Читать книгу Alexa und das Zauberbuch - Astrid Seehaus - Страница 10

Die Ankunft

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Alexa wusste selbst nicht, wie ihr geschah.

Hatte sie nicht eben noch Strobel alberne Verrenkungen machen sehen, als ob ein Puppenspieler seinen Schabernack mit ihm trieb? Wie an Fäden gezogen ruckte und zuckte Strobel auf der Stelle, bis sie ihn nicht mehr sah, als ob die Erde ihn geschluckt hätte, und dann packte sie ein mächtiger Sog, der sie hinausschleuderte in das unendliche Weltenfirmament und ihr jedes Gefühl für Raum und Zeit nahm.

Es hämmerte in ihrem Kopf. Sternchen tanzten vor ihrer Nasenspitze. Sie hatte Mühe, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Wie eine schwarze Hand schien etwas nach ihr zu greifen und sie drehte sich hastig um, denn wer anders als Schrawak hätte die Macht, sie in dieses Nichts zu stoßen und wieder herauszuholen. Aber hinter ihr war keine Hand, nur dieses Gefühl, von einem tosenden Wirbel erfasst worden zu sein. Und trotzdem war ihr, als ob sich eine beklemmende Stille wie eine Decke auf sie gelegt hätte.

So ist es noch nie gewesen, dachte sie, bemüht, ihre Umgebung zu erfassen. Angst hatte sie nicht, denn viele Male war sie nun schon von einem Platz zum anderen geflogen, ob mit Besen oder ohne, aber es war immer anders vor sich gegangen, schneller und ruhiger, nicht mit einem solchen Sog wie jetzt. Es schien kein Ende nehmen zu wollen und Alexa wurde schlecht.

Von all den Hexenlehrlingen war sie immer die Reiselustigste gewesen, die nie aufhörte zu lachen, auch wenn der Sturm sie über die Wolken hinwegriss und wieder zu Boden schleuderte. Sie war eine talentierte Hexe. Die beste, hätte man ihr noch etwas mehr Zeit zum Wirken gegeben, aber das hier ...?

RRRRAAGZZZ!, machte es plötzlich.

RUCK!

SPUCK!

Saus! Schnurz! Ruckel! Krach!

WUUUUUUUUUUUUUUSCH!

„Ey, guck mal da hoch! Wie is’n die da oben hingekommen?“

In Alexas Kopf drehte sich alles, und sie konnte sich gerade noch daran hindern, ihre Henkersmahlzeit von sich zu geben. Kalt war es unter ihrem nackten Hintern und sie blickte verdattert um sich.

Rote Blitze zuckten über sie hinweg. Irritiert suchte Alexa den Himmel über sich ab, konnte aber nicht erkennen, von wo das Gewitter kam. Alles um sie herum war wie in Schleier gehüllt. Schwarz und doch nicht schwarz. An Wänden spuckten Feuerquellen Stichflammen, und weißer Nebel stieg vom Boden auf. Menschen drängten sich zusammen, wurden grell erleuchtet und verschwanden wieder in der Dunkelheit. Sie versuchte, Gesichter auszumachen. Aber nichts. Niemand, der ihr auch nur im Entferntesten bekannt vorkam.

Betäubt von der langen Reise hing Alexa ausgespuckt wie eine wabbelige Kröte auf einer piekenden Glitzerkugel. Sie starrte nach unten und ahnte auf einmal, wo sie gelandet war. – Natürlich! Warum war sie nicht gleich darauf gekommen? Sie saß direkt auf dem Höllenmond!

Sie seufzte: „Oh, Meister Schrawak! Ihr habt mich direkt in das Höllenfeuer geschickt!“ Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.

Der Lärm war ohrenbetäubend. Ihre Arme und Beine schmerzten, obwohl sie überzeugt war, dass diese absonderlich verrenkten Gliedmaßen rechts und links neben ihr nicht ihr gehörten. Die Menschen bewegten sich ekstatisch wie die Hexen auf dem Tanzplatz, zu dem Alexa jeden Freitagabend auf ihrem Besen ritt.

Sie zog eine Grimasse. Es hätte sie schlimmer treffen können. Sie hatte ihren Meister zwar gebeten, er solle sie vom Scheiterhaufen zurück in ihr Dorf hexen, aber vielleicht wollte der Meister sie prüfen.

„Na denn!“, schrie sie aufgeregt. „Wenn der Meister das so entschieden hat. Besser in der Hölle schmoren, als auf dem Scheiterhaufen brennen!“

Aufgeregt wie Strobels närrisches Schwein Trulle beim Trüffelsuchen sprang sie mitten zwischen die Tanzenden und vergaß, wie elend sie sich noch kurz zuvor gefühlt hatte. Die Stunden flogen vorüber und, sie ließ nicht nach in ihren wilden Verrenkungen. Sie hüpfte und wirbelte, tanzte und hopste, warf Arme und Beine um sich, schlug Rad und machte Handstand, bis sie plötzlich von zwei starken, behaarten Armen gepackt und aus der zuckenden Menge gerissen wurde.

„So nicht, Kleine! Hier hast auch du dich anständig zu benehmen.“ Grimmig schaute sie ein Höllenwächter an. Seine Kleidung war schwarz und sein Gesicht rot wie ein geschwollener Hahnenkamm. „Entweder weißt du, was sich gehört, oder du gehst.“

Verwirrt glotzte sie ihn an. Wovon sprach dieser Riese? Anstand? Was war das? Hexen benahmen sich, wie Hexen sich benehmen mussten, und sie war eine richtige Hexe, von daher konnte sie gar nichts falsch machen. Alle Hexen benahmen sich so wie sie. Alexa sah ihn immer noch fragend an.

„Du machst hier keinen Handstand, solange du nichts unter deinem Rock trägst und deinen nackten Hintern präsentierst. Klar? Zieh dir ein Höschen an, oder du willst unbedingt Ärger haben.“ Er ließ sie los und ging.

Sie blickte an sich herunter. Höschen? Was war falsch an ihrer Kleidung? Nun ja, das schwarze Leinenhemd und ihr schwarzer Rock rochen nach Rauch und sahen etwas angebrannt aus, aber was war daran auszusetzen? Es roch hier irgendwie alles nach Rauch. Achselzuckend wandte Alexa sich ab. Wo wohl der Höllenfürst steckte? Mitten unter ihnen? Oder saß er auf seinem Thron und beobachtete sie bereits? Wo stand sein Thron? Warum hatte er sie als Neuankömmling nicht ordentlich begrüßt?

Sie drängelte sich durch die Menschenmasse und ließ ihre Blicke schweifen. Da sie ihn noch nie gesehen hatte, war sie umso gespannter, ihm zu begegnen: dem Meister der Unterwelt, Beelzebock, dem Machthaber des Bösen, Luzifer und Satan in einem. Unvermittelt stieß sie gegen etwas Hartes und drehte sich um. – Eine Schenke! Sie jauchzte hocherfreut darüber, wie gut der Meister seine Untertanen bewirtete. Wo sie doch so einen riesigen Durst hatte. Verzückt betrachtete sie die lange Reihe von farbigen, hellen und dunklen, kleinen und großen Flaschen.

„He! Schankwirt! Gebe er mir von dem da!“, schrie sie und zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf eine bestimmte Flasche.

„Was willst du?“, brüllte es zurück.

„Gebe er mir von dem giftgrünen Saft“, und aufgeregt, weil es eine unendliche Auswahl von Flaschen gab, zeigte ihr Finger ruckartig auf ein anderes Getränk. „Und von dem gallegelben, das Ochsenblut da will ich und ... yeeeeaaaa ... den Schweinedreck“, und wies damit auf eine Flasche bräunlichen Inhalts.

„Was denn nun?“, fragte der Mann hinter dem Tresen, dann zögerte er. „Wie alt bist du eigentlich?“

„Ich?“, fragte Alexa verdattert, riss sich dann aber zusammen und stellte sich auf die Zehenspitzen. „Ich bin alt genug für einen kräftigen Rachenputzer.“

„Bist du schon volljährig?“, fragte er noch einmal misstrauisch.

„Aber gewiss doch“, unterbrach ihn Alexa ungeduldig. „Nun mach er aber schon!“

„Wenn du meinst. Was willst du denn jetzt? Minzlikör, Eierlikör, Cointreau, Vierzigprozentigen oder ...?“ Weiter kam er nicht.

„Alles zusammen sollst du mischen!“, antwortete sie. Sie beugte sich über den Tresen und blickte ihm direkt in die Augen. Mit verschwörerischer Miene flüsterte sie: „Mach mir ein Höllenfeuer, dass meine Gedärme brennen und meine Hirnwindungen platzen wie Kröteneier!“ Sie grinste verzückt.

„Von mir aus“, antwortete der Mann und mixte die von Alexa ausgesuchten Zutaten in einem Schüttelbecher, den er flink auf und ab bewegte. Er konnte sich nur wundern. Dieses aufgedrehte Mädchen wäre nicht die erste, die sich um den Verstand soff, und so schob er das gefüllte Cocktailglas zu Alexa hinüber und wartete.

Alexa nahm das Glas und kippte den Inhalt mit Schwung hinunter. „CCCCHHHHRRRRRCCCHHHH!!!“, fauchte sie wie eine Katze und würgte keuchend hervor: „Teufelsdreck nochmal!“

„Na, brennen sie, deine Gedärme?“ Der Barkeeper wartete immer noch und betrachtete sie gelangweilt.

„Du verstehst dein Geschäft“, röchelte die Hexe, stellte das Glas mit zitternder Hand hin und wandte sich ab, um zu gehen.

„Wie wär’s mit Bezahlen?“, forderte er sie genervt auf.

Alexa hielt inne. Sogar in der Hölle gelüstete es den Teufel nach Gold und Silber? Da konnte sie aber froh sein, dass er nicht auch noch Eintritt von ihr verlangt hatte.

Sie lachte über ihren Scherz, griff nach einem Beutel, der verborgen in der linken Falte ihres Rocks hing, warf dem Mann mit der linken Hand rasch eine Münze zu und wiederholte: „Teufelsdreck nochmal, du verstehst dein Geschäft!“ Dann kehrte sie auf die Tanzfläche zurück.

Doch keine zwei Minuten später packten sie wieder die Arme dieses Höllenwächters und zogen sie unbarmherzig in einen dunklen, nur schwach erleuchteten Flur.

Ohne die Spur eines Lächelns fuhr er sie an: „Habe ich dir nicht gesagt, dass du dich anständig benehmen sollst? Und wenn ich etwas sage, meine ich das auch so.“

Sie schob ihn unwirsch von sich. „Was willst du von mir?“

„Du hast mit Falschgeld bezahlt.“ Er streckte seine linke Hand vor und öffnete die Faust. Darin lag die Münze, die sie dem Schankwirt zugeworfen hatte.

Der Meister der Hölle war schlau. Hatte er doch gleich gemerkt, dass sie mit unechtem Katzengold bezahlt hatte. Sie lächelte entschuldigend, griff noch einmal in einen Beutel, diesmal war es ein anderer, einer, der in der rechten Rockfalte hing, und gab ihm ein Goldstück. Zur Bekräftigung, dass es sich um echtes Gold handelte, nahm sie die Münze zwischen die Zähne und biss vor seinen Augen hinein.

Der Höllenwächter schüttelte ungeduldig den Kopf. „Lass die Mätzchen!“ Er wollte nach der Münze greifen, als plötzlich auf der anderen Seite des Höllenraums ein Tumult ausbrach. Geschickt ließ Alexa das Goldstück wieder in ihre rechte Rocktasche gleiten und entzog sich den Blicken des Höllenwächters. Doch der schoss bereits in die Richtung des Lärms davon.

„Feuer!“, rief jemand, und dann noch einmal, wesentlich lauter: „Feuer!

„Es brennt!“, schrie es nun von allen Seiten. „Raus hier!“

Alexa schaute sich neugierig um. Was für ein Spektakel! Der Höllenfürst kündigte sich an und sie würde ihn gleich sehen. Wenn Strobel das nur wüsste, er würde vor Neid platzen, dieser Esel! Sie schritt auf die Stelle zu, von der die Schreie kamen, und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn endlich leibhaftig zu sehen. Aber da sie nicht besonders groß war, hatte sie keine Chance, irgendetwas im Gewühl zu entdecken.

Ehe sie sich versah, wurde sie in einem Pulk hysterisch um sich schlagender und drängelnder Gestalten in die andere Richtung geschoben. Sie wehrte sich verzweifelt und drehte sich um, um sich durch die Menge wieder zum Feuer hin zu pflügen, beide Hände gefaltet und wie einen Rammbock vor sich haltend, doch es gelang ihr nicht. Anweisungen gellten durch den Raum, von Schreckensrufen unterbrochen. Der Lärm war kaum auszuhalten. Sie wollte ihre Hexenkunst anwenden, aber wenn sie ihre Hand für die Ortsveränderung benutzen wollte, war jemand da, der ihr den Arm wegriss oder sie zum Stolpern brachte, bis sie zu guter Letzt am Boden lag und sich zwischen den Beinen der Flüchtenden wiederfand. So gelangte sie, auf allen Vieren krabbelnd, mit den anderen ins Freie. Ein Keuchen und Stöhnen umgab sie, als eine sommerwarme Brise sie umwehte.

„Gott, was haben wir Glück gehabt!“ Der Junge, der das gesagt hatte, drehte sich zur unscheinbaren Hintertür um, durch die er sich gerade gerettet hatte, und starrte verängstigt auf die Menschen, die noch herausstolperten.

Alexa verstand rein gar nichts. Mit großen Augen sah sie zu den anderen herüber, und dann zum Ausgang. Man wollte sie nicht sehen? Sie war erschüttert. Der Meister der Finsternis wollte sie nicht sehen?! Er hatte es nicht für nötig befunden, sie zu begrüßen, und jetzt wurde sie wie ein Kübel voller Mist ausgekippt? Was würde Meister Schrawak von ihr denken, wenn er das wüsste?

Nein, das ließ sie sich nicht bieten! Sie war eine gute Hexe, eine der besten, eine mit großer Zukunft. Der Meister musste sie empfangen. Beleidigen ließ sie sich nicht, auch nicht vom Höllenfürsten persönlich.

Grimmig und mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch erhob sie sich und schritt auf die Tür zu, durch sie hindurch und war binnen weniger Sekunden im rauchigen Inneren des Hauses verschwunden. Ihre Augen gewöhnten sich schnell an die verqualmte Dunkelheit. Der Raum war nahezu leer. Die Feuerquellen an den Wänden warfen keine Blitze mehr und der weiße Nebel hatte sich in stickigen Rauch verwandelt. Es roch verbrannt, aber es war nicht der angenehme Geruch von Holzkohle und Pflanzenrauch, sondern von Pech und Schwefel. Es stank bestialisch, schlimmer noch, als Alexa es sich jemals für die Hölle vorgestellt hatte. Sie kniff sich die Nase zu und hielt den Atem an. So konnte sie gut und gerne eine ganze Weile warten, bis sie ihn treffen würde. Auch im Atemanhalten war sie eine der Besten. Jetzt kam es ihr sehr zupass, dass sie im Dorfweiher fleißig geübt hatte. Ihre Blicke wanderten suchend umher und hielten unvermittelt inne. Dort stand jemand. Seine schwarzen Haare lagen glatt am Kopf und endeten hinten in einem Pferdeschwanz. Sie wollte gerade auf den Mann zugehen, als sich der Höllenwächter wieder meldete.

Er ergriff ihren Arm und versuchte sie unbeholfen zu trösten: „Na Kleine? Alles in Ordnung mit dir? Es ist nichts passiert. Nur ein kleiner Kurzschluss. Jetzt ist alles wieder unter Kontrolle. Du kannst nach Hause gehen.“ Er zog sie mit sich und schob sie durch einen anderen Ausgang. Dann machte es WUMM!, und die Tür war zu.

Mit einem Mal war sie allein.

Sie sah sich um. Niemand war zu sehen.

Sie trat einen Schritt zurück und suchte nach einem Anhaltspunkt, nach einem Hinweis, durch den sie verstehen könnte, was gerade eben vorgegangen war. Doch sie sah nichts weiter, als dass riesige Buchstaben über der schwarzen Tür brannten. Rot wie die untergehende Sonne. Zögernd las sie die Worte Zur Hölle und kleiner darunter Nachtclub. Und dann erloschen die Buchstaben. Verdutzt wartete sie ab, was noch geschehen würde, aber es tat sich nichts.

Das war doch nicht wahr, oder?

Das konnte nicht sein!

So aber nicht!

Nicht mit ihr!

„Lasst mich ein!“, polterte sie los. Mit nackten Füßen trat sie gegen die schwere Tür. „Ich will zu ihm! Hört doch! Meister! MEISTER DER FINSTERNIS! Gebt mir eine Audienz!“

BUMM-BUMM!

Mit Fäusten und Tritten traktierte sie die Eingangstür, die sich nicht einen Millimeter bewegte. BUMM-BUMM-BUMM! Der Zorn hatte sie gepackt wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Sie war zornig über die Ignoranz, die sie gerade eben erfahren hatte. Zornig über die verpasste Gelegenheit, ihn, den Höllenfürsten, zu sehen. Zornig, da es kein Lob gegeben hatte für ihre Hexentalente, kein Lächeln, das ihr die Träume versüßt hätte, kein ... rein gar nichts eben. Sie ließ die Schultern hängen und wollte schon gehen, doch dann fiel ihr ein, dass sie dem Höllenfürsten einen kleinen Denkzettel verpassen könnte. Nur einen ganz kleinen, so einen winzigen, über den man lacht ... der eher komisch als hinterhältig ... kaum der Rede wert ... als Beweis ihrer Hexenkunst.

Ohne weiter nachzudenken hob sie ihre Hand, wies mit dem Zeigefinger auf die Tür und zischte die ersten Worte: „Schlangenschwanz und Krähenfuß, durch diese Tür du gehen musst ...“

RINGRINGRINGRINGRINGRING.

Alexa stutzte. Sie unterbrach ihre Beschwörung und drehte sich nach dem fremdartigen Geräusch um.

RINGRINGRING.

Vor ihren Augen raste ein riesengroßer, grüner Lindwurm – ein flügelloser Drachen – in eisernen Furchen den grauen Weg entlang und sauste an ihr vorbei.

Himmel nochmal, was war denn das?

Ihr Arm wurde steif. Ihre Beine zitterten wie Espenlaub. Ächzend sank sie auf die kalten Treppenstufen vor der Hölle, dem Nachtclub, nieder und rieb sich die Augen. Dann starrte sie dem Funken sprühenden Ungeheuer nach. „Tod und Teufel! Tod und Teufel! Das war ein echter Drache! – Ein richtiger, echter Drache! – Das Biest hatte den Hunger von hundert Wölfen.“ Sie hatte sie ganz genau gesehen, diese vielen Menschen, eingesperrt in seinem lodernden Inneren. Fassungslos starrte sie auf die leeren Eisenfurchen. Er hatte sie verschluckt. Und da zappelten sie nun in seinem Drachenbauch und … und …

Teufel nochmal! Kreideweiß im Gesicht und beklommen von dem, was sie gesehen hatte, war sie völlig bewegungsunfähig.

„Oh Strobel! Wärst du jetzt hier bei mir! Wir könnten uns zusammen fürchten.“ Sie wollte aufstehen, doch ihre Beine gaben nach, so dass sie sich noch einmal hinsetzte. Katzenjammer überfiel sie. „Die Hölle ist ein unwirtlicher Ort, Strobel. Mir gefällt es hier nicht. Ich will wieder nach Hause, zu meiner Eiche, nach Hause, wo ich wie eine Ente im Dorfweiher gründeln kann, wo es keine Drachen gibt und die Leute lieb und fleißig sind. Strobel, ach Strobel, könnte nicht alles wieder so sein wie vorher!“

Sie schüttelte den Kopf in der Hoffnung, dass sie nur träumte. Aber dem war nicht so. Die Eisenfurchen waren immer noch da, so böse sie sie auch anstarrte. Und wenn sie da waren, dann hatte es auch den Drachen gegeben. Und wenn es den Drachen gegeben hatte, dann war das hier ein gefährlicher Ort … ein sehr gefährlicher Ort …

Flüsternd stieß sie hervor: „Warum nur unterzieht mich Meister Schrawak einer solch harten Prüfung?“

Alexa schaute sich um. Rundherum sah es öde aus. Grau und trist erhoben sich links und rechts und vor ihr riesige Steinkästen. Was waren denn das für komische Steinklötze mit den vielen schwarzen Löchern, als wenn jemand mit einem Stock ein Muster in weichen Lehm gebohrt hätte? Häuser, in denen Menschen lebten? Tja, so etwas konnte sich wohl nur der Teufel selbst ausdenken, dass seine ehrenwerten Höllengäste in grauen Steinen wohnen sollten. Gewiss, so übel konnte es auch wieder nicht sein, denn auf manchen Bergen sah es ebenso kalt und trostlos aus, und da fühlten sich einige Gewitterhexen ganz wohl.

Ihr war es gleich. Nur ein einziger Gedanke bewegte sie noch: Wo sollte sie jetzt bleiben?

Sie schaute zum frühmorgendlichen Himmel. Er schien einen schönen Tag zu verheißen, wenn sie es nicht besser wüsste. Denn in der Hölle, dem Ort der ewigen Finsternis, gab es keinen Tag, würde es niemals Tag werden. Hier würde man nie wieder die Sonne aufgehen sehen. Und das war für die junge Hexe eine sehr traurige Vorstellung.

Alexa und das Zauberbuch

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