Читать книгу Clé de l'amour - Christel Siemen - Страница 5

2. Kapitel

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„Guten Morgen, Maman chérie.“ Wie verwandelt, betrat er freundlich und aufgeräumt das Zimmer, ging zum Fenster und zog die Vorhänge zur Seite. „Hast du gut geschlafen?“ Dann ging er zu einem großen hohen Bett und gab seiner Mutter einen Kuss auf die Wange. Er half ihr beim Aufrichten, indem er ihr ein dickes Kissen in den Rücken zurechtrückte. „Danke, mein Lieber“, bedankte sie sich. „Weißt du, wo Olga bleibt? Sie ist doch sonst immer pünktlich.“ „Wir haben heute ein kleines Problem“, antwortete er. „Olga hat mir eine Nachricht geschrieben, dass sie heute nicht kommen kann. Wir müssen deshalb etwas improvisieren. Schau, wen ich dir dafür mitgebracht habe“, damit deutete er auf die Tür. Eve stand immer noch im Türrahmen, unsicher, was hier auf sie zukommen würde. „Kommen Sie, wir beißen nicht.“ Er winkte ihr aufmunternd zu, näherzutreten. „Maman, darf ich dir Eve vorstellen. Eve wird dir heute Morgen beim Ankleiden helfen.“

Von wegen, ein Angestellter des Gutes! Eve wurde rasch klar, dass sie dem Hausherrn des Schlosses begegnet war. Da hatte er sie ganz schön an der Nase herumgeführt. „Na, warte, das zahle ich dir heim“, dachte sie amüsiert. Sie trat etwas schüchtern an das Bett heran und gab der Dame ihre Hand. „Eve, meine Mutter ist die Comtesse Marie du Rivage.“ Stellte er seine Mutter vor. „Guten Morgen, es ist mir etwas unangenehm hier hereinzuplatzen …“ Mit einem Blick auf ihren Sohn, sagte die Gräfin: „Das kann ich mir gut vorstellen. Ich kenne doch meinen Sohn, er wird sie überrumpelt haben.“ Eve schaute verlegen auf ihre Füße. Doch die Comtesse rettete sie aus dieser peinlichen Situation. „Machen Sie sich keine Gedanken, wir beide werden sicherlich gut miteinander auskommen.“ Dann wandte sie sich mit drohendem Zeigefinger schelmisch an ihren Sohn. „Und du mein Lieber, sieh zu, dass du Land gewinnst. Bitte komm gleich zum Frühstück dazu, ich muss mit dir die Buchführung durchsprechen.“ Dann waren die Frauen unter sich.

„Sie müssen wissen, dass ich nach einem Reitunfall im letzten Jahr auf den Rollstuhl angewiesen bin. Wenn Sie so freundlich wären, mir beim Ankleiden zu helfen? Ich werde Ihnen genau sagen, was ich benötige.“ Eve tat wie ihr geheißen und reichte ihr einige Kleidungsstücke aus dem großen Ankleideschrank. Bis auf wenige Handgriffe kam die Gräfin gut alleine zurecht. Nachdem sie im Rollstuhl saß, konnte sie auch im Bad ihre Morgentoilette ohne Hilfe verrichten. Währenddessen stand Eve an einem der großen Fenster und blickte hinaus. Von dieser Seite des Gebäudes ging der Blick auf eine breite, von dicken Eichen gesäumte Baumallee. Der Vorhof war als Kreisel angelegt. In der Mitte lag ein in Stein gehauener Naturteich. Das Wasser war von Seerosenblättern übersät. Das würde im Sommer herrlich aussehen, wenn sie in voller Blüte aufgegangen waren. Am Eingang zum Grundstück befand sich ein großes schmiedeeisernes Tor. Davor mussten sich die Mülltonnen befinden. Ein bärtiger Mann, mit ergrauten Haaren und gekleidet in einen grünen Overall, überquerte die Einfahrt. Er trug einen großen Sack und außerhalb ihres Sichtfeldes füllte er laut scheppernd die Mülltonnen mit Altglas. Es hallte vor den hohen Schlossmauern. Im Hintergrund erblickte sie riesige Hänge und Felder mit Weinreben. Von innen ertönte die Stimme der Gräfin. Eve drehte sich wieder um. „Darf ich fragen, was Sie an diesem Morgen auf unser Schloss geführt hat? Sind sie eine Bekannte meines Sohnes?“ „Nein, nein“ beeilte sich Eve zu antworten. „Ich kenne Ihren Sohn eigentlich nicht.“ Bereitwillig berichtete sie, was ihr heute Morgen widerfahren war. Die Gräfin schmunzelte. „Erstaunlich. Sie müssen einen gewaltigen Eindruck auf Philippe gemacht haben.“ „Ja, meinen Sie?“ „Doch, doch, normalerweise ist er Fremden gegenüber sehr verschlossen.“ „Sehr gesprächig war er wirklich nicht“, konnte Eve es sich nicht verkneifen, zu sagen.

Die beiden Frauen kamen schnell ins Gespräch. Die Gräfin war sehr aufgeschlossen und empathisch. Fröhlich plaudernd begaben Sie sich zu einem Aufzug am Ende des Flures und fuhren ins Erdgeschoss hinab. „Haben Sie heute Morgen bereits gefrühstückt?“, fragte die Dame des Hauses. „Nein, leider noch nicht. Ich habe heute Nacht an einem See im Wald gezeltet und war mit meinem Fahrrad auf dem Weg ins nächste Dorf. Dort wollte ich mir Croissants besorgen.“ „Dann sind Sie selbstverständlich mein Gast. Machen Sie mir die Freude und frühstücken mit mir, ma chérie.“

So kam es, dass Eve noch eine Weile im Schloss verweilte. Gemeinsam mit der Gräfin und ihrem Sohn frühstückte sie in einem der Räume, den die Familie den „salon du petit déjeuner“ nannte. Während sich die beiden Frauen angeregt unterhielten, schwieg der junge Graf des Hauses beharrlich und verschanzte sich hinter seiner Zeitung. Eve sah nicht, dass er hin und wieder über das Blatt hinaus zu dem Gast blickte. Obwohl er vorgab, nicht zuzuhören, lauschte er der Stimme Eves aufmerksam. Als sein Handy klingelte, verließ er hastig den Raum. „Philippe, so warte doch, dein Frühstück …“, rief seine Mutter hinter ihm her. „Ich wollte doch noch etwas mit dir besprechen!“ Doch zwecklos, er war schon verschwunden. Sie zuckte hilflos mit den Schultern. „Das ist mal wieder typisch für Philippe. Er vergräbt sich in seiner Arbeit. Es kann sein, dass ich ihn den ganzen Tag nicht wieder zu Gesicht bekomme.“ Sie wirkte traurig, während sie das erzählte. Es schien, als wäre sie froh einmal über dieses Problem sprechen zu können. „Sie müssen wissen, dass er nicht immer so war. Früher war er ganz anders. Erst als seine Frau vor zwei Jahren verstarb, hat er sich immer mehr zurückgezogen. Ich komme nicht mehr an ihn heran, obwohl er immer da ist, wenn ich ihn brauche. Auch kümmert er sich rührend um mich. Da kann ich nicht klagen. Doch seine Fröhlichkeit ist auf der Strecke geblieben.“ „Das tut mir leid“, sagte Eve. Die Comtesse fuhr fort „es geht nicht um mich, viel mehr mache ich mir Gedanken über meinen Enkel. Er nimmt sich viel zu wenig Zeit für ihn.“ Eve hörte aufmerksam zu. Sie besaß ein feines Gespür dafür, wenn jemand Sorgen hatte. „Ich kann das gut nachvollziehen, wie sich ihr Sohn fühlen muss“, sprach Eve. „Das ist hart auf einmal den Partner zu verlieren.“ Die Comtesse du Rivage wurde hellhörig. „Sprechen Sie aus Erfahrung?“ „Das ist wohl wahr“, antwortete Eve. „Ich bin nicht ohne Grund derzeit alleine als Radtouristin unterwegs. Das soll mir helfen, Abstand von meinem bisherigen Leben zu bekommen.“ Sie setzte gerade an, um auch aus ihrem Leben zu berichten, als es klopfte.


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