier krank wird? Wovon willst du den Tierarzt bezahlen? Oder will Neill das etwa auch übernehmen?“

„Nein, natürlich nicht. Aber das meiste, was ein Tierarzt kann, kann Neill auch.“

Klar, ich habe es natürlich selbst gemerkt, es wurde langsam ein bisschen viel „Neill“ …

„Ich höre immer Neill“, hat meine Mutter denn auch geantwortet: „Aber so viel ich weiß, gehört Neill nicht zu dieser Familie. Zum Glück“, hat sie noch hinzugesetzt und gleich weitergemacht, „jedenfalls interessiert es mich überhaupt nicht, was irgendein Neill dazu sagt, und damit basta.“

„Mann, Mutter!“, habe ich gerufen, „ich will doch nur etwas haben, was mir ganz allein gehört! So wie David seine Eichen hat und … und du deine Ziege!“

„Eine Ziege ist kein Pferd und …“

„Johnny-Gut-Drauf ist auch kein Pferd“, habe ich schnell gerufen, „sie ist ein Connemara-Pony!“

„Ein Connemara-Pony ist ein Pferd“, hat meine Mutter beharrt.

„Ist es eben nicht, sonst hieße es ja auch Connemara-Pferd! Es heißt aber …“

„Verdammt, Moira, es reicht!“, hat meine Mutter plötzlich losgebrüllt. „Es reicht! Das Pferd kommt dahin zurück, wo du es herhast!“

Und dann hat sie sich umgedreht und wollte zur Schuppentür raus. Da hat Johnny-Gut-Drauf gewiehert und zwei Schritte nach vorne gemacht und meiner Mutter einen Schubs zwischen die Schulterblätter verpasst. Und meine Mutter stand an die Schuppentür gequetscht und Johnny-Gut-Drauf hat ihr in aller Ruhe ein bisschen im Nacken rumgepustet.

„He, was soll das?“, hat meine Mutter gestammelt und ist vorsichtig nach unten weggetaucht.

„Sie mag dich“, habe ich gesagt und Johnny-Gut-Drauf den Hals geklopft. Aber Johnny-Gut-Drauf hat unwillig den Kopf geschüttelt und den Hals vorgestreckt und war im nächsten Moment schon mit ihrem Maul an der Jackentasche von meiner Mutter. Meine Mutter hat immer eine alte Jeansjacke an, und in den Jackentaschen hat sie meistens irgendwelche Leckereien für Madonna, ihre Ziege. Ein Stück altes Brot oder ein paar Klümpchen Salz. Johnny-Gut-Drauf hat jedenfalls sofort die richtige Tasche erwischt und mit den Lippen ganz vorsichtig einen Kanten Brot hervorgezogen.

„He, was soll das?“, hat meine Mutter noch mal gerufen, aber ihre Stimme klang schon nicht mehr ganz so ärgerlich. Und als ich anfing zu kichern und Johnny-Gut-Drauf gierig das Brot zermalmte, hat sie plötzlich gesagt: „Na, komm mal her, du kannst ja nichts dafür, was?“ Sie hat Johnny-Gut-Draufs Kopf zwischen die Hände genommen und ihr einen Kuss aufs Maul gedrückt. Und Johnny-Gut-Drauf hat ganz still gehalten.

„Du bist ein feiner Kerl, du“, hat meine Mutter geflüstert.

„Der feine Kerl ist eine Sie“, habe ich schnell gesagt und dabei heimlich die Finger gekreuzt und gehofft, dass meine Mutter vielleicht doch nachgeben wird.

„Warten wir ab, was Billy dazu sagt“, hat meine Mutter gemeint und mir direkt in die Augen gesehen, „aber ich bin nicht gerade begeistert. Ich finde es einfach verantwortungslos, verstehst du? Vielleicht solltest du mal nicht nur an dich denken und was du willst, sondern dich fragen, wie es dem Pferd dabei geht.“

„Klar“, habe ich schnell gesagt und genickt, „das mache ich ja auch und …“

Und jetzt hocke ich schon die halbe Nacht bei Johnny-Gut-Drauf im Schuppen und überlege hin und her. Mann, dass auch immer alles so schwierig sein muss! Ich wollte doch nichts weiter als endlich ein eigenes Pferd. Und ich schwöre, dass ich nie wieder irgendwas will, wenn ich nur Johnny-Gut-Drauf behalten darf! Ich weiß, dass meine Mutter irgendwie Recht hat, aber … eigentlich ist es mir egal. Verdammt, ich meine, man kann nicht immer nur überlegen, was richtig ist und was nicht und so, also wenn man sich mal für etwas entschieden hat, dann muss man es auch wenigstens versuchen. Sogar, wenn es vielleicht falsch ist. Und ich habe mich entschieden! Okay. Genau so werde ich es auch meinem Vater erklären.

Er ist mit Ron unterwegs, um eine Ladung Kühe nach Belfast zu bringen. Ron und Ruth wohnen im Haus direkt neben uns und Ron ist Lastwagenfahrer, genau wie mein Vater. Früher sind sie viel zusammen gefahren, fast immer zum Kontinent, nach Holland oder Belgien, einmal sogar bis nach Italien! Aber dann hat die Spedition, bei der sie gearbeitet haben, Pleite gemacht. Mein Vater hat zum Glück einen neuen Job gekriegt, zweimal in der Woche nach Belfast, Kühe, Schweine und manchmal auch Schafe oder Hühner und Gänse, aber Ron hat gar nichts. Erst ist er noch als Schrottsammler mit seinem zerbeulten Laster durch die Gegend gegurkt. Bloß dass bei uns kaum jemand was hat, was er nicht mehr braucht, und die paar Teile, die Ron mit Mühe abstauben konnte, haben meistens noch nicht mal fürs Benzin gereicht. Inzwischen nimmt mein Vater ihn so oft es geht auf seine Tour mit. Damit er wenigstens was zu tun hat und ein paar Pfund zur Stütze dazuverdient.

Es gießt immer noch in Strömen. Ich mache die Tür einen Spalt weit auf und gucke zum Haus rüber. Der Regen drischt nur so runter und aus der kaputten Dachrinne klatscht das Wasser genau auf die Wäscheleine mit Davids Lieblings-T-Shirt. Das mit dem Greenpeace-Spruch vorne drauf: „Die Erde ist eine Scheibe, Schweine können fliegen und Atomkraft ist sicher.“ Na ja, Davids Problem und nicht meins.

Wo ist er überhaupt? Wahrscheinlich längst im Bett. Typisch. Da kommt seine Schwester mit einem Pferd nach Hause und Herr Gallagher Junior pennt und kriegt nichts mit. Aber jemand anders hat was mitgekriegt. Ich sehe, wie die Hintertür ganz vorsichtig aufgeht, und dann kommt eine kleine Gestalt im weißen Nachthemd durch den Garten gehuscht – Little Lara! „Hi“, flüstert Little Lara, „kann ich ihn sehen?“ Und bevor ich überhaupt Ja oder Nein sagen kann, hat sie sich schon unter meinem Arm durchgemogelt und steht im Schuppen. Ich muss ein bisschen grinsen. Es sieht aber auch wirklich zu komisch aus, Little Lara im Nachthemd, die vor Aufregung kaum still stehen kann, und Johnny-Gut-Drauf, die Ohren nach vorne gestellt und den Kopf neugierig vorgestreckt …

„Wow, ist der gut!“, flüstert Little Lara und hält Johnny-Gut-Drauf ihre kleine Faust unter die Nase. Schmatzend schleckt ihr Johnny-Gut-Drauf die Finger ab – alles klar, meine kleine Schwester hat offensichtlich die Zuckerdose geplündert!

„Kann ich ihn reiten?“, fragt sie jetzt, ohne den Blick von Johnny-Gut-Drauf zu wenden. „Und wie heißt er überhaupt?“

„Johnny-Gut-Drauf“, sage ich, „und er ist eine Sie.“

„Macht nichts“, meint Little Lara, „kann ich ihn trotzdem reiten? Jetzt gleich?“

„He!“, sage ich. „Weißt du eigentlich, wie spät es ist?“

„Klar“, antwortet Little Lara, „Fast eins. Aber ich bin noch nie nachts geritten. Und außerdem ist es doch jetzt unser Pferd, oder? Mutti kriegt auch garantiert nichts mit“, setzt sie dann noch hinzu, „sie liegt nämlich auf dem Sofa und schläft. Sie hat noch nicht mal gemerkt, wie mir die Zuckerdose runtergefallen ist. Bitte, Moira, ja?“

Warum eigentlich nicht, denke ich, und nehme Billys zerlöcherte Regenjacke vom Haken. Mit der Kapuze überm Kopf sieht Little Lara ein bisschen so aus, wie ich mir die Little People vorstelle, das kleine Volk, das unter der Erde wohnt und nachts zwischen den Häusern umherschleicht und in die Fenster guckt. Neill weiß jede Menge Geschichten über das kleine Volk, aber meine Mutter meint, es wäre alles nur erfunden. Ich bin mir da nicht ganz so sicher, aber ich glaube kaum, dass sie heute Nacht unterwegs sind. Nicht bei diesem Regen!

Ich helfe Little Lara aufs Pferd und führe Johnny-Gut-Drauf durch den Garten und hinten ums Haus rum. Der Fußballplatz ist eine einzige Schlammwüste, und Johnny-Gut-Drauf versinkt bis über die Hufe im Matsch. Aber Little Lara quietscht vor Vergnügen!

„Iiiih! Das kitzelt an meinen Beinen!“, kichert sie. Und Johnny-Gut-Drauf schüttelt die Mähne, dass die Wassertropfen nur so spritzen!

Johnny-Gut-Drauf hört den Toyota-Transporter zuerst. Sie bleibt plötzlich stehen und dreht den Kopf, ein Ohr nach vorne, das andere weit zurückgedreht. Dann sehen wir die Scheinwerfer, die sich ihren Weg durch den Regen suchen, in weitem Bogen zu uns rüberschwenken und schnell näher kommen.

„Oh, Mist!“, schimpft Little Lara. „Das ist bestimmt Daddy! Nichts kann man machen, ohne dass gleich wieder einer kommt! Mist, verdammter!“

Wir müssen ein ziemlich irres Bild abgeben, wie wir da mitten in der Nacht im Regen stehen, Schlamm bespritzt und ohne einen einzigen trockenen Faden am Leib. Die heilige Jungfrau persönlich führt den Esel mit dem Jesuskind spazieren oder so ähnlich. Wobei das Jesuskind ein schimpfendes kleines Mädchen in einer viel zu großen zerlöcherten Regenjacke ist. Aber schließlich ist der Esel ja auch kein Esel, sondern eine echte Connemara-Stute. MEINE Connemara-Stute!

Scheppernd und klappernd kommt der Toyota ein paar Meter vor uns zum Stehen. Johnny-Gut-Drauf zuckt nervös am Halfter, aber ich brauche ihr bloß den Kopf zu klopfen und schon beruhigt sie sich.

Und dann höre ich Billys Stimme: „Das gibt’s doch nicht. Das kann doch nicht wahr sein, das … das glaube ich einfach nicht!“

Er klettert vom Fahrersitz und kommt kopfschüttelnd zu uns rüber, als ob … na ja, als ob wir tatsächlich die heilige Jungfrau mit dem Jesuskind wären.

„Glaub’s ruhig“, piepst Little Lara unter der Kapuze hervor, „wir sind’s. Mit unserem neuen Pferd, mit Johnny-Gut-Drauf. Aber er ist gar kein Er, sondern eine Sie. Und jetzt mecker bloß nicht rum. Moira war den ganzen Tag weg, extra um ihn zu holen. Also sie, meine ich. Und eben sind wir nur ein bisschen durch die Gegend geritten, aber wir wollten sowieso gerade wieder rein, du brauchst dich also gar nicht erst aufzuregen!“

Und dann lässt sie sich einfach von Johnny-Gut-Draufs Rücken rutschen und meinem Vater genau in die Arme.

„Freust du dich?“, flüstert sie und hängt an ihm dran wie eine Klette.

„Ich weiß noch nicht“, brummt mein Vater und stapft mit Little Lara auf dem Arm einmal um Johnny-Gut-Drauf herum, klopft ihr die Hinterhand und streicht ihr über den Rücken.

„Und deine Mutter?“, dreht er sich dann zu mir.

„Ist nicht so begeistert“, sage ich, „nicht so richtig jedenfalls. Aber sie hat gesagt, ich soll dich fragen und …“

„Aha“, sagt mein Vater nur und hebt Little Lara wieder auf den Pferderücken, um seinen Zigarettentabak unter der Jacke hervorzukramen. Aber bei dem Regen ist das natürlich völliger Quatsch. Er kriegt noch nicht mal sein Feuerzeug an. Ärgerlich stopft er die halb aufgeweichte Packung zurück und wischt sich mit dem Jackenärmel übers Gesicht.

„Haben wir nicht schon genug Pferde hier?“, brummt er dann, aber er guckt mich nicht an dabei. Und ich weiß, dass ich fast gewonnen habe.

Little Lara ist ganz still. Und Johnny-Gut-Drauf pustet sich schnaubend ein paar Wassertropfen aus den Nüstern. Sonst hört man nur den Regen. Und die Scheibenwischer vom Toyota, die hin- und herquietschen.

„Krieg ich jetzt vielleicht eine Antwort?“, fragt mein Vater und fummelt schon wieder nach seinem Zigarettentabak, lässt es dann aber doch bleiben, zuckt nur mit den Schultern und sagt plötzlich ganz leise, als wäre ihm gerade ein furchtbarer Verdacht gekommen: „Sag mal, wo willst du es eigentlich unterstellen? Doch nicht etwa …?“

„Doch“, sage ich. „Es ist einfach das Beste, weißt du? Der Schuppen ist warm und trocken und …“

„Ich hätte es wissen müssen“, stöhnt mein Vater, aber im nächsten Moment fängt er an zu lachen. So, wie nur mein Vater lachen kann. So, dass Johnny-Gut-Drauf glatt zwei Meter rückwärts geht und Ron, der offensichtlich auf dem Beifahrersitz eingeschlafen war, vor Schreck mit dem Kopf gegen die Scheibe knallt und dann völlig durcheinander zu uns rüberbrüllt: „Was ist hier eigentlich los, verdammt? Sind wir eigentlich bald zu Hause oder ist das hier ein verdammter Pferdemarkt oder was?“

Aber mein Vater lacht einfach weiter, hebt sich Little Lara auf die Schulter und stapft durch den Matsch zum Toyota zurück. Und während er schon Little Lara ins Führerhaus schiebt, brüllt er mir immer noch lachend zu: „Also los, bring ihn in seinen Stall und sieh zu, dass du ihn trocken kriegst. Und in zehn Minuten meldest du dich im Wohnzimmer. Ich mache heißen Tee und rede mit deiner Mutter!“

Und ich sage mal wieder: „Er ist kein Er, sondern eine Sie“, aber ich sage es nur ganz leise und mein Vater kann es sowieso nicht hören, weil der Dieselmotor jedes andere Geräusch übertönt. Schlingernd bugsiert er den Toyota auf das Stückchen geteerte Straße zurück, das zwischen den Häusern hindurchführt – und ich bringe Johnny-Gut-Drauf in ihren Schuppen und lache und weine gleichzeitig. Aber diesmal vor Glück. Das mit dem Weinen merke ich übrigens erst, als ich mir die Regentropfen von der Lippe lecken will und es plötzlich ganz salzig schmeckt …

Postkarte an Abigail

Hallo, du. Ich bin’s. Die mit dem Pferd. Es sieht gut aus! Nicht Johnny-Gut-Drauf, die sowieso. Aber ich darf sie behalten!!! Und das wünscht auch dir deine Schwester (die Schlauste aus der ganzen Familie, die, die später mal Tierärztin wird oder ein eigenes Gestüt aufmacht!)

PS.

Ich bin müde. Es ist vier Uhr MORGENS!

PPS.

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