Читать книгу Teirish Dominion - A. Kaiden - Страница 12

Kapitel 8

Оглавление

Melisse – Sonntagnacht

Nun habe ich mich doch noch mal aus meinem Zimmer getraut, nachdem ich meinen schweren Anflug von Depression überwunden habe. Die Zeit drängt und ich bin mir meiner Aufgabe bewusst. Ich kann nicht lange in Selbstmitleid ausharren. Das weiß ich und genau deshalb habe ich das zweite Stockwerk verlassen, das hauptsächlich Duschen, Küchen, Schlaf- und Speisesäle zu bieten hat, und befinde mich nun im dritten Stockwerk, das eine Art Vergnügungsmeile darstellt. Hier reihen sich etliche Bistros, Cafés, Bars und Restaurants nebeneinander. Leider habe ich absolut keine Orientierung und laufe soeben das dritte Mal an einem kleinen Café im Stil der 50er Jahre vorbei. Verlegen kratze ich mich am Kopf, als ich bemerke, dass zwei ältere Damen mich amüsiert mustern. Wärme schießt in meine Wangen und ich beeile mich, schnell aus dem Blickfeld der Frauen zu kommen, indem ich um die nächstbeste Ecke biege. Erst dort bemerke ich, dass meine Füße vor Schmerz unangenehm zu pochen beginnen. Kein Wunder, ich bin ganz schön lange unterwegs gewesen. Das bin ich nicht gewohnt. Meistens verkrieche ich mich daheim in mein Zimmer oder hänge mit Freundinnen ab. Viel Bewegung ist da nicht drin. Das rächt sich nun. Müde blicke ich auf meine kleine Armbanduhr. Es ist mittlerweile fast ein Uhr. Um diese Zeit schlafe ich für gewöhnlich längst, denn ich bin keine Partygängerin. Leider bin ich noch keinen Schritt weiter. Das Gefühl des Versagens steigt in mir auf und bestärkt meine Mattheit. Ich blicke mich in dem lichtüberfluteten Gang kurz um und entscheide mich für ein recht winziges Café, bei dem nur drei Tische vorhanden sind, die mehr im Flur anstatt in dem kleinen Raum selbst stehen. Von hier habe ich den Flur und die vorbeilaufenden Passagiere im Blick. Ich möchte die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich eventuell ein Hinweis ergibt. Erschöpft lasse ich mich auf einen der ungemütlichen Holzstühle nieder und strecke meine Beine. Ich werde nur etwas trinken und dann zu Bett gehen. Denn ich bin viel zu müde, um noch Großes zu erreichen. Besser ich schlafe aus und bin morgen fit und somit wachsamer.

Meine Augen schweifen ruhelos im Gang umher und ich kneife sie leicht zusammen, denn das helle Licht blendet mich. Im Gegensatz zu den edlen Gängen des zweiten Stockes sind diese hier modern wie in einem riesigen Kaufhaus. So große Gegensätze habe ich nicht erwartet. Das dritte Stockwerk wirkt auf mich wie ein völlig anderes Schiff. Ich seufze leicht auf. Die Teirish Dominion ist wirklich ein Luxusdampfer. Jedoch sind es für mich zu viele neue Eindrücke in der kurzen Zeit.

„Ja, bitte?“

Ich zucke beim Ton der eindeutig genervten Stimme zusammen und blicke irritiert auf. Vor mir steht ein kleiner, untersetzter Mann mit Halbglatze und starrt mich gelangweilt an. Wahrscheinlich habe ich ihm seinen Feierabend vermiest.

„Ich … ich hätte gern einen Tee, bitte“, bringe ich zaghaft hervor und habe das Gefühl, noch kleiner zu werden, als ich ohnehin bin.

„Geht es auch etwas genauer?“, fragt er barsch zurück.

Ich schlucke leicht und ringe mich zu einem Lächeln durch, in der Hoffnung, ihn etwas milder stimmen zu können. Doch vergebens. Seine Mimik bleibt unverändert hart.

„Etwas Fruchtiges, bitte. Ich verlasse mich auf Ihre Empfehlung. Könnten Sie es auf mein Zimmer anschreiben?“

„Sicher“, gibt er schroff zurück, dreht sich mit Schwung um und stapft hinter die Theke. Ein Kälteschauer durchfährt meinen Körper und lässt mich zittern. Ich möchte nur schnell etwas trinken und weg. Wenn er unbedingt schließen möchte, wieso hat er mich dann bestellen lassen? Lieber hätte er sich freundlich erklärt und mich weggeschickt, als mich mit diesem bissigen Ton zu bedienen. Unsicher rutsche ich auf dem Stuhl hin und her. Hätte ich wieder aufstehen sollen, als ich seinen Unmut bemerkt habe? Hätte ich mehr Mitgefühl zeigen sollen? Vielleicht ist es doch meine Schuld?

„Der Tee. Die Zimmerkarte, bitte.“

Wortlos reiche ich ihm meine Karte, die er durch das handliche Scangerät zieht. Es dauert zwar nur einige Sekunden, doch mir kommt es vor wie Stunden, bis endlich das Piepen ertönt und die Buchung bestätigt. Ohne ein weiteres Wort an mich zu verlieren, eilt der untersetzte Mann wieder an mir vorbei und verschwindet in einer Tür hinter der Theke. Ich komme nicht einmal dazu, ihm Trinkgeld zu geben.

Ich kann nicht sagen, das wievielte Mal an diesem Tag es ist, dass ich mich verloren, einsam und fehl am Platz fühle. Irgendwie unerwünscht … Ein trauriges Lächeln kreuzt mein Gesicht und ich atme den aromatischen Geruch des roten Getränks tief ein. Das entschädigt für einiges.

*

Ich lasse den letzten Tropfen des Tees auf meiner Zunge zergehen und stelle dann vorsichtig die Tasse auf den Tisch. Von dem Ladenbesitzer ist natürlich keine Spur mehr zu sehen. Wahrscheinlich hat er Angst, dass ich weitere Bestellungen aufgeben könnte. Viele der Cafés haben mittlerweile geschlossen. Ich strecke mich genüsslich und möchte gerade aufstehen, als mir eine Familie ins Auge fällt, die vergnügt durch die Gänge schlendert. Die Tochter, die in meinem Alter sein dürfte, läuft in der Mitte von ihren Eltern und schäkert ausgelassen mit ihrer Familie. Während ihr etwas älterer Bruder anscheinend genervt und gelangweilt hinterherläuft. Bei genauerem Hinsehen allerdings, bemerke ich ein leichtes Schmunzeln, das seine Mundwinkel umspielt. Ganz zaghaft und unscheinbar. Er ist amüsiert und möchte sich nichts anmerken lassen. Ich verstehe zwar kein einziges Wort, doch ich sehe, dass sie glücklich sind. Sie strahlen von innen heraus. Alle drei. Eine glückliche Einheit. Ich starre gebannt auf die Familie und kann mich ihrem Zauber nicht entziehen, bis sie um die nächste Ecke verschwunden ist. Ein seltsames Gefühl durchströmt mich. Unaufhaltsam und einnehmend. Ist es Neid? Melancholie? Bedauern? Eifersucht? Ich weiß es nicht. Doch was es auch ist, es schnürt mir fast mein Herz zu. Für einen flüchtigen Moment schließe ich meine Lider und versuche, meine Gedanken zu leeren, als würde ich eine kleine Kammer ausfegen. Stück für Stück verschwindet die unsichtbare Schnur, die mein Herz zusammendrückt. Mein Puls beruhigt sich und mein Körper wird wieder leichter. Da sehe ich plötzlich ein Bild vor mir. Erst verschwommen und dann allmählich klarer. Es ist das Bild der Familie von eben, jedoch mit anderer Besetzung. Anstatt den fremden Menschen sehe ich in Gedanken meine Mutter, meinen Bruder vor mir. Gemeinsam mit meinem leiblichen Vater und mir. Ich weiß, dass es Unsinn ist. Ich habe keine Ahnung, wie mein Vater mittlerweile aussieht. Aber das spielt jetzt keine Rolle. Viel wichtiger ist unsere Stimmung in dem bittersüßen Trugbild. Es spiegelt eine unerschöpfliche Quelle von Vertrauen, Sympathie und Geborgenheit wider. Etwas, das er mitgenommen hat, seit er aus unserem Leben verschwunden ist. Ich mache ihm keine Vorwürfe. Er wird seine Gründe gehabt haben, auch wenn diese für mich verborgen bleiben. Es ist nur …

Meine Hände ballen sich zu Fäusten und meine Fingernägel drücken stark in meine Haut, sodass es schmerzt. Warum hat er sich bis jetzt kein einziges Mal gemeldet? Bestimmt könnte ich ihm verzeihen, wenn er sich melden würde. Er kann uns doch nicht vergessen haben? Ich habe kaum Erinnerungen an ihn. Außer alten Fotos ist mir nicht viel geblieben. Wie würde es wohl sein, wenn er nicht gegangen wäre? Wenn er noch hier bei uns wäre und unsere Familie vereint wäre? Würden wir dann auch so fröhlich, ausgelassen und glücklich sein? Abermals schnürt ein unsichtbares Band mein Herz zu und meine Augen beginnen zu brennen. Ja, ich wünschte, er hätte uns damals nicht verlassen, sondern hätte sich gegen diese Frau und für seine Familie entschieden. Doch all meine Wünsche sind vergebens. Bei uns wird es nie idyllisch sein, denn meine Mutter kann ihm nicht vergeben und mir somit auch nicht. Viel zu groß ist die Ähnlichkeit, die mich mit ihm verbindet. Ich kann ihren Schmerz und ihre Wut fühlen, wenn sie mich ansieht. Und es tut mir unendlich leid. Doch ändern kann ich es nicht, oder? Trotzdem versuche ich es immer wieder. Wenn auch nur ein Fünkchen Hoffnung besteht, so muss ich es versuchen. Sie ist doch meine Mutter. Ich liebe sie. Und sie liebt auch mich. Das muss sie einfach. Ich bin doch schließlich ihre Tochter …

Teirish Dominion

Подняться наверх