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4 – Nie alleine

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„So“, bat Jonas die Managerin, „fangen wir beide an, dann haben Sie nachher Ruhe.“

Annika nickte knapp. Sie betraten den für die Vernehmungen zur Verfügung gestellten Raum. Ein Raum mit einem Tisch und drei Sesseln, ein schmales Fenster. Kein Schmuck, keine Kerzen, nichts. An der Seite ein Tisch mit Zeitungen. Muffig roch es hier, lange nicht gelüftet. Der Raum wirkte unbewohnt, unbelebt.

„Als erstes möchte ich wissen, mit wem die Verstorbene hier im Urlaub war.“ Fragend sah er die Hotelmanagerin an. „Sie sagten doch, sie war nie allein.“

„Nein.“ Annika lächelte schwach, dann griff sie zum Telefon. „Ich bins. Uschi? Bitte, ich brauch den Namen von Romys aktuellem Begleiter. Du hast gehört, was los ist.“ Sie legte wieder auf. „Der junge Mann heißt Karim Al-Mohandi.“

„Jung? Ein junger Mann?“

„Romy hatte immer … sehr junge Begleiter, ja.“ Annika lächelte etwas gequält weiter, oder war das anzüglich gemeint?

„Gut, ich will den jungen Mann nachher sprechen. Wo finde ich ihn?“

„Seine Zimmernummer ist 65. Romy und ihre Begleiter hatten immer getrennte Zimmer.“

„Aha, danke.“ Er machte sich eine Notiz. „Was können Sie mir über die Verstorbene sagen?“

„Sie hat früher in einer Flüchtlingseinrichtung gearbeitet, aber beim Regierungswechsel ist diese geschlossen worden. Sie wissen ja, was los war, solange Kurz und Strache gemeinsam mit Kickl-‟

„Danke, ja‟, winkte er ab. Er hatte genug über den Innenminister mit dem Polizeipferde-Wachtraum gehört, und über die Behandlung von Asylwerbenden sowieso.

„Sie hat sich bei der Anreise vor ein paar Tagen furchtbar über die Situation und die ganze Politik aufgeregt. Deshalb hat sie Karim bei sich in der Wohnung aufgenommen, hat sie erzählt.“

„Interessant“, meinte Jonas.

Annika sprach schnell, nur mit Mühe kam er mit den Notizen nach. Vor dem Fenster war es grau in grau.

„Meine Sache wärs ja nicht. Jemand in mein Zuhause lassen, den ich kaum kenne – nein danke.“ Annika schüttelte sich.

„Was hat sie denn hier so gemacht?“, fragte er.

„Das, was alle machen – entspannen. Massagen, Kosmetik, Schwimmen. Halt … speziell.“

„Wie jetzt … speziell?“

„Na mit den jungen Männern.“ Annika zwinkerte ihm zu.

„Bitte erzählen Sie.“

„Sie hat immer einen jungen Mann mitgenommen hierher auf die Reise. Diesmal war es eben Karim, vor ein paar Monaten war es ein anderer dunkelhaariger Bursch. Wahrscheinlich auch jemand aus dem Flüchtlingsheim oder so.“

„Und?“

„Was schon, und? Sie hat sich halt von denen genommen, was ihr Spaß gemacht hat. Die Romy war nie allein. So eine Frau um die 50 hat halt was zu bieten für junge, mittellose Männer.“

„Ooookay ...“, sagte er, um etwas Zeit zu gewinnen.

„Romy hat ihnen teure Sachen gekauft und sie hierher eingeladen und so. Es gab sogar Beschwerden.“

„So? Worüber denn?“

„Manche Leute haben wohl immer noch ein Brett vorm Kopf, weil Romys Begleiter fremd waren. Und dann, nun ja, jemand hat sich aufgeregt, dass ein so Dunkelhäutiger … Sie wissen schon.“

„Leider, ja.“ Jonas entkam ein Seufzen. Dieser rassistische Mist hörte einfach nicht auf. „Wie auch immer“, erklärte er. „Ich möchte mit dem jungen Mann sprechen. Er müsste eigentlich in der Nähe der Frau gewesen sein.“

„Das kann schon sein. Oder auch nicht. Romy hat jeden Abend ihren Kräutertee in der Bibliothek getrunken.‟

„Welche Sorte?‟

„Das müsste ich erfragen, das weiß ich nicht. Ob da dieser Karim diesmal dabei war, das kann ich wirklich nicht sagen. Sie sehen ja, wir betreiben hier ein großes Wellness-Hotel, ich habe bis über beide Ohren zu tun und jetzt müsste ich eigentlich-‟

Diese Annika redete wie ein Wasserfall, dabei strich sie sich über die immer mehr durcheinander geratenden Haare und klopfte abwechselnd dazu unruhig auf die Tischplatte.

„Sind Sie eigentlich Radfahrerin?

„Wie bitte?‟

„Radsport, machen Sie den?‟

„Nein, wieso?‟

„Egal, ich wollte Sie nur in Ihrem Redefluss stoppen.‟

„Das ist doch die Höhe, Inspektor!‟

„Also, Frau Herzog, ich möchte diesen Karim sprechen.‟

„Ohne Aufsehen, wie ich hoffe.“

„So gut es geht. Bringen Sie mich einfach zu den Zimmern der beiden.“

„In Ordnung.‟

Mit fahrigen Bewegungen stand Annika auf und rückte den fadweißen Sessel zurecht.

Draußen am Gang mussten sie wieder an den Schaulustigen vorbei.

„Wie lang dauert das denn noch, ich hab Hunger!“, drang eine männliche Stimme hervor. Vom Restaurant waberte der Geruch nach gebratenem Saibling, und ein wenig nach Sauerkraut her.

„Wenn Sie Ihre Adressen und Namen nennen und den Kollegen einen Ausweis vorlegen, können Sie einstweilen zum Essen gehen“, bot Jonas an. „Aber Sie verlassen das Hotel nicht.“

Murren kam zur Antwort.

Einige Leute strebten sofort weg, darunter der Bärtige mit der Nudel im Gesicht. Andere ergingen sich in Mutmaßungen, was geschehen war.

„War halt eine Fidele, die Romy, mit all den Burschen“, hieß es. Und: „Schon a fesche Frau.“ Neid klang in der Stimme eines dicken Mannes auf.

Jonas folgte Annika durchs Restaurant, wo immer noch Menschen saßen und Kellner herum eilten. Die Managerin führte ihn zu einer Tür auf der anderen Seite des Lokals, wo sie zu einem Stiegenhaus kamen.

„Bitte“, sagte sie und streckte eine Hand aus Richtung Lift. „Das Zimmer ist oben im 3. Stock.“

Vom Restaurant drangen weiter Stimmen und Geräusche herüber, Gäste eilten die Stiege herunter. Alles wirkte so normal.

„Wer ist eigentlich der nächste Angehörige der Toten?‟, fragte er, während sie auf den Lift warteten. „Damit sie informiert werden können … Ich habe keine Tasche in der Nähe der Toten gefunden.“

„Das weiß ich nicht, Herr Inspektor.“

„Lichtenegger genügt“, sagte er schnell. Im selben Moment kam der Lift und stoppte mit einem sanften Klingeln. Keiner der Gäste beachtete sie.

„Sehen Sie“, sagte er, nachdem sie eingestiegen waren, „es geht ohne großes Aufsehen vonstatten.“

„Hoffen wir‘s“, seufzte die Managerin. „Normalerweise ist das Personal inklusive mir für die Gäste so was wie unsichtbar. Wir machen unsere Arbeit, ohne aufzufallen.‟

Der Lift glitt mit verdächtiger Lautlosigkeit nach oben. Im 3. Stock empfing sie komplette Stille. Niemand war weit und breit zu sehen, man hörte nicht einmal Fernseher oder Radio. Die Zirbenholz-Türen schmückten kleine Kürbis-Fratzen, ein blauer Teppich mit Sternchen-Muster schluckte ihre Schritte.

Annika strebte nach links, stoppte und nahm einen Schlüssel aus ihrer Jackentasche. „Zentralschlüssel“, erklärte sie.

Sie klopfte.

Nichts geschah.

Annika steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür.

„Herr Al-Mohandi? Entschuldigen Sie bitte vielmals die Störung!“, rief sie mit süßlicher Stimme in den Raum. Doch der war leer. So leer, wie ein Hotelzimmer nur sein konnte – ein recht breites, völlig zerwühltes Bett mit dezent grün gemusterten Laken. Im Bad auf den Boden geworfene Handtücher. Nirgends persönliche Gegenstände, keine Kleidungsstücke, nicht einmal ein Socken oder ein Rasierer. Selbst in den Zirbenholzkästen, die Annika öffnete, fehlte jede Spur aktuelelr Benützung.

„Nanu“, war der einzige Laut, der ihr jetzt entschlüpfte.

„Da ist wohl jemand ausgeflogen“, interpretierte Jonas. „Interessante Sache angesichts des Todes seiner Begleiterin.“

Zu Tode entspannt

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