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Selbstjustiz

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Eine Woche nach dem denkwürdigen Ereignis mit der spannenden Gerichtsverhandlung und der sofortigen Urteilsvollstreckung an den Postkutschenräubern beginnt der angekündigte Viehtrieb. Das ist heute keine große Sache mehr. Noch vor einigen Jahren war das ganz anders. Da war ein Viehtrieb noch eine viele Wochen dauernde Angelegenheit. Mittlerweile gibt es schon so viele Viehverladestationen entlang den immer mehr werdenden Bahngleisen, dass so mancher Viehtrieb eigentlich gar keiner mehr ist. Meistens dauern die Aktionen nur noch einige Tage, besonders, wenn die Ranch nahe einer Verladestation liegt.

Dennoch ist dieser Viehtrieb für Carol ein ganz neues, aufregendes Erlebnis. Es hat bestimmt auch Seltenheitswert, dass eine Frau einen Viehtrieb mitmacht, denn ob viele Wochen oder nur einige Tage, es bedeutet harte Knochenarbeit, bei Wind und Wetter unter freiem Himmel. Aber das Mädchen ist ja fast in jeder Hinsicht wie ein Junge. Sie ist von ihrer unruhigen Wanderzeit geprägt worden, kann hart zupacken, ist abgestumpft genug, um auch Scheußlichkeiten ohne seelischen Knacks zu überstehen und es macht ihr auch gar nichts aus, tagelang nur mit ungewaschenen, fluchenden und nicht immer feinen Männern zusammen zu sein. Auch sorgt sie sich nicht um ihr Aussehen, muss nicht jeden Tag baden und macht sich ohne zu jammern und zu klagen die Hände schmutzig und Wind und Wetter machen ihr schon gar nichts aus, denn ein Dach über dem Kopf hatte sie schließlich lange Zeit nicht. Sie ist sogar in der Lage tief und fest zu schlafen, wenn ihr der Regen ins Gesicht platscht.

Die nächtliche Szene im Stall ist nicht mehr erwähnt worden und David benimmt sich ihr gegenüber wie immer, freundschaftlich und fast ein wenig liebevoll. Manchmal beobachtet sie ihn aus den Augenwinkeln, ob er irgendwie verändert wirkt, aber sie muss dann immer beruhigt feststellen, dass er sich verhält, als wäre nie etwas gewesen.

Ob sie die ganze Sache nur geträumt hat? Nein, mit Sicherheit nicht, denn als sie die Mistgabel umgeworfen hat, hat sie sich gestoßen und der blaue Fleck ist immer noch nicht ganz verschwunden.

Die anstrengende Arbeit mit der Rinderherde verläuft ohne die geringsten Zwischenfälle, so dass der Vormann mit seinen Leuten zufrieden sein kann.

Auf dem Rückweg haben sich die Cowboys wie üblich, von ihrem Boss getrennt, denn es hat Geld gegeben und das muss unter die Menschen gebracht werden.

Auch Carol geht eigene Wege. Ab und zu muss das einfach sein. Sie hat einen Bekannten aus ihren Wandertagen wiedergetroffen und da sie ihm viel zu berichten hat, hat auch sie sich von ihrem Boss getrennt, der ihr das in seinen Augen gar nicht harmlose Vergnügen nicht untersagen kann, denn er ist nicht ihr Vater und John schien nichts gegen ihren Ausflug zu haben.

Der Trailboss reitet langsam, zum einen, um sein Pferd zu schonen, zum anderen aber, um es dem Mädchen leichter zu machen, ihn später einzuholen. Ihn plagt ein wenig die Sorge, dass die Vergangenheit das Kind wieder einholen könnte. Sie wirkt seit einigen Tagen so unruhig und rastlos. Dann das Aufeinandertreffen mit dem jungen Mann, den sie ganz offensichtlich sehr gut kennt und über das sie sich unerwartet überschwänglich gefreut hat. Dies alles lässt in dem Vormann ein ihm unbekanntes Gefühl wachsen. Er hat sich fest vorgenommen, das rothaarige Wesen zu suchen, wenn sie bis Einbruch der Dunkelheit nicht zu ihm gestoßen ist.

Plötzlich stutzt er. Er sieht ein Schild, auf dem zu lesen steht:

„RAMBOS RANCH!

Das ganze Gebiet, das Sie hier sehen, soweit das Auge reicht und noch viel weiter.

BETRETEN VERBOTEN!

Es wird scharf geschossen!

Gezeichnet:

MANOLITO RAMBO!“

Widefield schüttelt verwundert den Kopf und setzt sich wieder in Trab, da erblickt er jemanden. Er blinzelt in die Sonne und durchschaut sofort die Situation. Bei der Person handelt es sich um einen Viehdieb, der gerade ein Kalb geschlachtet hat. Seine Augen suchen nach dem Muttertier, da sieht er eine kleine Gruppe Rinder, etwa hundert Meter entfernt, friedlich grasen.

Viehdiebstahl ist eines der schlimmsten Vergehen in dieser Gegend, das kommt fast hinter Mord, denn für einen kleinen Farmer kann der Verlust eines Tieres schon das Aus bedeuten. Der Mann aus Wyoming weiß das und er weiß auch, dass einer dem anderen gegen Viehdiebe beizustehen hat. Das ist ungeschriebenes Gesetz hier im Westen.

„He“, ruft er zu dem Mann hinüber, „was machen Sie denn da?“

Der so Angerufene dreht sich ruckartig um und Widefield sieht, dass er eine Pistole in der Hand hält. Da er selbst nicht mehr schnell genug reagieren und seine Waffe ziehen kann, lässt er sich instinktiv vom Pferd fallen, so dass die Kugel nur seinen Arm streift und nicht den Körper erwischt. Der Fremde schießt glücklicherweise nicht noch einmal, sondern springt in den Sattel seines Schimmels und verschwindet zwischen einigen Felsen, die ihn sofort verschlucken und eine gute Deckung bieten.

Drei Männer, die sich gerade ganz in der Nähe aufhalten, um Zäune zu kontrollieren, reiten in mörderischem Tempo los, um die Ursache des Schusses zu ergründen.

Carol studiert in diesem Augenblick gerade das Schild und murmelt verhalten: „Irgendwo hat doch anscheinend jeder einen Zacken ab. Dieser Rambo hat ja einen Riesenknall. Der hat nicht nur einen Spleen, der ist glatt dem Größenwahn verfallen. Mann, dem fehlt nicht nur eine Ecke, der ist schon rundgeschlagen.“

Genau in diese Gedanken hinein vernimmt das Girl den Schuss. Sie zieht die Augenbrauen in die Höhe, knurrt: „Verflucht noch mal!“, und gibt ihrem schwarzen Hengst die Sporen. „Los, mein Freund, wie es sich anhört, hat irgendwer das interessante Schild nicht gelesen.“

Eine junge, blonde Frau und ihr kleiner Sohn fahren in einem leichten Fuhrwerk die staubige Straße entlang, als der Schuss fällt.

„Hörst Du, Jimmy, Dein Vater hat wieder nichts Besseres zu tun, als seinen Minderwertigkeitskomplex abzureagieren.“ Die Frau verzieht angewidert das Gesicht, doch das Kind ist mit anderen Gedanken beschäftigt. „Ich glaube, die großen Häuser lassen gar keine Sonne durch. Sind denn in New York wirklich so hohe Häuser, dass da viele Etagen übereinander sind?“

Die Frau blickt träumerisch in die Ferne. „Ja, Jimmy, dort gibt es ganz hohe Häuser. Vielleicht gibt es jetzt noch welche, die noch mehr Stockwerke übereinander haben.“

„Du, Mama, schau mal, dort drüben!“ unterbricht sie der Knabe aufgeregt und weist auf eine am Boden liegende Gestalt.

Die Mutter blickt in die angewiesene Richtung, zuckt zusammen, lenkt sofort die Pferde zu der ihr nicht bekannten Person und bringt die Tiere durch den Zuruf ,,Brr, halt!“, sowie energischer Zügelarbeit zum Stehen.

Sie springt aus dem Fuhrwerk und läuft zu dem Mann hin. Gerade, als sie sich zu dem Verletzten hinunter beugen will, erscheinen aus der entgegengesetzten Richtung die drei Männer ebenfalls auf der Bildfläche.

David Widefield, er ist die am Boden liegende Person, ist inzwischen wieder zu sich gekommen und befühlt vorsichtig eine Beule an seinem Hinterkopf

„Was haben Sie hier zu suchen? Können Sie nicht lesen?“, herrscht ihn einer der Männer an.

„Doch, es wird scharf geschossen.“

„Hm, Sie scheinen ein sonniges Gemüt zu haben.“

Sarkastisch erwidert darauf der Indian: „Habe ich immer, wenn auf mich geschossen wird.“

„Aha, und wer hat auf Sie geschossen? Von meinen Leuten kann es keiner gewesen sein.“

„Nein, es war ein . . . “, David verzieht leicht das Gesicht vor Schmerzen, „es war ein Viehdieb. Er hat ein Kalb geschlachtet. Es muss noch dort drüben irgendwo liegen.“ Er deutet in die entsprechende Richtung.

Justament in diesem Augenblick trifft auch Carol am Ort des Geschehens ein. Mit großem Erstaunen sieht sie die vielen Menschen, dann erblickt sie ihren am Boden hockenden Boss.

Mit einem entsetzten Aufschrei springt sie vom Pferd, wirft ihm automatisch die Zügel über den Kopf und stürzt auf David zu. „Um Himmels Willen, Indian!“

Sie kniet neben ihm nieder und fragt erschüttert. „Indian, Boss, was ist denn nun schon wieder passiert? Für Dussligkeiten bin ich doch eigentlich zuständig.“ Trocken fügt sie noch hinzu. „Ich wusste nicht, dass Du neuerdings nicht mehr lesen kannst. Oder geht es Dir wie mir, bist Du vergnügungssüchtig?“

Der Mann winkt mit dem unverletzten Arm leicht ab, dafür mischt sich Rambo ein und fragt hart: „Wer sind Sie denn?“

Mit einem unglaublich hochmütigen Gesichtsausdruck antwortet der rothaarige Wirbelwind: „Ich? Ich heiße Carol Blake, bin Cowboy auf der Willow-Tree-Ranch, Ebony-Town, Wyoming. Und das dort“, sie weist auf ihren Kameraden, „ist David Widefield, mein Vormann.“

„Sie und Cowboy, pah!“ Rambo vernichtet Carol mit seinem Blick und kehrt ihr mit den Worten: „Lächerlich! Ein ungehöriger Aufzug macht noch lange keinen Cowboy“, den Rücken zu.

Er wendet sich an einen seiner Männer. „Ich hole den Wagen! Pete, Du holst bitte umgehend den Doktor, er soll sich beeilen.“

„Okay, Boss!“ Der Cowboy schwingt sich in den Sattel, reitet los und Rambo geht zu dem Zweispänner. Die junge Frau folgt seinen Schritten mit ängstlichem Gesichtsausdruck. Bei seinem Erscheinen ist sie blass geworden und nun scheint sie förmlich in sich zusammen zu schrumpfen.

Ihr Unbehagen ist fast körperlich in der Luft zu spüren.

Rambo sieht sofort die beiden Koffer auf dem Wagen. Er öffnet den ersten, entnimmt ihm ein Kleid und fragt die Frau mit schneidender Stimme: „Was soll denn das?“

Die Frau schluckt, dann zuckt sie die Schultern und meint betont gleichgültig: „Ich wollte die Sachen zum Ändern bringen.“

Ein wenig angstvoll bleiben ihre Augen an dem anderen Koffer hängen. Der Rancher bemerkt diesen Blick und öffnet auch das zweite Gepäckstück. Dieses Mal ist es eine Knabenjacke, die er zu Tage fördert.

Hasserfüllt sieht Rambo seine Frau an und sagt mit beißendem Hohn in der Stimme: „Die wolltest Du wohl auch zum Ändern bringen, wie?“

Die junge Frau beißt sich auf die Lippen und wird abwechselnd blass und rot. Dann nickt sie und sagt mit zittriger Stimme: „Natürlich Manolito. Du hast es doch neulich selbst gesagt, unser Jimmy ist mächtig gewachsen in der letzten Zeit. Seine Arme stecken zu weit aus den Ärmeln heraus und seine Hosen sind ihm auch alle zu kurz geworden.“

Der Rancher schaut auf das Kind: „Jimmy, steig auf den Wagen!“

Dann dreht er sich mit einem eiskalten Blick in den Augen zu seiner Frau um, holt aus und schlägt ihr mit der flachen Hand ins Gesicht.

„Verlassen wolltest Du mich, abhauen und den Jungen mitnehmen. Auf den Wagen mit Dir, Du Miststück. Du fährst sofort zur Ranch zurück und machst das Gästezimmer parat. Wir zwei sprechen uns noch, verlass Dich darauf.“

Carol ist bei dem Schlag zusammengezuckt und sie muss sich mächtig anstrengen, um dem brutalen Kerl nicht ihre Meinung zu geigen.

Auch dem Indianer ergeht es ähnlich, doch sie wissen beide, dass eine Ehefrau, die ihren Mann betrügt oder gar verlassen will, von ihm bestraft werden darf. Sie sind sich darüber im Klaren, dass sie sich da nicht einzumischen haben. Eine Frau ist ein wertvoller Besitz, denn es gibt einen enormen Männerüberschuss im Westen.

,Da kann man direkt Angst vor der Ehe bekommen, wenn man das so sieht. Mann, da ist es ja besser, als alte Jungfer sein Dasein zu fristen und zu sterben, statt als so verprügelte und erniedrigte Ehefrau zu leben‘, denkt Carol, als sie der Ranchersfrau beim Einsteigen in den leichten Wagen zuschaut.

Mit Rambos und seines Cowboys Hilfe wird der Indian ebenfalls in das Gefährt gesetzt und zu Rambos Ranch gebracht. Carol reitet auf Silky hinter dem Tross her und führt Davids Stute am Zügel.

Wenige Tage später geht es dem Indianer schon wieder viel besser, denn Rambo hatte einen sehr guten Arzt kommen lassen, der zur Beruhigung der Willow-Tree-Leute auch ein Kabel nach Ebony Town geschickt hat und Carol hat ihren Boss zärtlich gepflegt. Sie hat sogar ein eigenes Zimmer bekommen, denn sie hatte energisch darauf bestanden, im Stall zu schlafen, da sie nicht bereit war, mit ihrem Vormann das Zimmer zu teilen. In den Stall wollte der Rancher die Frau aber doch nicht schicken, denn ob Cowboy oder nicht, Girl bleibt Girl.

Nachdem sein Arm wieder halbwegs verheilt und in Ordnung ist, übt David mit dem Mädchen den Arm zu bewegen. Aus der Erfahrung ihrer ,,Unfälle“ kennt sie viele gute Bewegungsübungen.

Um die Muskeln zu stärken, boxt er ihr zunächst nur gegen die flache Hand. Anfangs klappt noch überhaupt nichts, aber schon bald kann Carol wieder eine gewisse Kraft spüren und es wird immer mühevoller, der Sparringpartner für einen so kräftigen Mann zu sein.

Dann muss die Beweglichkeit des Muskels wieder hergestellt werden. Zunächst bekommt David seinen Colt nur mit Mühe aus dem Holster und kann ihn kaum festhalten. Aber schnell bekommt er auch wieder Gefühl für die Waffe.

Mit leerer Trommel übt er das Nichtverlernen.

Carol steht ihm, ebenfalls mit ungeladenem Revolver gegenüber. Sie stehen da, wie zu einem Duell. Carol zählt langsam bis drei, dann ziehen beide. Das Mädchen, das auch gegen einen gesunden Mann in punkto Schnelligkeit leicht gewinnen könnte, hat die Waffe oben, bevor David seine Hand überhaupt bis zum Holster bewegt hat.

Der Vormann verzieht das Gesicht und fasst sich an die verheilende Wunde.

Carol dagegen schüttelt nur leicht den Kopf, streicht sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht und murmelt: „Das ist noch rein gar nichts. Du bist viel zu langsam. Ich hätte Dich im Ernstfall schon durchlöchert, ehe Du Deine Waffe überhaupt berührt hast.“

Sie seufzt ergeben und steckt den Revolver in den Holster zurück. „Also dann, auf ein Neues!“ Wieder zählt das Girl langsam bis drei und zieht.

Genau in diesem Moment kommt Rambo um eine Ecke der Scheune, zieht ebenfalls und faucht Carol an. „Lassen Sie sofort die Waffe fallen. Sie begehen sonst einen Mord. Der Mann ist mit seinem verletzten Arm noch nicht in der Lage, auch nur annähernd so schnell zu ziehen, wie Sie! - Schlichten Sie Ihren Streit gefälligst auf eine andere Art und Weise.“

Er schüttelt den Kopf „So ein Satansbraten von hartem Weibsstück ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht über den Weg gelaufen.“

„Vielen Dank für das Kompliment! Und jetzt wird Ihnen der Satansbraten mal was zeigen!“

Hörbar atmet Carol durch die Nase aus, dann seufzt sie, geht auf den Rancher zu, der ihr mit seinen Worten ein durchaus galantes Zeichen seiner Sympathie gegeben hat, öffnet die Revolvertrommel und fragt scharf: „Erzählen Sie mir doch bitte mal, wie ich mit d e m Revolver schießen soll.“ Nachdrücklich beton sie das Wörtchen „dem“.

Verständnislos blickt Rambo das Mädchen an: „Und was soll das Ganze?“

Inzwischen ist der Indian herangekommen und meint begütigend: „Es ist weiter nichts, Mister, ich trainiere nur meinen angeschossenen Arm ein wenig. Carol ist sehr schnell und daher ein ausgezeichneter Übungspartner.“

„Das habe ich wohl gesehen. Ein sehr undamenhaftes Hobby für ein hübsches junges Mädchen.“

„Na und?“, schnappt die undamenhafte Hübsche sofort. „Andere Leute haben das Hobby, große Schilder aufzustellen, um auf sich aufmerksam zu machen.“

Der Rancher überhört die Anspielung gnädig und wendet sich anerkennend an den Indianer: „Sie haben sich rasch wieder aufgerappelt, dass macht Ihnen so schnell keiner nach.“

„Ich habe ja auch noch etwas sehr Wichtiges zu erledigen.“ Mit seinem üblich ernsten Gesicht hat der Vormann den Revolver wieder in den Holster zurückgeschoben.

„Sie wollen dem Viehdieb folgen und ihn stellen, nicht wahr?“ fragt der Rancher beeindruckt.

Als Widefield bejahend nickt, murrt Carol bitter: „Oh Mann, Boss, warum wirst Du bloß nicht klug? Der Kerl ist längst über alle Berge oder meinst Du, der hockt hier irgendwo und wartet auf Dich?“

„Ihr Freund ist eben ein ganzer Mann!“

„Ph“, Carol schnaubt ungehalten und knurrt bissig: „Sehr schön, ich frage mich nur, ob ich mit einem toten Freund noch sehr viel anfangen kann.“ Wütend blitzen ihre Augen unter dem Pony hervor, dann stapft sie, ohne ein weiteres Wort zu sagen, zornig von dannen.

Der Rancher blickt ihr nach und grinst: „Aber irgendwie ist sie doch ein bemerkenswertes Persönchen. Und Temperament hat sie, wie eine Ladung Dynamit. Wenn sie nicht so hübsch wäre, würde man sich bestimmt weniger Gedanken machen.“

Der Indian schmunzelt und denkt bei sich: ‚Nicht Dynamit, sondern Nitroglyzerin. Schütteln lebensgefährlich, aber an der frischen Luft richtig behandelt, braucht man nichts zu befürchten, dann kann es sogar sehr nützlich sein.’

Laut sagt er: „Wenn sie anders wäre, wäre sie nicht zu ertragen.“

Jetzt fällt es Rambo wieder ein, weshalb er mit dem Mann aus Wyoming hatte reden wollen.

„Kommen Sie, Mister Widefield, setzen wir uns einen Augenblick auf die Veranda. Ich habe etwas mit Ihnen zu besprechen.“

Die beiden Männer gehen um die Scheune herum und setzen sich auf der Veranda auf eine Bank, die in einer schattigen Ecke steht.

David blickt den Rancher erwartungsvoll an und der legt auch sofort los. „Ich suche schon seit langer Zeit einen wirklich guten Vormann. Bis jetzt habe ich noch keinen richtig verlässlichen Typen gefunden, aber ich glaube, dass Sie der richtige Mann für diesen Job sind und deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht hier bleiben wollen. Natürlich nicht als mein Vormann, sondern als mein Partner. - So habe ich mir das zu mindestens gedacht.“

Er macht eine kleine Kunstpause, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen. Der Indianer rührt sich nicht, aus seinem Gesicht ist keine Regung abzulesen.

„Na, was meinen Sie dazu? Wäre das nichts für Sie, hier mein Partner zu sein, hier auf der größten Ranch in Texas?“

„Soweit das Auge reicht und noch viel weiter“, murmelt der Indian mit einem leicht spöttischen Lächeln. Doch dann wird er sofort wieder ernst und schüttelt bestimmt den Kopf. „Nein, Mister! Aber vielen Dank für das Vertrauen. Ich fühle mich auf Willow-Tree eigentlich sehr wohl und daran kann auch der Gedanke an eine Partnerschaft hier nichts ändern. Auch mein Boss, Mister Carpenter, ist in gewisser Weise mein Partner. Er lässt mir völlig freie Hand und verlässt sich voll und ganz auf mich.

Ich will auch ganz ehrlich sein, ich mag die Landschaft in dem bergigen Wyoming viel lieber, als hier das flache, platte Texas, wo man am Mittwoch schon sieht, wer einen am Sonntag besuchen kommt.“

Der Texaner quittiert den Witz mit einem säuerliche Lächeln, dann sagt er mit aller Freundlichkeit, die aufzubieten er im Stande ist: „Aber ich biete Ihnen doch viel mehr, als nur hundert Dollar im Monat.“ Er kann die ablehnende Haltung des Mannes aus Wyoming beim besten Willen nicht verstehen.

Dennoch bleibt der Willow-Tree Vormann unerbittlich hart. „Nein danke, ich bin im Moment wirklich nicht interessiert! Außerdem, was sollte dann aus Miss Blake werden? Die käme mit ihrem Temperament ja glatt irgendwo unter die Räder. Sie hat außer einem Bruder niemanden mehr und dieser junge Mann ist genau so ein Feuerkopf, wie Carol. Die beiden alleine, das gäbe nichts Gescheites.“

„Die kann hier natürlich nicht als Cowboy arbeiten, das hat eine Frau in Texas nicht nötig, aber wenn Ihnen so viel an dem Kind liegt, können Sie sie ja ruhig mitbringen. Für Rambo gibt es kein Problem, das nicht irgendwie zu lösen wäre.“

„Hm“, der Indianer schmunzelt. „und wie stellen Sie sich das dann weiter vor, Sir? Ich bin mit dem Kind nicht verheiratet, denn dazu ist sie noch viel zu jung und ich bin für das Kind leider auch schon viel zu alt. Ich bin da wohl eher so eine Art Vaterersatz für das Mädchen. Aber ich bin eben auch nicht ihr Vater. Die ganze Situation würde doch wohl reichlich unschicklich sein.“

Rambo geht auf diese Feststellungen nicht ein, sondern er erhebt sich und verlässt den Cowboy mit den Worten: „Na, vielleicht überlegen Sie es sich doch noch einmal, denn es ist wirklich ein gutes und faires Angebot.“

Das ist es zweifelsohne, doch für Widefield gibt es da nichts mehr zu überlegen, er gehört auf die Willow-Tree-Ranch und Carol, so hofft er insgeheim, gehört zu ihm, wenn auch nur wie eine Tochter zu einem Vater oder aber wenigstens wie eine Kameradin.

In den folgenden Tagen heilt der Arm zusehends und die beiden Willow-Tree Cowboys bereiten ihre Heimreise vor. Dabei geschieht so einiges, das unsere beiden Freunde fast um Kopf und Kragen bringt.

Manolitos Frau Gina leidet sehr unter der Willkürherrschaft ihres Mannes und hat schon seit längerem die Absicht, ihn zu verlassen. An dem Tag, als der Indian von dem Viehdieb angeschossen worden ist, wollte sie ihren Plan gerade in die Tat umsetzen, ist aber leider durch die Geschehnisse von ihrem Vorhaben abgebracht worden.

Obwohl Rambo dieses ahnt, kann er ihre Behauptung, die aufgefundene Bekleidung zur Schneiderin bringen zu wollen, nicht widerlegen. Mit Argusaugen beobachtet er jedoch seit diesem Tag jeden Schritt seiner Frau.

Carol und David haben ebenfalls kein gesteigertes Verlangen auf die weitere Gesellschaft dieses Mannes, insbesondere, nachdem beide mehrfach beobachten mussten, wie brutal der Rancher mit seinen Mitmenschen umgeht.

Der Viehdieb, mit dem David eigentlich auch noch ein Hühnchen rupfen wollte, wurde bei dem Versuch, ein weiteres Kalb zu schlachten, von einem der Rambo Cowboys überrascht. Die „Verhandlung“ über den Fall war kurz, die Urteilsvollstreckung durch den Rancher grausam. Der kleine Ganove wurde an Händen und Füßen gefesselt über eine Weide in der Nähe des Ranchhauses geschleift, bis seine Bekleidung nur noch in blutigen Fetzten von ihm herabhing, dann erst wurde ihm unter einem mächtigen Baum die Schlinge um den Hals gelegt und da er zu diesem Zeitpunkt bereits mehr tot als noch lebendig war, konnte ein schneller Restvollzug der Rambo-Strafe für den kleinen Ganoven nur noch einen Gnadenakt bedeuten.

Großzügig bot Rambo dem Indian an, an dem Fremden Rache für seine Schussverletzung zu nehmen, doch dieser lehnte angewidert ab. Lynchjustiz ging Widefield schon immer gegen den Strich, doch wollte er sich in diesem Fall nicht in die Angelegenheiten des Texaners einmischen.

Allerdings drängt es unsere Freunde nach diesem Vorfall noch viel mehr, endlich nach Wyoming zurückzukehren.

Durch einen Trick schafft es Gina, dass der Indian und Carol ihr, wenn auch ungewollt, bei der Verwirklichung ihrer „Reisepläne“ behilflich sind. Beide sehen zwar, dass die Ehe der Rambos eine einzige Katastrophe ist, ahnen aber von den Fluchtgedanken der Frau nicht das Geringste, denn die beiden haben keinen Grund, die Begründung, dass sie nur Kleidung zum Ändern bringen wolle, die sie bei ihrem ersten Zusammentreffen aus Ginas Mund gehört haben, anzuzweifeln. Carol, die Zeit ihres kurzen Lebens immer an die Ehe als eiserne, nicht abänderliche Institution geglaubt hat, kann es sich nicht einmal im Traum vorstellen, dass die verschüchterte Frau den Mut aufbringen könnte, ihren Mann zu verlassen.

Mrs. Rambo hat den Gästen ihres Mannes eine rührende Geschichte von einer Freundin erzählt, die schwer krank darniederläge, die aber niemanden habe, der sich ein wenig um sie kümmere und der sie doch zu gerne helfen möchte. Ihr Mann sei aber wegen einiger geschäftlicher Sachen so sehr in Anspruch genommen, dass er leider im Augenblick nicht die Zeit habe, sie auf dieser Reise zu begleiten und ob sie nicht ein Stück des Wegs mit ihnen kommen könne.

Die beiden Leute von der Willow-Tree-Ranch, die sich schon überall verabschiedet haben und in voller Aufbruchsstimmung sind, ahnen wirklich nicht das Mindeste, insbesondere, da sich das Verhältnis der Eheleute in den letzten Tagen zu entspannen schien und beide fast liebevoll miteinander umgegangen sind. Sie sind gerne bereit, sich für die Gastfreundschaft zu revanchieren und die junge Frau und ihren Sohn Jimmy ein Stück des Wegs zu begleiten.

Gegen Abend kommen sie an eine alte Jagdhütte und nach kurzer Beratung beschließen die vier Menschen, die Nacht hier zu verbringen, obwohl Mrs. Rambo am liebsten weitergefahren wäre. Erstmals wird Carol ein wenig hellhörig, doch dann schiebt sie die Eile, die Gina an den Tag legt, auf die Sorgen, die sie sich um ihre Freundin macht. Nach den vernünftigen Worten des Indian, der sie über die Gefahren einer nächtlichen Weiterreise aufklärt, sieht die junge Frau es dann aber doch ein, dass die Pferde und auch die Menschen, die sie begleiten, insbesondere natürlich ihr Kind, dringend eine Ruhepause und etwas Schlaf brauchen.

Währenddessen hat Rambo auf seiner Ranch den Treuebruch seiner Frau selbstverständlich schon entdeckt und ist in heller Aufregung. Er ist immer schnell jähzornig und aufbrausend, aber so wütend haben seine Männer ihn noch nicht erlebt. Er tobt wie ein Verrückter.

Es stört den Mann weniger, dass seine Frau ihn verlassen hat, denn die war ihm schon lange eine Belastung mit ihrer stillen, sensiblen Art, aber dass sie seinen über alles geliebten Sohn mitgenommen hat, diesen Gedanken kann er einfach nicht ertragen.

Wutentbrannt schickt er seine Männer aus, die die beiden suchen sollen. „Bringt mir meinen Jungen zurück, er ist unschuldig an dem Dilemma und kann auch für die Dämlichkeit seiner Mutter nichts. Die Alte könnt ihr ruhig fahren lassen, wohin sie möchte, aber den Jungen, den will ich wieder haben.“

Der Indianer und sein Cowgirl sind losgezogen, um für ein anständiges Abendessen zu sorgen. Sie haben zwar ein paar Dosen Bohnen dabei, aber das rothaarige Kind steht nicht allzu sehr auf Büchsenbohnen, sondern hat Appetit auf ein wenig Fisch. Sie ist daher fest entschlossen, ein paar Schuppenträger zu fangen. Eine Schnur und einen Haken hat sie seit ihrer Wanderzeit immer bei sich und so ist sie guten Mutes, zu einer schmackhaften Abendmahlzeit zu kommen.

Der Indian ist seiner Freundin gefolgt und hat sein Gewehr mitgenommen, denn er will sehen, ob er einen Hasen findet, den er erlegen kann. Immerhin sind vier statt zwei Mäuler zu stopfen.

Mrs. Rambo und ihr kleiner Sohn sind derweil in der Jagdhütte zurückgeblieben und lauschen auf die Rückkehr der beiden Leute aus Wyoming.

Plötzlich fliegt mit einem lauten Krachen die Tür auf und zwei Cowboys ihres Mannes stehen im Rahmen. Sie sehen sich nur wortlos an, dann zerren Sie Gina und das Kind brutal mit sich.

Die Aktion ist in wenigen Sekunden über die Bühne gegangen, denn Mutter und Sohn wehren sich nicht dagegen. Sie wissen genau, dass sie gegen Rambos Männer nicht das Geringste unternehmen können, da diese kaum weniger brutal sind, wie ihr Arbeitgeber.

Was beide natürlich nicht wissen und auch nicht ahnen können, ist, dass die beiden Cowboys von dem Rancher schon lange die Nase gestrichen voll haben und bislang nur noch nicht den Mut gefunden haben, ihm das auch zu sagen. Stattdessen planen sie nun eine kleine Erpressung, um an genügend Geld zu kommen, dass sie ihren Job endlich hinschmeißen können.

Am darauffolgenden Tag in der Mittagszeit erhält Manolito Rambo einen Brief, in dem er aufgefordert wird, einhunderttausend Dollar Lösegeld zu zahlen. Das ist natürlich eine wahnsinnige Menge Geld und die Zahlung würde ihn vollständig ruinieren, abgesehen davon könnte der Rancher diese Summe in angemessener Zeit gar nicht besorgen.

Aber die Unverfrorenheit der Erpresser lässt ihn vor Zorn fast zerspringen und wütend macht er sich nun selbst auf den Weg, um seine ihm Angetraute und seinen Sohn zu suchen.

Als Carol und ihr Boss von der Jagd zurückkehren, finden sie die Hütte verlassen vor und auch das Kutschgespann ist verschwunden. Das erscheint beiden äußerst verdächtig und sie fassen den Entschluss, sich am nächsten Morgen ganz früh bei Tagesanbruch auf die Suche nach den Verschwundenen zu machen, denn obwohl Gina am liebsten weitergefahren wäre, erscheint es den beiden Willow-Tree Leuten recht unwahrscheinlich, dass sie sich mit Jimmy allein in die Nacht hinausbegeben hat. So eine Nacht- und Nebelaktion, ohne ihren Begleitern vorher Bescheid zu geben, liegt jenseits jeder Vorstellungskraft und obwohl Carol am liebsten sofort losgezogen wäre, beugt sie sich der Vernunft des erfahrenen Vormanns, der ihr erklärt, dass sie in der Dunkelheit gar nichts ausrichten können, sondern im Gegenteil höchstens die paar vielleicht vorhandenen Spuren auch noch verwischen.

Die Augen fest auf den Fußboden gerichtet, durchmisst Carol den Raum Zentimeter um Zentimeter. Endlich bleibt sie stehen und knurrt: „Weißt Du Boss, die ganze Sache stinkt zwar unglaublich nach Rambo, aber ich denke, dass wir dennoch bald was unternehmen müssen. Irgendwas stimmt da nämlich nicht, da ist was faul und steigt mir gewaltig in die Nase. Die Ehe ist doch total im Eimer, auch wenn uns die letzten Tage eitle Harmonie vorgegaukelt worden ist. Gina ist Manolito doch vollkommen schnuppe, aber seinen Sohn liebt der Kerl abgöttisch. Nicht, dass er der armen Gina noch den Hals rumdreht, weil sie mit ihm getürmt ist.“ Sie schaut sich um. „Ein Kampf hat jedenfalls nicht stattgefunden, sie ist ziemlich freiwillig oder sagen wir mal so, ohne große Gegenwehr mitgegangen, was mir den Eindruck vermittelt, dass sie die Leute kannte, die sie mitgenommen haben.“

Nachdenklich runzelt das Mädchen plötzlich die Stirn und zieht die Schultern hoch. „Ich habe auf einmal den leisen Verdacht, dass sich die gute Misses nur unter dem Vorwand eine kranke Freundin besuchen zu wollen, uns angeschlossen hat.“ Sie holt tief Luft. „Weißt Du, ihre Eile und ihr Drängen noch einige Meilen weiterzufahren, kamen mir schon etwas verdächtig vor. Ich denke mal, die Wahrheit ist, dass sich die junge Lady klammheimlich aus dem Staub machen wollte, um dem Tyrannen zu entgehen. Und ich höre förmlich, wie Rambo am Toben ist; und wenn mich mein Instinkt nicht völlig im Stich gelassen hat, hält der uns für die Drahtzieher an dem ganzen Übel und wir kriegen noch mächtigen Ärger. Auf einmal ist mir, als sollten wir so schnell wie möglich sehen, dass wir Land gewinnen und viele Meilen zwischen uns und Rambos Ranch packen.“

„Ach, komm schon, Carol, Du siehst Gespenster. Ich wäre zwar nicht erstaunt darüber, wenn Regina ihren Mann verlassen hat, aber ich sehe nicht, warum ausgerechnet wir zwei deswegen Ärger kriegen sollten. Schließlich ist es dich nicht unsere Schuld, wenn die zwei nicht miteinander umgehen können.“

„Du wirst es erleben, Boss. Dieser Rambo ist nicht mit normalen Maßstäben zu messen. Wir kriegen Ärger. So etwas ahne ich, ich kann das direkt körperlich spüren. Dann zieht sich meine Kopfhaut zusammen und ich spüre jedes Haar einzeln. Ich habe eine direkte Verbindung zu solchen Vorahnungen. Du kannst mir das ruhig abnehmen und glaube mir, Du wirst noch an unser Gespräch zurückdenken. Dieser Rambo ist ein Stinkstiefel aller erster Güte und in seinem Zorn ist er zu allem fähig, nur nicht zum klaren Denken. – Ich hätte es mit dem Kerl bestimmt keine drei Tage ausgehalten. Lieber würde ich als alte Jungfer verlacht, als dass ich mich von so einem spinnerten Ehemann verprügeln ließe. Mir ist mehr als einmal aufgefallen, dass Gina ein geschwollenes Gesicht und verweinte Augen hatte.“

Der Indian muss lächeln, als er das besorgte Gesicht der Kleinen sieht. „Du bist eine kleine Unke, Carol. Deine Vagabundiererei hat Dich verdorben.“

Schon eine ganze Weile vor Sonnenaufgang machen sich Widefield und das Girl am nächsten Morgen auf die Suche nach der Ranchersfrau und ihrem Kind, denn Carol konnte sowieso nicht einschlafen und mit ihrer Unruhe hat sie den Indian dann doch irgendwie angesteckt, auch wenn es ihm nicht anzumerken ist.

Als die Sonne schon wieder im Sinken begriffen ist, murrt Carol sauer: „Zwei ganze Tage haben wir durch diese Scheiße verloren. Es ist zum aus der Haut fahren.“

Ihr Boss verzichtet darauf, sie wegen des Schimpfwortes zu maßregeln, denn er denkt genauso und so nickt er nur schweigend.

Plötzlich nimmt Carols feine Nase den Geruch von Rauch wahr. Sie pariert ihr Pferd und gibt dem Vormann ein Zeichen, sich ruhig zu verhalten. In diesem Moment bemerkt auch der Indian den Geruch und hält in seiner Bewegung inne.

Die beiden schauen sich um und Carol bewegt nur die Lippen, doch der Indian versteht, was sie sagen will. Es können nur noch wenige Meilen bis zu Rambos Ranch sein, denn sie sind bei ihrer Suche nach Gina und Jimmy bogenförmig wieder darauf zugeritten.

Leise steigen beide aus dem Sattel und schleichen nach Indianermanier durch das Gebüsch nahe an einen Lagerplatz heran.

Mit einem Blick erkennen unsere Freunde, dass sie am Ziel ihrer Suche sind. Die junge Frau und der Knabe liegen etwas abseits unter einem großen Baum und schlafen, ihre beiden Bewacher, eindeutig Rambos Leute, unterhalten sich angeregt.

Carol und David sehen sich an. Sie denken beide das Gleiche. Hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu, denn so nahe bei der Ranch ein Lager aufzuschlagen, macht nur Sinn, wenn man aus irgendeinem Grund nicht auf die Ranch will.

Die zwei Entführer ahnen nicht das Geringste, als plötzlich ein Mann und ein junges Mädchen mit Revolvern vor ihnen stehen. Sie geben sich aber dennoch der unsinnigen Hoffnung hin, sich noch irgendwie aus ihrer misslichen Lage befreien zu können und reißen ihre eigenen Waffen hoch, doch ihre Schrecksekunde dauert ein wenig zu lange und so ist es für den Indianer und seinen Cowboy ein Leichtes, die Männer zu überwältigen.

In dem Trubel geht sogar ein Schuss los, der aber glücklicherweise niemanden trifft und irgendwo in die Erde einschlägt.

Natürlich muss der Indian die Schwerstarbeit machen, könnte man jetzt annehmen, doch auch Carol kennt sich mit solchen Situationen ganz gut aus. Sie ist zwar nicht sehr stark, dafür aber sehr flink und auch recht einfallsreich. Sie zieht kurzerhand einem der Kerle eins mit dem Kolben ihres Revolvers über, dass es nur so knirscht und murmelt gefühllos: „Aua!“, als sie beobachtet, wie der Kerl in sich zusammensackt.

Der Vormann arbeitet mit einer ähnlichen Methode. Er landet seine gestreckte Linke mitten im Gesicht des zweiten Mannes, worauf dieser mit einem gurgelnden Laut zusammenbricht.

„Volltreffer!“ kommentiert das Girl den Schlag sachlich. Offen bleibt dabei, ob sie damit ihren oder den Treffer des Kameraden oder beide meint.

„Gut gemacht, mein Mädchen!“ David lächelt leicht und streicht ihr sanft über den Kopf, was ihr Herz heftig klopfen lässt, doch sie tut, als wäre es nichts Besonderes.

Gerade wollen sie sich der Frau und dem Kind zuwenden, die natürlich durch den Tumult wach geworden sind und den kurzen Kampf mit schreckensgeweiteten Augen verfolgt haben, da fühlt sich Carol plötzlich von hinten angegriffen.

Sie wird von einem bärenstarken Mann festgehalten und muss mit ansehen, wie Rambo ihren Boss, der ebenfalls, allerdings von zwei Männern, festgehalten wird, beschimpft und brutal zusammenschlägt.

Der Rancher hatte aus der Ferne einen leichten Feuerschein gesehen und dann den Schuss gehört. Sofort war er auf den Lagerplatz zugeritten und interpretiert die Situation nun natürlich völlig falsch. Er denkt, Carol und David hätten den Erpresserbrief geschrieben und wären von seinen Leuten gestellt worden. Seinen ganzen unheiligen Zorn reagiert er an dem total hilflosen Widefield ab.

Carol gerät außer sich vor Wut, als sie das mit ansehen muss. In ihrem Inneren kocht es, hinzu kommt noch, dass sie ihrem Boss nicht zu Hilfe kommen kann. Ihre einzige Waffe ist also nur noch ihr Mundwerk, welches sie aber in einer unglaublich undamenhaften Art zu nutzen versteht.

Sie legt auch sofort, als sie die starken Arme auf ihrem Körper fühlt, los, wie ein Bierkutscher zu fluchen. Nach einigen der unflätigsten Ausdrücke, die ihr in den Sinn kommen, schreit sie: „Es ist einfach, einen Mann zu schlagen, der sich nicht wehren kann. Drei gegen einen. Feige Drecksbande! Sie sind doch nichts weiter, als eine feige, miese Ratte!

Manolito Rambo, die feigste Ratte von ganz Texas, die mieseste feigste Ratte der ganzen Vereinigten Staaten!“ Sie holt tief Luft. „Sie widerwärtiges, ekelerregendes Schleimscheißpaket. – Rambo, Sie sind doch nichts weiter, als eine feige, miese Ratte! Sie aufgeblasene, eingebildete Attrappe, Sie! Sie Null, Sie Nichts mit noch viel weniger drumherum!“

Wieder holt Carol tief Luft, sie sieht, dass er für einen Moment von dem Indianer abgelassen hat und kreischt: „Dass Sie ein absolut widerwärtiges Subjekt sind, hatte ich schon eine ganze Weile im Gefühl, aber dass Sie so ein feiges Schwein sind, habe ich nicht gedacht. Sie sind ein Mistkerl, wie er im Buche steht. Aber das können Sie ja nicht wissen, Sie blödes Arschloch! Ich bezweifle mittlerweile, ob Sie überhaupt lesen können. Wenn ich Ihre Frau wäre, ich hätte Ihnen, bevor ich Sie verlassen hätte noch ein langes, scharfes, spitzes Messer in den miesen Balg gejagt. Ein Kerl, der seine Frau misshandelt ist das allerletzte, nee, der ist das Allerhinterletzte!

Sie sind ja zu allem zu blöd! Das einzige, was Sie können, ist bescheuerte Schilder aufzustellen, Schilder die so blöde sind, dass ich mich krank lache, Sie mieser Angeber!“

Rambo ist während Carols Worten knallrot angelaufen und jetzt platzt ihm endgültig der Kragen, er lässt den Indian Indian sein und geht auf das rothaarige Girl zu, bleibt einen Moment vor ihr stehen, holt weit aus und verpasst ihr eine schallende Ohrfeige.

Carol, die in ihrem jungen Leben schon so einiges mitgemacht hat, was schlimmer war, als eine Ohrfeige, zuckt mit keiner Wimper, obwohl ihre Zähne klirren, ihre Haut wie Feuer brennt und sie das Gefühl hat, als wäre ihr die ganze Wange aufgeplatzt, so dass das Blut nur so schießen müsste.

Das einzige, was ihr einen Funken Genugtuung verschafft, ist die Tatsache, dass sie dadurch ihrem Boss ein wenig Atemluft verschafft hat. Sie bedankt sich bei Rambo dafür auch sofort mit einer reizenden Gegengabe. Sie platziert einen kräftigen Tritt vor Rambos Schienbein und sie trifft trotz der ‚liebevollen Umarmung’ durch Rambos Cowboy sehr genau. Gerne hätte sie etwas höher getreten, aber dafür ist ihre Reichweite dann doch zu stark eingeschränkt.

„Du kleines Stück Dreck!“, flucht der getroffene Rancher.

Dieses Kompliment trifft das Mädchen nun allerdings nicht im Geringsten, sie hat schon ganz andere Titulierungen zu hören bekommen, dagegen ist das Stück Dreck fast harmlos.

Sie spuckt in hohem Bogen vor dem Rancher auf die Erde und sagt mit auf einmal ganz ruhiger, leiser Stimme, aber immer noch laut genug, dass es alle hören können: „Danke gleichfalls, aber von klein kann bei Ihnen ja wohl nicht die Rede sein. Sie sind ein ganz großer, mieser Haufen Scheiße!“

Der Texaner ist nahe daran, seine Beherrschung erneut und endgültig zu verlieren, doch dann besinnt er sich plötzlich, dass er eine Frau vor sich hat, eine Frau, die eigentlich fast noch ein Kind ist. Abrupt macht er eine Kehrtwendung und geht zu seinem Pferd.

Der Mann, der Carol noch immer umklammert hält, lockert seinen Griff und das Kind macht eine blitzschnelle Drehung und rammt ihm ihr Knie mit solcher Gewalt in den Unterleib, dass er nur noch wie ein Klappmesser vorschnellt und zu Boden geht. Voller Genugtuung schaut sie in die Runde und ihr Blick scheint zu fragen: ‚Noch jemand, der das gleiche Vergnügen möchte?’

Einer der Männer, die den Indian noch immer festhalten, stürzt sich auf die Kleine, doch Rambo macht eine abwehrende Handbewegung, so dass seine Männer sich damit begnügen, ihrem Boss schweigend zu folgen, wobei sie die Gefangenen vor sich her stoßen. Die Waffen der Willow-Tree Leute hatten Rambos Männer schon vorher eingesammelt.

Weder Carol noch ihr Vormann sind scharf darauf nochmals mit Rambos Zorn zu kollidieren, daher lassen sie sich ohne Gegenwehr die Hände fesseln, bevor sie zu Regina und dem Kind in den Zweispänner klettern. Auch die beiden noch immer bewusstlosen echten Entführer werden nicht am Schauplatz des Geschehens zurückgelassen.

Rambos kleine Familie hat den ganzen Vorgang voller Entsetzen und mit schreckensgeweiteten Augen beobachtet. Die junge Frau versucht immer wieder mit Ihrem Mann zu reden, um die ganze Sachlage richtig zu stellen, doch dieser schenkt ihr keinerlei Beachtung, denn er kann und will ihren Worten keinerlei Glauben schenken. Zu groß ist seine Verachtung, ja, man kann fast schon sagen, sein Abscheu vor Gina. Sie hat ihm im Grunde genommen niemals viel mehr bedeutet, als ein hübsches Anhängsel, das ihm, irgendwann mit der Zeit, eher lästig geworden ist.

Wie in fast ganz Texas bekannt ist, macht sich Manolito Rambo seine Gesetze selbst, wogegen bisher niemand eingeschritten ist. So ist es auch in diesem besonderen Fall nicht anders. Er hat beschlossen, dass für den Indianer und seine kleine Freundin die Todesstrafe die einzig mögliche Konsequenz für ihren Verrat an seiner Gastfreundschaft sein kann. An einer dreckigen Rothaut ist ihm nichts gelegen und Kind oder nicht Kind ist ihm bei seinen Rachegedanken ebenfalls völlig gleichgültig. Ist die dumme Göre selber schuld, wenn sie sich auf so einen verbrecherischen Kerl einlässt. Er verschwendet keinerlei Gedanken an mögliche Konsequenzen aus seiner Selbstjustiz, denn nach der Hinrichtung werden die beiden verscharrt und dann soll noch einer versuchen, ihm an den Karren zu spucken.

In seiner grenzenlosen Selbstherrlichkeit kennt Rambo keinerlei Gnade, sondern er hat im Gegenteil sogar noch großen Spaß daran, seine Opfer nach Möglichkeit auch noch bis an die Grenzen des Erträglichen zu quälen und sich dabei an ihrer Verzweiflung zu weiden.

Der Rancher hat den ganzen Weg zurück zu seiner Ranch hin und her überlegt, wie er die beiden möglichst langsam und qualvoll ins Jenseits befördern kann, denn schließlich fühlt er sich von den beiden Willow-Tree Leuten schrecklich gedemütigt und hintergangen. Außerdem möchte er natürlich auch noch hübsch viel Freude an dem ganzen doch recht aufwändigen Geschehen haben. Nun, er hat ja auch noch die ganze Nacht Zeit, sich ein paar nette Dinge auszudenken. Doch zunächst werden die Gefangenen erst mal unbequem verschnürt in den Stall gesperrt und seine Frau darf das Lager dort mit ihnen teilen.

Am folgenden Morgen, Rambo und seine Männer sind noch nicht ganz nüchtern von ihrem nächtlichen Gelage, hat der sadistisch veranlagte Texaner den Entschluss gefasst, den Indianer aufzuhängen, wobei das Mädchen zusehen muss. Es wird der Kleinen sicher furchtbar wehtun, wenn sie mit ansehen muss, wie der von ihr so bewunderte Boss stirbt. Und danach wird er sich mit dem hübschen, hoffentlich noch unschuldigen Kind ein paar vergnügte Stunden machen und wenn dann seine Männer noch was von ihr übrig gelassen haben sollten, wird sie ihrem Kameraden auf die gleiche Art und Weise an dem gleichen Strick folgen.

Lange hat der Rancher darüber nachgedacht, wie er seine Frau in die Strafe einbeziehen kann, denn eigentlich ist sie an dieser Entwicklung ja nicht ganz unschuldig und nach heftigen Diskussionen mit seinen Cowboys ist er zu dem Schluss gekommen, dass sie mit ansehen soll, wie hübsch er es sich mit einer süßen Jungfrau machen kann und wie viel mehr Vergnügen er an einem kleinen Mädchen findet, als an seiner lästigen Angetrauten und vor allen Dingen muss sie dabei sein, wenn das rothaarige Hexchen aufgeknüpft wird. Das wird ihr dann vielleicht eine Warnung sein, so dass sie in Zukunft nicht wieder auf dumme Gedanken kommt, damit sie nicht irgendwann den gleichen Weg geht, wie alle seine Feinde.

Ganz wie es sein Art ist, verkündet er seinen Beschluss sofort, nachdem Carol und David ins Freie gezerrt worden sind. Er lässt seinen Opfern nicht mehr viel Zeit, über ihr Schicksal nachzudenken, dazu war die ganze Nacht seiner Meinung nach Gelegenheit genug und so schreitet er sofort zur Tat, nachdem er seine Frau zu seinem Sohn ins Haus geschickt hat.

An einem Ast einer riesigen Kastanie neben dem Stallgebäude ist ganz schnell ein kräftiger Strick befestigt und schon legt einer von Rambos Männern David die Schlinge um den Hals.

Carol weint, wie sie selten bisher in ihrem Leben geweint hat. Dabei kreischt sie immer wieder: „Ihr feigen Hunde ihr! Was wisst ihr denn schon von Recht und Ordnung? Habt ihr Schweinebacken eigentlich schon mal was von Gesetzen gehört? Ihr verdammten Mistkerle, es gibt neuerdings Richter, die Recht sprechen. Was seid ihr doch für Scheißkerle!“ Sie heult immer lauter.

Zwei Männer müssen ihre gesamte Kraft aufbieten, um das Temperamentbündel an den Armen festhalten zu können. Sie zerrt wie verrückt und tritt so gut es ihr möglich ist, wild um sich. Zudem kreischt sie noch immer in den höchsten Tönen: „Ihr verdammten Mistkäfer, lasst mich gefälligst los! Ihr Idioten, ihr Volltrottel, ihr sollt mich loslassen! Ihr tut mir weh! Wehe Euch, wenn ihr meinen Boss tötet, dann könnt ihr aber mal eine Explosion erleben! Ihr seid ja so doof, so was von dämlich gibt es in den ganzen Vereinigten Staaten nicht noch einmal. Ihr baut hier den größten Scheiß, den man sich überhaupt vorstellen kann. Doof seid ihr und total bescheuert. Die hängen Euch allesamt auf, für den Mord an uns. Ganz Ebony Town wird uns suchen, wenn wir nicht zurückkehren und genau hier werden sie anfangen zu suchen. Ihr Dämlacken, statt die wahren Schuldigen zu suchen, knüpft ihr lieber Unschuldige auf.“

Carol entwickelt irrsinnige Kräfte, ihre Kleidung ist klatschnass geschwitzt und sie schenkt ihren Bewachern keine ruhige Sekunde, sorgt allerdings für mächtige Beulen und Blessuren an deren Beinen.

Das Girl hat eine Wahnsinnswut im Bauch, seit Rambo ihnen das Erpresserschreiben unter die Nase gehalten hatte und trotz ihrer Unschuldsbeteuerungen auf einer Aburteilung bestanden hat.

Urplötzlich erlahmt der Widerstand in dem schmächtigen Mädchenkörper. Sie hat sich völlig verausgabt, schnappt mehrfach, wie eine Erstickende nach Luft, läuft blau an, bricht zusammen und beginnt unter den etwas betroffenen Blicken ihrer beiden Wächter hemmungslos zu schluchzen.

In diesem Moment kommt Rambos Frau aus dem Haus gelaufen, nachdem sie all ihren Mut zusammengenommen hat, wirft sich unter Aufbietung aller ihr zur Verfügung stehenden Wiederstandsreserven zwischen den Indianer und die Cowboys ihres Mannes und schluchzt genau so herzzerreißend, wie das Girl aus Wyoming.

Erst als sie damit droht sich das Leben für die geplante Ungerechtigkeit zu nehmen und auch das Kind nicht zu verschonen, ist Rambo, nach einem vernichtenden Blick auf seine verunsicherten Männer bereit, seiner Frau zuzuhören.

Unter Tränen erzählt Gina ihrem Mann schonungslos die ganze Geschichte. Sie erzählt von ihrer Lüge, mit der sie die Gäste dazu gebracht hat, sie ein Stück zu begleiten, von dem Eindringen seiner beiden Cowboys in die Hütte und von den Gesprächen der Männer, die sie mit angehört hat und die ihn, Rambo keinesfalls in einem rosigen Licht erscheinen ließen.

Als sie diese Worte hört, versiegen Carols Tränen schlagartig und sie scheint sich ein ganz kleines bisschen zu beruhigen, kann es sich aber nicht versagen, noch einmal kräftig nach den Männern, die sie wieder fest umklammert haben, zu treten.

Als Regina endlich zu der Stelle kommt, an der sie beichten muss, dass sie die Kälte und Arroganz ihres Mannes nicht mehr ertragen konnte und ihn deshalb verlassen wollte, nickt Carol unmerklich, dabei rollt noch einmal eine einzelne Träne über ihre Wange, denn sie kann sich nicht über die Augen wischen, ihre Arme werden noch immer nicht freigegeben.

Das Cowgirl schnieft. Hatte sie es doch geahnt und was das Schlimmste ist, sie kann die arme Frau vom weiblichen Standpunkt aus sogar hundertprozentig verstehen, auch wenn es ihr und ihrem Boss deswegen fast an den Kragen gegangen wäre und so ganz sind sie beide noch nicht aus der Gefahrenzone.

Gina hat gerade noch rechtzeitig die Kurve für ihr Geständnis gekriegt. Und für das Missverständnis zeichnen sich andere verantwortlich, die nicht den Mut haben, zu ihren Taten zu stehen.

Schweigend hat Rambo den Worten seiner Frau gelauscht, während sein Blick immer kälter geworden ist. Als sie geendet hat, zischt er wütend: „Geh! Ich gebe Dir genau eine Stunde Zeit zu verschwinden. Bist Du dann nicht weg, verjage ich Dich höchstpersönlich. Ich will Dich nie wieder hier sehen! Aber Du gehst ohne den Jungen, der bleibt hier und den wirst Du auch in Deinem ganzen Leben nicht wieder zu Gesicht kriegen, das kann ich dir versichern. Und jetzt geh mir aus den Augen, Du verlogenes Miststück!“

Drohend macht der Mann einen Schritt auf seine Frau zu und knurrt: „Verschwinde endlich, bevor ich mich vergesse. Wenn ich mir vorstelle, dass ich wegen eines Flittchens wie Dir fast zwei unschuldige Menschen getötet hätte.“

‚Hätte Dich das auch nicht weiter belastet’, denkt Carol und beobachtet die gepeinigte Ehefrau, die ihr trotz allem, was sie angerichtet hat, unendlich leid tut.

Gina flieht Hals über Kopf ins Haus und Rambo wendet sich an seine Männer, wobei er lautstark befiehlt: „Nehmt ihm die Schlinge ab!“ Bei diesen Worten nickt er in Davids Richtung. „Und dann holt mir Jake und Mike her. Die beiden verdammten Heuchler wollten mich erpressen und schauen dann seelenruhig zu, wenn Unschuldige für ihre Vergehen büßen sollen.“

Der Rancher dreht sich wieder zum Indian um, zuckt mit den Schultern und brummt: „Sorry, Mister. Ist ja man grad noch gut gegangen.“

Carol knicken bei diesen Worten fast die Beine weg. Das Kerlchen hat ja ein sonniges Gemüt.

„Und übrigens, Widefield, mein Angebot von neulich steht noch, überlegen sie es sich.“ Nun dreht er sich um und gibt den beiden Männern, die Carol noch immer festhalten, einen kurzen Wink und endlich wird auch sie losgelassen.

Das Kind massiert sich die schmerzenden Stellen, an denen die Schraubstockhände ihrer Bewacher für blaue Flecken gesorgt haben und murrt: „Mann ist das ’ne miese Bazille.“

Widefield atmet tief durch, macht vorsichtshalber zwei Schritte von dem baumelnden Strick weg, blickt Rambo fest an und sagt sehr energisch und noch bestimmter: „No, Mister Rambo, aber für so einen derart despotischen Herrscher, wie sie einer sind, möchte ich weder arbeiten, noch möchte ich sein Partner werden!“

Rambo platzt über diese Abfuhr fast vor Wut. Auf seiner Stirn tritt eine Ader gefährlich dick und blau hervor und Carol fürchtet fast, das ganze Theater könnte von vorne losgehen und stolpert schnell aus der Reichweite ihrer beiden Wächter.

Rambo schnaubt zornig und da gerade zwei seiner Cowboys mit Jake und Mike auf der Bildfläche erscheinen, hat er genau die richtigen Opfer, an denen er seine ganze Wut über Gina, über die kühle Ablehnung des Indianers und überhaupt, auslassen kann.

Er prügelt auf die beiden Männer ein, dann befiehlt er, ihnen die Hände zu fesseln und einen zweiten Strick an dem Baum zu befestigen.

Jetzt geht auf einmal alles wieder furchtbar schnell. Der Indianer, der den Strick von seinem Hals gottlob gerade noch rechtzeitig wieder losgeworden ist, geht auf Carol zu und nimmt sie beschützend in seine starken Arme. Sie zittert am ganzen Leib, in ihren Augen stehen noch immer die dicken Tränen und mit einem furchtsamen Blick verfolgt sie die Vorbereitungen für die Ersatzhinrichtung.

Selbst an dem Abend im Stall hat das kleine Mädchen auf den Vormann nicht so verängstigt und hilflos gewirkt, wie in diesem Augenblick. Er dreht sich so, dass er mit seinem Körper ihren Blick auf die Hinrichtungsstätte verdeckt und schließt zusätzlich seine Arme in Kopfhöhe um sie. Auch er wendet den Blick ab, weil er nicht sonderlich versessen darauf ist, zu beobachten, wie zwei Menschen sterben müssen.

Gerade in dem schauderhaften Augenblick, als Mike und Jake die Schlingen um den Hals gelegt werden sollen, ist das Geräusch von herannahenden Pferdehufen zu vernehmen und um die Stallecke biegen mehrere Reiter.

Der Blick, mit dem sie von Rambo empfangen werden, zeigt, dass es sich um Bekannte handeln muss.

Angewidert blicken die Neuankömmlinge auf die gefesselten Männer und der Anführer der kleinen Gruppe brummt: „Übst Du mal wieder Selbstjustiz, Manolito? Irgendwann packen sie Dich dafür, dann hängst Du!“

Er wendet seinen Blick von den beiden Männern ab. „Nun, das geht mich gottlob nichts an. Irgendwelche Gründe wirst Du für Dein gottloses Handeln schon anführen können. Das kannst Du ja immer und wenn es nur der ist, dass Dich einer schief angesehen hat.“

Der Mann schnaubt abfällig, dann brummt er: „Aber deswegen bin ich nicht hier, mein Freund, das hat andere Gründe.“ Er holt Luft und fährt fort: „Leider muss das Peitschenrennen in diesem Jahr wohl ausfallen. Jimmy hat sich beim Kälberbrennen am Bein verletzt und kann dummerweise im Moment nicht reiten. Und Du weißt, ohne Jimmy bin ich gegen Dich so chancenlos, wie ein Mann ohne Pferd.“ Er lacht und zeigt dabei große, gelbe Zähne.

‚Auch kein besonders sympathischer Zweitgenosse’, denkt Carol, laut aber fragt sie höflich, nachdem sie sich aus Davids Armen befreit hat: „Was ist denn ein Peitschenrennen? Davon habe ich noch nie etwas gehört.“

Der Mann mit dem breiten Grinsen schaut sie an, zieht die linke Augenbraue hoch und schnarrt arrogant: „Man kann ja auch nicht alles kennen. Wer sind Sie überhaupt? Und wie laufen Sie rum? Das gehört sich für eine Frau nicht.“ Sein Blick streift ihre Hose und brennt sich an Carols Holster fest, in den sie wenige Augenblicke zuvor ihre Waffe geschoben hat, nachdem einer der Cowboys sie ihr gereicht hat.

Nicht minder hochnäsig schnippt Carol zurück: „Blake, Miss Carol Blake, Cowboy auf der Willow-Tree-Ranch in Ebony Town, Wyoming.“

Der Mann prustet los: „Cowboy, was sich heute schon alles Cowboy nennen darf.“

Er lacht lauthals. Carols Temperament kocht schon wieder über, denn ihr Blutdruck ist noch nicht in den Normalbereich zurückgekehrt. Der Indianer fasst sie beruhigend am Arm, damit sie nicht mit den Fingernägeln auf den Sprecher losgeht und sofort hat sie sich auch schon wieder unter Kontrolle, kann sich aber einen kleinen verbalen Seitenhieb doch nicht verkneifen. „Jedenfalls habe ich mich beim Kälberbrennen noch nie verletzt, Mister ...“

„Oh sorry“, lacht der noch immer, „aber ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Howards mein Name. Peter Howards, mir gehört die Nachbarranch.“

Er wendet sich an Rambo: „Kann die wirklich Kälberbrennen?“

Der Angesprochene zuckt mit den Schultern. Er ist ungeduldig und möchte das Gespräch so schnell wie möglich beenden. Man merkt ihm an, dass er seine beiden Delinquenten endlich hängen sehen will. Immer wieder schaut er zu den beiden blassen, verängstigten Männern hinüber.

An seiner Stelle antwortet der Indian: „Miss Blake kann sehr gut Kälberbrennen. Was ihr an Kraft vielleicht fehlen mag, macht sie durch Können und Geschicklichkeit wieder wett. Sie ist einer der besten Cowboys, die mir jemals begegnet sind. Und sie ist so gut, dass sie sich in diesem Leben bestimmt nicht beim Kälberbrennen verletzen würde, weder verbrennen noch in sonst einer Art.“

Er macht eine kurze Sprechpause und fährt dann, Carol mit einem kurzen Blick streifend, fort: „Ein Peitschenrennen ist eine ziemlich unfaire Angelegenheit, Mister Howard, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Man versucht mit allen möglichen, natürlich auch miesen Tricks, seinen Gegner aus dem Rennen zu schlagen. Ist das nicht so?“

Howards schmunzelt belustigt. „Wenn Sie das so sehen, Mister. Wir sehen das anders. Es ist ein höchst spannender und amüsanter Wettkampf, bei dem der Bessere gewinnt.“

Carol, die gut zugehört hat, schüttelt zweifelnd ihren hübschen Kopf. „Oder der, der die mieseren Tricks auf Lager hat.“

„Am wichtigsten ist überhaupt, das Rennen zu überstehen!“, knurrt Rambo ungeduldig, wirft wieder einen Blick auf seine gefesselten Männer und meint dann beiläufig: „Aber da in diesem Jahr kein Rennen stattfindet, habe ich es kampflos gewonnen.“

Nachdenklich blickt der Indianer erst Howards, dann Rambo an und dann zu den gefesselten, auf ihre Hinrichtung wartenden, vor Angst schon fast besinnungslosen Männern hinüber, um danach fast entschuldigend zu Carol zu schauen.

Er hat da so eine Idee, eine vage nur, aber es könnte klappen, wenn ihn sein Indianerinstinkt nicht im Stich lässt.

Ohne noch weiter nachzudenken, knurrt er: „Das Rennen fällt nicht aus. - Mister Howards, ich werde für Sie reiten, wenn Sie nichts dagegen haben.“

Carol stöhnt auf und tippt sich vielsagend an die Stirn. „Jetzt bist Du vollkommen übergeschnappt, Boss! Was soll ich als Deine letzten Worte an Mr. Carpenter ausrichten?“

Widefield ignoriert den Einwurf seines Cowgirls und dreht sich zu Rambo um. „Wenn ich gewinne, Mister Rambo, bekommen die beiden Männer“, er weist auf Jake und Mike, die noch immer die Köpfe in den Schlingen haben und sich kaum zu bewegen wagen, „eine faire Gerichtsverhandlung und außerdem ...“, David holt tief Luft, „...und außerdem darf ihre Frau gehen und zwar mit dem Jungen!“

Regina tut dem gradlinigen, sehr gerecht denkenden Mann unendlich leid. Was muss diese gebildete, sensible Frau unter dem selbstherrlichen Tyrannen gelitten haben.

„Wenn ich nicht gewinne...“, fährt er fort, wird aber sofort von Rambo unterbrochen.

„Das ist uninteressant, dann stelle ich sowieso die Bedingungen, außerdem ist ein Sieg ihrerseits sowieso nicht zu erwarten. – Okay! Wir kämpfen also gegeneinander.“

Rambo schaut David aus seinen kalten Augen an, wendet sich ab, geht ein paar Schritte, bleibt stehen und dreht sich nochmals zu Widefield um. „Aber ganz egal, wie das Rennen ausgeht, Mann, mein Angebot bleibt weiterhin bestehen. Egal, ob Sie gewinnen, oder ob ich gewinne. Ich schätze Sie und hätte Sie gerne als meinen Partner. – und wenn ich es recht überlege, könnte das Ihr Einsatz sein!“ Seine Stimme hat einen eindringlichen Tonfall angenommen und er blickt den Willow-Tree Vormann durchdringend an, doch dieser schüttelt erneut den Kopf.

„Und es bleibt bei meinem No, Sir! Ich liebe Wyoming!“

Rambo ist ganz bestimmt kein Typ, der ein ‚Nein’ so ohne weiteres akzeptiert, deshalb ist er entsprechend wütend und geht ziemlich übermotiviert in das Rennen.

Mike und Jake werden wieder an Händen und Füßen gefesselt in den Stall gesperrt, dann kann das Rennen beginnen.

Die Beteiligten und ihre gespannten Zuschauer begeben sich zur Hausweide, wohin einer von Rambos Cowboys bereits die Pferde der beiden Kontrahenten gebracht hat. Die Zuschauer klettern auf das Gatter, um eine bessere Übersicht über das ganze Geschehen zu bekommen.

So ein Peitschenrennen ist eine aufregende und leider auch mörderisch gefährliche Angelegenheit. So mancher Cowboy hat sich dabei schon lebensbedrohlich verletzt und es hat sogar schon etliche Todesfälle gegeben, was Carol allerdings gottlob weder weiß, noch ahnt. Sie kann es sich allerdings lebhaft vorstellen, dass es wohl noch nie vorgekommen ist, dass einer der Beteiligten unverletzt oder ohne starke Blessuren aus der Sache hervorgegangen ist.

Das Mädchen hat sich etwas abseits von den anderen Zuschauern an den Holzzaun gestellt und verfolgt mit bangem Herzen die letzten Vorbereitungen, die auf der Weide für das Spektakel getroffen werden. Gerne hätte sie ihrem Boss Silky gegeben, denn für dieses temperamentvolle Tier wäre es ein Klacks, gegen Rambos Gaul anzukommen, doch der Indianer würde auf dem Hengst nicht weit kommen, denn der Schwarze lässt keinen anderen Reiter als seine Herrin aufsitzen. Ausnahmefälle sind höchstens Verwundete, die sein Mensch ihm aufnötigt.

Das Rennen beginnt. Beide Gegner sind ungemein gute Reiter und sich ziemlich ebenbürtig. Sie versuchen sich mit allen Mitteln, das Leben so schwer wie nur irgendwie möglich zu machen und werfen sich die gemeinsten Stolpersteine in den Weg.

Carol staunt immer mehr, was für fiese Methoden ihr Chef anwendet und welch miesen Tricks er auf Lager hat. Niemals hätte sie diesem ruhigen, besonnenen Mann solche Aktionen zugetraut. Sie beschließt, bei Gelegenheit ein ernstes Wort mit dem Mann zu wechseln. Andererseits, der Zweck heiligt noch immer die Mittel und wenn er gewinnt, egal wie unfair auch immer, rettet er zwei Männer vor der Lynchjustiz eines selbsternannten, unbarmherzigen Richters und er macht eine Frau und deren Kind glücklich.

Der kleine Feuerkopf sieht ein, dass er nichts anderes tun kann, als für den Boss die Daumen zu drücken und für seinen Sieg zu beten. Nach dieser Einsicht nimmt sie endlich regen Anteil an dem Rennen, das nicht mehr lange dauern kann, denn sowohl die Menschen, als auch die Tiere sind bereits vollkommen ausgelaugt.

Gerade hat Rambo wieder einen besonders gemeinen Trick erfolglos probiert, da kommen die beiden Gegner in die Nähe eines großen Baumes, der normalerweise mit seiner weitausladenden Krone den weidenden Tieren Schatten spendet. Es ist ein sehr alter, hoher Baum, doch er hat vereinzelte, ziemlich tief hängende Äste.

Rambo sieht seine Chance gekommen und versucht, den Indian gegen einen ganz besonders niedrig hängenden Ast zu drücken. Bei dem Tempo, mit welchem die Pferde über die Weide preschen, würde David aus dem Sattel gefegt, wenn er nur den Bruchteil einer Sekunde unaufmerksam ist.

Carol erkennt die Situation mit einem einzigen Blick und murmelt beschwörend: „Brich ihn ab und knall Rambo das Ding vor die Füße!“

Das Girl hat den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da hat ihr Vormann, der sich keine Sekunde der Unaufmerksamkeit gönnt, den Ast bereits gepackt und aus dem Schwung heraus abgebrochen. Glücklicherweise ist das Ding total morsch und bietet kein großes Hemmnis, so dass der Indian fest im Sattel bleibt.

Er führt Carols Gedanken weiter aus, als hätte sie ihn in Worte gefasst und ihm zugerufen, indem er den Knüppel Rambos Pferd vor die Vorderläufe donnert. Der Gaul erschrickt und steigt mit der Vorderhand hoch. Diesen günstigen Moment nutzt der Indianer sofort und erhält ein klein wenig Vorsprung vor seinem Gegner.

Doch Rambos Pferd ist unglaublich gut und es hat einen völlig rücksichtslosen Reiter. Es gibt nun ein Kopf an Kopf Rennen, welches Widefield nur um eine knappe Nüsterlänge gewinnen kann. Die beiden Kämpfer springen von Ihren Pferden und beginnen eine wüste Prügelei, bei der beide Männer alles geben, was sie nach dem kräftezehrenden Rennen noch an Stärke und Geschicklichkeit aufzubieten haben. Und das ist beileibe nicht wenig.

Carol bebt beim Anblick ihres sich am Boden wälzenden Vormanns. Niemals hätte sie dem Mann dieses Temperament und diese Zügellosigkeit zugetraut. Was mag es in seiner Vergangenheit für Vorfälle gegeben haben, die ihn zu solchen Gemeinheiten und zu solchen Prügelattacken befähigen?

Mittlerweile ist auch Regina aus dem Haus gekommen. Ihr Gesicht ist verquollen, ihre Augen sind rotgeweint, aber sie ist reisefertig. Sie stellt sich still und unscheinbar neben Carol, zu der sich bereits eine ganze Weile vorher Mr. Howards gesellt hat, der sie ungeniert beobachtet.

Das rothaarige Wesen hat sich mittlerweile vollkommen gefangen und verfolgt das Spektakel mit zunehmendem Interesse, insbesondere da David der Überlegenere zu sein scheint.

Aus den Augenwinkeln schaut sie zwischendurch immer wieder zu Gina hinüber und erkennt, dass die Frau jetzt schon unter der Trennung von ihrem kleinen Sohn leidet, obwohl das Kind nur wenige Meter entfernt im Haus ist. Sie konzentriert sich wieder auf das Kampfgeschehen und murmelt leise: „Du musst gewinnen, Du musst es einfach, für diese beiden unschuldigen Menschen.“

Gina starrt mit schreckensgeweiteten Augen auf das Szenario und zuckt bei jedem Schlag, den der Indian gegen ihren Mann führt, zusammen.

Endlich liegt Rambo am Boden und David kniet über ihm. Der Rancher ist fast bewegungsunfähig, aber er schafft es dennoch, mit der Hand zwei Mal auf den Boden zu schlagen, was so viel bedeutet wie: ‚Ich gebe auf!’

Schwer atmend reicht der so als knapper Sieger aus dem Gefecht hervorgegangene Willow-Tree Vormann dem Texaner die Hand, um ihm auf die Beine zu helfen.

Carol überklettert das Gatter, stürzt auf ihren hochverehrten Boss zu, fällt ihm um den Hals und flüstert: „Nicht, dass ich an Dir gezweifelt hätte, aber ich hatte eine wahnsinnige Angst um Dich. Das darfst Du mir nicht noch einmal antun. Ich dachte ein paar Mal, mir bleibt das Herz stehen.“ Sie pustet die Luft aus den Lungen und atmet dann tief auf. „Mann, bin ich froh, dass das vorbei ist. Ich wusste gar nicht, dass Du so fies widerlich sein kannst. Du stehst Rambo ja in nichts nach. Sollte das einreißen, sehe ich mich leider gezwungen, zu kündigen.“

David lacht ebenfalls erleichtert und streicht sich die Haare aus dem Gesicht: „Ich kann noch viel gemeiner sein, meine Liebe. Wenn wir zu Hause sind, werde ich es Dir gerne demonstrieren.“

Carol schüttelt sich: „Ach Du, lieber nicht, ich habe verzichten gelernt. Nach der eben gezeigten Vorführung glaube ich es Dir auch so. Oder soll ich besser direkt kündigen? Hat das Großmaul nicht was von Partner gemurmelt?“

„Bloß nicht!“ David zieht die Kleine an sich und haucht ihr einen Kuss auf die Haare.

Gina ist mittlerweile auch auf die Weide gelaufen und rennt nun zu ihrem Mann hin, tupft ihm unendlich sanft das Blut aus dem Gesicht und flüstert: „Manolito, Lieber Du, ist alles in Ordnung?“

Carol starrt fassungslos zu der jungen Frau hin, tippt sich an die Stirn und brummt: „Da soll doch einer die Weiber verstehen. Ist die jetzt völlig übergeschnappt?“

Gina tupft noch immer an ihrem Mann herum. „Das war das erste Peitschenrennen, bei dem ich gedacht habe, es geht Dir an den Kragen. Du hast das erste Mal wirklich Deinen Meister gefunden. Der Mann aus Wyoming ist unglaublich gut. Ist wirklich alles okay mit Dir?“

Erstaunt schaut Manolito Rambo seine Frau an und irgendeine Wandlung scheint in ihm vorzugehen. Vielleicht hat einer von Davids Schlägen eine empfindliche Stelle am Kopf getroffen. „Sag bloß nicht, dass Du Dir Sorgen um mich gemacht hast. Ich dachte immer, Du verabscheust mich bis in den Tod.“

Traurig schüttelt Gina den Kopf. „Nein, Manolito. Ich habe Dich immer geliebt. Du hast das nur niemals erkannt. Vielleicht hast Du aber auch nur immer darüber hinweggesehen oder es nicht sehen wollen. Ich liebe Dich eigentlich noch immer, aber Du machst es mir so verdammt schwer.“

Bis jetzt hat sie ihrem Mann in die Augen gesehen, nun aber senkt sie den Blick zu Boden und flüstert kaum noch hörbar: „Wenn Du jetzt nur sagen würdest ‚Bleib hier!’, ich würde von Herzen gerne bleiben.“

Rambo klappt die Kinnlade herunter. Er blickt seine Frau lange und unverwandt an, dabei scheint er mit sich zu kämpfen, dann flüstert er heiser: „Bleib bei mir, Gina, bleib bei mir und dem Jungen. Der Kleine braucht Dich und ich glaube, ich brauche Dich auch.“ Mehr sagt er nicht, aber den strengen, unerbittlichen Rancher haben bereits diese wenigen Worte eine enorme Überwindung gekostet.

Carol und Widefield blicken sich vergnügt und zufrieden an. Das junge Ding dreht sich zu Howards um und erinnert: „Mein Boss hat das Rennen gewonnen. Für Sie gewonnen, Mister. Ein Punkt, den er sich für den Fall seines Sieges erbeten hatte, scheint sich glücklicherweise in Wohlgefallen aufgelöst zu haben. Dennoch bitten wir Sie, dass Sie ab und an ein wachsames Auge auf die Eheleute haben, damit der alte Trott nicht wieder einreißt.“

Sie lächelt ihr bezauberndstes Lächeln. „Ich schätze, Sie sind ein Mann mit einem enormen Ehrgefühl und würden niemals eine Frau schlagen, schon gar nicht die Mutter Ihres Kindes. Bitte sorgen Sie nun auch dafür, dass der andere erbetene Punkt erfüllt wird.“

Carol schluckt. „Eigentlich dürften wir mit den zwei erpresserischen Cowboys ja gar kein Mitleid haben, denn schließlich hätten uns die Kerle fast das Leben gekostet, aber dennoch sollen sie eine faire Gerichtsverhandlung erhalten. Die beiden gehen für die Entführung und die versuchte Erpressung höchstens ein paar Jahre in den Knast, schließlich haben sie ja niemanden umgebracht. Wenn Sie das dann in Ihre Hände nehmen wollen, Mister Howards. Mrs. Rambo kann Ihnen alles Notwendige erzählen.“

Eindringlich blickt Carol den Mann aus ihren großen, grünen Augen an, was ihn veranlasst, seinen Stetson vom Kopf zu ziehen, zu nicken und erst ihre und dann Davids Hand zu ergreifen und sie kraftvoll zu schütteln. Danach deutet er eine Verbeugung in Carols Richtung an und brummt: „Selbstverständlich werde ich Ihnen diese Bitte gerne erfüllen. Die Männer bekommen ihre faire Gerichtsverhandlung, dafür werde ich sorgen und beide direkt mit auf meine Ranch nehmen, damit nichts mehr schief gehen kann. Im Grunde meines Herzens bin ich froh, dass es so gekommen ist, denn ich war noch nie ein Freund der Selbstjustiz. Sollen sich doch gut bezahlte Richter mit Verbrechern auseinandersetzen, schließlich haben die das gelernt.“

Carol hat ihre stets gute Laune wiedergefunden und strahlt ihren Boss an. Erst jetzt bemerkt sie, dass ihr großes Vorbild ein reichlich ramponiertes Vorbild ist.

Vorsichtig klopft sie ihm den gröbsten Staub von der Kleidung, fasst ihn danach liebevoll am Arm und zieht den erwachsenen Mann wie ein kleines Kind hinter sich her zur Tränke. David ist so ausgepumpt, dass er widerstandslos alles mit sich machen lässt.

Am Wassertrog nimmt sich das Mädchen sein Halstuch ab, tunkt es in die kühlende Nässe und beginnt mit der Säuberung seines Gesichts. Dabei geht sie so zärtlich zu Werke, dass der Indianer es ganz willig über sich ergehen lässt. Der letzte Mensch, der ihn gewaschen hat, war seine Mutter und das ist schon viele Ewigkeiten her.

Den ernsten Mann durchflutet eine warme Welle der Zuneigung zu diesem so widersprüchlichen Menschenkind, das mal wie ein harter Kerl und wenig später sanft wie ein Engel sein kann.

Vorsichtig rollt Carol den Ärmel seines verletzten Arms hoch und betrachtet das grünblaugelbbraune Kunstwerk. „Normalerweise müsste jetzt noch mal ein Arzt drauf schauen. Es blutet schon wieder, aber ich fürchte, wenn das einer sieht, müssen wir die Gastfreundschaft des größten Maulhelden von Texas noch länger genießen und wenn ich ehrlich bin, ich habe dazu keine Lust.“

Sie wickelt ein großes, erstaunlich sauberes Taschentuch um die Verletzung, wobei sie seinen jetzt wieder stark schmerzenden Arm nur mit schmetterlingsgleichen Berührungen verwöhnt.

Als das im Moment gerade engelhafte Wesen endlich fertig ist, schaut der Mann sie mit einem ganz weichen Gesichtsausdruck an. Er kann nicht anders, er nimmt das Girl in die Arme und drückt sie fest an sich. „Du wirst irgendwann einmal eine ganz großartige Mami. Dein zukünftiger Mann ist zu beneiden.“

Ungewohnt sanft lächelnd entwindet sich Carol aus der Umarmung. Sie mag es einfach meistens nicht, wenn sie berührt wird. Es verursacht ihr ein gewisses Unbehagen, auch wenn sie die Person noch so gerne hat. Dabei flüstert sie: „Ob der so zu beneiden sein wird, das ist noch die Frage. Ich will nämlich mal ganz viele Kinder, mindestens ein Dutzend.“

Nach diesem Geständnis holen die beiden Cowboys ihre Pferde und reiten still und unbemerkt, die noch immer andauernde Unruhe ausnutzend, davon. Endlich geht es heim, zurück auf die Willow-Tree-Ranch, Ebony Town, Wyoming.

Nur ein Tropfen Leben

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