Читать книгу Fiona - Reloaded - Zsolt Majsai - Страница 9

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„Ich kehre bald zurück.“

„Wohin?“

„Nach Hause, in die Hauptstadt. Ich bin nun fast eine Numa hier und habe meine Geschäfte erledigt.“

Ich spüre die Kälte an meinem Rücken entlang nach oben steigen. Lord Sakumo will mich tot sehen, wenn König Askan die Stadt verlässt, wird er mich sofort hinrichten lassen.

Doch ich zeige meine Angst nicht. Mir war ja klar, dass der König es nicht verstehen wird. Als Mann kann er es nicht verstehen, immer noch nicht.

„Wie heißt die Hauptstadt“, erkundige ich mich nach einer Weile des Schweigens.

„Kasunga“, antwortet der König. „Eine schöne Stadt, viel schöner als Iokya.“

Und warum soll ich dann hier sterben? Ich atme tief durch. Es wäre töricht von mir, mehr zu erwarten. So viele Nums, die ich nun schon länger lebe, weil der König dem Lord verboten hat, mich zu töten. Ich sollte ihm wohl dankbar sein.

„Ich muss nun gehen“, sagt er. „Ich freue mich, dass du inzwischen doch mit mir redest. Wenn auch nicht viel.“

„Ich rede nicht gerne viel“, murmele ich. Eigentlich ist das nicht wahr, ich will nur nicht mit anderen Menschen reden. Mit den Bäumen und Tieren habe ich während der kalten Numoa sehr viel geredet und sie haben mir zugehört. Meistens. Den Tieren wurde es gelegentlich langweilig, oder sie hatten zu tun.

„Nun denn. Schlaf gut.“

Während der König schwerfällig nach oben geht, denke ich über seine Worte nach. Ich weiß inzwischen, dass dieses Land Marbutan heißt und nun habe ich auch erfahren, dass die Hauptstadt, in der auch König Askan lebt, Kasunga heißt. Ich glaube, er ist wirklich nicht gemein, aber ich verstehe nicht, wieso ich im Kerker bleiben muss. Und warum kommt er jede Num zu mir? Wir reden nur. Jedenfalls die letzten Num. Morgen wird sich das ändern, wenn ich es richtig verstanden habe. Und dann wird die nächste Dunkelzeit meine letzte Dunkelzeit sein.

Ich brauche auch nach dem Gong lange, bis ich einschlafe, trotz der Dunkelheit. Mein Schlaf ist unruhig, immer werde ich wach. Dann liege ich mit offenen Augen da und denke darüber nach, wie so eine Hinrichtung eigentlich abläuft. Ich habe noch nie eine gesehen. Machen sie es so, wie ich mit den Tieren, die ich essen will? Schnell und schmerzlos?

Hoffentlich.

Als endlich der Gong kommt und es plötzlich hell wird, stehe ich auf. Meine Kehle ist ganz trocken, obwohl ich genug Wasser habe. Dafür hat der König gesorgt.

Es dauert noch eine Weile, bis ich Schritte höre. Nicht länger als eine Quon, denke ich. Es sind mehrere Leute, die kommen. Also nicht der König. Vielleicht ist er ja auch schon fort und nun soll ich getötet werden.

Ich gehe rückwärts, bis ich gegen die Wand stoße, und starre zur Tür.

Dann erkenne ich Gaskama und weitere Männer. Gaskama gehört zum König, das hat der mir erzählt, er ist der Kommandant der königlichen Leibgarde.

„Wie geht es dir?“, erkundigt er sich von der Tür aus. „Hoffentlich konntest du dich ausruhen, es wird eine lange Reise.“

„Reise?“

„Der König nimmt dich mit. Das gefällt dem Lord zwar nicht, aber das bereitet dem König nur noch ein zusätzliches Vergnügen.“ Gaskama grinst. Er mag den Lord wohl auch nicht, genau wie sein König.

„Ich gehe mit euch?“

„Ja, so ist es. Hör zu, ich möchte dich eigentlich nicht fesseln lassen, aber wenn du versuchst zu fliehen oder sonst etwas Unkluges zu tun, dann würde ich dich töten. Versprichst du mir, mit uns zu kommen und zu gehorchen?“

Ich nicke langsam. Alles ist besser, als hier zu bleiben. Und ich weiß, dass ich nicht fliehen kann. Es wäre dumm von mir, den König oder Gaskama gegen mich aufzubringen.

„Öffnet die Tür!“, befiehlt Gaskama.

Als ich nach draußen trete, werde ich von den Soldaten umringt. Und als wir oben ankommen, wird mir klar, dass sie das vor allem tun, um mich zu beschützen. Die Männer des Lords und der Lord selbst beobachten mich mit offenem Hass. Wenn sie könnten, würden sie doch noch versuchen, mich zu töten, aber sie wagen es nicht wegen der Männer Gaskamas, die mich begleiten.

Ich werde zu einem Käfig auf Rollen gebracht und muss dort einsteigen. Während die Tür abgeschlossen wird, sehe ich mich mit klopfendem Herzen nach dem König um.

Er kommt nun aus dem Schloss des Lords und sieht mich nur kurz an. Dann verabschiedet er sich vom Lord und einigen anderen, die wohl zu ihm gehören, und steigt auf ein Pferd auf, das von zwei Männern gehalten wird.

Mein Wagen wird von einem Pferd gezogen und das Pferd von einem Mann auf einem weiteren Pferd geführt. Er hat keine Haare auf dem Kopf und seine braunen Augen wandern unstet herum.

Als der Wagen sich in Bewegung setzt und langsam durch das Tor rollt, stelle ich mich an das hintere Ende und starre den Lord an. Er macht eine Bewegung mit der Hand, als würde er sich den Hals aufschneiden. Aber wahrscheinlich meint er meinen Hals. Ich frage mich, ob ich ihn je wiedersehen werde. Im Moment bin ich jedenfalls sicher vor ihm, nur das ist wichtig.

Danach wird es vor allem langweilig. Wir fahren an Ackerfeldern und Wäldern vorbei, gelegentlich auch an einem Bauernhof. Auf einem stehen mehrere Kinder und starren mich an.

Zwischendurch beobachte ich den Mann, der meinen Wagen führt. Er scheint öfter mit sich selbst zu reden, gestikuliert dabei manchmal heftig. Andere Soldaten bemerken, dass ich das sehe, und grinsen.

Nach ungefähr zehn Quons gibt es eine Pause. Ein Mann mit langen Haaren bringt mir was zu essen und erzählt dabei, dass er Meitor heißt und Askans persönlicher Diener ist. Seine Augen erinnern mich an meine eigenen.

Während ich an meinem Brot und einem Stück getrocknetem Fleisch herumkaue, nähert sich Gaskama und setzt sich auf eine Stufe des Wagens. Auch er hat Fleisch bei sich.

„Wie fühlst du dich?“, erkundigt er sich.

Ich zucke die Achseln.

„Das Reden ist nicht deins, hm?“

„Was soll ich reden? Was ist eigentlich mit dem los?“ Ich deute auf den Glatzköpfigen.

„Zomeda? Er war mal Soldat. Seitdem er bei einem Kampf eine Wunde auf dem Kopf abbekommen hat, ist er etwas seltsam. Aber er ist lustig und ist immer dabei. Und jetzt hat er sogar eine Aufgabe. Das macht ihn glücklich.“

„Ich mache ihn glücklich?“

Gaskama starrt mich an. Schließlich lächelt er. „Sieh an, du hast sogar Humor? Sag mal, du bist doch wirklich hübsch. Warum hast du keinen Mann und Kinder?“

Vielleicht habe ich ja einen Mann und Kinder, aber das sage ich nicht. Kauend sehe ich ihn eine Weile an und als er keine Anstalten macht zu gehen, antworte ich: „Keine Ahnung. Bin ich hübsch?“

Er runzelt die Stirn. „Weißt du das nicht?“

„Ich habe es schon gehört.“

„Noch nie in einen Spiegel geschaut?“

„Doch.“

„Hm. Du bist seltsam.“

„Kann sein. Und die da?“ Ich deute auf Moyto und seine Leute.

„Söldner“, antwortet Gaskama verächtlich. „Beachte sie am besten gar nicht.“

Das ist gar nicht so einfach, denn sie sind öfter in meiner Nähe und ich kann hören, dass sie über mich sprechen. Und ich glaube, sie finden mich auch hübsch. So hübsch, dass sie gerne mal unter mein Kleid sehen würden.

Wieso bin ich eigentlich eine Frau und kein Mann?

„Also gut“, sagt Gaskama, als er mit dem Essen fertig ist. „Wir reiten weiter.“

Ich nicke ihm zu, dann setze ich mich in eine Ecke und versuche zu schlafen. So richtig gelingt mir das nicht, aber ich döse immer wieder ein. Vielleicht schlafe ich sogar, denn ich schrecke hoch, als der Helldunkelgongschlag kommt.

Ich blicke mich um. Wir stehen, es gibt mehrere Lagerfeuer. In der Mitte ist ein großes Zelt aufgebaut, wohl für den König. Auch in meiner Nähe brennt ein Feuer, über dem Fleisch gebraten wird. Als die Soldaten bemerken, dass ich wach bin, steht einer auf, schneidet ein Stück Fleisch ab und bringt es mir, zusammen mit einem Becher voll Wasser.

Ich murmele „Danke“ und beginne im Sitzen zu essen. Dabei suche ich Moyto und seine Leute. Sie sitzen nicht weit entfernt im Dunkeln, nur ihre Umrisse sind zu erkennen.

Das gefällt mir nicht.

Während ich noch am Essen bin, taucht Gaskama wieder auf.

„Du findest mich wohl hübsch“, stelle ich fest.

„Wie kommst du darauf?“

„Du besuchst mich ständig.“

„Weil der König mir das aufgetragen hat.“

„Warum kommt er nicht selbst?“

„Das weiß ich nicht. Brauchst du etwas?“

„Ich muss pinkeln!“

Er nickt. „Muss ich dich fesseln?“

„Nein.“

Er öffnet die Tür und begleitet mich ein Stück in den Wald. Da er eine Fackel bei sich hat, kann ich etwas sehen. Ich hocke mich hinter einem Baum hin und erledige mein Geschäft, danach gehe ich mit ihm zurück ins Lager und steige in den Wagen.

„Schlaf gut“, sagt er.

„Gaskama“, erwidere ich leise.

„Ja?“

„Warum schlafen die so nah bei mir?“

Er wirft einen Blick auf Moyto und seine Leute, dann zuckt er die Achseln. „Keine Ahnung. Sie werden es nicht wagen, dir etwas zu tun.“

Hoffentlich hat er recht. Er lächelt mir aufmunternd zu, dann entfernt er sich. Allmählich wird es ruhiger im Lager und die Feuer werden nach und nach gelöscht. Nur um dem Zelt des Königs herum bleibt es hell. Einige Soldaten schieben Wache.

Ich lege mich auch hin und schließe die Augen. Ein seltsames Gefühl bleibt. Gaskama vertraue ich, aber ich glaube, er schätzt Moyto falsch ein. Er hat schon so seltsame Blicke auf mich geworfen, als ich im Netz hing und zumindest meine Beine nicht bedeckt waren. Und ich frage mich, ob es wirklich damit zu tun hat, dass ich hübsch sein soll, oder einfach nur damit, dass ich ein Loch zwischen den Beinen habe und kein Ding. Weiß sowieso nicht, wozu dieser Unterschied gut sein soll. Es tut nur weh, zumindest Frauen, wenn ein Mann sein Ding hineinsteckt. Wer auch immer sich das ausgedacht hat, muss ein Mann und betrunken gewesen sein.

Irgendwann schlafe ich wohl und werde nach kurzer Zeit wieder wach. Vielleicht dauert es auch länger, aber mir kommt es kurz vor. Und ich weiß sofort, was mich geweckt hat.

Moyto und seine Männer stehen neben mir. Als ich mich aufrichten will, werde ich an den Haaren gepackt und zurückgezogen. Jemand drückt eine Klinge gegen meinen Hals.

„Einen Laut und du bist tot“, sagt Moyto. „Und jetzt steh auf und komm raus.“ Er gibt einem der Männer einen Wink, der den Käfig aufschließt.

„Ich denke nicht daran.“

Er schnaubt. „Holt sie raus.“

Ich starre die drei Männer an, die jetzt in den Wagen kommen, während einer mich immer noch von draußen festhält und das Messer gegen meinen Hals drückt. Als ich mich bewege, schneidet die Klinge leicht in meine Haut. Ich werde blitzschnell geknebelt und an Füßen und Händen gefesselt. Dann tragen sie mich raus und in den Wald hinein.

„Wer darf zuerst?“, fragt einer der Männer, der eine ähnliche Haarfarbe hat wie ich. Das ist mir im Hellen aufgefallen.

„Blöde Frage“, knurrt Moyto.

„Wieso immer du zuerst?“

„Willst du das mit mir ausdiskutieren, Kaman?“

„Nein“, erwidert Kaman leise.

„Dann ist ja gut. Da lang, da ist eine Lichtung, genau richtig für unsere Zwecke.“

Was das für Zwecke sind, kann ich mir ja denken. Ich muss mich sehr konzentrieren, um nicht zu weinen. Das Gefühl, verloren zu sein, ist stark, die Verzweiflung lässt mich fast erstarren. Und das darf nicht sein. Noch bin ich nicht tot, also habe ich vielleicht eine Möglichkeit, diesen Albtraum zu überleben. Mag sein, dass ich es nicht verhindern kann, von den Männern genommen zu werden, und das wird sehr wehtun. Doch solange ich lebe, werde ich kämpfen.

Ich werde ins Gras gelegt, die Männer stehen um mich herum und betrachten mich. Moyto holt sein Ding aus der Hose und streichelt es, dabei sieht er mich grinsend an.

„Nimmt ihr die Fußfesseln ab und schiebt ihr das Kleid hoch!“, befiehlt er dann.

Einer legt seinen Fuß auf meinen Bauch, ein anderer schneidet das Seil durch und schiebt den Rock nach oben. Ich sehe die Gier in den Augen, als sie mich zwischen den Beinen anstarren.

Dann beobachte ich Moyto, der dabei ist, sich zwischen meine Beine zu knien. Als er gerade einen Fuß gehoben hat, lasse ich meinen hochschnellen, genau gegen sein Ding. Er quietscht auf und kippt nach hinten weg.

Als Nächstes lasse ich beide Beine so nach oben fliegen, dass die Füße denjenigen, der mich am Bauch nach unten drückt, zwischen seinen Beinen treffen. Er taumelt davon.

Die anderen sind starr vor Schreck. Damit haben sie ganz sicher nicht gerechnet. Ich rolle mich auf die Seite, komme hoch und laufe in die Dunkelheit hinein. Hinter mir lösen sie sich aus ihrer Erstarrung und beginnen zu schreien.

Die völlige Dunkelheit um mich herum ist schlecht und gut. Ich bewege mich mit den Füßen tastend vorwärts und hoffe, dass alle Bären sich irgendwo aufhalten, nur nicht hier. Schließlich finde ich eine gute Stelle neben einem Baum, der von Gestrüpp zu umgeben scheint, was mir einige Kratzer einbringt, doch darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen.

Ich lasse mich auf den Boden sinken und ziehe meine Hände nach vorne. Es ist nicht einfach, aber es geht. Dabei schießt mir plötzlich die Erinnerung durch den Kopf, dass ich das schon mal getan habe. Doch sie ist genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen ist.

Ich befreie mich von dem Knebel und nutze dann meine Zähne, um die Handfesseln zu lösen. Mein Keuchen dabei ist sehr laut in meinen Ohren, ich hoffe, die anderen hören es nicht so deutlich.

Dabei denke ich darüber nach, was ich jetzt tun soll. Irgendwie muss ich zurück ins Lager und zu Gaskama. Oder noch besser, zum König. Im Dunkeln ist das allerdings ziemlich schwierig, zumal ich keine Ahnung habe, in welche Richtung ich eigentlich gehen sollte. Es ist vielleicht sinnvoll, in der Nähe der Männer zu bleiben, sie führen mich zurück.

Doch dann wird mir klar, dass sie mich suchen. Ich sehe ihre Lichter. Sie haben sich aufgeteilt. Das ist vielleicht gut für mich. Ich taste meine Umgebung ab, bis ich einen Ast finde, der schwer und dick genug sein könnte, dann erhebe ich mich und schleiche mich an einen von denen heran.

Es ist Kaman. Er ist ziemlich groß und kräftig, aber sein Kopf bricht trotzdem unter dem Schlag mit dem Ast. Er röchelt, während ich ihn abtaste und sein Messer finde. Mit weit aufgerissenen Augen starrt er mich an, als ich die Klinge durch seinen Hals ziehe und darauf achte, dass sein Blut spritzt, sonst stirbt er nicht.

Hinter mir höre ich ein Geräusch. Ich fahre herum, packe dabei die Fackel von Kaman. Ein anderer, den seine Kameraden Makam nannten, steht vor mir und holt mit dem Messer aus. Ich drücke die brennende Fackel in seinen Mund. Mit einem erstickten Schrei torkelt er zurück. Ich springe auf und drücke die Fackel jetzt gegen seine Augen. Er lässt das Messer fallen und stolpert blindlings durch die Gegend. Ich stoße die Klinge von unten in seinen Hals. Das lässt ihn zusammenbrechen. Er zuckt herum, aber ich denke, er ist nur noch mit sich und seinem Sterben beschäftigt.

Ich sehe mich um. Mit der Fackel in der Hand und dem Messer als Waffe könnte ich es schaffen. Zumal ich jetzt wenigstens eine Ahnung habe, in welche Richtung ich laufen muss.

Bald höre ich die anderen Männer von hinten.

Bis auf einen, der steht plötzlich vor mir. Ein Rätsel, wie er das geschafft hat. Es ist der eher kleine Sakun, schlank und sehnig. Er bewegt sich schnell, und er scheint neben Moyto der gemeinste von ihnen sein.

Ich stoße mit dem Messer nach ihm, und als er lachend ausweicht, schlage ich die brennende Fackel zwischen seine Beine. Er schreit auf, wohl eher vor Überraschung und Schreck, doch er ist lange genug abgelenkt, dass ich zu ihm springen und die Klinge in seinen Hals stechen kann.

Er taumelt zurück, ohne dass ich das Messer wieder herausziehen kann und ich muss es loslassen, um nicht von seiner Klinge getroffen zu werden. Aber ich habe ja noch die Fackel, die ich mit aller Kraft in sein Gesicht schlage. Beim Zurückweichen stolpert er und fällt nach hinten.

Ich kann die anderen hören und beschließe, Sakun seinem Schicksal zu überlassen. Ohne Messer, nur noch mit einer Fackel in der Hand, renne ich weiter.

Bald erreiche ich das Lager und halte auf das Zelt des Königs zu. Die beiden Wachen versuchen, mich aufzuhalten, aber ich kann sie austricksen und komme an ihnen vorbei ins Zelt.

König Askan sitzt aufrecht in seinem Bett und starrt mich an. Bevor ich jedoch etwas tun kann, werde ich von den Wachen gepackt und auf den Boden gedrückt.

Ich lasse es widerstandslos zu und rufe: „Ich brauche deinen Schutz, Askan!“

Die Wachen drehen meine Arme auf den Rücken und halten ihre Klingen an meinen Hals. Askan steht auf und kommt näher. Er gibt den beiden Männern ein Zeichen, woraufhin sie mich aufstehen lassen, aber meine Arme nach wie vor auf dem Rücken festhalten.

„Was ist geschehen?“, erkundigt sich der König.

„Moyto ...“, erwidere ich keuchend. „Seine Männer und er haben mich aus dem Wagen geholt und in den Wald gebracht. Sie wollten mich mit Gewalt nehmen und dann töten!“

Askans Augen verengen sich zu Schlitzen. Dann blickt er an mir vorbei. „Gaskama, überprüfe den Wagen.“

Ich höre jemanden herausgehen, kann aber den Kopf nicht bewegen.

„Wenn das wahr ist, dann wäre das ein ungeheuerlicher Vorfall“, bemerkt der König. „Es wäre gegen meinen ausdrücklichen Befehl hin geschehen.“

„Es ist wahr!“, erwidere ich, während die Tränen in meine Augen schießen.

Askan nickt. „Gleich wissen wir es.“ Er blickt wieder an mir vorbei und ich höre Gaskama sagen: „Der Käfig wurde aufgeschlossen, mit einem Schlüssel. Moytos Lager ist leer. Ich lasse sie suchen.“

Askan mustert mich, dann wendet er sich an die Wachen: „Lasst sie los. Ich glaube ihr.“

Als sie von mir ablassen, falle ich auf die Knie und vergrabe das Gesicht in den Händen. Ich höre, wie jemand das Zelt betritt und berichtet. Sie haben drei Tote gefunden. Wenig später erzählt noch ein anderer, dass Moyto und die überlebenden Männer erwischt wurden.

Ich blicke hoch.

Askan und Gaskama stehen vor mir und beobachten mich.

„Was meinst du, Gaskama? Würden die es wirklich wagen, ohne Befehl so zu handeln?“

Gaskama schüttelt den Kopf.

„Befragt sie. Und morgen treffe ich meine Entscheidung.“

„Ja, Herr. Was soll mit ihr werden? Soll ich sie in den Käfig zurückbringen?“

„Nein, sie kann hier schlafen.“

Gaskama zieht eine Augenbraue hoch.

„Dort, in der Ecke.“ Askan deutet auf eine Stelle im Zeit. „Legt ihr was dahin, damit es nicht zu hart ist. Und stellt keine Fragen.“

„Ist gut.“ Gaskama lächelt ansatzweise, dann befiehlt er, dass einer seiner Männer für das Lager sorgen soll, und geht hinaus.

Schließlich bleibe ich mit dem König allein.

„Eigentlich sollte ich Angst vor dir haben“, bemerkt er.

„Wieso?“, frage ich und wische die Tränen mit dem Unterarm ab.

„Du hast drei kampferprobte Söldner getötet. Kannst von Glück reden, dass sie es nicht für nötig gehalten haben, dich zu fesseln.“

„Sie haben mich geknebelt und an Händen und Füßen gefesselt, als sie mich aus dem Käfig holten.“

Seine Augen weiten sich. „Trotzdem hast du es geschafft?“

„Männer werden leichtsinnig, sobald sie ihr Ding in den Händen halten“, erwidere ich verächtlich.

Er lacht auf. „Ich sollte wirklich Angst vor dir haben“, sagt er dann.

„Ich habe nicht vor, dir etwas zu tun“, sage ich leise.

„Da habe ich ja wohl Glück. Versuch jetzt zu schlafen, es sind noch einige Quons bis zum nächsten Gong.“

Ich nicke und erhebe mich. Während er sich in sein Bett legt, mache ich es mir in meiner Ecke bequem. Im Vergleich zum Käfig ist es wirklich bequem. Trotzdem kann ich nicht einschlafen, im Gegensatz zum König, dessen Atemzüge bald verraten, dass er nicht mehr wach ist.

Hoffentlich ändert er bis zum Hellwerden nicht seine Meinung. Eigentlich glaube ich es nicht, bisher machte er nicht den Eindruck, als ob sehr vergesslich wäre. Dennoch frage ich mich, warum er mich nicht in den Käfig zurückbringen ließ. Interessiert es ihn etwa auch, wie ich unter dem Kleid aussehe?

Selbst wenn, scheint er mich nicht gegen meinen Willen nehmen zu wollen. Das spricht eindeutig für ihn.

Zwischendurch döse ich dann doch ein und mal wieder lässt mich der Gong hochschrecken.

Ich setze mich auf und sehe mich um. Das Lager des Königs ist leer und ich höre Stimmen von draußen. Nach kurzem Nachdenken erhebe ich mich und gehe vor das Zelt.

Die Soldaten bilden einen Ring. Askan und Gaskama stehen vor Moyto und dem verbliebenen Rest seiner Leute. Sie sind gefesselt und sehen aus, als wäre die Befragung schmerzhaft gewesen.

Als Moyto mich sieht, grinst er breit.

Askan und Gaskama drehen sich um, dann kommt Gaskama zu mir und zieht mich am Arm zwischen sich und den König. Askan lächelt mir aufmunternd zu.

„Nun, da Kyo auch dabei ist, will ich mein Urteil verkünden!“, sagt er dann mit kräftiger Stimme. „Moyto und seine drei Männer sind des Hochverrats schuldig. Sie haben im Auftrag eines Mannes, dessen Namen sie nicht verraten wollen, versucht, Kyo zu vergewaltigen und zu töten!“

Vergewaltigen? Bedeutet das, einer Frau gegen ihren Willen das Ding reinzustecken? Dafür gibt es ein eigenes Wort?!

„Zum Glück konnte Kyo sich befreien und verteidigen. Dadurch brauchen wir uns nur noch an vier Verrätern die Hände schmutzig zu machen. Jedem von ihnen wird eine Hand abgehackt, alsdann an einen Baum gefesselt, nackt und mit Honig eingeschmiert! Das ist mein unabänderliches Urteil!“

Die Verurteilten schreien auf und beginnen, ihn und mich zu beschimpfen, mit Worten, deren Bedeutung ich höchstens erahnen kann. Ob ich es genauer wissen will, dessen bin ich mir nicht so sicher.

Aber einer anderen Sache bin ich mir sehr sicher.

Ich wende mich an den König. „Was bedeutet unabänderlich?“

„Dass keine Begnadigung mehr möglich ist“, antwortet Gaskama.

Ich blicke Askan an. „Ich will mit Moyto kämpfen. Ohne Waffen.“

„Was?!“

„Bist du wahnsinnig, Mädchen?“, fragt Gaskama, genauso entsetzt.

„Er wollte mich töten! Ich habe ein Recht darauf!“

Moyto lacht laut auf. „Ja, genau! Lasst die Wahnsinnige doch kämpfen und bringt mich danach um!“

Ich werfe ihm einen hasserfüllten Blick zu, dann sehe ich wieder Askan an.

„Warum?“, fragt er nachdenklich. „Er wird dich töten.“

„Wird er nicht! Ich habe drei seiner Männer getötet, obwohl ich unbewaffnet war!“

„Das ist wohl wahr. Aber Moyto ist nicht ohne Grund ihr Anführer.“

„Ich will gegen ihn kämpfen.“

„Das hast du schon gesagt.“ Askan wirft einen Blick in die Runde. Die Soldaten scheinen das auch für Wahnsinn zu halten.

„Askan“, sage ich. „Du hast mich in deinem Zelt schlafen lassen, weil du mir vertraust. Vertraue mir jetzt auch!“

Ein breites Grinsen erscheint auf seinem Gesicht, dann sieht er Gaskama an. „Was sagst du dazu?“

„Sie ist wahnsinnig“, murmelt der.

„Ist das alles?“

„Nein.“ Ich höre, dass er seufzt. „Sie hat recht, sie hat seine Männer getötet, was selbst für kampferfahrene Soldaten eine Herausforderung gewesen wäre. Trotzdem gefällt es mir nicht, denn es ist nicht nötig.“

„Ist es wohl!“, erwidere ich heftig. „Er hat mich nackt gesehen, er hat sein Di... er wollte mich vergewaltigen!“ Mein Gefühl sagt mir gerade, dass nur ich das Ding so nenne. Wenn sie mich ernst nehmen sollen, muss ich aufpassen, was ich sage.

„Einverstanden“, sagt Askan und nickt. „Die anderen schauen zu und werden danach hingerichtet, gemäß meinem Urteil. Und du, Kyo, du tötest ihn gefälligst.“

„Ist gut“, erwidere ich.

Gaskama schüttelt kurz den Kopf, dann begleitet er mich in den Ring. Moytos Männer werden zur Seite gezerrt, sodass sie alles sehen können. Gaskama packt Moyto und schneidet seine Fesseln durch.

„Ich schneide dir eigenhändig das Herz heraus, während es noch schlägt, wenn du gegen die Regeln verstößt“, teilt er ihm mit.

„Du scheinst die Kleine ja sehr zu mögen“, erwidert Moyto grinsend. „Warum lässt du sie dann kämpfen?“

„Weil ich zusehen möchte, wie sie dich tötet. Ich möchte die Verzweiflung in deinen Augen sehen, kurz bevor dir klar wird, dass du von ihr getötet wirst. Diesen letzten Moment, in dem du noch klar denken kannst, bevor dein Geist ein für alle Mal ausgelöscht wird.“

Moyto starrt ihn an, die Soldaten flüstern. Ich spüre ihre Blicke auf mir und weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll, dass Gaskama mir plötzlich diese Dinge zutraut. Ich weiß ja nicht einmal, ob ich sie mir zutraue. Vielleicht wäre es vernünftig, einfach fortzulaufen.

Andererseits, auch wenn ich mich nicht erinnere, wer und was ich bin, so viel habe ich bereits über mich herausgefunden: Ich laufe nicht weg. Das mag unvernünftig sein.

Aber ich laufe nicht weg. Schon gar nicht vor meinen eigenen Entscheidungen.

Ich atme tief durch.

„Spürst du etwa schon deinen nahen Tod?“, erkundigt sich Moyto spöttisch.

„Nicht meinen“, erwidere ich, jetzt sehr ruhig.

Ich werfe einen Blick auf Askan und Gaskama, dadurch übersehe ich beinahe, dass Moyto einfach losrennt. Auf mich zu. Er ist unglaublich schnell. Askan hat mich ja gewarnt.

Ich schaffe es nicht, ihm auszuweichen. Er packt mich am Hals, während ich mich nach hinten werfe. Dabei stemme ich meine Füße gegen ihn, und als ich auftreffe, strecke ich die Beine aus. Vom eigenen Schwung getragen und mit meiner Hilfe fliegt er weiter, überschlägt sich in der Luft und landet ebenfalls auf dem Rücken, allerdings viel härter als ich.

Ich höre die Soldaten aufschreien.

Wahrscheinlich lenkt mich das zu sehr ab, denn als ich mich aufrichte, steht Moyto bereits auf den Füßen und überrennt mich erneut. Das Spiel von soeben wiederholt sich, erst lande ich auf meinem Rücken, dann er wesentlich unsanfter auf seinem.

Allerdings bin ich diesmal vorgewarnt und richte mich sehr schnell wieder auf. Genau wie Moyto. Ich springe auf ihn zu, er schlägt blitzschnell mit der Faust nach mir. Der Treffer wirft mich um. Er packt meine Haare und zieht mich schnell durch den Ring. Der Schmerz macht mich blitzartig wieder wach, denn der Schlag raubte mir zuerst die Sinne.

Ich weiß, was er vorhat. Er hält auf eine der Feuerstellen zu, er hat ja mitbekommen, was ich mit seinen Leuten gemacht habe.

Ich schaffe es, mich auf den Bauch zu drehen und aufzurichten, bevor er etwas dagegen unternehmen kann. Er holt erneut mit der Faust aus, dieses Mal bin ich aber vorbereitet. Er hilft mir auch noch, indem er mich an den Haaren zu sich zieht. Ich springe gegen ihn, dabei reiße ich das linke Knie hoch und zwischen seine Beine. Mit einem unterdrückten Schrei lässt er meine Haare los und taumelt zurück.

Ich springe hoch und trete mit beiden Füßen gegen seinen Kopf. Das wirft ihn um. Er landet schließlich auf dem Bauch und hält sich das Ding. Oder was auch immer.

Ich werfe mich auf seinen Rücken und bevor er reagieren kann, lege ich den linken Arm von vorne um seinen Hals. Den anderen Arm drücke ich gegen seinen Nacken und packe mit der linken Hand den rechten Arm.

Er richtet sich auf. Ich spüre seine gewaltigen Muskeln und verstärke den Griff um seinen Hals. Mit einer Hand versucht er den würgenden Arm zu lockern, doch ich hake mich mit aller Kraft in den hinteren Arm ein. Gleichzeitig lege ich die Beine um seine Hüften und trete mehrmals mit den Fersen gegen seinen Unterleib.

Er fällt auf die Knie und verlegt sich nun darauf, nach meinem Kopf zu schlagen. Doch in diesem Winkel hat er keine Kraft und ist so langsam, dass ich nur harmlose Treffer abbekomme. Sie tun zwar weh, aber sie richten keinen Schaden.

Ich kann spüren, wie seine Halsmuskeln sich lockern, und verstärke den Griff. Als er sich nach hinten wirft und mit seinem Gewicht auf mir landet, verschränke ich die Beine vor seinem Bauch und drücke die Oberschenkel mit aller Kraft zusammen. Das schnürt ihm zusätzlich die Luft ab, denn die Muskeln der Schenkel sind die kräftigsten des ganzen Körpers, das habe ich bereits herausgefunden.

Seine Abwehrbewegungen mit den Händen werden kraftloser. Er schlägt nicht mehr, sondern versucht, meine Haare zu packen, doch ihm fehlt die Kraft, sie auch nur festzuhalten.

Dann erlahmen seine Arme und liegen neben seinem Körper. Die Beine zucken noch, er röchelt. Das bleibt noch eine Weile so. Ich glaube, das ist der Augenblick, vom dem Gaskama gesprochen hat. Und solange ich noch die Spannung in seinem Körper spüre, drücke ich mit aller Kraft gegen seinen Hals.

Dann erschlafft er langsam. Mir kommt es zumindest sehr langsam vor. Die Beine zucken nicht mehr, die Arme liegen ruhig. Kein Röcheln. Ich kann an seinem Kopf vorbei die Augen sehen, die nun starr nach oben blicken.

Ich lasse ihn los. Er bleibt bewegungslos liegen. Mit etwas Mühe rolle ich ihn von mir runter und merke, dass ich selbst auch kaum Luft kriege. Ich lege den Kopf auf den Boden, Arme und Bein ausgestreckt, und ringe verzweifelt nach Luft.

Ansonsten ist es sehr still.

Irgendwann taucht Gaskama in meinem Blickfeld auf. Er schaut nach Moyto, dann sieht er zu Askan und schüttelt den Kopf. Anschließend beugt er sich über mich.

„Wie geht es dir?“

„Irgendwie fühle ich mich ziemlich müde“, erwidere ich.

„Ihr geht es gut!“, ruft er zum König.

„Das habe ich doch gar nicht gesagt ...“

„Du machst schon wieder Scherze, also geht es dir gut.“ Er hilft mir, mich aufzusetzen.

Die Soldaten sind immer noch völlig still. Sie starren mich mit einer Mischung aus Entsetzen und Bewunderung an. Ich bin auch entsetzt, denn ich habe den Tod eines Menschen noch nie so nahe erlebt wie gerade. Und ich bin entsetzt, dass ich zu so was fähig bin. Körperlich und seelisch.

Ich sehe Gaskama an. „Konntest du es sehen?“

Er nickt stumm.

Ich erhebe mich. Bin noch etwas wackelig, aber es wird langsam besser. Mit Gaskamas Hilfe gehe ich zum König, der mich genauso fassungslos anstarrt wie die anderen.

„Befehl ausgeführt“, sage ich.

Er schüttelt langsam den Kopf. „Du bist unglaublich“, erwidert er dann. Und wendet sich an Gaskama: „Lass die anderen Urteile vollstrecken.“

„Ist gut“, sagt der und winkt seinen Leuten zu, während er mich noch stützt.

Askan dreht sich um und geht ins Zelt, wir beide folgen ihm. Draußen löst sich die Spannung, die Soldaten reden leise miteinander. Askan setzt sich auf seinen Thron, der wohl immer mitgenommen wird, wenn er auf Reisen geht, und wirft einen nachdenklichen Blick auf mich.

„Wer bist du?“

„Das weiß ich immer noch nicht.“ Wieso fragt er? Ich habe ihm doch im Kerker erzählt, dass ich keine Erinnerungen mehr habe.

„Es war nur so eine Frage“, erwidert er und atmet tief durch. „Ich habe so etwas noch nie gesehen. Und ich habe viele Menschen sterben sehen. Ich hab selber in Schlachten getötet, mit Schwert, mit Axt. Aber das ...“

„Geht mir genauso“, bemerkt Gaskama. „Was soll mit ihr geschehen?“

Ich blicke ihn unsicher an, doch er erwidert meinen Blick zwar ernst, aber auch beruhigend.

„Sie wird uns begleiten, wie geplant. Allerdings nicht im Käfig. Sie kann bei Meitor mitfahren. Wir sollten bald aufbrechen, denn morgen ist wieder Oseum.“

Bevor Gaskama antworten kann, ertönt draußen ein grauenvoller Schrei. Er stockt kurz, dann sagt er „Ist gut.“ und verlässt das Zelt. Dann ertönt der zweite Schrei und kurz darauf der dritte.

„Du solltest dich säubern“, sagt Askan. „Dein Gesicht ist voller Blut. Zum Baden ist jetzt keine Zeit mehr.“

Er befiehlt Meitor, der jetzt reinkommt, um den Abbau des Zeltes zu beaufsichtigen, mir Tücher zu besorgen, mit denen ich mich dann einigermaßen wieder herrichte, während das Zelt abgebaut und auf den Versorgungswagen verladen wird, den Meitor fährt.

Ich mustere den Käfigwagen und bin sehr froh, dass ich meine Reise nicht darin fortsetzen muss.

Der nächste große Rast ist an einem Flussufer. Ich springe vom Versorgungswagen. Nachdem mein Angebot, beim Aufstellen des Zeltes zu helfen, freundlich aber bestimmt zurückgewiesen wird, gehe ich im Fluss etwas abseits baden. Bis ich zurückkomme, steht das Zelt und die Feuer lodern.

Während ich zum großen Zelt gehe, spüre ich die Blicke der Männer auf mir. Das nasse Kleid zeichnet die Konturen meines Körpers nach, ich hätte noch etwas warten sollen. Doch nun ist es zu spät. Angst habe ich nicht, ich weiß, dass ich respektiert werde.

Was ich nicht weiß, ist, was ich eigentlich für den König bin. Eine Gefangene? Zumindest werde ich nicht wie eine behandelt. Niemand sagte etwas, als ich vorhin fortging, auch jetzt will niemand wissen, wo ich war. Abgesehen davon, dass es offensichtlich ist.

Von Meitor habe ich während der Fahrt viel erfahren, hauptsächlich über Marbutan, Askans Land. Er redet gern und viel, was mir nur recht ist, denn ich möchte nicht reden. Vor allem solange ich gar nicht weiß, was mein Status ist.

Versuchsweise spaziere ich in das Zelt Askans. Die Wachen bemerken es, aber sie unternehmen nichts, um mich daran zu hindern. Vor Kurzem war das noch anders.

Askan und Gaskama sind im Zelt und unterhalten sich. Als ich eintrete, blicken sie auf. Beide lächeln mich freundlich an.

Ich lächele zurück.

„Du solltest öfter lächeln“, stellt der König fest. „Wie fühlst du dich?“

„Ich habe Hunger.“

„Hast du noch nichts gegessen seit heute Morgen?“

„Meitor hat ihr etwas gegeben“, erwidert Gaskama. „Dafür durfte oder musste sie in der Zeit die Zügel festhalten. Sie sah … etwas erschrocken aus.“ Er grinst genauso wie vorhin, als er die Szene vom Pferd aus beobachtet hat.

„Das Zelt steht hier, also ist alles gutgegangen“, meint Askan, aber er kann sich ein Grinsen auch nicht verkneifen.

„Wollt ihr, dass ich aufhöre zu lächeln?“

Askan schüttelt den Kopf. „Es gibt gleich etwas zu essen, das ist zu riechen.“

„Und sie kann mit völlig ernstem Gesicht Dinge sagen, die sie nicht ernst meint“, bemerkt Gaskama. „Ich kümmere mich mal um das Essen.“

Während er an mir vorbei geht, zwinkert er mir zu. Ihn kann ich wohl nicht mehr hereinlegen.

Askan kommt näher und legt die Hände auf meine Schultern. Obwohl ich mich ohne mein Zutun versteife, lässt er seine Hände dort.

„Du hast im Fluss gebadet? Es gibt hier auch eine Badewanne mit warmem Wasser.“ Er deutet nach hinten auf etwas aus Holz.

„Das wusste ich nicht.“

„Es ist nicht schlimm.“ Er lässt mich los und geht zu dem, was er Badewanne nannte. Unterwegs zieht er sein Hemd aus, sodass ich seinen muskulösen Oberkörper sehen kann. Neben der Wanne zieht er auch den Rest aus und klettert dann ins Wasser.

Ich gehe langsam näher. Sein Ding irritiert mich. Es hängt schlaff herunter. Alle, die ich bisher gesehen habe, waren hart und zeigten eher nach oben. Warum seins nicht?

Er mustert mich fragend. „Möchtest du auch baden? Hier ist noch Platz.“

Ich verneine kopfschüttelnd.

„In jedem Fall bekommst du morgen andere Sachen. Dieses Kleid ist schmutzig. Unangenehmerweise haben wir keine Kleider dabei, du wirst es also mit Sachen von mir vorliebnehmen müssen.“

„Sie sind zu groß.“

„Bis Kasunga wird es gehen. Besser als das Kleid.“

„Ist gut.“

Er lacht kurz auf. „Hast du das von Gaskama?“

Ich nicke.

„Er mag dich und freut sich, dass du nicht mehr im Käfig hocken musst.“

„Du hättest mich ja nicht da einsperren lassen müssen.“

„Doch, das musste ich. Die Ereignisse haben mir die Möglichkeit gegeben, dir die Freiheit zu geben.“

„Du bist doch der König.“

„Auch ein König muss sich an Regeln halten, wenn er nicht will, dass er als schlechter König gilt. Meine Leute haben dich für eine Mörderin gehalten.“

„Und jetzt, wo sie sogar dabei zugesehen haben, wie ich jemanden töte, nicht mehr? Das verstehe ich nicht.“

„Es geht nicht um das Töten. Sie sind Soldaten, auch sie haben schon getötet. Es geht darum, wie und wen. Sie haben gesehen, dass du die Wahrheit sagst. Sie und ich glauben, dass du die anderen Soldaten unter ähnlichen Umständen getötet hast, weil du dich verteidigen musstest.“

„Das ist wahr.“

„Warum hast du es nicht gesagt?“

„Wer hätte mir schon geglaubt?“

„Ich zum Beispiel.“

„Obwohl du auch so ein Ding ...“ Ich unterbreche mich und beiße mir auf die Unterlippe. Verlegen starre ich auf den Boden.

Askan mustert mich nachdenklich. „Du hast bisher wohl nur schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht, scheint mir.“

„Zumindest erinnere ich mich an keine anderen.“

„Ich verstehe. Nun, eigentlich ist die Vereinigung zwischen Mann und Frau ein Akt der Liebe, bei dem Kinder entstehen. Wenn auch nicht immer. Und es macht durchaus auch Spaß.“

„Den Männern?“

„Und auch den Frauen. Wenn sie dazu nicht gezwungen werden, sondern es freiwillig tun.“

Das kann ich mir nicht vorstellen, wie das gehen soll, daher schweige ich lieber.

„Kyo, warum bist du eigentlich näher gekommen?“

„Weil … weil dein Ding anders aussah als die anderen.“

„Ich verstehe. Es heißt übrigens Glied. Oder Geschlecht. Manche sagen auch Schwanz, aber dieses Wort mag ich dafür nicht.“

„Dein … dein Glied sah anders aus.“

„Dafür gibt es Gründe, aber wenn ich dir diese jetzt erkläre, dann bin ich mir nicht sicher, ob ich mich beherrschen kann. Du solltest besser gehen.“

„Das glaube ich auch.“ Hastig wende ich mich ab und renne aus dem Zelt. Davor bleibe ich stehen und atme tief durch. Es ist dunkel. Ich spüre etwas, was ich noch nie gespürt habe. Jedenfalls erinnere ich mich nicht daran. Mein Unterleib fühlt sich heiß an. Ich glaube, ich war nahe daran, den Akt der Liebe machen zu wollen, der auch Spaß macht.

„Gibt es ein Problem?“, erkundigt sich Meitor.

Ich sehe ihn an. „Nein, kein Problem. Ist gut.“

Dann spaziere ich langsam davon und zu den Pferden. Sie reden wenigstens nicht, darum mag ich sie. Ich bleibe bei ihnen und lausche der Stille. Nein, still ist es nicht, ich höre die Geräusche des Lagers, die Geräusche der Pferde und ich höre auch die Geräusche des Waldes.

Dann höre ich, dass jemand kommt.

Es ist Gaskama.

„Alles in Ordnung?“, erkundigt er sich.

Ich nicke.

„Askan bat mich, nach dir zu sehen.“

Er bat ihn, anstatt es zu befehlen? Ich verzichte darauf, das anzusprechen. Als Gaskama vorschlägt, wieder zurückzugehen, bin ich einverstanden. Langsam spazieren wir in die Richtung des großen Zeltes.

„Askan sagte, du könntest verwirrt sein“, bemerkt Gaskama nach einer Weile.

„Bin ich auch.“

„Kann ich dir helfen?“

Ich atme tief durch, dann frage ich ihn: „Hast du schon mal den Akt der Liebe gemacht?“

Er grinst. „Das ist eine sehr indiskrete Frage.“

„Was ist indiskret?“

„Hm. Es gibt Dinge, die gehen nur die Leute an, die es etwas angeht.“

„Aha.“

„Das war wohl nicht gut zu verstehen. Gut, hör zu. Liebe ist eine Sache zwischen zwei Menschen. Es geht nur sie beide etwas an.“

„Also auch der Akt der Liebe geht nur sie beide etwas an?“

„Genau.“

„Ich verstehe. Meine Frage war dann wohl indiskret und du möchtest sie deswegen nicht beantworten.“

„So ist es. Aber weil du es bist, sage ich dir, dass die meisten Männer meines Alters das schon getan haben.“

„Askan auch?“

„Ja, er auch.“

Ich schweige verwirrt, bis wir am Zelt sind. Gaskama bleibt davor stehen.

„Askan erwartet dich. Mich nicht. Schlaf gut, Kyo.“

„Du auch, Gaskama.“ Ich blicke ihm hinterher, dann betrete ich das Zelt.

Askan ist angezogen und am Essen. Er zeigt neben sich und dann auf den Tisch. Ich setze mich neben ihn und esse etwas Brot. Eigentlich habe ich keinen Hunger, aber ich weiß, dass es besser ist, wenn ich etwas esse.

Askan schweigt. Ab und zu wirft er mir einen nachdenklich Blick zu. Als wir fertig sind, erhebt er sich und geht zu seinem Bett.

„Wenn du willst, kannst du bei mir im Bett schlafen.“ Dann fügt er hinzu: „Ich bin angezogen und du kannst dein Kleid anbehalten. Ich werde nichts tun, was du nicht willst. Aber das Bett ist bequemer als dein Nachtlager da in der Ecke.“

Das wird wohl wahr sein, vermute ich. Nach kurzem Zögern nicke ich und lege mich neben ihn. Das Bett ist wirklich viel weicher. Er deckt uns beide zu. Dann lächelt er und dreht sich um. Schon bald höre ich an seinem Atem, dass er eingeschlafen ist.

Ich brauche dafür sehr viel länger. Eigentlich schlafe ich gar nicht, zumindest glaube ich das, bis ich vom Gongschlag hochschrecke. Also muss ich doch eingeschlafen sein.

Das Erste, was ich wahrnehme, ist das laute Geräusch. Es kommt von überall her. Ein gleichmäßiges Prasseln wie vom Regen, aber so laut habe ich es noch nie gehört.

Das Zweite, was ich wahrnehme, ist der Körper von Askan. Ich sehe seine Haare und spüre seinen Rücken. Mein linker Arm liegt auf ihm. Er liegt genauso da, wie als er eingeschlafen ist, aber ich nicht. Im Schlaf habe ich mich an ihn gedrückt und ihn umarmt.

Hastig rücke ich von ihm ab.

Er dreht den Kopf und sieht mich lächelnd an.

„Wie geht es dir, Kyo?“

„Ist gut“, erwidere ich, was ihn auflachen lässt. „Warum ist der Regen so laut?“

„Das liegt am Zelt. Die Regentropfen schlagen gegen die Zeltwand, das ist hier drin dann sehr laut. Heute ist Oseum, es wird bis zum nächsten Hellgong regnen.“

„Ich weiß, jede sechste Num ist so.“

„Genau. Es ist einfach nur nass. Nicht schön zum Reisen.“

Das merke ich dann auch. Er gibt mir ein Hemd von sich, eine Hose und Stiefeln. Alles ist viel zu groß. Die Hose stopfe ich in die Stiefeln, weil ich sonst ständig über die Hosenbeine stolpere, die langen Hemdärmel halten meine Hände trocken. Am Anfang zumindest. Irgendwann ist alles so durchnässt, dass es egal ist.

Ich beschließe, dass ich den Oseum hasse.

Der helle Teil der Num vergeht ohne ein besonderes Ereignis. Wir fahren viele Quons durch irgendeine Gegend, die ich nicht kenne. Weder Tiere noch andere Menschen gibt es zu sehen. Der Boden ist stellenweise so aufgeweicht, dass die Wagen mehrmals von den Soldaten geschoben werden müssen. Gaskama ist der Einzige, dem der Regen völlig egal zu sein scheint. Selbst Askan lässt sich zu einigen verärgerten Ausrufen verleiten.

Ich sage nichts, sondern mache mich auf dem Wagen möglichst klein, ziehe die Hände in die Ärmel und zittere vor mich hin. Mit jeder Quon hasse ich den Oseum immer mehr.

Endlich ist die Zeit zum Rasten da und endlich steht das Zelt. Ich renne hinein und ignoriere das Lachen der Soldaten. Als wenig später auch Askan hereinkommt, stehe ich zitternd in der Mitte des Zelts und überlege, was ich eigentlich als Nächstes tun soll.

Askan ist mit wenigen Schritten bei mir und legt die Arme um mich.

„Du bist ja völlig kalt!“, ruft er. „Du brauchst unbedingt ein heißes Bad. Meitor!“

Als der Diener ankommt, befiehlt ihm Askan, die Badewanne mit heißem Wasser füllen zu lassen. Ich erhebe keinen Widerspruch, obwohl das vielleicht bedeutet, dass Askan mich nackt sieht. Aber selbst das ist mir im Moment egal. Mir ist einfach nur kalt.

Als die Wanne vorbereitet ist, zieht mich Askan dorthin. Nachdem alle anderen das Zelt verlassen haben, dreht er sich mit dem Rücken zu mir.

Ich denke kurz nach, dann schmeiße ich meine nasse Kleidung von mir und steige in die Wanne aus Holz. Das Wasser ist das Schönste, was ich jemals gespürt habe. In der Wanne befinden sich zwei Hocker. Ich setze mich mit untergeschlagenen Beinen auf einen, so reicht mir das Wasser bis zum Kinn.

Dann verschränke ich die Arme vor der Brust und teile Askan mit, dass er sich umdrehen darf.

Er sieht mich lächelnd an. „Besser?“

Ich nicke.

„Gut. Dann lasse ich dich jetzt allein. Wenn du fertig bist, werde ich auch baden.“

Ich mustere seine nasse Kleidung und erwidere leise: „Du kannst auch jetzt baden.“

„Bist du sicher?“

„Ja.“

Er zögert kurz, dann zieht er sich aus und kommt auch ins Wasser. Er setzt sich auf den Hocker mir gegenüber. Dabei kann ich deutlich erkennen, dass sein Glied groß und aufgerichtet ist, anders als gestern. Ich weiß genau, was das bedeutet. Ich spüre die Spucke in meinem Mund, die ich nur mit Mühe hinunterschlucken kann. Und ich spüre, wie sich Wärme in meinem Unterleib ausbreitet.

Askan beobachtet mich. Ich öffne meine Arme und lege die Hände auf meine Oberschenkel, sodass er meine Brüste sehen kann. Er kann auch sehen, wie schnell ich atme.

„Ich … ich weiß nicht, was ich jetzt tun muss“, sage ich leise.

„Doch, das weißt du. Dein Körper weiß es genau.“

Er hat recht.

Ich erhebe mich und gehe zu ihm, bis ich mit gespreizten Beinen vor ihm stehe. Die Innenseiten meiner Oberschenkel berühren seine Beine. Er ist selbst im Sitzen so groß, dass unsere Augen sich fast auf gleicher Höhe befinden.

Als er sich nicht bewegt, umfasse ich sein Glied und lasse es in mich hineingleiten, indem ich mich auf ihn setze. Es tut nicht weh. Im Gegenteil. Schließlich sitze ich ganz auf ihm und spüre, wie er mich ausfüllt. Mein Unterleib berührt seinen, was die Hitze in mir sehr erhöht.

Er nimmt mein Gesicht zwischen die Hände und zieht es zu seinem heran, bis seine Lippen meinen Mund berühren. Nach einer Weile erwidere ich die Berührung und spiele mit ihnen. Als er seine Zunge in meinen Mund schiebt, kommt ihr meine wie von selbst entgegen. Vorsichtig nehme ich jetzt sein Gesicht zwischen meine Hände und merke, wie mein Unterleib beginnt, sich zu bewegen. Vor und zurück, leicht kreisend. Askans Hände wandern an meinem Rücken entlang, eine feurige Spur hinterlassend, bis zum Po, wo sie meine Bewegungen steuern. Gleichzeitig drücken sie meinen Unterleib stärker gegen ihn. Eine Stelle an mir ist besonders empfindlich, von dort geht alle Hitze aus, und es wird immer stärker.

Ich stöhne auf und halte kurz inne. Askan sieht mich fragend an, doch ich ziehe sein Gesicht wieder an mich und presse den Mund auf seinen. Mein nächstes Stöhnen geht in seinen Mund, das danach auch. Und danach auch. Bald braucht er meinen Unterleib nicht mehr zu führen, er weiß genau, was er tun muss.

Die Gefühle werden so stark, dass sie beginnen, unangenehm zu sein. Als ich schon darüber nachdenke, wieder aufzuhören, passiert etwas. Ich verliere die Kontrolle über meinen Körper, er zittert und zuckt und will seinen berühren, während ich Askan schreiend und wimmernd an mich ziehe.

Dann ist es langsam wieder vorbei.

Heftig keuchend hebe ich den Kopf. Er sieht mich forschend an.

„Alles in Ordnung?“

„Ich glaube ja ...“

„Du kannst dich nicht erinnern, so was jemals vorher gespürt zu haben?“

„Nein.“

„Das passiert beim Akt der Liebe. Manche nennen es Höhepunkt, weil es sich wie der höchste Punkt eines Gipfels anfühlt.“

„Haben Männer das auch?“

„Ja, ich hatte das auch gerade. Das ist der Moment, wenn die zwei Seelenhälften der Kinder zueinander finden.“

„Ich … ich bekomme ein Kind?“

„Nur manchmal wird wirklich ein Kind daraus. Ich weiß nicht, wovon das abhängt.“

Ich spüre, wie sein Glied kleiner wird und schließlich raus rutscht. Er bemerkt es auch und berührt meinen Mund mit seinen Lippen. Ohne Zunge.

„Wie nennt man das?“, erkundige ich mich.

„Das nennt man Küssen. Ein Kuss kann sehr vielfältig sein. Aber nur beim Akt der Liebe verschmelzen die Lippen und die Zungen so miteinander, wie bei uns vorhin.“

„Ich verstehe“, sage ich lächelnd.

„Ich glaube, du bist nicht nur hübsch, sondern auch witzig.“

„Kann schon sein.“

„Ist dir noch kalt?“

„Nein!“

„Dann können wir jetzt ins Bett gehen.“

„Schlafen?“

„Wenn du willst.“

Das gelingt uns nicht sofort, das Schlafen. Ich drücke meinen nackten Rücken an ihn und spüre dann, wie er sein Glied in mich einführt. Es ist anders als im Wasser, aber es ist auch schön. Er küsst mein Gesicht und dann drehe ich meinen Kopf so, dass er auch meinen Mund küssen kann. Ein Arm liegt unter mir, diesen legt er um mich und die Hand umfasst meine Schulter. Die andere Hand berührt mich dort, wo ich vorhin die Hitze gespürt habe. Sie streichelt mich und entfacht auf diese Weise die Hitze neu.

Ich habe das Gefühl, er hat schon oft den Akt der Liebe gemacht. Er kennt meinen Körper viel besser als ich.

Dieses Mal dauert es länger, bis die Gefühle so stark werden, dass ich mich nach dem Höhepunkt sehne. Und dieses Mal bemerke ich seinen Höhepunkt auch.

Danach bleiben wir so liegen und schlafen fast gemeinsam ein. Ich glaube, ich schlafe sogar vor ihm ein. Zum ersten Mal in dem Leben, an das ich mich erinnere, fühle ich mich dabei wirklich sicher.

Das Aufwachen ist anders als beim letzten Mal. Ich höre den Regen nicht und ich spüre Askan nicht. Draußen ist es hell, das kann ich sehen. Und dann höre ich Askans Stimme, aber ich kann nicht verstehen, was er sagt.

Kurz darauf kommt Meitor herein. Er hat Brot und Fleisch dabei. Ich ziehe die Decke höher, während er zu mir kommt und mir das Essen hinhält.

„Der König würde gerne bald aufbrechen, denn morgen erreichen wir Kasunga“, sagt er. „Wenn du noch schlafen möchtest, reitet er voraus und lässt dir zwei Handvoll Soldaten da.“

Ich schiebe die Decke so weit hinunter, dass meine Arme frei sind, um nach dem Essen greifen zu können.

„Ich brauche nicht lange“, erwidere ich dann.

Während der Vorbereitungen für die Weiterreise ist Askan mit seinen Leuten beschäftigt und sieht mich kaum an, sodass ich mich schon frage, ob das, was passiert ist, überhaupt eine besondere Bedeutung für ihn hat, als er kurz vor der Abfahrt zum Wagen kommt, sich vom Pferd aus zu mir herüberbeugt und mir einen Kuss gibt, während alle Soldaten uns beobachten. Dann lächelt er mich an und reitet nach vorne.

Ich starre ihm fassungslos hinterher.

„Die Liebe, die Liebe“, bemerkt Meitor grinsend und lässt die Pferde lostraben.

Meitor redet auf der Fahrt wieder so viel wie immer, aber diesmal erreicht mich kaum eins seiner Worte. Meine Gedanken kehren immer wieder zu Askan und die Erinnerungen an seine Berührungen und Küsse zurück. Wenn Meitor das mit Liebe gemeint hat, dann widerspreche ich ihm sicher nicht.

Gelegentlich sehe ich Askan, aber er kommt nicht wieder in die Nähe. Doch er lächelt mir einige Male zu, und das reicht mir auch, damit ich mir sicher bin, dass ihm das alles auch etwas bedeutet. Das Verhalten der Soldaten zeigt eindeutig, sie kennen ihren König so noch nicht.

Ich wende mich an Meitor und unterbreche ihn bei dem, was er auch immer gerade sagt: „Wie viele Frauen hat er schon geküsst?“

„Woher soll ich das wissen?“

„Du hast es noch nie gesehen?“

„Nein, Könige machen das eigentlich nicht.“

„Ich bin die Erste?“

„Ja, du bist die Erste!“ Meitor lacht laut auf. „Er mag dich zumindest sehr. Wie sehr, das weiß nur er. Und vielleicht du.“

„Ich?“

„Du solltest es spüren. An verschiedenen Stellen deines Körpers.“ Als er mein Gesicht sieht, lacht er wieder, sagt aber nichts mehr dazu.

Ich bemerke, dass Gaskama uns beobachtet und erröte. Er zwinkert mir zu und entfernt sich wieder.

Der Rest der Reise, bevor wir wohl das letzte Mal unser Lager aufschlagen, verschwindet in irgendeinem Nebel. In einem bunten Nebel, glaube ich. Ich habe nicht einmal gewusst, dass es solche Gefühle gibt, wie ich sie im Wechsel habe, noch weniger, dass ich sie jemals empfinden könnte. Vor wenigen Nums hockte ich noch verzweifelt in einem Kerker und jetzt reite ich als freie Frau mit einem König mit, der anscheinend … Ja, was denn eigentlich? Meitor sagt dazu Liebe, aber was ist man, wenn man Liebe empfindet? Und wie erkenne ich, ob es Liebe ist? Was das auch immer bedeutet?

Ich atme tief durch. Egal, wie es heißt, irgendetwas ist mit mir auf jeden Fall anders, das steht mal fest. Und es hat mit diesem König zu tun, der sich beharrlich weigert, mir nahe genug zu kommen, um mich küssen zu können, aber mich immer wieder anlächelt. Will er mich quälen? Oder will er seine Gefühle nicht noch einmal vor den Soldaten zeigen? Das wäre ja völlig sinnlos, die wissen es doch sowieso. So blind können sie ja gar nicht sein.

Ich atme wieder tief durch.

„Alles in Ordnung?“, erkundigt sich Meitor, seinen eigenen Redeschwall unterbrechend.

„Wieso kommt er nicht wieder her?“

„Weil er der König ist. Er hat dir und den anderen mitgeteilt, dass du ihm gehörst. Und dir hat er mitgeteilt, dass er es ernst meint. Das hat er noch für keine Frau getan. Alles andere geht uns nichts an.“ Und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Dich natürlich schon.“

„Aha.“

„Glaubst du mir nicht?“

Ich sehe ihn an. „Kennst du ihn so gut?“

„Allerdings!“

Ich sage nichts mehr. Wüsste sowieso nicht, was. Ich will ja auch nicht reden. Wahrscheinlich sieht mir Meitor das endlich auch an, denn den Rest des Weges schweigt er.

Als das große Zelt aufgebaut wird, bin ich als Erste drin. Und bleibe eine Weile auch die Erste und Einzige. Unschlüssig bleibe ich in der Mitte stehen. Will er mich wirklich quälen? Warum?

Kurz bevor ich soweit bin, auf die Suche nach ihm zu gehen, betritt er gemeinsam mit Gaskama das Zelt. Beide sind am Lachen. Dann erblickt er mich und stößt Gaskama an. „Na, was habe ich dir gesagt?“

„Habe ich dir widersprochen?“

Ich kaue auf meiner Unterlippe herum und bin mir nicht ganz sicher, wie ich mich verhalten soll. Ich beschließe, dass alle Männer in der Lage sind, sich so zu verhalten, dass eine Frau sie auf gar keinen Fall verstehen kann und es auch gar nicht erst versuchen sollte.

„Mir geht es gut und mir ist nicht kalt“, sage ich. „Getötet habe ich auch niemanden. Gibt es noch etwas zu wissen?“

Die beiden Männer starren mich ziemlich entgeistert an, dann beginnen sie zu lachen und kommen näher. Der König nimmt mich in die Arme und küsst meine Stirn.

„Ich finde deinen Humor sehr erfrischend, meine Liebe“, sagt er dann. „Aber wenn dir nicht kalt ist, möchtest du sicherlich auch nicht baden.“

„Doch!“

„So, so.“

„Ich sage Meitor Bescheid und lasse euch allein“, erklärt Gaskama und geht.

Immer noch lachend nimmt Askan mein Gesicht zwischen die Hände und küsst mich endlich. „Kyo, ich bin der König und kann niemals nur dir gehören. Ich werde immer auch meinem Volk und meinen Soldaten gehören.“

„Hauptsache, du küsst nur mich“, erwidere ich murmelnd.

„Darüber lasse ich mit mir reden.“

Er unterbricht das Küssen, als Meitor und andere Soldaten mit dem Badewasser ankommen und die Holzwanne füllen. Sie beobachten uns verstohlen, aber sie sehen nicht mehr, als dass wir uns in den Armen halten. Und das scheint schon viel zu sein. Ob sie mit mir tauschen möchten? Oder doch eher mit dem König.

Als wir endlich allein sind und Askan sich nicht rührt, übernehme ich die Führung. Das bedeutet, dass wir schon nach kurzer Zeit im warmen Wasser sitzen und den Akt der Liebe machen. Askan scheint das nicht schlimm zu finden, eher im Gegenteil. Vielleicht will er nicht immer nur Befehle erteilen. Wenn er das von mir erwartet, kein Problem, kann er haben.

Wir vergessen sogar das Essen, was uns erst einfällt, als wir schon schlaftrunken im Bett liegen. Askan erklärt, dass er jetzt ganz sicher nicht mehr aufstehen wird, um etwas zu essen zu holen, und da ich nicht einmal Hunger habe, ist mir das nur recht.

Dann schlafe ich ein.

Das Aufwachen ähnelt dem letzten Mal. Draußen ist es hell und ich bin allein. Ich höre Askans Stimme nicht, aber es kann ja auch nicht genauso sein wie gestern.

Nachdem ich eine Weile gelegen habe und niemand kommt, beschließe ich, etwas zu tun.

„Meitor!“

Kurz darauf kommt Meitor. Er hat Essen für mich dabei.

„Geht es dir gut?“, erkundigt er sich.

„Ja“, erwidere ich, während ich mich aufsetze und nach dem Brot greife. „Wann brechen wir auf?“

„Sobald du bereit bist.“

Ich halte inne. „Hat Askan es heute nicht mehr so eilig?“

„Der König ist schon fort.“

„Was?!“ Ich richte mich kerzengerade auf, dadurch rutscht die Decke nach unten. Hastig ziehe ich sie wieder hoch. „Warum?“

„Ein Bote aus Kasunga kam. Er wird dringend wegen politischer Geschäfte benötigt. Um was es geht, habe ich nicht verstanden. Er sagte, wir sollen dich schlafen lassen, bis du von selbst wach wirst. Dann folgen wir ihm. Er hat uns zwei Handvoll Soldaten dagelassen.“

„Wie gestern?“

„Fast wie gestern.“

„Wann ist er fortgeritten?“

„Vor etwa drei Quons. Mach dir keine Sorgen. Wir schaffen es ohne Probleme rechtzeitig vor dem Dunkelgong nach Kasunga.“

„Wieso hat er mich nicht geweckt?“

„Er hielt es vermutlich nicht für nötig. Er ist der König und legt niemandem Rechenschaft über seine Entscheidungen ab.“

Ich atme tief durch. Meitor kann nichts dafür und Askan hat ja angekündigt, dass er auch dem Volk gehört. Meine Angst, wieder eingesperrt zu werden, dürfte unbegründet sein. Sie ist dennoch da, ich spüre sie.

Ich atme erneut tief durch und nicke dann. „Du hast recht, Meitor. Ich sollte mich nicht so dumm benehmen. Askan ist ein König und wird immer ein König bleiben.“

„So ist es. Und, Kyo, er vertraut dir. Das hat er gezeigt.“

„Ja, das ist wahr. Entschuldige, dass ich dich so angefahren habe, das hast du nicht verdient.“

„Mach dir keine Sorgen, Wildkatze. Ich kann damit umgehen, ich diene dem König. Das härtet ab. Ich bin wie Stahl.“ Er grinst, dann erhebt er sich und geht.

Ich beende meine Mahlzeit, dann stehe ich auf und ziehe mich an. Ich könnte baden, wenn ich wollte, aber danach ist mir nicht. Nicht allein.

Ich verlasse das Zelt und betrachte die wenigen Soldaten, die hiergeblieben sind. Sie grüßen mich freundlich, ich erwidere den Gruß. Meine Laune wird langsam wieder besser.

Während die Soldaten das Zelt abbauen und alles auf dem Versorgungswagen verstauen, beschäftige ich mich mit den Pferden. Ich will so bald wie möglich reiten lernen. Ich denke, es ist etwas Besonderes, so ein Lebewesen unter sich zu spüren, mit ihm gemeinsam dahinzugleiten und das Spiel seiner Muskeln zu spüren.

Da ich aber noch nicht reiten kann, sitze ich bei Meitor auf dem Versorgungswagen und kämpfe gegen meine zunehmende Unruhe an. Die einzige Stadt, in der ich bisher war, hinterließ unangenehme Erinnerungen. Und jetzt soll ich in eine noch sehr viel größere Stadt einziehen. Das ist nicht gut.

Wir fahren zwischen Hügeln über Wiesen entlang, dann erreichen wir einen Wald, durch den ein Weg bergab führt. Plötzlich zeigt Meitor nach vorne.

„Da ist Kasunga!“

Ich folge mit dem Blick seinem Finger und kann jetzt zwischen den Bäumen etwas erkennen, was wohl eine Stadt sein wird. Viele Gebäuden sind zu sehen. Auf der anderen Seite zieht sich ein Wald hoch. Davor erstrecken sich gewaltige Felder, auf denen gearbeitet zu werden scheint. Der breite Weg zwischen ihnen, der geradewegs in die Stadt führt, wirkt belebt.

„Es sieht ziemlich groß aus“, erwidere ich mit belegter Stimme.

„Sie ist ja auch die Hauptstadt von Marbutan.“ Meitor sieht mich an. „Worüber machst du dir Sorgen, Kyo?“

Ich schüttele den Kopf. „Bis jetzt ist Iokya die einzige Stadt, die ich betreten habe.“

„Und die Erinnerungen daran sind unschön. Nun, in diese Stadt ziehst du nicht gefesselt und hinter einem Pferd herlaufend ein, sondern als freie Frau. Diese Stadt wird dich willkommen heißen.“

„Bist du dir dessen sicher?“

„Allerdings.“ Meitor treibt die Pferde, die angehalten haben, wieder an. „Und im Moment wissen die Bewohner sowieso noch nichts über dich. Sie werden dich kaum bemerken.“

„Das ist auch gut so.“

„Morgen allerdings werden alle wissen, dass der König dich geküsst hat“, bemerkt Meitor grinsend.

Ich deute einen Schlag gegen seine Schulter an, er lacht laut auf. Ich lache mit, das hilft mir. Ich spüre, dass meine Unruhe nachlässt.

„Danke, Meitor.“

„Gern geschehen!“

Meitor hat recht, niemand achtet auf mich. Zuerst erreichen wir die Felder. Hier wird Gemüse angebaut, erklärt mir Meitor. Sie sind wichtig, um die Leute zu ernähren. Die Felder gehören dem König, doch Askan sei ein weiser und gerechter König, er sorgt dafür, dass niemand hungern muss. Das finde ich gut.

„Ist es denn nicht selbstverständlich, dass ein König für seine Leute sorgt?“, erkundige ich mich.

„Oh, da gibt es ganz andere“, erwidert Meitor düster. „Das wirst du schon noch früh genug merken.“ Mehr will er dazu nicht sagen.

Ich beobachte die Menschen, die auf den Feldern arbeiten. Es sind vor allem Männer, junge, kräftige Männer. Sie schauen hoch, als sie uns bemerken, einige winken. Die Soldaten winken zurück, ich irgendwann auch.

Dann passieren wir die ersten Häuser. Zuerst stehen sie noch weit auseinander, mit großen Höfen. Dann werden es mehr, auf beiden Seiten der Straße, und die Höfe kleiner. Bis die Häuser gar keine Höfe mehr haben, höchstens kleine Gärten, wie mir Meitor erklärt.

Schließlich erreichen wir den riesigen Marktplatz. Heute ist kein Markt, er findet immer an der Num nach dem Regen statt, weil dann die Ernte besonders gut ist. Das war also gestern. Doch auch jetzt sind hier viele Menschen, von denen einige uns betrachten.

„Es ist ungewöhnlich, dass der Wagen nicht zusammen mit dem König hier ankommt“, erklärt mir Meitor.

„Ich bin ja auch ungewöhnlich.“

„Wohl wahr“, sagt er und lacht wieder.

Nach einiger Zeit scheinen wir die Stadt wieder zu verlassen. Meitor zeigt nach vorne auf den Wald, den ich von Weitem schon erkennen konnte.

„Da drin, auf einer Anhöhe ist das Schloss. Wir sind gleich da!“

Mein Herz macht einen Sprung. Ich blicke zurück und versuche, den Anblick der Stadt in mich aufzusaugen. Dann drehe ich mich wieder nach vorne. Der Weg windet sich durch den Wald empor, bis schließlich unvermittelt eine Brücke vor uns auftaucht, die zu einem gewaltigen Tor führt.

„Versuche niemals, durch den Fluss zu schwimmen“, sagt Meitor ernst. „Du würdest es nicht überleben.“

„Wieso nicht?“

„Er dient dem Schutz. Die Wesen darin fressen dich auf, bevor du den Mund aufmachen kannst.“

Ich erschaudere und versuche einen Blick auf das Wasser zu erhaschen. Es sieht aus wie jeder Fluss.

„Man sieht sie nicht. Aber man spürt sie. Jedenfalls ganz kurz.“

„Ich werde mich von dem Fluss fernhalten“, verspreche ich.

Dann fahren wir durch das Tor.

Vor mir offenbart sich ein riesiger Platz, dessen Mitte ein gewaltiger Steinbrunnen einnimmt. Die Mauer verläuft zu beiden Seiten und verschwindet an den Mauern von Gebäuden. Doch das mächtigste Gebäude liegt direkt vor uns, wenn man den Brunnen nicht berücksichtigt.

„Askans Schloss“, sagt Meitor grinsend, als sie meinen offenen Mund bemerkt. „Sieht ganz schön groß aus, oder?“

„Allerdings!“

Wie viele Stockwerke mag es haben? Bestimmt zehn. Den Haupteingang bildet ein Tor mit zwei Flügeln, die beide offen stehen. Eine breite Treppe führt zu ihm hinauf. Mehrere Wachen stehen davor.

Und Gaskama.

Meitor hält den Wagen vor der Treppe an. Gaskama kommt zu uns und hilft mir, vom Wagen zu steigen. Eigentlich bräuchte ich diese Hilfe nicht und sonst macht Gaskama das nie, aber ich habe das Gefühl, es ist jetzt wichtig, deswegen lasse ich mir helfen.

„Der Hofstaat beobachtet dich aus den Fenstern“, sagt Gaskama leise. „Es ist hilfreich, wenn du einige Dinge anders machst, als du es gewohnt bist. Lass dich von mir führen.“

„In Ordnung. Wo ist Askan?“

„In einer Kabinettssitzung. Er hat darum gebeten, dass du erst ein Kleid anziehst, bevor er dich seinen Ministern vorstellt.“

Ich schließe kurz die Augen. Zwar habe ich keine Ahnung, was ein Minister macht, aber sie scheinen wichtig zu sein, wenn Askan so eine Bitte äußert. Eigentlich ist es ja auch keine Bitte, egal wie Askan es formuliert hat.

Ich nicke also und folge Gaskama die Stufen hinauf und in das Schloss.

Hier stockt mir erneut der Atem. Durch das Tor gelangen wir in eine Halle, die mir größer zu sein scheint als Lord Sakumos gesamtes Schloss. Zu beiden Seiten führen Treppen nach oben, geschwungen in einem Bogen. Gegenüber dem Tor befindet sich eine Tür, die jetzt offen steht und einen Saal dahinter erkennen lässt.

„Der öffentliche Sitzungssaal, in dem Askan das Volk empfängt“, erklärt Gaskama. „Folge mir.“

Wir gehen nach rechts und dann durch einen langen, breiten Korridor, von dem einige Türen abgehen, die alle verschlossen sind. Fackeln an den Wänden vertreiben die Dunkelheit.

Gaskama bleibt schließlich vor einer Tür stehen, öffnet sie und lässt mich vortreten. Der Raum dahinter ist vermutlich groß, aber so genau kann ich das nicht erkennen, denn er ist voll mit Schränken, in den sich Kleider befinden.

Sehr viele Kleider.

„Die Kleider gehörten Askans Frau“, sagt Gaskama.

Ich fahre herum.

„Sie ist bereits vor sehr vielen Numoas gestorben, als sie ihm ein Kind gebären wollte. Beide sind dabei gestorben. Es hat lange gedauert, bis Askan wieder lächeln konnte. Sie hatte ungefähr deine Größe, such dir bitte ein Kleid aus.“

„Ich soll …?“

Er nickt.

„Aber ich weiß doch gar nicht, welches Kleid ich anziehen soll! Es sind ja … ziemlich viele!“

Gaskama mustert mich, dann winkt er mir zu und hält auf irgendeinen Schrank zu. Das heißt, er scheint genau zu wissen, wo er hin will, aber für mich ist das einfach nur einer von sehr vielen Schränken mit Kleidern darin.

Nach kurzem Überlegen zieht Gaskama ein Kleid hervor und hält es mir hin. Dann zeigt er auf den Boden des Schranks.

„Da findest du passende Schuhe dazu. Sag Bescheid, wenn du fertig bist.“

„Ich … ich soll das allein anziehen?“

„Du möchtest sicher nicht, dass ich dich nackt sehe.“

Damit hat er allerdings recht, also nicke ich nur stumm. Nachdem er sich entfernt hat, betrachte ich das Kleid. Grundsätzlich ist es nicht anders als die Kleider, die ich früher trug. Es ist nur dicker, es ist verziert, es ist komplizierter. Aber es ist ein Kleid mit einem Oberteil und einem Unterteil. Ich kann erkennen, wo mein Kopf hindurch kommt, wo meine Arme hingehören und demzufolge steht es auch fest, wo ich meine Beine hindurch stecken muss.

Seufzend ziehe ich Askans Hemd und Hose aus, dann steige ich in das Kleid. Bis zu diesem Teil ist es einfach. Ich schaffe es auch, meine Arme durch die Ärmel zu zwängen. Aber dann stehe ich vor dem unlösbaren Problem, das Kleid am Rücken zuzuschnüren.

Nach einigen erfolglosen Versuchen ziehe ich die Schuhe an, halte das Kleid fest, damit es nicht herunterrutscht, und gehe zur Tür.

Gaskama sieht mich fragend an. Ich stelle mich mit dem Rücken vor ihn. Er lacht leise auf, dann hilft er mir. Das Kleid sitzt ziemlich eng, aber ich kann noch atmen.

„Geht es?“

„Ich komme mir etwas eingeengt vor.“

„Das gehört dazu. Du bist sogar etwas schmaler gebaut als Askans Frau. Vorne.“

„Sie hatte größere Brüste.“

„Genau. Komm.“

Wir gehen denselben Weg zurück, den wir von der Eingangshalle aus gekommen sind, und nehmen nun einen anderen Korridor, der neben dem Sitzungssaal beginnt. Auch diesmal kommen wir an verschlossenen Türen vorbei, hinter denen sich die Räume der Minister verbergen, wie Gaskama mir erklärt.

Ich werde mich hier nie zurechtfinden!

Diesmal hält Gaskama auf eine Tür zu, vor der zwei Wachen stehen. Sie öffnen uns die Tür und verbeugen sich, während wir an ihnen vorbeigehen.

Askan sitzt am Kopfende eines großen Tisches, um diesen herum viele Männer. Durch deckenhohe Fenster kommt Licht herein. An den Wänden sind bestimmt Dutzende von Fackelhaltern. Wahrscheinlich brauchen Minister einfach nur besonders viel Licht. Ich nehme an, es ist wichtig, was sie tun.

Dann starre ich Askan an, der sich jetzt erhebt und mit einem Lächeln auf mich zukommt.

„Da bist du ja, meine Liebe. Das Kleid steht dir ausgezeichnet.“ Er nimmt meine rechte Hand und küsst sie sanft. Dann wendet er sich an die Minister. „Meine Herren Minister, darf ich Euch vorstellen? Kyo, die mich aus Iokya hierher begleitet hat. Sie wird ins Schloss einziehen. Bitte behandelt sie wie mich.“

Die Minister beginnen zu murmeln, einige reden miteinander. Ich verstehe jedenfalls kein Wort, und das ist mir auch egal, denn ich starre nur Askan an.

Wie bringe ich ihn dazu, dass wir baden gehen? Jetzt sofort?

Askan beugt sich vor und bringt seine Lippen näher. Leider nicht meinem Mund, sondern meinem rechten Ohr.

„Gaskama wird dich herumführen“, flüstert er. „Wir sehen uns nachher.“ Dann lächelt er mich an und geht zurück an den Tisch.

Gaskama berührt kurz meinen Arm und ich folge ihm nach draußen. Dort atme ich erst einmal tief durch, ich weiß nicht, zum wievielten Mal heute.

„Die Minister waren ziemlich erstaunt“, bemerkt Gaskama.

„Ich habe kein Wort verstanden.“

„Nun, sie wussten, dass Lord Sakumo sozusagen um Hilfe gebeten hat. Es ist nicht schwer zu erraten, dass du die blonde Frau bist, die dem guten Lord das Fürchten beigebracht hat. Deine offensichtliche Stellung nun ist zumindest unerwartet. Und für den Lord wird es ein Affront sein, denn er wird es natürlich erfahren.“

„Hm. Lassen es eigentlich die Regeln hier zu, dass ich den Kerl umbringe, wenn ich ihn das nächste Mal sehe?“

Gaskama lächelt leicht. „Lord Sakumo ist bei niemandem beliebt, denke ich, aber er ist trotzdem ein Lord. Du würdest den König in eine schwierige Lage bringen.“

Das will ich natürlich nicht, also seufze ich.

„Gibt es dafür auch einen Namen?“, erkundige ich mich. „Ich meine, dass man so aufpassen muss, was man tun darf? Oder sogar sagen?“

„Politik“, antwortet Gaskama knapp. „Damit solltest du dich aber nicht belasten, zumindest jetzt noch nicht. Komm, ich zeige dir das Schloss.“

Ich folge ihm den Korridor zurück. Dabei fällt mir etwas ein. „Was ist eigentlich ein Affront oder was du vorhin gesagt hast?“

„Eigentlich ist es nur eine Beleidigung, aber eben eine öffentliche. Lord Sakumo sieht dich als hinzurichtende Verbrecherin an. Schon die Tatsache, dass der König das nicht zugelassen hat, war eine Demütigung für ihn. Und nun darfst du dich völlig frei in seinem Schloss bewegen.“

„Und mit ihm baden.“

„Auch das, wobei ich glaube, das würde der gute Lord sowieso nicht wollen. Ich meine, mit dem König baden.“

Ich muss lachen. So sehr, dass ich irgendwann kaum noch Luft bekomme. Schließlich gelingt es Gaskama, mich so weit zu beruhigen, dass ich wieder atmen kann. Dann mustert er meine Kleidung.

„Eigentlich haben feine Damen immer ein Täschchen bei sich und darin unter anderem ein Taschentuch. Das wäre jetzt ganz praktisch, um dein Gesicht wieder herzurichten.“

„Ja, ganz sicher sogar.“ Ich lehne mich keuchend gegen die Wand und will mein Gesicht mit den Ärmeln abwischen. Er hält meine Arme fest und erledigt es mit seinen Ärmeln. „Aber warum sagst du auch solche Sachen?“

„Es war gar nicht meine Absicht, dich damit zum Lachen zu bringen.“

„Hast du aber. Außerdem war das gelogen.“

Er wendet sich ab, trotzdem sehe ich noch, dass er grinst.

Dann stehen wir in der Halle. Er deutet auf die Treppen. „Das Erdgeschoss ist öffentlich, zumindest zum Teil. Da oben sind private Gemächer. Im ersten Geschoss die Gemächer des Königs, darüber des Hofstaats.“

„Wie viel Hofstaat hat er denn?“, frage ich mit aufgerissenen Augen.

„Einen ziemlich großen. Du wirst ihn mit der Zeit kennenlernen. Jetzt zeige ich dir den Garten.“

Ich folge ihm, kann aber den Blick nicht von der linken Treppe wenden. Acht Etagen für den Hofstaat?

Dann betrachte ich meine Ärmel. Eigentlich sind sie viel zu lang, sie bedecken auch meine Hände teilweise. Allerdings sind sie bis zu den Handgelenk eng, danach weiten sie sich und sind durchsichtig. Vielleicht ist das doch Absicht. So eine durchsichtige Stelle hat auch der Rock am Ende. Überhaupt reicht das Kleid fast bis zum Boden, dadurch sieht man meine Schuhe nur beim Gehen.

„Gaskama!“

„Ja?“

„Sind alle Kleider hier so seltsam?“

„Seltsam?“

„Na ja, das zum Beispiel!“ Ich halte meine Hände hoch.

„Das gehört sich so und sieht schön aus.“

„Ehrlich?“, frage ich verblüfft. „Ich finde das eher lästig.“

„Du wirst dich daran gewöhnen. Andere haben das auch geschafft.“

„Hm.“

„Hör zu, Kyo, ich habe ja selbst gesehen, wie du mit bloßen Händen einen erfahrenen Söldner umgebracht hast. Das hat dir den Respekt meiner Leute eingebracht, und meinen auch. Aber wenn du in der Nähe des Königs sein willst, dann bedeutet es, dass du lernen musst, dich wie eine Dame zu benehmen.“

„Wie eine was?“

„Wie jemand, der so ein Kleid trägt.“ Er dreht sich um und geht weiter.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine Dame sein will und kann, aber ich will auf jeden Fall in der Nähe des Königs sein. Wieso reicht es ihm nicht, den ganzen Tag zu baden? Das ist ja furchtbar.

Dann laufe ich hinter Gaskama her und hole ihn in erst draußen ein.

Schon wieder stockt mir der Atem. Was ein Garten ist, weiß ich ja eigentlich. Der Alte hatte auch einen Garten. Und das Haus, in dem Grauhaar wohnt. Aber das hier? Das ist doch kein Garten, das ist ein ganzes Land!

Wie weit er sich nach vorne erstreckt, kann ich nicht erkennen. Zur linken Hand sehe ich die Mauer, aber sie ist weit entfernt. Zur rechten Hand ebenso. Links sieht es so aus, als wären da unterschiedliche Bereiche. Und rechts eigentlich auch, aber andere.

„Das … das ist ja … irgendwie ziemlich groß!“

„Das ist wahr. Da links ist unter anderem der Übungsplatz der Leibgarde, deren Kommandant ich bin. Da sie sich immer dort aufhält, wo der König auch, über wir auch hier im Schloss, im Gegensatz zu den gewöhnlichen Soldaten, die nicht auf der Burg wohnen. Dort befindet sich außerdem auch die Schule, außer im Oseum.“

„Wo ist sie dann?“

„Gar nicht. Dann haben die Kinder frei.“

„Sehr sinnvoll. Gefällt mir.“

„Keine Sorge, du bist schon zu groß für die Schule.“

Ich starre ihn an. Manchmal sagt er Sachen mit völlig ernstem Gesicht und ich weiß dann nicht, was ich davon halten soll. So wie jetzt.

„Oder hast du dir doch Sorgen gemacht?“

„Nein! Aber du sollst wenigstens lächeln, wenn du einen Scherz machst!“

„Ist das ein königlicher Befehl?“

„Ja!“

„Ist gut.“

Jetzt muss ich doch grinsen, und er dann auch.

„Und was ist rechts?“

„Die Lustgärten des Königs und des Hofstaats.“

„Lustgärten?“

„Das heißt so. Es sind Gartenanlagen mit Brunnen, verschiedenen Bäumen. Sitzbänken. Und so halt.“

„Da hältst du dich eher selten auf, oder?“

„Nur wenn der König mich dabei haben will. Das kommt vor.“

„Und gibt es noch etwas?“

„Gibt es. Das Beste habe ich zum Schluss aufgehoben. Komm mit!“

Ich folge ihm zwischen die Bäume vor uns, also weder nach rechts noch nach links. Nach ein paar Schritten gelangen wir zu einem Gittertor, dahinter beginnt eine Brücke. Aus Holz, nicht aus Stein, das finde ich gut. Aber wozu eine Brücke mitten im Wald?

Dann sehe ich es. Die Brücke führt nach oben, erst ganz leicht, dann windet sie sich im Kreis und steigt dabei immer höher. Spiralförmig, erklärt Gaskama auf meine Nachfrage. Das sei so was wie eine Wendeltreppe, bloß ohne Stufen. Als ich ihm sage, dass ich nicht weiß, was eine Wendeltreppe ist, seufzt er nur.

Die Brücke führt über die Bäume hinaus und endet in einem Turm. Der Turm ist an einer Stelle überdacht, als Schutz vor Regen. Im blöden Oseum. Den ich sowieso hasse.

Aber der Turm ist atemberaubend. Dadurch, dass er weit über die Bäume hinausragt, kann man von hier aus alles sehen. Jedenfalls die gesamte Stadt, die Felder und auch den Wald dahinter, durch den wir hinabgestiegen sind. Dieser Turm macht es unmöglich, die Stadt unbemerkt zu überfallen.

Allerdings ist es windig und kalt, vor allem in einem Kleid.

Die vier Soldaten, die gerade Wache halten und zur Leibgarde gehören, wie ich von Gaskama erfahre, mustern mich neugierig. Ob das daran liegt, dass ich eine Frau bin und sich Frauen eher selten hierher verirren, oder daran, dass sie irgendwie wissen, wer ich bin, das ist mir nicht klar.

„Habe ich recht?“, erkundigt sich Gaskama, während er neben mir steht und auf die Stadt schaut. „Ist das das Beste?“

„Auf jeden Fall!“

„Besser noch als Askan?“

Ich sehe ihn an. „Natürlich nicht. Du hast das Lächeln vergessen!“

„Entschuldige.“ Aber er sieht nicht sehr zerknirscht aus.

„Dir ist kalt, glaube ich. Wollen wir wieder ins Schloss gehen?“

Ich nicke und werfe einen letzten Blick auf die riesige Stadt. Mir kommt der Gedanke, dass es schon eine unglaublich große Verantwortung ist, nur für diese Stadt zu sorgen. Aber Askan ist ja der König eines ganzen Landes. Das ist eine unvorstellbare Verantwortung. Für mich zumindest.

Gerade als wir das Schloss betreten, ertönt der Gong und es wird dunkel. Draußen jedenfalls. Im Schloss leuchten ja überall Fackeln.

Gaskama begleitet mich zum Ministersaal. Der auch Sitzungssaal heißt, wie ich dann erfahre. Das ist der kleine Sitzungssaal. Obwohl er schon ziemlich groß ist, aber natürlich nicht so groß wie der Saal für das Volk. Die Minister sind ja auch viel weniger, also irgendwie sinnvoll gemacht.

Askan sitzt allein am großen Tisch und ist am Lesen. Als wir eintreten, blickt er auf und lächelt mich an. Ich gehe zu ihm, unsicher, was ich nun darf und was nicht. Er scheint es zu bemerken, denn plötzlich umfasst er meine Taille und zieht mich auf seinen Schoß.

„Darf eine Dame das?“, erkundige ich mich.

„Nein“, erwidert Askan nach einem fragenden Blick auf Gaskama. „Aber Kyo darf das. Zumindest wenn wir unter uns sind.“

„Gaskama zählt zu unter uns?“

„Manchmal. Nicht immer.“

Das scheint ein Zeichen zu sein, denn Gaskama dreht sich um und verlässt den Sitzungssaal. Den kleinen. Obwohl er mir ziemlich groß vorkommt für zwei Menschen, selbst wenn einer der beiden so groß ist wie der König.

„Du hast ein schönes Kleid an“, stellt der fest.

„Ja. Gaskama hat mir erzählt, wem es gehört hat.“

„Ich habe es vermutet.“ Er lässt den Blick zum Fenster schweifen, doch draußen ist es völlig dunkel, da ist nichts zu sehen. Dann berühren seine Fingerspitzen mein Gesicht, wandern über den Mund. „Das ist lange her, und jetzt bist du da. Deine Schönheit verdient schöne Kleider.“

„Jetzt bin ich nicht nur hübsch, sondern auch schön?“

„Stört dich das?“

„Ich verstehe ja nicht einmal den Unterschied.“

„Es gibt ja auch keinen.“

„So, so.“

Seine blauen Augen schauen jetzt in meine Augen, dann lässt er seine Lippen näherkommen. An meinen Mund. Endlich. Wir verschmelzen, so fühlt es sich zumindest an. Eine Hand liegt auf meiner Hüfte, mit der anderen Hand erforscht er meine Brüste. Allerdings durch den Stoff hindurch, was ich eigentlich für keine so gute Idee halte. Aber ich sehe keine Möglichkeit, selbst daran etwas zu ändern, so gelenkig bin nicht einmal ich, die kunstvolle Verschnürung des Kleides zu lösen. Jedenfalls nicht ohne Hilfe.

Ich löse mich von seinen Lippen. „Schlafen wir hier?“

„Hier? Im Sitzungssaal?“

„Wo schlafen wir dann?“

„Ich schlage vor, im königlichen Schlafgemach.“

„Dass es so was gibt, hätte ich mir ja denken können. Und wie kommen wir dahin? Kennst du den Weg? Ich nämlich nicht.“

„Das traue ich mir durchaus zu, den Weg zu finden“, erwidert er und spielt jetzt mit meinen Lippen.

„Wir müssen über die Treppe nach oben, nicht wahr? Und vorher in die große Halle? Das ist ein ziemlich weiter Weg!“

„Bist du etwa müde?“

„Ja!“, erwidere ich und lege die Arme um seinen Hals.“Sehr müde!“

„Heißt das, du möchtest sofort schlafen?“

„Das entscheide ich dann, wenn wir im königlichen Schlafgemach sind, König Askan!“

Er lacht auf. „Ich glaube, es wird dir gar nicht so schwerfallen, dich wie eine Dame zu benehmen.“

„Ach?“

Statt einer Antwort erhebt er sich und trägt mich auf den Armen. Die Wachen blicken etwas erstaunt, als sie uns sehen, ansonsten zeigen sie keine Reaktion. Außer dass sie uns folgen.

„Kommen die auch ins königliche Schlafgemach?“, frage ich flüsternd.

„Sie bleiben davor stehen.“

„Dann hören sie es ja, wenn ich schreie!“

„Und? Das haben die Soldaten draußen ja auch gehört.“

„Stimmt.“ Und daran habe ich noch gar nicht gedacht. Also haben die wirklich alles gehört? Gaskama? Und Meitor? Ich spüre, dass ich rot werde.

„Hier werden es nur die beiden hören, unterwegs war es die gesamte Leibgarde.“

Das tröstet mich gerade überhaupt nicht. Was müssen die gedacht haben, als sie meine Schreie gehört haben? Sind alle Frauen so laut dabei? Beim Akt der Liebe?

„Meine Liebe, war dir das gar nicht klar?“

Ich verneine kopfschüttelnd. „Darüber habe ich nicht nachgedacht. Das alles war für mich … ziemlich neu.“

„Ich verstehe.“

Ich küsse ihn. „Ich liebe es. Kann ich etwas lieben, was du sagst? Geht das? Oder kann man nur andere Menschen lieben?“

„Das geht auch.“

„Ist gut.“ Er lacht und ich muss mitlachen. „Ich liebe es, wenn du sagst, dass du es verstehst.“

Wir erreichen die große Halle und Askan geht die Treppe, die näher ist, hoch. Die Wachen folgen uns unbeirrbar in einigem Abstand. Ich frage mich, welche Gefahr sie hier im Schloss für den König befürchten. Außer mir kommt gerade niemand nahe an ihn heran, und wenn ich ihm etwas tun wollen würde, könnten sie das sowieso nicht verhindern.

Eigentlich ist es aber so, dass ich ihn beschützen würde, gegen jeden, und vielleicht könnte ich das sogar besser als sie. Die Reaktionen der Soldaten und auch des Königs deuten immerhin darauf hin, dass es etwas Besonderes ist, Moyto so getötet zu haben, wie ich es getan habe. Und das heißt ja, dass ich ziemlich gut kämpfen können muss. Besser als die Soldaten. Also auch besser als die Wachen. Seitdem ich die Wärter aus den Kerkern in Iokya getötet habe, weiß ich das sogar. Allerdings weiß ich nicht, wieso ich das so gut kann.

Askan hält vor einer dunklen, schweren Tür mit zwei Flügeln an. Als ich ihn schon fragen will, worauf er eigentlich wartet, öffnen die Wachen die Türen, er geht mit mir auf den Armen hindurch und die Wachen schließen von draußen die Tür wieder.

Anscheinend ist es unüblich, dass ein König Türen selbst öffnet. Sollte ich mir merken.

Der Raum, in den wir kommen, ist größer als der kleine Sitzungssaal. Und weil darin ein Bett steht, muss er das Schlafgemach sein. Ein ziemlich großes Bett mit einem eigenen Dach. Die eine Wand des Gemachs nehmen die Fenster ein, die vom Boden bis zur Decke reichen. Außerdem gibt es noch einen Tisch und Stühle.

„Ist das dein Bett?“, erkundige ich mich. „Darin hat ja die gesamte Leibgarde Platz!“

„Ein König braucht nun einmal Platz für seine Damen.“

„Was?!“

„Das war ein Scherz. Obwohl, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich auch solche Vorfahren habe, die sich mit mehreren Damen in diesem Bett vergnügt haben.“

„Aha.“

Askan legt mich auf dem Bett ab und deutet auf eine Tür. „Dort geht es in den Baderaum ...“

„Mit Badewanne?!“

„Auch das“, erwidert er lachend. „Außerdem gibt es dort Gelegenheiten, deine Bedürfnisse zu erledigen. Jetzt ist kein Wasser in der Badewanne, dafür müssten wir den Kammerzofen Bescheid sagen. Wenn du baden möchtest, lasse ich Badewasser herrichten.“

Ich weiß zwar nicht, was Kammerzofen sind, aber ich will nicht, dass jetzt meinetwegen Leute Arbeit habe und schüttele den Kopf.

„Was … was machen Kammerzofen?“

„Sie helfen dir bei allem.“

„Auch beim Anziehen?“

„Ja, bei diesen Kleidern ist das auch nötig.“

„Ich weiß! Ich könnte es auch nicht allein ausziehen, höchstens mit einem Messer.“

„Dafür gibt es ja die Kammerzofen. Soll ich sie rufen?“

„Kannst du es denn nicht ausziehen?“

„Doch. Meinst du, ich als König sollte so was tun?“

Ich sehe ihn unsicher an. Ihm sollte ich auch noch sagen, dass er lächeln soll, wenn er einen Scherz macht.

Jetzt grinst er. „Natürlich mache ich das. Ich will gar nicht, dass eine Zofe das macht, wenn ich dabei bin.“

„Ist gut.“

Auch diesmal bringe ich ihn damit zum Lachen. Er setzt sich auf das Bettende und zieht mir erst einmal die Schuhe aus, während ich daliege und ihn mit erhobenem Kopf beobachte.

„Deine Füße sind ja nackt.“

„Ja. Wieso?“

„Hat Gaskama dir nicht gesagt, dass Strümpfe üblicherweise unter einem Kleid getragen werden?“

Statt einer Antwort ziehe ich den Rock hoch, bis er sehen kann, dass ich wirklich gar nichts darunter trage. Stirnrunzelnd sieht er es sich an.

„Er hat mir nur dieses Kleid ausgesucht und dann gesagt, dass ich die Schuhe darunter dazu anziehen soll.“

„Daran sieht man, dass Gaskama ein Soldat ist. Er kennt zwar die höfischen Regeln, aber er mag sie nicht besonders.“

„Das wundert mich nicht.“

„So, so. Du wirst trotzdem lernen müssen, dich wie eine Dame zu verhalten.“

„Ich weiß. Gilt das auch, wenn wir alleine sind?“

„Nein, dann darfst du die Wildkatze sein.“

Ich setze mich auf. „Ist gut!“

Kopfschüttelnd erhebt er sich und zieht seine Kleidung aus. Ich kann sofort sehen, dass er jetzt wirklich die Wildkatze sehen möchte, nicht die Dame. Ich stehe im Bett auf und drehe ihm den Rücken zu. Er geht hinter mir auf die Knie und öffnet die Seile des Kleides, dabei murmelt er etwas von Kommandanten einer bestimmten Leibgarde, die eine Zofe zur Hilfe rufen sollten, wenn sie nicht wissen, wie man das Kleid einer Dame schnürt. Trotzdem schafft er es irgendwann und streift das Kleid langsam über meine Schultern und dann nach unten. Als ich mich umdrehen will, hält er mich an den Taille fest und beginnt, meinen Rücken zu küssen, was mich erschaudern lässt.

„Ist dir das unangenehm?“

„Nein“, antworte ich und meine Stimme klingt seltsam heiser. „Mach weiter.“

Das tut er dann auch und er begrenzt die Küsse nicht auf den Rücken. Als über meinen Po und Oberschenkel sie schließlich meine Kniekehlen erreichen, kann ich mich nicht mehr beherrschen und lasse mich sinken. Er legt seine Arme um mich und zieht mich an sich, sodass mein Rücken an seine breite Brust gedrückt wird. Zugleich spielen seine Hände mit meinem Bauch, und eine wandert dabei nach oben, eine nach unten.

„Bist du bereit?“, flüstert er in mein Ohr.

Statt einer Antwort greife ich zwischen meinen Beinen nach seinem Glied, erhebe mich etwas und lasse es langsam in mich eindringen. Seine Hände umschließen meine Brüste, während ich mit einer Hand nach seinem Kopf greife und ihm so das Gesicht zuwende, dass ich ihn küssen kann.

„Ist es dir so bequem genug?“, erkundigt er sich, ohne mit dem Küssen aufzuhören.

„Wildkatzen brauchen es nicht bequem, sondern wild.“

Das brauche ich ihm anscheinend nicht zweimal zu sagen. Ich nehme eine seiner Hände und führe sie zwischen meine Schenkel, bewege meinen Unterleib vor und zurück, dabei komme ich seinen Stößen immer wieder entgegen. Er wird immer härter und größer in mir, und es dauert nicht lange, bis er seinen Höhepunkt hat. Und ich meinen.

Ich verharre bewegungslos und genieße das Gefühl der Entspannung, das sich in mir ausbreitet. Askan scheint es genauso zu ergehen, was schließlich dazu führt, dass er aus mir gleitet.

Ich blicke ihn lächelnd an. „Ein Akt der Liebe.“

„Ein Akt der Liebe“, erwidert er. „Was machst du nur mit mir?“

„Einen Akt der Liebe?“

Er lacht. „Ja, in der Tat. Aber wie hast du es geschafft, dass ich dir so verfallen bin?“

„Du scheinst Wildkatzen zu mögen.“

„Das ist wohl wahr. Aber du bist nicht bloß irgendeine Wildkatze. Du trägst ein Geheimnis in dir.“

„Ja, aber es ist auch für mich ein Geheimnis.“

„Wir werden es ergründen. Gemeinsam.“

„Das werden wir, mein Wildkatzenbändiger. Aber nicht jetzt.“

„Ich bin mir nicht ganz sicher, wer hier wen bändigt“, murmelt er. „Davon abgesehen hast du natürlich recht. Bist du jetzt so müde, dass du schlafen möchtest?“

„Du nicht?“

„Wir können es ja versuchen.“

Das tun wir. Unter einer Decke, unter der sich viele Wildkatzen für lange Zeit verstecken könnten. Wäre Askan nicht dabei, käme ich mir wohl sehr verloren vor. Aber er ist da und hält mich fest. Bis wir allerdings einschlafen, dauert es noch etwas.

Fiona - Reloaded

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