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1 Möglichkeit und Begrenztheit unseres Welterfassens

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Warum reden Menschen miteinander? Um dem anderen seine eigene Meinung aufzuzwingen oder um zu erfahren, wie der andere die Welt sieht und erlebt? In der Auseinandersetzung zwischen Naturwissenschaft und Religion scheint oft die erste Form zu überwiegen. Ich halte nur die zweite Weise für legitim.

Wenn ich die Kommentare zu den Büchern von Dawkins und Schmidt-Salomon auf Amazon.de lese, dann scheint sich eine große Kluft aufzutun zwischen Anhängern und Gegnern einer naturwissenschaftlichen Sicht bzw. einer religiösen Sicht der Dinge. Da zeigt sich eine große Unversöhnlichkeit, und naturwissenschaftlich geht häufig Hand in Hand mit atheistisch, was nicht zwangsläufig so sein müsste.

Mir scheint, dass man wirklich bei der Definition der Begriffe beginnen muss: Was heißt „an Gott glauben“, was heißt „atheistisch denken“?

Und da sehe ich schon eine erste Schwierigkeit: Ich glaube nicht, dass ich das, was alles von Menschen unter „an Gott glauben“ verstanden wird, auf einen Nenner bringen kann. Ich sehe aber sehr wohl die Möglichkeit, zu erklären, warum es zu einer atheistischen Einstellung kommt.

Ich denke, dass ein großer Teil der atheistischen Haltung sich daraus erklärt, wie Religion durch die gesamte Geschichte hindurch gelehrt und gelebt worden ist, bis auf den heutigen Tag. Wenn man sich all das betrachtet, was im Namen der Religion bis in die Jetztzeit - z. B. durch fanatische Muslime - an Verbrechen und Gräuel durch gläubige Menschen und religiöse Institutionen begangen worden sind, dann kann man sich nur mit Abscheu von der Religion abwenden. Was in den christlichen Kirchen im Mittelalter durch Inquisition und Hexenverfolgung, durch Machtanspruch und Unterdrückung geschah, erleben wir heute in einer Neuauflage im islamischen Fundamentalismus. Hier erleben wir hautnah eine Denkhaltung, die radikal von der Richtigkeit ihrer Lehre überzeugt ist und glaubt, alle Menschen, die anders denken, zu dieser Haltung zwingen zu müssen. Einen der in dieser Hinsicht am wichtigsten Sätze habe ich bei Nisargadatta Maharaj gelesen: „Jemand, der glaubt, die Wahrheit für andere zu haben, ist gefährlich.“ Das halte ich für eine fundamentale Erkenntnis. Immer, wenn jemand zu wissen glaubt, wie der andere leben müsste, wird es für diesen anderen bedrohlich und je nach Machtlage lebensgefährlich.

Nun aber zu einer religiösen Haltung, wie ich sie verstehe:

Wie soll sich ein Metzger, der ehrliche Ware zu ehrlichen Preisen anbietet verhalten, wenn er beschimpft wird, weil er in einen Topf geworfen wird mit all jenen Metzgern, die Gammelfleisch umetikettieren, Schwarten und jeglichen Fleischabfall in die Wurst einarbeiten und überhöhte Preise verlangen? Soll er für seine Kollegen die Schuld auf sich nehmen und alle um Verzeihung bitten, soll er sich von ihnen distanzieren, soll er seinen Beruf aufgeben oder soll er zeigen, dass es auch ehrliche Metzger gibt?

Ich habe mich für letzteren Weg entschieden und versuche zu zeigen, dass ein Glaube an Gott nicht gleichzusetzen ist mit all denen, die einen religiösen Glauben als Vorwand benützen, um andere zu bevormunden oder Schlimmeres und der grundsätzlich nicht im Widerspruch steht zu naturwissenschaftlichem Forschen und Denken. Ich hoffe, dass im Verlauf der Abhandlung deutlich wird, wie ich „an Gott glauben“ verstehe.

Ich kann als gläubiger Mensch allen wissenschaftlichen Erkenntnissen voll zustimmen, denn sie beschreiben ja immer nur das Wie. Warum etwas ist, wie es ist, warum die Naturgesetze so sind, wie sie sind und warum es Welt überhaupt gibt, kann die Wissenschaft nie wissen.

Im Grunde finden wir alle die gleichen Gegebenheiten vor, z. B. dass jede Ei- bzw. Samenzelle „von jedem einzelnen Gen entweder die vom Vater oder die von der Mutter vererbte Version, aber nie eine Mischung aus beiden“ (RD 40) enthält.

Der Streit entsteht nun darüber, wie es zu dieser Erscheinung kommt. Und da scheint mir, dass die Antwort in Bezug auf die Ursache entscheidend davon abhängt, ob einer an Gott glaubt oder nicht. Wer nicht an Gott glaubt, wird nie eine Erklärung sehen, die Gott mit einschließt, und wer an Gott glaubt, wird in allem immer das Walten Gottes erkennen.

Das heißt doch, dass die Erklärungen, die wir für die Erscheinungen in der Welt finden, von vornherein davon abhängig sind, ob wir an Gott glauben oder nicht.

Es ist eben nicht so, dass wir durch genaue Erforschung zu Erklärungen kommen, die uns dann nahe legen, an Gott zu glauben oder nicht, sondern es steht schon von vornherein fest, dass unsere Erklärungen unserer Einstellung entsprechen. Nicht die Erklärung bewirkt die Einstellung, sondern die Einstellung beeinflusst maßgeblich und zwangsläufig die Erklärung. Und damit denke ich, ist man einen deutlichen Schritt weiter, denn nun ist klar, dass ich mir gar keine große Mühe zu machen brauche, an Hand meiner Erklärungen auf die Einstellung des anderen verändernd einwirken zu wollen; und das gilt für beide Seiten.

Wir glauben, unsere Haltung – atheistisch oder religiös – damit rechtfertigen zu können, dass wir die Folgerichtigkeit unserer Argumente aufzeigen, dabei ist es genau umgekehrt: Unsere Haltung zwingt uns die Sicht der Dinge auf. Es scheint mir undenkbar, dass ein überzeugter Atheist zu Schlussfolgerungen kommt, die Gott nahe legen, genau so wie es undenkbar ist, dass ein von Gott überzeugter Gläubiger durch die Darlegung rationaler Argumente von seinem Glauben abgebracht werden könnte.

Jetzt wäre es interessant zu fragen, warum ein Mensch zu dieser oder jener – atheistischen oder religiösen – Haltung gelangt. Warum sich der eine veranlasst sieht, Gott zu leugnen, während der andere selbstverständlich davon ausgeht, dass es Gott gibt. Wann und wo passiert das in der Entwicklung eines Menschen? Dazu will ich hier gar nicht Stellung nehmen, darüber könnte man sicher ein eigenes Buch schreiben.

Wenn Dawkins mit Hinweis auf Computerprogramme und die vielgestaltigen Möglichkeiten, die aus einer Kohlpflanze entstehen können zu zeigen versucht, dass ich Gott nicht brauche, damit diese Entwicklung möglich ist, so könnte ich erwidern, dass es diese verschiedenen Formen gar nicht geben könnte, wenn sie nicht von Gott ermöglicht würden. Denn das, was nicht möglich ist, kann auch nie Wirklichkeit werden. Gott ist es, der alles ermöglicht; ohne ihn ist nichts möglich. Ich kann nicht sehen, wie man dagegen logisch argumentieren könnte. Sie können es als Unsinn abtun, aber das ist kein Argument! Nur was innerhalb der gegebenen Gesetze möglich ist, kann sich entwickeln, und ich kann nicht sehen, wie jemand widerlegen könnte, wenn ich davon überzeugt bin, dass diese Gesetze ihren Ursprung in einem göttlichen Geist haben. Atheistisches Denken zeigt mir, dass offensichtlich keine Notwendigkeit dafür besteht, das Vorhandensein der Materie und der darin enthaltenen Gesetze auf einen göttlichen Ursprung zurückzuführen. Das kann ich inzwischen akzeptieren. Ich wehre mich aber dagegen, für rückständig gehalten zu werden, wenn ich von einem göttlichen Ursprung überzeugt bin. Es gibt nichts, was das Gegenteil beweisen könnte. Wenn Schmidt-Salomon nichts sieht, was zu dieser Schlussfolgerung zwingen würde, akzeptiere ich das mit Respekt, aber ich vermisse den gleichen Respekt von Schmidt-Salomon einem Denken gegenüber, das sich genau zu dieser Schlussfolgerung veranlasst sieht.

Es gilt für alle Wissenschaft und Technik: Nur was prinzipiell möglich ist, kann realisiert werden. Und das, was möglich ist, ist uns vorgegeben. Und ich erlaube mir danach zu fragen, von wem es vorgegeben ist.

Intelligent atheistisch oder dumm gläubig?

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