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Die Gottespest

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Der Papst hatte zugestimmt, endlich. Der Kardinal war hochzufrieden. Dies war sein Lebenswerk zum Wohlgefallen Gottes, es würde seinen Namen unsterblich machen.

Als Verantwortlicher für die geheimen Genlabore der katholischen Kirche in den polnischen Karparten war er derjenige, auf dessen Initiative DAS PROJEKT zurückging, so nannten es alle, DAS PROJEKT.

Er stand auf der leicht baufälligen Außentreppe der alten Klosteranlage, in deren geheimen Kellerräumen die katholische Kirche die modernste biotechnologische Forschungseinrichtung der Welt unterhielt. Das Kloster lag weit ab jeder modernen Zivilisation in einem Teil Polens, der sich seit dem Zusammenbruch des Sozialismus noch weiter entvölkert hatte. Nachts war das Heulen der Wölfe zu hören. Niemand ahnte etwas von dem, was hier vorging. Selbst die Spitzel des Opus Dei wussten nichts von dieser Anlage.

Die Polen waren zum Glück ein gottesfürchtiges Volk, besonders hier auf dem Land. Als Kardinal wurde er ehrfürchtig gegrüßt, wie Kardinäle vor ihm schon vor Hunderten von Jahren. Die polnischen Zentren der Sünde, Krakau und andere Kulturhauptstädte, waren weit weg. Gerade hatte er den Abgesandten des Papstes verabschiedet. Nun musste es sich erweisen, dass er nicht zu viel versprochen hatte.

Er bekreuzigte sich und erbat Gottes Beistand. DAS PROJEKT konnte in seine letzte Phase gehen.

In der deutschen Kleinstadt irgendwo an einem mittelgroßen Fluss schlichen am helllichten Tage bei schönstem Sonnenschein auffällig viele dunkel gekleidete Mönche mit tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen durch die winkligen Gassen. Doch niemand dachte sich groß etwas dabei, vielleicht war es eine kirchliche Tagung. Im Dunkel einer Einfahrt tuschelten zwei der Mönche miteinander. Einzelne Worte wehten durch die Luft.

"... DAS PROJEKT ... Freisetzung hat begonnen ..."

Aber niemand beachtete die Mönche. Die Kleinstadt lebte gut als wichtiges Oberzentrum der Geflügelmast, mit einem der größten Schlachthöfe Europas. Auch in vielen anderen Städten waren die Mönche in diesen Tagen zu sehen. Insbesondere in Städten mit großen Häfen und Flughäfen und einem hohen Anteil an Durchreisenden.

Es waren jetzt schon drei Monate vergangen. Der Kardinal lief unruhig im Büro der Klosterkammer auf und ab. Hier in diesen unscheinbaren Kölner Bürohaus, im reichsten Bistum der Welt, liefen alle Fäden für DAS PROJEKT zusammen. Bisher waren alle Meldungen negativ, keine positiven Ergebnisse waren bisher beobachtet wurden. Schon leistete sich der Sekretär des Bischofs ihm gegenüber Respektlosigkeiten. Er kniete nieder und betete zum Kreuz, das in der Ecke des Zimmers hing.

"Mein Schicksal liegt in Deiner Hand."

Einen Fehlschlag konnte sich DAS PROJEKT nicht leisten, schon wurden Forderungen laut, die exorbitanten Geldmittel zu kürzen.

Einen Tag später kam endlich die erlösende Nachricht, in einer Kleinstadt mit Schlachthof, einem der ersten Freisetzungsorte, begannen die Menschen wieder vermehrt in die Kirchen zu strömen. Noch waren es nicht viele, doch die Zahl der Beichtgänger hatte sich verdreifacht und sie stieg die nächsten Tage weiter.

Der Kardinal dankte Gott, und der Papst rief den Kardinal an und dankte ihm.

In den nächsten Tagen und Wochen breitete sich überall dort, wo sie das Gottesvirus freigesetzt hatten, eine neue Kultur des tugendhaften Glaubens und der Gottesfürchtigkeit aus. Und das Virus verbreitete sich überall auf der Erde.

Der Kardinal sah dies mit Stolz. Nicht überall führte es die Menschen aber zum Christentum. In anderen Regionen profitierten zum Teil, bedauerlicherweise aus Sicht der Kirche, der Islam und der Buddhismus. Doch das hatte der Kardinal erwartet. Der Papst hatte die Freisetzung trotzdem gebilligt. Für den Papst galt es, zuerst den Atheismus zu bekämpfen, die Atheisten waren der gefährlichste Feind, insbesondere für die christliche Kirche.

Der Kardinal teilte diese Einschätzung des Papstes.

Diese Gefahr war nun vorbei, das Ziel war erreicht. Und dabei hatten die Atheisten, die Aufklärer, ihnen die technischen Mittel dafür bereitgestellt. Der Kardinal lachte bei diesem Gedanken. Gott ließ seine Gegner für sich arbeiten.

Fast bereute der Kardinal, dass er eine Schutzimpfung hatte, so glücklich sahen die neuen Gläubigen aus. Aber die Hierarchie der Kirche hatte die Schutzimpfung für alle höheren Diener Gottes zur Bedingung gemacht, ansonsten hätte DAS PROJEKT keine Chance gehabt.

Insbesondere hatte die Angst vor dem selten vorkommenden gegenteiligem Effekt des Virus bestanden.

In einem von 10 000 Fällen führte der Virus zum Atheismus. Leider war es ihnen nicht möglich gewesen, dies auszuschalten.

Die nächsten Monate waren ein Fest für die katholische Kirche. Die Menschen strömten wieder in Massen zu den Gottesdiensten. In den großen Städten mussten überall sonntags auch die großen Freiplätze mit moderner Technologie von den Priestern bespielt werden. Die alten Kirchenschiffe waren nicht in der Lage, die Massen zu fassen. Alles lief wie geplant.

Der Kardinal frühstückte mit dem Papst.

Dann gab es die ersten Zwischenfälle. Auf einmal wollte niemand in der Kirchenhierarchie mehr etwas mit ihm zu tun haben. Zuerst war nur ein Priester gekreuzigt worden von fanatisierten Massen, doch dann wurden es immer mehr Zwischenfälle. Überall nagelten frenetisch schreiende Massen ihre Priester an Kreuze und trugen sie durch die Stadt, um sie dann langsam sterben zu lassen, in Stücke zu reißen und die Einzelteile als Reliquien aufzubewahren. Teilweise gab es schwere gewaltsame Auseinandersetzungen um diese Reliquien.

Der Papst hatte sich vor den gläubigen Massen, die den Petersdom stürmten, nur noch durch geheime Fluchtwege und dann mit einem Hubschrauber retten können, sein engster Vertrauter und Sekretär wurde lebend zerrissen, und um die Einzelteile kam es zu brutalen Kämpfen. In einigen Städten zelebrierten die Gläubigen auch das Abendmahl mit den zerrissenen Stücken aus Leibern von Priestern und Nonnen.

Niemand konnte sich nun mehr daran erinnern, dass der Papst seine Zustimmung für DAS PROJEKT gegeben hatte. Der Kardinal musste feststellen, dass er nichts Schriftliches hatte, keine Belege. Vor seiner Tür stand eine dunkle Limousine, er war sicher, dass dies Mitglieder des Opus Dei waren. Am nächsten Morgen fand man ihn tot in seinem Büro.

In den polnischen Karparten brannte ein Kloster ab und dabei wurden die Keller darunter verschüttet.

Doch dann schien sich alles für die katholische Kirche noch einmal zum Guten zu wenden. Es setzte das ein, was später als Hallelujaphase der Gottespest bezeichnet wurde.

Auf einmal schlug die Stimmung um. Alle Menschen priesen nun den Herren und die Liebe. Laut singend zogen sie durch die Städte und liebten ihre Brüder und Schwestern auf öffentlichen Plätzen und in den Gotteshäusern. Das Halleluja der Massen schall aus allen Gassen. Der Zölibat wurde aufgehoben im Namen der Liebe des Herren. Der Papst nahm die Zeichen als Zeichen Gottes. Im Petersdom umarmten sich die jungen Ministrantinnen und Ministranten und sangen Lieder zum Lobpreise des Herren, und in der Nacht huschten die jungen Gestalten durch die Gänge und fanden zueinander.

Die kirchlichen Institutionen erlebten einen Massenzulauf. Der Name des Kardinals kam auf die Liste für die Seligsprechungen und mit ihm viele der toten Priester und Nonnen. Der Papst kniete in der Sixtinischen Kapelle und dankte Gott.

Die Wege des Herren waren unerforschlich.

Doch auch die Hallelujaphase ebbte ab und der Virus verlor seine Macht, das Immunsystem löschte jeden Rest Glauben in den Menschen aus. Zurück blieb eine atheistische Welt.

Schon die Ansicht religiöser Symbole löste nun bei den meisten Menschen Brechreiz aus.

Nur einige wenige Punkbands spielten noch zur Provokation religiöse Lieder.

Die Kirchen verfielen und dienten nur noch, vergleichbar den Folterkammern in Burgen, für die Touristen zum erbaulichen Gruseln.

FIN

Virus Mutant

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