Читать книгу Adam ohne Eva - Y. K. Shali - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеAls ich abends nach Hause kam, fühlte ich mich miserabel. Ich hätte die Pfandsachen am liebsten zertrümmert, aber ich konnte mich gerade noch bremsen. Es hatte keinen Sinn, wenn ich meine Wut gegen ein paar einfache Gegenstände richten würde. Ich musste abwarten und den Dingen ihren freien Lauf lassen.
In dieser Nacht konnte ich kaum schlafen. Einerseits ärgerte ich mich über mich selbst, weil ich meinen besten Freund gekränkt hatte, andererseits war ich wiederum von ihm darüber enttäuscht, dass er sich wegen eines solch lächerlichen Missverständnisses so schnell beleidigt fühlte.
Am Tag darauf erschien mein Kollege wieder nicht zur Arbeit. Auch an den folgenden Tagen war von ihm nichts zu hören und zu sehen. Ich fühlte mich verpflichtet, bei ihm zu Hause anzurufen, aber ich erreichte ihn nicht. Abends, auf dem Heimweg, schellte ich mehrmals an seiner Wohnungstür. Keine Spur von ihm. Ich schellte verzweifelt bei seinen Nachbarn. Zwei von ihnen meldeten sich durch die Gegensprechanlage. Ich fragte, ob sie vielleicht zufällig meinen Freund in den letzten Tagen gesehen hätten. Sie antworteten wortkarg „Nein“ und legten sofort den Hörer auf. Niemand gab sich Mühe, die Tür zu öffnen, um nachzuschauen, wer im Flur stand und worum es überhaupt ging. Einen Moment lang dachte ich daran, die Polizei zu benachrichtigen, da die Möglichkeit bestand, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Ich stellte mir vor, wie Menschen in ihren eigenen Wohnungen sterben und erst Wochen später, wenn sich der Verwesungsgeruch bereits im ganzen Haus ausgebreitet hatte, gefunden wurden. Obwohl diese Vorstellung mich ängstigte, entschloss ich mich trotzdem, vor dem nächsten Morgen nichts zu unternehmen. Zuerst wollte ich mich bei unserem Vorgesetzten nach ihm erkundigen. Vielleicht hatte er sich nur ein paar Tage Urlaub genommen.
»Ja. Bestimmt ist er irgendwo im Urlaub und ich, der dümmste Esel persönlich, mache mir unnötige Sorgen um ihn!«, flüsterte ich vor mich hin, beruhigte mich auf diese Weise und schlenderte langsam nach Hause.
Als ich die Tür meines Appartements aufschließen wollte, merkte ich plötzlich, dass ich vor einer fremden Wohnung stand. Die Tür war mit bunten Papierblumen geschmückt. Aus der Wohnung ertönten laute Musik und die Stimmen einiger Menschen, die sich offensichtlich gut zu amüsieren schienen. Hier fand offenbar gerade eine Party statt. Beschämt über meine Gedankenlosigkeit, dankte ich Gott dafür, dass ich den Schlüssel noch nicht in das Schloss gesteckt, und niemand meine Dummheit bemerkt hatte. Schnell stieg ich in den Aufzug und drückte den Knopf meiner Etage, aber nichts bewegte sich. Wiederholt drückte ich den Knopf. Noch immer passierte nichts. Endlich nahm ich wahr, dass ich bereits auf meiner Etage war. Mir fiel spontan ein, dass es sinnvoll wäre, einen Blick auf das Namensschild neben der Tür zu werfen. Tatsächlich stand da mein Name!
Nach kurzem Zögern wagte ich nun, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Ich drehte ihn vorsichtig und noch ein wenig unentschlossen um. Wie gewöhnlich öffnete sich die Tür. Ja, ich sah richtig, das war meine Wohnung. Aber dort, in meiner Wohnung, waren unbekannte junge Frauen, die tanzten, tranken und sich laut miteinander unterhielten!
»Was ist hier los?! ... Was macht ihr in meiner Wohnung?!«, schrie ich fassungslos.
Durch mein Gebrüll wurden die Frauen augenblicklich still. Aus einer Ecke des Zimmers erschien der Mann, der vor ein paar Tagen ohne mein Wissen seine Sachen hierher gebracht hatte. Im Gegensatz zu unserem ersten Treffen schien sich dieser Eindringling jetzt sehr über unser Wiedersehen zu freuen.
»Na, habe ich es nicht gesagt?! Mit ein paar Minuten Verspätung ist unser Mitbewohner endlich da!«, sagte er zu den anderen, während er mich anlächelte. Verblüfft fragte ich:
»Wer seid ihr? Wer hat euch erlaubt, in meine Wohnung zu kommen?«
Ohne mich weiter zu beachten, nahm der Mann die Hand einer jungen Frau und fing fröhlich an zu tanzen. Die anderen Frauen umringten mich und versuchten kokettierend, mich dazu zu bringen, ebenfalls mitzumachen. Wütend stellte ich die Stereoanlage aus, woraufhin die Leute gezwungenermaßen mit dem Tanzen aufhörten.
»Können wir einen Augenblick vernünftig wie kultivierte Menschen miteinander reden? Was macht ihr hier in meiner Wohnung?«, wiederholte ich.
»Sieh´ mal einer an, wie stolz er auf sich ist! Nur, weil er eine Arbeit hat, gutes Geld verdient und sich eine große Wohnung in einer teuren Gegend leisten kann, bildet er sich ein, kultiviert zu sein! Hahaha…«, bemerkte der Mann.
»Komm, nimm bei mir Platz, Herzchen!«, umgarnte mich schäkernd eine junge Frau.
»Nein, komm her zu mir!«, sagte eine andere.
»Hahaha… ist der aber süß!«, meinte eine zu den anderen.
»Nicht ganz. Schau mal, wie ernst er aussieht!«, erwiderte eine von ihnen.
»Stell´ dich nicht so an!«, giftete die erste junge Frau plötzlich.
»Gefalle ich dir etwa nicht?«, fragte mich gekränkt die Zweite. Wieder eine andere forderte mich mit sanfter Stimme auf:
»Komm´ her zu mir und lass uns plaudern! Erzähl´ doch mal etwas über deinen Arbeitstag heute!«
Eine deutlich jüngere Frau, die etwas reserviert aussah, schlug mir vor:
»Komm´! Wir gehen zusammen raus! Mir gefällt es hier auch nicht so besonders.«
»Du Spielverderberin!«, meckerte eine andere scherzhaft.
»Lass´ bitte wieder Musik spielen! Ohne Musik ist es einfach öde und langweilig!«, bat mich eine weitere.
»Komm´ Mann, genieß es doch einfach! Hast du schon jemals solche hübschen Mitbewohnerinnen gehabt?!«, sprach mich der einzige Mann unter diesen fremden Eindringlingen wieder an.
»Lasst mich einfach in Ruhe!… Raus aus meiner Wohnung! Raus jetzt! Ich werde gleich die Polizei holen …«, brüllte ich entnervt.
Alle lachten laut. Ich ging zum Telefon. Als ich den Hörer abhob, deutete eine der Frauen mit einem süffisanten Lächeln auf das lose Telefonkabel. Ich drohte vor Wut zu platzen.
»Schweinerei! Wo auf der Welt gibt es denn so etwas, dass Unbekannte sich in die Privatsphäre eines Menschen einschleichen und derartige Dinge anstellen?! Nee! Nee, nee! Das alles hier kann doch wohl nicht wahr sein! Ich bin bestimmt im falschen Film! Oder ich träume vielleicht?«, dachte ich verzweifelt und rieb mir mit den Händen die Augen. Nein, es war kein Traum.
»Oh, er ist müde!«, stellte eine der Ruhestörerinnen fest.
»Ja, tatsächlich! Er sieht total müde aus«, bestätigte spöttisch eine andere.
»Jetzt schon?«, äußerten sich einige der Quälgeister amüsiert.
»Wir müssen ihn dann irgendwie wach kriegen. Sonst ist unser Abend verdorben«, schlug eine der jungen Frauen vor.
»Ja! Keine schlechte Idee!«, juchzte eine andere.
Auf einmal kamen einige der jungen Dinger auf mich zu und fingen an, mich wie wild zu kitzeln.
»Nein! Nein!«, schrie ich laut und versuchte, mich mit Händen und Füssen, zu wehren. »Lasst mich los! Verdammt noch mal! Hört bitte auf! Naaa… Ohh… haha hehe…«
Jeder Widerstand war zwecklos. Ich war ihnen hilflos ausgeliefert und konnte mich weder richtig wehren noch überhaupt nachdenken. Mein Gott, was war denn nur mit mir los?! Trotz meiner ungeheuren Wut, musste ich plötzlich laut loslachen:
»Hört auf! Hehe haha hehe… Bitte nicht! Bibibit… Hehe haha… Bi… Bitte, bitte nicht! Heh… Hört auf!…«
Mit großer Mühe gelang es mir endlich, mich von ihnen zu befreien. Darauf lief ich erst in die Diele, dann direkt in Richtung der gegenüberliegenden Wohnungstür.