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Der Sinn des Lebens

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"Freitagabend kommt Prof. Richard Windar, Mausi. Da kannst Du Dich mal wieder so richtig ärgern." Lachend küsste David sie. Sie entwand sich unwillig seiner Umarmung.

Richard Windar, der Autor des Bestsellers 'Das egoistische Virus', war einer der führenden evolutionären Virologen und hatte viele Thesen aus der Virologie auf die menschliche Gesellschaft übertragen. David und seine hochschulpolitische Liste hatten es mit viel Aufwand geschafft, ihn zu einem Diskussionsabend an der Universität einzuladen.

Karin hielt das alles für Schwachsinn.

"Außerdem bin ich nicht Dein Mausi."

"Wenn Du Dich so ärgerst, bist Du besonders süß, Mausi."

"Na, dann kannst Du ja alleine dahin gehen."

"Ach komm, ich mache doch nur Spaß."

Sie fragte sich wieder einmal, wieso sie immer noch mit David zusammen war.

Also saß sie doch am Freitagabend im Audimax der Universität. Richard Windar war ein älterer Herr mit Altherrenhumor. Lustlos ließ sie die Stimme an sich abperlen, zwischendurch nickte sie immer wieder ein. Dann schoben sich Traumsegmente vor ihre Augen, fiese kleine Viren kletterten an ihr hoch und im Hintergrund lachte David.

Dann hörte sie wieder die eingespielte Altherrenstimme. "Das menschliche Sexualverhalten muss als Effekt der Optimierung der Virusvermehrung begriffen werden.

...

Der reverse Effekt, dass Menschen sich gegen AIDS-Viren schützen, erklärt sich aus der Konkurrenz des AIDS-Virus mit anderen Viren, deren menschliche Habitate der AIDS-Virus bedroht. Die Nutzung von Kondomen ist ein Effekt, der darauf zurückzuführen ist, das die bestehenden alt eingesessenen Viren ihr menschliches Territorium verteidigten.

...

Schließlich reguliert auch die EU die Zuwanderung. In Virenkolonien ist das nicht anders. Im gewissen Sinn ist die EU-Politik sogar Folge der viralen Interessen. Die Abschottung dient den in der EU etablierten Viren zur Sicherung ihres Territoriums. Der Mensch ist als Virushabitat nur Erfüllungswerkzeug.

..."

Sie schüttelte sich und sah sich um.

David und seine Kommilitonen waren wie gebannt. Sie sah die leuchtenden Blicke, die starr auf den Redner gerichtet waren. Solche Blicke hatte sie bisher nur bei den Gottesdiensten der Adventisten gesehen, zu denen sie früher von ihrer Tante geschleift worden war.

Gott ist die Wahrheit!

Sie stellte sich Faschismus so ähnlich vor. Wir sind eins in der Wahrheit, eins mit dem Virus.

Sie erinnerte sich an einen Artikel und ein Interview mit Windar, die sie im Spiegel gelesen hatte. Es war der Aufmacher gewesen – 'Bestimmen Viren unser Schicksal?' –. Die Titelseite dazu zeigte ein Bild mit Viren, die kleine Menschen an Fäden wie Ziehpuppen steuerten.

Ihr fiel auch der Inhalt wieder ein.

Der Autor hatte sich vor allem mit Männlichkeit und Weiblichkeit als Effekt der viralen Evolution befasst.

Da Frauen beim Geschlechtsakt aufgrund ihrer Biologie besonders viral ansteckungsgefährdet waren, war es das Interesse der Viren, ihre Habitate vor diesem Risiko der Übernahme durch andere Viren zu schützen. Deshalb war es das Interesse der Viren, dass Frauen den Geschlechtsverkehr auf wenige virologisch passend ausgewählte Partner begrenzten. Im Laufe der Evolution hatte der virale Evolutionsdruck entsprechend dieses Verhaltensmuster bei Frauen hervorgebracht. Frauen wählten sehr genau wenige viral passende Geschlechtspartner anhand des Körpergeruchs aus.

Männer hingegen waren die optimalen Vektoren für die Verbreitung von Viren beim Geschlechtsverkehr. Männer waren im Laufe der viralen Evolution zur Angriffswaffe der Viren bestimmt worden. Deshalb bewirkte der virale Evolutionsdruck bei Männern ein aggressives Sexualverhalten mit einer maximale Streuung der Wahl der Geschlechtspartnerinnen.

Windar wurde im Spiegel-Interview mit einigen scheinkritischen Fragen noch die Möglichkeit gegeben, diese Thesen weiter auszuführen.

Sie schreckte hoch aus ihren Gedanken. Die Menge hatte zu klatschen begonnen. David stieß sie an. "Was ist, Mausi? "

Außer ihr standen alle Leute im Saal zum Klatschen auf. Sie merkte, dass sie sich gleich würde übergeben müssen, falls sie nur einen Moment länger blieb. David lachte sie an. "Komm, Du bist auch nur ein Viriushabitat, wie wir alle. Und der einzige Sinn Deiner Existenz ist, ihre Vermehrung zu sichern."

Sie sah ihn nicht an. Sie stand auf, nahm ihre Jacke und packte ihre Sachen in die Tasche. Dann drängte sie sich durch die Reihe zur Treppe am Rand.

David folgte ihr nach kurzem Zögern verdutzt.

Auf der Treppe holte er sie ein.

"Was ist?"

Sie sah ihn nur starr an.

David grinste. "Sehen wir uns Montag, Mausi?"

Sie schüttelte den Kopf. "Nein, ich denke nicht."

Er sah sie an, "Dienstag?"

"Nein."

"Wann dann?"

Sie zuckte mit den Schultern. "Gar nicht mehr, das macht für meinen Virus keinen Sinn, das verstehst Du doch sicher."

Damit drehte sie sich um und ging.

FIN

Virus Mutant

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