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5.1.2. Themen der frühchristlichen Kunst am Beispiel der Grab- und Sarkophagkunst

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Sarkophag

Engemann 2014, 75

Partsch 2004, 122ff

Wohlmayr 2011, 363

Ende des 4. Jh.s wurden die Katakomben durch oberirdische Grabbauten, Friedhofsbasiliken mit Sarkophagen, abgelöst. Es ist nicht ganz klar, weshalb die im 1. und 2. Jh. im lateinischen Westen übliche Verbrennung der Toten und die Urnenbestattung aufhörten. Fand man in dem im Jahr 79p verschütteten Pompeji neben Hunderten von Urnen nur einen Sarkophag, begann man im 2. Jh. die Toten in Sarkophagen beizusetzen. Der Name (griech. lithos sarkophagos/Stein, der Fleisch verzehrt) leitet sich von einer von Plinius verbreiteten Legende ab, wonach ein bestimmter Kalkstein aus Assos Leichen in 40 Tagen verwesen lässt. Seit Juvenal ist der Ausdruck Sarkophag belegt. Als erster Sarkophag mit eindeutig christlichen Motiven innerhalb römischer Genreszenen (allgemein: das Chi-Rho-Motiv oder eindeutige biblische Szenen) gilt jener in der Kirche Santa Maria Antiqua in Rom und stammt aus der Zeit zwischen 245 und 260. Der wichtigste Sarkophag aus dem 4. Jh. ist der zweizonige Bassus-Sarkophag (des kurz vor seinem Tod getauften Stadtpräfekten Junius Bassus) aus Rom. Ihn schmücken Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Er ist ein erlesenes Beispiel für den Übergang der Motive der Katakombenmalerei in die Sarkophaggestaltung. »Bei der Übersetzung in die Bildkunst eines Sarkophages erhalten die Szenen nun einen klassisch-römischen Zug – sie werden aus den Traditionen der römischen Bildkunst heraus neu gebildet.«

Aus der Zeit zwischen dem 3. und 6. Jh. sind bislang etwa 15.000 pagane und 2500 christliche Sarkophage bekannt, überwiegend aus den Zentren Rom (bis gegen 400), Ravenna, Athen, Konstantinopel und Mailand. Die Kunsthistorikerinnen unterscheiden verschiedene Typen, den Fries-, Säulen-, (Lebens-)Baum-, Relief- oder Truhensarkophag. Sie hatten flache, dachförmige oder tonnenförmige Deckel (Koch 1993 ohne Ambition einer philosophischen Deutung). Die ursprünglich in satten Farben bemalten Kalkstein- oder Marmorsarkophage wurden in Werkstätten als Massenware hergestellt.

Klauser 1927, 145

Die antiken Grabanlagen und Sarkophage boten ein reiches, paradigmatisches Bildmaterial zur Spende von Trost und Hoffnung auf ein Weiterleben, Mahl- oder Abschiedsszenen. Von da her berührten sich »christliche Totenpflege und heidnischer Totenkult in ihren Bräuchen« außerordentlich eng. Vielfach waren diese Szenen grundiert durch neuplatonische Deutungsmuster. Der Neuplatonismus bewahrte eine Geschlossenheit in seinem System, weil wie die Differenz von Gut und Böse auch jene von Leben und Tod durch die zyklisch-spiralförmige Abstiegs- und Aufstiegsdynamik aufgefangen wurde.


228 Christus als Lehrer, früchchristl. Sarkophag; MAA


229 Trinitätssarkophag; MAA

Dieser Kreislauf von Leben und Tod passte gut für Sarkophage. Der Tod wird eingebettet in den Zyklus des Lebens. Auch dionysische Themen auf den Sarkophagen verbinden das Mysterium der Unsterblichkeit mit Tanz und Musik. Wir stoßen auf die alten Quellen der Mysterienreligionen ebenso wie auf Motive der Seelenreise.

Rice 1993, 16ff

Deckers 2007, 20ff

Ferguson 2003, 248

Janes 1998, 101

Thematisch verlief der Übergang von der Antike zum frühen Christentum, wie schon angemerkt, fließend, mit neutralen Themen. Zeichenhafte und symbolische Darstellungen, Fischer-, Hirten- oder Philosophenszenen sind weder klar heidnisch noch eindeutig christlich einzuordnen. Die Verschiebung zu einer christlichen Bedeutung ist bisweilen nur aus dem Kontext zu erkennen. In den östlichen Zentren Alexandrien oder in Syrien bestanden pagane und christliche Kunst lange Zeit nebeneinander. Auf den Darstellungen wurde das alte heidnische mehr und mehr durch biblisches Personal ersetzt.

Malerei und Mosaik

II.3.2.6.1.

Partsch 2004, 160ff

Engemann 2014, 115ff

Was für die Sarkophagkunst gilt, gilt in ähnlicher Weise für Malerei und Mosaik. Im 4. Jh. wurde die Bemalung von Gräbern und Kirchen üblich sowie die Mosaizierung der Böden und Apsiden. Eine der frühesten Wandmalereien mit Szenen aus dem Neuen Testament stammt aus der Hauskirche von Dura Europos (um 233). Das Fußbodenmosaik der frühchristlichen Kirche in Aquileia (das älteste eines christlichen Kultbaus, vielleicht um 310) hat möglicherweise profane Wurzeln. Man vermutete lange, dass christliche Szenen erst später sukzessive eingebaut wurden. Erhärten ließ sich dies bislang allerdings nicht. Ähnliches könnte sich bei den Mosaiken in Madaba nahe dem Toten Meer ereignet haben, Beispiele, die besonders eindrucksvoll zeigen, wie sehr heidnische neben christlichen Motiven existierten. Die Umcodierung begleiten Romanisierung, Entjudaisierung und Christianisierung. Als Beispiel sei die Umwandlung der Nomadenzelte der Israeliten auf den Mosaiken in tabernacula (Giebelhäuschen), wie sie als römische Soldatenbaracken üblich waren, erwähnt.


230 Heidnische Motive in der Hippolytkirche in Madaba; Jordanien


231 Heidnische Königinnen, Mosaik; APM

Kemp 1994, 167

allegorische Symbolkunst

Schmidt 1981

Lowrie 1947

4.2.1.

Die ausdrückliche christliche Kunst begann als allegorische Symbolkunst (was die eingangs erwähnte Theorie der Vergeistigung der Kunst durch das Christentum ausgelöst hat). Im Banne des jüdischen Bilderverbots wurden zunächst Symbole dargestellt: prominent der Fisch (in der Antike in Mahldarstellungen, jetzt für das eucharistische Mahl; zudem bedeutete Fisch auf Griechisch (Ichthys) das Akronym für Jesus, Sohn Gottes und Erlöser). Als weitere Symbole gab es die Taube (sie stand schon im Hellenismus für die erlöste Seele, jetzt kommt die Symbolik des Heiligen Geistes dazu), der Pfau (für die Unsterblichkeit), vor allem aber das in der Schrift gut begründete Lamm – vielleicht eine Antwort auf den im Vorderen Orient sowie im Mithras-Kult verbreiteten Stier. Die Symbolik von Tieren war vermintes Gelände, denn der heidnische Götzendienst bediente sich ja auch der Tiersymbolik, die sich aber uminterpretieren ließ. Am Beginn der christlichen Kunst steht demnach der von Clemens von Alexandrien definierte Motivschatz.

Gerke 1967, 45

Jensen 2000, 68f

Sauser 1966, 104

Andere berühmte Motive waren das vor allem in Nordafrika (neben Daniel in der Löwengrube) beliebte Jonasmotiv, das als Initiation in den biblischen Motivschatz schlechthin gilt und die Idee der christlichen Rettung zum Ausdruck bringt, »nicht mehr im Sinne eines figuralen Zeichens, sondern als Drama im geistigen Sinn«. Eine Steigerung dieser Rettungsidee findet sich in der Darstellung Noahs. Die Arche symbolisiert die Kirche als einen Hort der Rettung vor dem Untergang. Sie wird zur bildlichen Umsetzung des von Cyprian von Karthago zuerst formulierten Mottos: salus extra ecclesiam non est (außerhalb der Kirche gibt es kein Heil). Es bieten sich mit dem Holz der Arche, das auf jenes des Kreuzes bezogen wird (Justin der Märtyrer), mit dem Wasser, das als das Wasser der Taufe interpretiert werden kann, eine Fülle biblischer Metaphorik. Beliebt waren die geplante Opferung Isaaks durch Abraham (Vorwegnahme des Opfers Jesu am Kreuz), Moses, der Wasser aus dem Felsen schlägt (was vielleicht auf die Taufe anspielt). Es fällt auf, dass es etwa vier Mal so viele Darstellungen aus dem Alten wie aus dem Neuen Testament gibt, was zu verschiedenen Erklärungsversuchen geführt hat. Trotzdem war die Zusammengehörigkeit des Alten und Neuen Testaments (Concordia Veteris et Novi Testamenti) ein Grundzug der altchristlichen Grabeskunst. Reizvoll sind Mischungen von Motiven: Die Seenotszenerie auf der einen und die friedliche Idylle mit dem Hirtenmotiv, wo Schafe auf festem Grund stehen, auf der anderen Seite, der Hirte, der zugleich ein Philosoph ist (Hypogäum der Aurelier am Viale Manzoni, Rom). Oder die Verbindung von Moses, der Wasser aus dem Felsen schlägt, mit der Szene der Umwandlung von Wasser in Wein in Kanaa.

Weite Verbreitung fand die Mahlszene, häufig in bukolischem Ambiente. Die Agape-Darstellung mit Brot, Fischen und Wein wird – in Umdeutung der antiken Symposiums-Darstellungen – stets zum Sinnbild des letzten Kultmahls Christi. Die weite Verbreitung der Motive lässt es plausibel erscheinen, die frühchristliche Kunst als Agens sowohl der Ausbreitung der christlichen Lehre als auch ihrer Definition zu sehen und nicht bloß als Bebilderung eines bereits fertigen Kanons.

Ebd., 17

Ebd., 12ff

Kunstphilosophisch war diese Zeichenhaftigkeit der Kunst nicht nur Ausdruck der frühen Allegorese (Prudentius), sondern auch Ausdruck dafür, dass dem menschlichen Auge der Zutritt zur unverhüllten Wahrheit des Göttlichen verwehrt bleibt. Nach Macrobius muss das Mysterium von einer schützenden Decke von Symbolen gleichsam wie mit Windeln verhüllt werden. Inwieweit die Symbolik den Zugang zur Wahrheit erleichterte oder erschwerte, wurde noch im 20. Jh. diskutiert. Durch die reiche Symbolik ersparte man sich jedenfalls die unangenehme Diskussion um das Aussehen des Heilandes.

Kunstphilosophie und Ästhetik

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