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Geliebter Virus

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Das erste, was sie bemerkte, war, dass ihre Blutungen ausblieben. Ihre Haut veränderte sich und ihr Appetit. Etwas wuchs in ihr. Sie wusste, dass es kein Kind war und doch war es ein Teil von ihr. Etwas, was leben wollte. Sie entschloss sich, es zu lieben und umschlang sich zärtlich mit ihren Armen.

Der Arzt diagnostizierte eine unheilbare gefährliche Viruserkrankung. Das war ihr egal, was wusste der Arzt schon von dem, was in ihr wuchs.

Ihrem Mann verschwieg sie es, es war ganz ihres.

Sonst hatte sie ja nichts.

Stück für Stück nahm es sie ganz in Besitz. Als die Geschwüre nach außen traten, konnte sie es ihrem Mann nicht mehr verheimlichen. Zusammen mit dem Arzt wollte er es ihr wegnehmen. Sie wollten es rausschneiden. Das konnte sie nicht zulassen. Aber sie hatte inzwischen Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Der Schmerz war jetzt ihr dauernder Begleiter. Nur in den Momenten, in denen der Schmerz so stark wurde, dass er sie ganz nahm, war sie wieder bei sich. Die Geschwüre schmiegten sich an, der Schmerz durchflutete ihr Gehirn. Es war lange her, dass sie in dieser Form vollständig begehrt wurde, und sie gab sich ganz hin.

Früh in der Nacht kletterte sie aus dem Fenster. Sie fror und schwitzte, aber sie hatte eine Aufgabe. Sie hatte sich über ihr dünnes Sommerkleid einen dicken alten Mantel gezogen. In der Straßenbahn setzte sie sich unauffällig in eine Ecke.

Niemand beachtete sie.

Sie stieg um in die Linie 11. Im Industriegebiet stieg sie aus.

Hier in der Konservenfabrik hatte sie einmal gearbeitet, nur kurz, nur einige Monate lang. Im Zaun war ein Loch und eines der Kellerfenster war beschädigt.

Sie hatte Glück und kam ohne Probleme in die Halle mit der großen Maschine. Von oben sah sie in den Bottich des riesigen Fleischwolfs, hier wurden die Wurstkonserven hergestellt. Sie stand an der Metallbrüstung und blickte hinab. Sie erinnerte sich an den Vorarbeiter. "Wenn Sie da hineinfallen, werden Sie zu Wurst verarbeitet, das merkt die Maschine nicht mal. Also passen Sie auf." Sie hatte genau aufgepasst.

Sie zog sich ganz aus und versteckte die Kleidung hinter einigen Palettenstapeln, dann trat sie wieder an die Metallbrüstung, sie stand jetzt da wie Eva im Paradies, zärtlich strich sie über die Unebenheiten der Knoten, die sich überall auf ihrem Körper abzeichneten. Der Schmerz war langsam unerträglich, aber es war ein guter Schmerz. Der Schmerz zeigte an, dass es soweit war. Sie kletterte auf die Metallbrüstung und sprang. Sie würde sterben, aber der Virus würde weiterleben, immer weiter und überall, weltweit. Damit war ihr Tod nicht umsonst.

Sie spürte nur kurz den Aufprall in der Maschine, dann wurde der Schmerz unerträglich, als ihre Gebeine in dem riesigen Fleischwolf zermahlen wurden.

Die Konserven reisten am nächsten Morgen in alle Welt und mit ihnen der Virus.

FIN

Virus Mutant

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