Читать книгу Killer kommen nicht so leicht davon: 7 Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 27

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Veneras Wagen war ein stahlblauer Javelin. Auf dem Weg nach Staten Island, dem New Yorker Stadtbezirk, der offiziell Richmond heißt, redete der Puerto-Ricaner kein Wort. Zügig lenkte er den sportlich angehauchten Flitzer durch das südwestliche Brooklyn und anschließend über die Verrazzano Narrows Bridge, die Brooklyn und Staten Island miteinander verbindet. Über den Expressway fuhr Venera nach Willow Brook. Eine der besseren Wohngegenden von Richmond.

Beim Abbiegen merkte Taliferro sich die Straßennamen. Er kannte Staten Island nur flüchtig. Und verglichen mit Manhattan, Brooklyn, Queens oder der Bronx erinnerte ihn dieser Stadtteil eher an ein Provinznest als an New York City.

In der Bradley Avenue verringerte Venera das Tempo. Die Fahrbahn führte in weit geschwungenem Bogen knapp unterhalb einer bewaldeten Hügelkuppe entlang. Die Villengrundstücke waren in Grün eingebettet — Baumreihen und Buschgruppen, die in der Dunkelheit wie undurchdringliche düstere Mauern aussahen. Vereinzelt waren die matt erhellten Glasflächen großer Fenster zu erkennen. Zur Linken erstreckten sich die tiefer gelegenen Bezirke des nördlichen Staten Island. Jenseits davon die weite Wasserfläche der Upper Bay und am Horizont das Lichtermeer von Manhattan, Brooklyn und Jersey City.

»Wir sind da«, verkündete Venera überflüssigerweise, als er vor einem fast doppelt mannshohen schmiedeeisernen Portal stoppte.

Taliferro nickte nur. Sie verzichteten darauf, an einem geheimen Treffpunkt mit ihm zu verhandeln. Es machte klar, dass sie sicher waren, ihn in der Hand zu haben. Er hatte sich ihnen ausgeliefert, und wenn er nicht so spurte, wie sie es sich vorstellten, würden sie ihn der Killertruppe der Marchiani-Familie zum Fraß vorwerfen. Was wiederum bewies, dass sie die Rolle, die er spielte, nicht durchschauten.

Das Grundstück war von einer etwa sechs Fuß hohen Backsteinmauer umgeben. Auf dem linken der beiden weißen Torpfeiler prange die Zahl ,23‘ in kunstvoll verschnörkeltem Bandstahl.

Nummer 23, Bradley Avenue, prägte Taliferro sich ein.

Venera betätigte die Lichthupe. Sekunden später glitt das Tor auf Kugellagerrollen beiseite. Im Vorbeifahren sah Taliferro rechts hinter dem Tor eine Bude aus hellem Fichtenholz, ähnlich dem Wachhäuschen einer Kaserneneinfahrt. Licht brannte hinter einem quadratischen Fenster, und die Umrisse eines Mannes waren zu erkennen, der zweifellos die Knöpfe eines Schaltpults betätigte.

Eine von Bäumen umsäumte asphaltierte Allee führte auf die-Villa zu. Der ebenfalls asphaltierte Vorplatz lag im Licht mehrerer Lampen, die altertümlichen Gaslaternen nachempfunden waren.

Taliferro stieß einen überraschten Pfiff aus, als er die langen Reihen der parkenden Limousinen sah. Schätzungsweise vierzig Fahrzeuge.

»Ich sagte doch, der Zeitpunkt ist günstig«, erklärte Taliferro, während er den Javelin in die Nähe des Villeneingangs rangierte. »Eine kleine Festlichkeit. Wir können uns in aller Ruhe zurückziehen und uns unterhalten.«

»Mit ’nem kleinen Drink dabei ist das nicht zu verachten«, grinste Taliferro.

Die Villa war ein zweigeschossiger Koloss mit weiß getünchten Außenmauern und einer Säulenfassade, wie sie bei den Herrenhäusern der Plantagenbesitzer in den Südstaaten üblich waren.

Venera und Taliferro betraten die saalähnliche Halle des Gebäudes. Zwei Männer, die im Eingang Wache hielten, nahmen eine fast militärische Haltung an, als sie den hochgewachsenen Puerto-Ricaner erblickten. Venera gab dem einen ein aufforderndes Handzeichen.

»Melden Sie uns an, Luis! Ich habe Señor Frank Taliferro bei mir. Mehr brauchen Sie nicht zu sagen.«

Luis nickte eifrig und eilte los, quer durch die mit Marmorplatten ausgelegte Halle. Er verschwand durch eine Tür neben dem Treppenaufgang zum oberen Stockwerk.

Taliferro hörte erst jetzt die gedämpften Rhythmen, die aus einem der Räume im Erdgeschoss drangen. Dazu ein Gewirr vielstimmiger Partygespräche.

Unvermittelt flog zur Rechten eine weißlackierte Tür auf. Der Partylärm vervielfachte sich schlagartig.

Ein Mädchen kam in die Halle gelaufen, freudestrahlend, in der Hand ein Longdrinkglas. Sie war gertenschlank, trug ein farbenprächtiges langes Kleid aus indischer Seide, hatte schulterlange kohlschwarze Haare und ein ebenmäßig geschnittenes schmales Gesicht.

Sie verlangsamte ihre Schritte, als sie Venera erblickte.

»Ach, Joaquin, Sie sind es. Ich dachte…« Ihr Blick fiel auf Taliferro, der sie fasziniert betrachtete.

»Sie erwarten noch Gäste, Corazón?«, fragte Venera.

»Ja…«, sagte sie gedehnt und lächelte den Detective Lieutenant an. Seine abgerissene Kleidung schien sie nicht zu stören.

»Frank Taliferro«, sagte er mit einer betont linkisch angedeuteten Verbeugung.

Das Mädchen kam auf ihn zu und gab ihm die Hand.

»Ich bin Corazón Corduro. Ihr Name klingt italienisch. Sind Sie Italiener?«

»Nein. Meine Eltern kamen als Einwanderer in die Staaten.«

»Haben Sie eine Besprechung mit meinem Vater?«

»Das ist richtig«, sprang Venera in die Bresche und wandte sich Taliferro zu: »Corazón feiert heute ihren einundzwanzigsten Geburtstag.«

»Oh!«, rief Taliferro und gab ihr noch einmal die Hand. »Ich gratuliere herzlich, Signorina, auch wenn wir uns erst eine Minute kennen.«

»Danke!«, entgegnete sie lachend. »Sprechen Sie Italienisch?«

»Nur mit scheußlichem amerikanischem Akzent.«

»Das ist trotzdem interessant für mich. Ich studiere romanische Sprachen an der Rockefeller University, wissen Sie. Ich würde mich freuen, Sie noch auf meiner Party zu sehen, wenn Ihre Besprechung mit Papa zu Ende ist.«

»Ich komme gern«, nickte Taliferro und blickte ihr nach, wie sie in die Geräuschkulisse aus Musik und Gesprächen entschwand. Mit dem Schließen der Tür wurde der Lärm geringer. »Bilden Sie sich nichts darauf ein«, sagte Venera. »Corazón ist eine sehr kontaktfreudige kleine Señorita.«

Taliferro starrte ihn aus schmalen Augen an.

»Soll ich Ihnen was sagen, Venera? Dann hören Sie gut zu: Ihre kontaktfreudige kleine Señorita gefällt mir. Aber darüber sollten Sie nicht nachdenken.«

»Sondern?«

»Darüber, dass die kleine Corazón Ihnen und Ihren Leuten verdammte Schwierigkeiten machen kann.«

»Wie meinen Sie das?«, Venera begriff nicht sofort.

»Ich nehme an, dass der alte Corduro Ihr großer Boss ist. Und ich nehme außerdem an, dass der große Corduro ziemlich an seiner kleinen Tochter hängt. Richtig?«

Veneras Miene entspannte sich. Er lachte leise, machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Die Methoden der Mafia sind uns bekannt, Taliferro. Außerdem sagte ich Ihnen schon, dass wir stärker sind als Sie vielleicht annehmen. Nein, für Corazón besteht nicht die geringste Gefahr. Für ihren Schutz ist bestens gesorgt.«

»Wenn Sie davon überzeugt sind, muss es wohl stimmen«, brummte Taliferro. »Außerdem ist es nicht mein Bier.«

»Sie treffen den Nagel auf den Kopf«, Venera nickte bissig.

Der Türwächter namens Luis kehrte zurück.

»Señor Corduro erwartet Sie im Arbeitszimmer.«

»Danke«, sagte Venera und forderte seinen Begleiter mit einer knappen Geste auf, ihm zu folgen. Sie nahmen den gleichen Weg, den auch Luis gegangen war. Hinter der Tür neben dem Treppenaufgang befand sich ein kleinerer Korridor, von dem drei Räume abzweigten.

Das Arbeitszimmer war modern eingerichtet. Weiße Wandschränke und offene Regale, ein ebenfalls weißer Schreibtisch und eine ledergepolsterte Sitzgruppe für Besucher: Eine farbige Luftaufnahme von San Juan, der Hauptstadt Puerto Ricos, zierte die freie Wandfläche neben dem Fenster.

Der Mann, der sich hinter dem Schreibtisch erhob, war klein und untersetzt. Doch der maßgeschneiderte dunkelblaue Anzug, den er trug, glich das Unvorteilhafte seiner Figur aus. Er hatte einen kantigen Schädel und die gleiche kohlschwarze Haarfarbe wie seine Tochter. Corduros Bewegungen strahlten verhaltene Energie aus, und seine dunklen Augen blickten hellwach und forschend.

Er kam hinter dem Schreibtisch hervor und hielt dem miserabel gekleideten Besucher die Rechte entgegen.

»Ich bin Enrique Corduro. Es freut mich, Sie hier zu sehen, Señor Taliferro.«

»Ein prachtvoller Empfang«, grinste der Lieutenant. »Wenn das so weitergeht, fühle ich mich direkt geschmeichelt.«

Corduro lächelte hintergründig und deutete mit einer einladenden Geste auf die Ledersessel.

»Setzen wir uns. Mit ein bisschen Gemütlichkeit redet es sich besser.«

»Sie scheinen zu wissen, worauf’s im Leben ankommt«, stellte Taliferro unverfroren fest. Er hatte beschlossen, die schnoddrige Tour auch in dieser Umgebung beizubehalten.

Killer kommen nicht so leicht davon: 7 Strand Krimis

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