Читать книгу Clé de l'amour - Christel Siemen - Страница 12

9. Kapitel

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Am nächsten Morgen schnappte sich Eve ihren Zeichenblock und setzte sich zu der Comtesse Marie in den Salon. Diese sortierte die Post und kümmerte sich um die Buchführung und half ihrem Sohn damit bei der Büroarbeit. Eve fragte, ob sie ihr behilflich sein konnte. Doch die Gräfin winkte ab. „Das ist lieb, das Sie fragen. Doch das ist nicht nötig.“ „Dann leiste ich Ihnen Gesellschaft, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich würde mir gerne ein paar Skizzen machen. Ihr wunderschöner Park hat mich inspiriert.“ „Nur zu, meine Liebe“, sagte Gräfin Marie. Eve stellte das Radio an. Im Hintergrund lief leise Musik. Sie brachte der Comtesse noch ein Glas Wasser. In ruhiger Eintracht ging jede ihrer Arbeit nach. Nach zwei Stunden stand Eve auf. „Ich bin kurz zur Toilette“, sagte sie. Als sie zurückkam, hielt die Gräfin ihre Skizzen in den Händen. „Eve, meine Liebe, wissen Sie wie begabt Sie sind? Ist das unser Park? Das ist ja wunderschön! Diese Sträucher kenne ich nicht? Sind das Ideen, wie wir unsere Anlagen verschönern könnten? Ah, und sieh da, ein verwunschene Laube unten am Teich. Das ist auch neu.“ Die Gräfin war entzückt. Eve beugte sich zu ihr hinab. „Schauen Sie hier, dies ist eine Ansicht wie der Park von oben aussieht. Der Bereich stellt den afrikanischen Kontinent dar. Dies ist der Asiatische, usw.“ „Stimmt, so habe ich das noch nie gesehen. Woran erkennen sie das?“ Eve war erstaunt, dass die Gräfin ihr eigenes Grundstück so nicht kannte. Ausführlich erklärte sie ihr die Anpflanzungen, die aus der ganzen Welt zusammengetragen worden waren. Sie erläuterte dabei die Beschaffenheit und Kennungsmerkmale der einzelnen Pflanzen. „Wissen Sie, wer den Park in dieser Form angelegt hat?“, fragte sie ihre Arbeitgeberin. „Wann war das? Nach dem Alter der Bäume zu deuten, müssen die Anfänge noch vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts gelegen haben.“ „Mhm“, überlegte Marie. „Am besten fragen Sie meinen Sohn. Um den Park haben sich mein Mann und vor allem sein Vater gekümmert. Ich habe hier eingeheiratet und habe mich nie mit dem Gartenresort beschäftigt. Wir haben einen Mann, der die Grünanlagen pflegt damit nicht alles verwildert. Früher müssen die Anlagen ein Juwel gewesen sein. Aus den Erzählungen der älteren Generation weiß ich, dass bei uns jährlich die berühmten „bal de nuit été“, Sommernachtspartys, stattfanden. Das war noch zu der Zeit, wo der Adel viel Wert auf Etikette und Traditionen legte. Oft ging es auch darum, dass sich die jungen Leute auf Brautschau begaben, um in ihren Kreisen zu bleiben. Als dann die Schlossherren mit dem intensiven Weinanbau begannen, traten das Schloss und der Park in den Hintergrund. Philippe hat als Kind viel Zeit mit seinem Vater in den Grünanlagen verbracht. Vielleicht weiß er mehr. Die beiden Damen diskutierten noch eine Weile über die Parkanlage. Eve verstand es, das Interesse der Gräfin zu wecken. Ihre Fachkenntnisse und ihre Begeisterung übertrugen sich auf die Ältere.

Nachdem sich die Gräfin später zu einem Mittagsschläfchen zurückgezogen hatte, machte sich Eve auf die Suche nach dem jungen Grafen. Dabei begegnete sie Luc, der mit seinem kleinen Mountainbike über das Kopfsteinpflaster fuhr. Bei ihm war Filou, der Hofhund. Die beiden waren in einem fröhlichen Spiel vertieft. Filou umkreiste laut kläffend seinen Spielgefährten. Als Luc Eve bemerkte, machte er eine Vollbremsung. Das Rad drehte sich auf der Hinterachse weg. „Hallo Eve!“, rief er. „Wann spielen wir Federball?“ Eve ging auf ihn zu. „Wie lange darfst du abends aufbleiben?“, fragte Eve. „Deine Großmutter isst um 18.00 Uhr. Nachher schaut sie fern. Dann könnten wir, von mir aus, eine Partie spielen. „Qui, super. Ich frage, ob ich darf. Dann komme ich schon zum Abendessen. Die Großmutter freut sich immer, wenn ich sie besuche.“ „Sehr schön, ich bin gespannt was du so drauf‘ hast“, zwinkerte sie ihm zu. „Du, sag mal, wo finde ich deinen Vater?“ „Komm mit! Ich zeige es dir“, forderte der Junge sie auf. Er fuhr im Schritttempo mit seinem Rad über den Vorhof in Richtung Weinberge neben ihr her. Sie plauderten munter miteinander. Eve war cool und witzig im Umgang mit dem Kind. Das gefiel dem Jungen. Er freute sich über den Neuzugang auf dem Schloss. Wegen Corona war die Schule geschlossen worden und er hatte ein wenig Langeweile. Maxime hatte wegen dem Covid-19-Virus auf dem Gemeindeamt alle Hände voll zu tun und wenig Zeit für ihn. Und sein Vater glänzte wieder durch Abwesenheit. Heute hatte Luc ihn noch gar nicht gesehen. Deshalb kam es ihm gelegen, die neue Betreuerin seiner Großmutter zu ihm zu führen. „Ich glaube, er ist in den Weinbergen.“ Der kleine Luc war ein aufgewecktes Kerlchen. In den Reben angekommen, sahen sie in der Ferne den Unimog des Vaters stehen. „Hier muss er irgendwo sein.“ Luc beugte sich zu dem Hund hinab, der ihnen treu gefolgt war. „Filou, komm, such Papa. Such!“, befahl er ihm. Der Hund gehorchte. Kläffend rannte er zwischen den Weinreben den Hang hinauf. Eve und Luc folgten ihm. Der Berg war steil. Nach einer Weile blieben sie schnaufend auf einem Querweg stehen. Ganz in der Nähe waren der Graf und sein Verwalter in einem angeregten Gespräch vertieft. Als Luc Frederic sah, drehte er sich auf dem Absatz um und stiefelte den Hang wieder hinunter. Zu Eve sagte er rasch im Weggehen: „Ich muss weg.“ Eve war perplex. Nanu, was war denn das? Hatte sie etwas falsch gemacht? Wieso haute Luc so plötzlich wieder ab? Das war komisch. Etwas hilflos verharrte sie nachdenklich auf der Stelle. Irgendwie war ihr das zu blöd. Das sah danach aus, als ob sie den Jungen vertrieben hätte. Da trat der Graf an sie heran. Er hatte sie kommen sehen. Mit hängenden Schultern stand sie vor ihm. „Haben Sie das gesehen? Luc …, auf einmal dreht er sich um und rennt weg. Es war doch alles gut. Warum hat er das gemacht?“ Graf Philippe beruhigte sie. „Das ist nicht ihre Schuld. Wie soll ich das erklären ... Nun ja, es ist so: Luc kann es nicht ertragen, Frederic zu sehen.“ Er blickte mit seinen Augen betreten zu Boden. Das stimmte ihn jedes Mal traurig. Es war aber auch ein schwieriges Problem. „Es tut mir leid“, stammelte sie etwas verlegen. „Was, was ist denn passiert? Wieso?“, fragte Eve. Sie war befremdet. „Kommen Sie, lassen sie uns ein Stück gehen.“ Irgendwie fühlte er sich verpflichtet, sich zu erklären. Er sah, wie gut sich sein Sohn mit Eve verstand. Er druckste herum, er wusste nicht recht, wo er anfangen sollte. „Es hängt mit dem Tod meiner Frau zusammen. Mein Gutsverwalter hat damals in der Unfallnacht das Auto gefahren, mit dem er und meine Frau verunglückt sind. Frederic erlitt einen plötzlichen Herzinfarkt, wurde bewusstlos und knallte mit dem Wagen frontal gegen einen Baum. Meine Frau war sofort tot.“ Seine Stimme war kaum zu verstehen. Eve spürte, wie sehr es ihm immer noch schmerzte, davon zu berichten. „Und Luc weiß davon?“, fragte Eve nach. „Wie alt war er damals?“ „Sieben Jahre. Seine Maman war alles für ihn. Er weiß, dass Frederic am Steuer saß.“ „Aber es war ein Unfall, für den Herzinfarkt kann ihr Verwalter doch nichts“, sagte Eve. „Ja, sicher. Das wissen Sie, das weiß ich. Aber wir schaffen es nicht, es Luc verständlich zu erklären. Er steckt sich die Finger in die Ohren und rennt einfach weg, wenn wir mit ihm darüber sprechen wollen.“ „Er muss damals einen Schock erlitten haben“, überlegte Eve. „Ich weiß, ich nehme mir viel zu wenig Zeit für den Jungen“ gestand er. „Ich habe mich damit getröstet, dass Maxime da ist. Sie kümmert sich sehr liebevoll um Luc. Irgendwie habe ich anfangs geglaubt, dass sich die Wut auf Frederic mit der Zeit legen wird. Mittlerweile mache ich mir aber große Sorgen. Ich weiß, das sollte nicht so bleiben.“ „Darf ich Sie etwas Persönliches fragen?“ Eve überlegte, schließlich kannte sie ihren Gegenüber noch nicht lange. „Mhm.“ Philippe blickte auf seine Stiefelspitzen, während sie weiter durch die Weinberge schlenderten. Aus seinem dunklen Haar, das er in weichen Wellen zur Seite gescheitelt trug, fiel ihm eine Strähne ins Gesicht. Am liebsten hätte Eve sie ihm weggestrichen. Ihr Gegenüber war ein Mann mit vielen Facetten. Anfangs hatte er sich schroff und verschlossen gegeben. Doch heute zeigte er eine ganz andere, offene Seite von sich. Sie konnte gut nachvollziehen, dass ihn der Kummer seines Sohnes beschäftigte. „Wie lange wohnt Maxime bereits bei Ihnen?“ „Die gute Maxime, sie ist die Tochter von unserem Verwalter Frederic. Sie ist auch hier auf dem Gutshof aufgewachsen. Als das Unglück geschah, hat sie sofort ihr Studium abgebrochen und ist zu uns zurückgekehrt. Seitdem lebt sie bei uns. Wenn sie nicht gewesen wäre, ich weiß nicht, was aus mir und Luc geworden wäre. Wir haben ihr viel zu verdanken.“ Eve verspürte wieder ein leichtes Ziehen in ihrer Herzgegend. Der Gedanke, dass der Graf mit der Frau zusammenlebte behagte ihr nicht. Sie verdrängte das sofort wieder und blieb stattdessen stehen. „Entschuldigen Sie, ich bin nur eine außenstehende Person. Aber kann es sein, dass Luc eifersüchtig ist? Wie muss es auf ihn gewirkt haben, sofort eine Ersatzmutter präsentiert zu bekommen?“ „Wie meinen Sie das?“ Philippe blieb ebenfalls stehen und schaute sie nun direkt an. „Maxime ist doch keine Ersatzmutter. Sie ist auch nicht meine Lebensgefährtin.“ Eve zog erstaunt ihre Augenbrauen hoch, als sie hörte, dass die beiden nicht liiert waren. Philippe fuhr fort: „Sie ist eine alte vertraute Freundin aus Kindheitstagen. Luc und Maxime kommen sehr gut miteinander aus. Eifersucht, das ist es nicht“, meinte Philippe. „Ich verstehe es ja auch nicht, wieso er sich so auf Frederic eingeschossen hat. Alles andere läuft wieder gut. Er geht gerne zur Schule, hat Freunde und ist ein aufgeweckter Bursche.“ Der Graf war mal wieder an einem Punkt angelangt an dem er nicht weiterwusste. Auch Eve dachte nach. Wenn Eifersucht auszuschließen war, dann lag die Ursache vielleicht wirklich darin, dass Luc einen Schuldigen für den Tod seiner Mutter suchte. Kinder reagierten nicht ohne Weiteres so verstört. Unter der Oberfläche des an sich fröhlichen Jungen verbarg sich etwas, was es zu ergründen gab. Seine kleine Seele schmerzte, wenn er Frederic sah. Eine Kinderseele weinte nicht ohne Grund. „Ich werde gut zuhören, wenn ich mit Luc zusammen bin. Vielleicht öffnet er sich einer Außenstehenden. Manchmal ist es sinnvoll, von außen auf die Situation zu schauen. Die Familie trauert und ist zu nahe am Geschehen.“ Intuitiv strich sie ihrem Gegenüber mitfühlend über den Oberarm. Sah sie doch wie sehr dieses Thema ihn beschäftigte. Philippe zuckte unter der Berührung zusammen. Auch Eve gab es einen kleinen Stromschlag. Gerade noch so engagiert, wurde sie auf einmal verlegen. Eine sanfte Röte zeichnete sich auf ihren Wangen ab. Sie benötigte einige Sekunden bis sie sich wieder gesammelt hatte. „Entschuldigen Sie, wenn ich mich in ihr Familienleben einmische. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir uns schon ewig kennen.“ „Schon gut“, entgegnete Philippe. „Mir geht es doch genauso. Bisher habe ich noch mit niemandem darüber gesprochen.“ Eve sinnierte. Er hatte Maxime bei sich wohnen. Wie konnte es sein, dass er nicht mit ihr darüber sprach? Da sie nicht mehr Staub aufwirbeln wollte, bohrte sie hier nicht weiter nach. Eigentlich ging es sie auch nichts an. Das stand ihr nicht zu. Ihre Augen wichen seinem durchdringenden Blick aus. Es entstand ein peinlicher Moment. Sie schaute gen Himmel, weil sie nicht wusste, wo sie sonst hinschauen sollte. Ein blauer Himmel spannte sich über ihnen. Keine einzige Wolke war zu sehen. Nur ein paar Insekten summten zwischen den Weinreben. Insgeheim war sie froh, als in die Stille hinein des Grafen Handy klingelte. „Qui.“ Es folgte ein heftiger Wortwechsel. Entnervt drückte der Graf den Teilnehmer weg. Er lief nervös hin und her. Scheinbar regte der Anruf ihn sehr auf. „Ärger?“, fragte Eve. „Ärger, das ist noch gelinde ausgedrückt“, schnaufte er. „Willkommen in Zeiten von Corona. Nun trifft es auch uns.“ „Erschrocken hielt sich Eve ihre Hände vors Gesicht.“ „Ist jemand hier daran erkrankt?“, fragte sie ängstlich. Sie dachte an die Comtesse. Schließlich gehörte sie aufgrund ihres Alters zur Risikogruppe. „Nein, nein, beruhigte er sie. Aber meine Existenz ist bedroht. Ausgerechnet jetzt wo ich so viel Geld in den Umbau auf biologischen Weinanbau gesteckt habe! Die Grenzen wurden geschlossen. Meine Saisonarbeiter aus Rumänien dürfen nicht einreisen. Ohne sie schaffe ich die Arbeit in den Weinbergen nicht.“ Eve hörte aufmerksam zu. Sie fragte nach, um es besser zu verstehen, wieso er auf die Arbeitskräfte so angewiesen war. Philippe gab bereitwillig Auskunft.

„Ende April werden die Weinberge wieder grün. Das heißt, die Knospen platzten wieder auf und die Entwicklung der Triebe startet. Bis zu dem Zeitpunkt des Knospenaufbruches muss der Rebschnitt beendet und auch das Binden der Reben an das Drahtgerüst in weiten Teilen vollzogen sein. Die kleinen Knospen sind sehr empfindlich und stellen je einen Trieb dar, an dem sich im Laufe des Jahres die Trauben bilden. Hier schauen Sie.“ Am Weinstock zeigte er ihr die Triebe. „Es ist höchste Vorsicht geboten, wenn in diesem Stadium noch Arbeiten an der Rebe gemacht werden müssen. Jede kleine Verletzung und Beschädigung einer Knospe kann einen Verlust eines Triebes bedeuten. Nach Beendigung des Rebschnittes wird das abgeschnittene Holz in den Rebzeilen gehäckselt und als natürlichen Dünger der Rebe wieder zugegeben. Um der Rebe beim weiteren Wachstum genügend Nährstoffe zur Verfügung zu stellen, werden die Rebzeilen nicht nur mit dem gehäckselten Schnittholz gedüngt, sondern auch mit mineralischem Dünger.“ Eve bemerkte wie es ihn etwas beruhigte, darüber zu reden. Sie spürte wie wichtig ihm seine Weinberge waren. Hier war er in seinem Element. „Sehen Sie selbst, es wird höchste Zeit mit diesen Arbeiten zu beginnen. Durch die ungewöhnlich warmen Tage im März ist die Pflanze schon recht weit. Ich habe einen tollen Vorarbeiter, einen Rumänen, der mir jährlich gute Leute aus Rumänien mitbringt. Ohne die Saisonarbeiter werden wir dieses Jahr keinen Wein keltern können. Im Moment sind Frederic und ich alleine auf dem Gut. Das ist eine Katastrophe! Der Anrufer eben, das war mein Rumäne Marian. Er hat noch versucht, beim Auswärtigen Amt, eine gesonderte Ausreisegenehmigung zu erwirken. Doch die Behörden machen keine Ausnahmen. Für die Familien drüben in Rumänien ist es auch hart. Ohne ihre Einnahmen hier aus dem Westen sind sie mittellos.“ Eve fühlte mit ihm. Das waren Sorgen. Sie schämte sich fast, dass sie ihre eigenen Probleme so hoch aufhing. Sie hatte ein Dach über dem Kopf und ein gesichertes Finanzpolster auf der Bank. Hier ging es um Existenzen. „Ich helfe Ihnen“ sagte sie spontan. „Ich bin Landschaftsgärtnerin und gesund und arbeitsfähig. Wenn ich mit ihrer Mutter spreche, wird sie mir sicherlich Freiraum verschaffen. Sie kommt gut alleine zurecht. Sie benötigt mich kaum. Wenn Sie mir genau erklären wie ich die Reben zu schneiden habe, dann sind wir mit Frederic schon zu dritt. Vielleicht können wir einen Teil der Reben retten.“ Das war Eve wie sie leibt und lebte. Stets hilfsbereit und lösungsorientiert denkend. Eve war sofort Feuer und Flamme. „Moment“, bremste sie Philippe ein. „Das ist nicht so leicht wie Sie denken. Wir können nicht zu dritt zwölf Männer ersetzen. Außerdem darf ich meinen Verwalter körperlich und psychisch nicht zu sehr unter Druck setzen. Er hat vor zwei Jahren einen Herzinfarkt erlitten und ist nicht mehr der Jüngste.“ „Gut, das sehe ich ein“, sprach sie. „Aber lassen Sie uns doch weiterdenken. Sie kennen hier bestimmt die Menschen im Dorf und in der Umgebung. Darunter sind mit Sicherheit Leute, die wegen Corona derzeit nicht arbeiten dürfen. Was ist mit den älteren Jugendlichen? Vielleicht sind sie an einen Nebenverdienst interessiert.“ Eve sah nicht wie Philippe heimlich schmunzelte. Aus ihren Augen sprühte das Temperament, wenn sie sich so richtig ins Zeug legte. Der Graf hielt grübelnd seine Faust vor den Mund und dachte laut mit. „So habe ich das Ganze noch nicht bedacht. Mir fallen tatsächlich auf Anhieb Personen ein, die ich ansprechen könnte. Unser Gärtner könnte den Park ruhen lassen und in den Reben helfen. Ich habe eine Aushilfskraft, die mir beim Etikettieren und Abfüllen im Winter hilft. Er ist zwar Rentner aber körperlich topfit. Er hat mich schon oft gefragt, ob er mehr Stunden machen kann.“ Er lachte, „Mensch, dass ich nicht selbst darauf gekommen bin. Das könnte funktionieren. Und mit den Sicherheitsmaßnahmen und Abständen, das bekommen wir auch hin. Wir arbeiten einfach nicht zu zweit in den Reben, sondern Reihe für Reihe alleine.“ Wenn es um seinen Wein ging da lebte dieser Mann so richtig auf. Er begann bereits die Umsetzung bis ins Kleinste zu planen. Lebhaft miteinander diskutierend gingen sie den Weg zurück. Sofort wollte er mit seinem Verwalter Frederic über die neue Idee sprechen. Eve schaute auf ihre Armbanduhr. „Oh je, ich muss zurück. Ihre Mutter wird sich schon wundern wo ich so lange bleibe.“ „Sagen Sie Maman, dass ich zum Abendessen zu ihr komme“ sagte Philippe. „Dann werde ich auch mit ihr alles besprechen.“ „A plus tard.“ Das hieß: Bis später. Eve drehte sich lächelnd um, um sich zu verabschieden. „Warten Sie Eve, wieso wollten Sie mich eigentlich sprechen?“, erinnerte er sich. „Ich habe Ihnen die ganze Zeit die Ohren mit meinen Problemen vollgejammert und habe nicht gefragt, was Sie zu mir geführt hat.“ „Kein Problem, das ist nicht so wichtig. Ich werde Ihnen heute beim Abendessen davon berichten“, sagte sie. „Merci beaucoup. Sie schickt mir der Himmel“ bedankte sich Philippe bei ihr.

Eve fühlte sich eigenartig beschwingt. Auf halben Weg drehte sie sich einmal um. Bei sich dachte sie, wenn er mir immer noch hinterherschaut dann hat das etwas zu bedeuten. Und tatsächlich, breitbeinig stand der Graf oben am Abhang. Verlegen winkte sie noch einmal und beeilte sich ihren Weg fortzusetzen. Es hing eine Art Zauber in der Luft. Wie konnte es sein, dass sie so kurz nach ihrer Trennung von François, überhaupt über einen anderen Mann nachdachte?


Clé de l'amour

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