Читать книгу Das Blut des Sichellands - Christine Boy - Страница 9

29. Tag des Assmon im 22. Jahr Satons

Оглавление

"Ich verstehe ihn einfach nicht."

Sichtlich verärgert ging Saton im Ratssaal auf und ab. Die Gruppe, mit der er sich heute zusammengefunden hatte, war kleiner als üblich, doch die Mitglieder umso bedeutsamer.

Ron-Caha-Hel, der Shaj der Erde.

Maliss, die Shaj des Himmels.

Viriqua, die Oberin des semonischen Tempels.

Talmir, der höchste Priester aus Zarcas.

Die neun Cas.

Nur einer, der eigentlich zu der Runde gehören sollte, fehlte.

"Du hättest ihm nicht die Wahl lassen sollen." brummte Wandan. "Freiwillig wird er nie aus Yto herunterkommen."

"Freiwillig? Seit Jahren liegt er mir in den Ohren mit dieser Angelegenheit. Und jetzt, da wir endlich bereit sind, hält er es nicht einmal für nötig, nach Semon-Sey zu reisen!"

"Er wäre gekommen, wenn du es von ihm verlangt hättest. Du bist der Shaj."

"Wenn überhaupt jemand Mondor hierher befehlen sollte, dann ist es Maliss."

Die alte Priesterin wich zurück.

"Ich? Mondor etwas befehlen? Verzeih, aber das würde mir im Traum nicht einfallen. Er ist ein Batí. Priester hin oder her. Der einzige, dessen Befehle er akzeptiert, bist du, Saton. Aber ich muss sagen, ich kann verstehen, dass man ihn nicht unter Druck setzen sollte. Er ist ein ziemlicher Querkopf."

"Meine Rede, verehrte Shaj." schaltete sich nun Talmir ein. "Und überhaupt - wozu brauchen wir ihn? Es war sein Vorschlag, zugegeben, aber was hat er denn zu der Umsetzung beigetragen? Er ist stets oben in Yto geblieben und wer hat die Arbeit gemacht? Wir! Weshalb muss er jetzt zwingend an den letzten Entscheidungen beteiligt sein?"

"Weil ich es will!" donnerte Satons Stimme durch den Saal. Alle Anwesenden verstummten. "Ich würde niemals - hört ihr - niemals - solche wichtigen Beschlüsse fassen, ohne dass der oberste Batí-Priester ihnen zustimmt! Niemals!"

"Wenn Mondor etwas dagegen hätte, wäre er sicher hier, um seine Meinung kundzutun." entgegnete Maliss. "Hat er denn überhaupt nicht auf das Sendschreiben reagiert?"

"Oh doch, natürlich hat er das." Saton schien nun noch wütender. "Er ließ mir ausrichten - ausrichten! ...Er hielt es noch nicht einmal für nötig, zu schreiben! - ... dass seine Anwesenheit nicht notwendig wäre. Das ist alles!"

"Aber dann ist doch alles geklärt. Er ist einverstanden, dass wir die nötigen Weisungen ohne ihn erlassen. Wo ist das Problem?"

Nun meldete sich Ron-Caha-Hel zu Wort.

"Das Problem, lieber Talmir, ist, dass wir uns durch diese Beschlüsse in seine Befugnisse einmischen. Die Schutzbanne der Sichel sind eine Batí-Angelegenheit. Insofern kann ich verstehen, dass Saton sie nicht ohne Mondor regeln will."

"Und doch ist unser hoher Shaj der Nacht selbst ein Batí. Und er steht über Mondor."

"Aber nur über Mondor als Mensch und nicht als Priester."

"Nein, in dieser Hinsicht muss sich Mondor aber ebenfalls unterordnen. Und zwar Maliss."

Ein Räuspern vom Ende des Tisches unterbrach Talmir und die drei Shajs. Es war ausgerechnet der sonst recht zurückhaltende Cas Cala, der um das Wort bat.

"Bitte..." gewährte ihm Saton gleichgültig, zu sprechen.

"Verzeihung, aber wenn ich es recht verstanden habe, gibt es doch auch Dinge zu klären, die nichts mit Mondor zu tun haben."

Saton nickte.

"Cala hat recht. Wir werden das Thema vorerst beiseite lassen. Ron-Caha, wie geht es mit den Vorbereitungen voran?"

Der Shaj der Erde räusperte sich.

"Die Silberwerke beliefern uns täglich. Inzwischen haben wir solche Mengen angehäuft, dass wir ganz Cycalas über ein Jahr damit versorgen könnten. Ein Großteil wurde bereits an einen geheimen Lagerort nahe der Küste gebracht. Wir könnten innerhalb eines Mondes eine ganze Flotte bestücken. Ich halte es aber für sinnvoll, ein größeres Augenmerk darauf zu legen, dass das Volk informiert wird. Sie dürfen keinen Zweifel an unseren Absichten haben."

"Gibt es denn Zweifel?"

Der Shaj der Erde lachte.

"Das fragst du noch, Saton? Es ist nicht leicht, den Menschen begreiflich zu machen, dass unsere Silbervorräte ausgelagert werden müssen, um sie vor Zrundir zu schützen, wenn ausgerechnet du an der Spitze der Säule der Nacht stehst. Kein Hantua würde sich während deiner Herrschaft über unsere Grenzen wagen."

"Also glauben sie es nicht?"

"Sie glauben es schon, aber sie zweifeln am Sinn dieses Unterfangens. Immerhin gehen wir ein nicht unbeträchtliches Risiko ein, wenn wir das Silber außer Landes bringen."

"Aber wir haben keine andere Wahl..."

Zum ersten Mal sprach Viriqua aus dem Tempel Semon-Seys. "Das Waffensilber wird um ein Vielfaches mächtiger, wenn der Sichelbann darauf liegt. Und es ist nur von Vorteil, wenn niemand von ihm erfährt. Das gilt leider auch für die Cycala."

"Wir hätten einen Kompromiss eingehen können." sagte Talmir. "Warum so weit entfernt? Warum nicht in den Nordwäldern oder in den Cassydischen Gräben?"

"Damit wären wir wieder bei Mondor." seufzte Saton. "Es war sein Vorschlag. Er meinte, das Ritual würde einem anderen gleichen, das längst vergessen ist. Und dazu benötigt man ein herrenloses Land. Nur so kann sich die wahre Kraft entfalten. Ansonsten ist der Sichelbann nahezu wirkungslos."

"Aber ausgerechnet diese Insel. So weit im Süden. Die Valaschlucht...."

"Liegt zu nah an Zrundir. Und Shanguin ist nicht herrenlos." Saton ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen und spielte ungeduldig mit einem Federkiel. "Wir diskutieren das nun schon seit Jahren. Es bleibt dabei. Wir werden den Bann über das Silber legen. Auf der Insel im Süden. Und niemand außer den hier Anwesenden und den Sichelträgern wird es erfahren. In ganz Cycalas wird man der Meinung sein, wir schützen unser Silber vor Zrundir, indem wir es fortschaffen. Und keiner wird unsere wahre Stärke kennen, am allerwenigsten die Hantua."

"Werden die Shajkane auch aus diesem Silber geschmiedet?" fragte Ruis, ein grimmiger Cas, der sich noch nie besonders für die Handwerkskunst interessiert hatte.

"Nein." Saton schüttelte den Kopf. "Vorerst nur die Sicheln. Der Bann ist ein langwieriges Ritual und ich möchte innerhalb eines Jahres wieder alles Silber nach Cycalas zurückbringen lassen."

"Ein Jahr?" Beleb, ein weiterer Erwählter der Nacht, schien überrascht. "Wir sollen ein Jahr lang eine Priestergruppe samt Geleitschutz auf einer Insel im Süden versorgen? Von Cycalas aus? Sie können niemals so viele Vorräte mitnehmen und unseren Kundschaftern zufolge gibt es auf dieser Insel absolut nichts, woraus man Nahrung beschaffen könnte."

Saton nickte düster.

"Eben. Und das ist der Grund, weswegen wir uns wohl auf ein weiteres Risiko einlassen müssen."

"Ich hasse das!" Wütend sah Lennys zu den Fenstern der Burg hinauf. "Die sitzen nun schon seit Stunden da oben und reden und reden und reden...!"

"Warum so ungeduldig, junge Herrin?" Afnan, der Diener lachte. "Gestern noch wolltet ihr am liebsten niemanden sehen."

"Das war gestern! Aber heute nachmittag wollte Wandan mir Unterricht geben! Er schiebt es seit Wochen vor sich her!"

"Seit Wochen? Verzeiht, aber ihr trainiert beinahe jeden Tag mit ihm!"

Lennys verdrehte die Augen.

"Ja, mit dem Säbel! Das ist langweilig! Ich will die Sichel!"

"Euer Vater sagt, ihr seid noch jung..." wandte Afnan ein.

"Er muss es ja nicht wissen! Außerdem werde ich bald fünfzehn! Wandan hat mir versprochen, dass ich sie halten darf und dass er mir ein paar Grundübungen zeigt! Und jetzt sitzt er da oben und drückt sich!"

"Kein Grund, laut zu werden..." beschwichtigte der Diener. "Der hohe Herr Wandan hat bislang jedes seiner Versprechen gehalten. Er wird sicher kommen. Aber trotzdem glaube ich, dass der Shaj..."

"Kein Wort zu ihm!" Lennys streckte Afnan drohend einen Zeigefinger entgegen. "Wenn du ihm etwas verrätst..."

"Ich habe euch noch nie verraten, junge Herrin." erwiderte Afnan beleidigt. "Auch gestern nicht."

"Das ist auch besser so! Wenn mein Vater erfährt, dass ich im Wald war..."

"Auf seiner Stute..."

"Halt bloß den Mund! Du solltest das so schnell wie möglich vergessen!"

"Wie ihr wünscht. Aber Herrin, dürfte ich euch bitten, mich vielleicht etwas weniger in derartige Angelegenheiten hineinzuziehen? Ihr wisst, ihr könnt mir voll und ganz vertrauen, aber wenn euch jemals etwas zustoßen sollte und ich im Vorfeld von einer eurer Unternehmungen wusste und euch nicht davon abgehalten habe..."

"Du bist ein Langweiler, Afnan! Immer diese ewigen Vorhaltungen! Ich kann ganz gut auf mich selbst aufpassen."

"Fürwahr, daran habe ich keinen Zweifel."

"Siehst du? Meine Güte, und da oben finden sie kein Ende. Ich sehe schon, Wandan wird sich heute gar nicht mehr blicken lassen. Und wenn, dann erst abends, wenn es schon zu spät ist."

Afnan räusperte sich.

"Ich fürchte, der hohe Herr Wandan wird auch heute abend keine Zeit haben."

"Wieso das denn nicht?"

"Nun, der hohe Cas Cala feiert heute seinen Geburtstag. Es ist der siebzehnte Tag des Assmon."

"Mit anderen Worten, die Cas werden heute in ihren Kellern wieder einmal ein großes Fest geben und ich darf mich in meinem Schlafzimmer langweilen." Wütend hob sie einen abgebrochenen Ast auf und schleuderte ihn über den Hof. "Das ist ja wirklich großartig!"

Afnan verstand Lennys nur zu gut. Er hatte das Gefühl, dass sie sich langweilte und da das politische Geschehen des Landes gerade viele Besprechungen erforderte, konnte sie sich nicht so häufig wie sonst den Kampfübungen mit Wandan widmen. Die Tochter des Shajs war es gewöhnt, dass man sich um sie bemühte, dass sie im Mittelpunkt stand und vor allem, dass man Zeit für sie hatte, wenn sie es wünschte. Es fehlte ihr an Beschäftigung und so war es kein Wunder, dass sie verärgert über das anstehende Gelage der Cas war, von dem sie natürlich ausgeschlossen war.

Der Diener dachte nach. Seit fast vier Jahren war er nun vor allen anderen für das Wohlergehen von Satons Tochter verantwortlich. Zuerst hatte sie ihn wie Luft behandelt, doch seine Engelsgeduld, seine Verschwiegenheit und nicht zuletzt sein einnehmender Humor hatten sie im Laufe der Zeit dazu gebracht, Afnan nicht nur zu akzeptieren, sondern ihn auch weniger herrisch zu behandeln als das restliche Personal Vas-Zaracs. Vermutlich kannte Afnan sie inzwischen besser als die meisten anderen Menschen, einschließlich Wandan. Vor dem hohen Cas verbarg sie ihre heimlichen Streifzüge und auch einige andere Regelverstöße, Afnan jedoch war stets eingeweiht. Das war nicht nur unvermeidlich, sondern hin und wieder auch von Nutzen, und solange er sie nicht an ihren Vater oder die Cas verriet, konnte er sich seinerseits sicher sein, diesen äußerst ehrenvollen Posten zu behalten. Es war ein stillschweigendes Arrangement und trotz des schlechten Gewissens des Dieners war sich dieser sicher, dass Lennys sich allmählich zu einer jungen Dame entwickelte, die keines ständigen Schutzes mehr bedurfte. Und hatte sie nicht gerade in den vergangenen Monaten geradezu vorbildlich ihre Pflichten erfüllt? Ihre Leistungen im Unterricht waren gut, besser als man es von jemandem erwarten konnte, der sich nicht sonderlich anstrengte.

"Ihr könntet es doch den Cas gleich tun." schlug Afnan halbherzig vor. "Rahor Req-Nuur übernachtet heute gemeinsam mit seinem Vater in Vas-Zarac, weil Celdros zur Cas-Feier eingeladen wurde. Ihr könntet euch zusammen mit ihm und Osa und Taruq einen netten Abend machen und vielleicht sogar ein paar Säbelübungen absolvieren."

Osa und Taruq. Die Tochter des Wäschers und der Sohn eines Kochs. Eigentlich kein Umgang für Lenyca Ac-Sarr, aber in Vas-Zarac musste sie genügsam sein. Die Zahl der Gleichaltrigen war gering. Da war Rahor Req-Nuur schon interessanter. Im Herbst würde er der Säule der Nacht beitreten und die ersten Säbelprüfungen in den Kasernen absolvieren. Lennys hatte schon einige Male zum Spaß gegen ihn gekämpft und obwohl Rahor zwei Jahre älter war als sie, hatte sie ihn jedes Mal geschlagen. Außerdem war er der Sohn eines großen Kämpfers und somit eine weitaus angenehmere Gesellschaft als die Kinder der Dienstboten.

"Rahor ist in Vas-Zarac?" fragte sie noch einmal nach. "Und er hat heute abend frei?"

"Genau wie ihr, junge Herrin." nickte Afnan. "Euer Vater hätte sicher nichts dagegen, wenn ihr euch zusammensetzt und ein wenig plaudert. Ich könnte euch vielleicht sogar noch einen kleinen Imbiss aus der Küche besorgen."

Sie zuckte die Achseln. "Warum nicht?" Es war immer noch besser, als sich zu langweilen und die ganze Zeit über auf Wandan zu warten, der ja doch nicht kam.

"Wünscht ihr, dass ich Osa und Taruq Bescheid gebe?"

Eigentlich hatte Lennys auf die beiden keine große Lust. Sie waren schon in Ordnung, aber was sollte Rahor von ihr halten, wenn sie sich mit solchen einfachen Leuten abgab? Andererseits konnte es ihr egal sein, was irgendjemand von ihr dachte. Und zu viert hatten sie wahrscheinlich auch mehr Spaß.

"Meinetwegen. Sag ihnen, sie sollen bei Sonnenuntergang zu den Rosenhecken kommen. Es bleibt sicher trocken heute abend."

Erleichtert nickte Afnan. "Ich denke auch. Wenn ihr mich dann entschuldigen würdet, Herrin? Es ist schon spät und wenn ich noch jemanden in der Küche erreichen will, sollte ich mich beeilen."

"Geh nur. Und vergiss nicht, Rahor zu suchen!"

Es war ein schwüler Abend und selbst jetzt, da die Sonne schon halb hinter dem Horizont versunken war, kühlte die Luft kaum ab. Lennys stand in ihrem Schlafzimmer und betrachtete nachdenklich ihren Shajkan. Es war längst nicht mehr der, den sie acht Jahre zuvor von dem Hufschmied bekommen hatte, sondern ein prächtiges Stück aus der Hand eines Waffenschmieds. Und sie durfte ihn inzwischen auch bei sich behalten, selbst wenn sie keinen Unterricht hatte. Wandan hatte ihr einmal erklärt, dass das eine sehr große Ehre und keineswegs selbstverständlich sei, denn für gewöhnlich erhielten die Säbelschüler ihren ersten Shajkan erst mit dem Eintritt in die Kaserne.

Sie fragte sich, ob Rahor schon einen eigenen Säbel besaß. Zweifellos würde dieser hier ihn beeindrucken und Lennys machte gern auf sich aufmerksam. Das war auch einer der Gründe, warum sie Afnans Vorschlag zugestimmt hatte, Osa und Taruq einzuladen. Beide bewunderten die Tochter des Shajs und schon allein deshalb lohnte es sich, sie hinzuzuziehen.

Sie schob den Shajkan wieder in seine Scheide, die sie an ihrem Ledergürtel befestigte. Dann sah sie zum Fenster. Gleich war die Sonne ganz versunken. Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, das Kommen der drei Geladenen ungeduldig zu erwarten, aber im Grunde war sie genau das. Ungeduldig.

Das kleine Rasenstück mit den Rosenhecken lag nahe an ihrem Zimmer. Sie horchte. Waren da nicht Stimmen? Nein, sie würde nicht länger in diesem stickigen Raum ausharren, ganz gleich ob sie die Erste am Treffpunkt war oder nicht. Mit einem letzten stolzen Blick auf die schillernde Waffe an ihrem Gürtel ging sie nach draußen.

Tatsächlich wurde sie dort schon erwartet. Alle waren gekommen. Osa, die ängstliche Wäschertochter, der kräftig gebaute Taruq und... Rahor. Natürlich, ob er wollte oder nicht, Rahor Req-Nuur hatte kommen müssen. Eine Einladung der Tochter des Shajs schlug man nicht aus, aber sein strahlendes Lächeln erweckte nicht den Eindruck, dass er wider Willen hier war.

"Schön dich zu sehen, Lennys."

Sie nickte ihm zu.

"Du hast deinen Shajkan mitgebracht? Möchtest du mich etwa wieder herausfordern?"

"Die Frage ist, ob du mit einer weiteren Niederlage leben kannst, Rahor."

"Ich bin besser geworden." lachte der Sechzehnjährige. "Aber ich beweise dir das gern selbst. Weiß Wandan, dass du den Säbel bei dir hast?"

"Es geht ihn nichts an. Ich darf ihn tragen, wann immer ich will."

Rahor nickte.

"Ich verstehe. Ich übrigens auch. Seit einer Woche. Hier, das ist er."

Er zog die Waffe aus der Scheide und Lennys stellte beruhigt fest, dass sie zwar sehr schön, aber nicht ganz so wertvoll war wie ihre eigene.

"Afnan war übrigens gerade hier." versuchte nun Taruq, auf sich aufmerksam zu machen. "Er sagte, er käme gleich zurück, falls du nach ihm fragst. Er wollte uns etwas zu essen bringen."

"Ja, er hat sowas erwähnt." nahm Lennys den Einwurf gleichgültig zur Kenntnis. "Er meinte, wenn die Cas feiern, können wir das auch."

"Die sind aber besser ausgerüstet als wir." grinste Rahor.

"Das weiß ich auch!" fuhr Lennys ihn an. Es ärgerte sie, dass Rahor das Treffen nicht wirklich ernst zu nehmen schien. Doch dann kam ihre eine Idee.

"Du wirst dich noch wundern! Wir sind gar nicht so schlecht dran, wie ihr denkt! Warte nur ab."

Kurz darauf kehrte Afnan zurück. Er war mit zwei großen Platten beladen, auf denen allerlei Köstlichkeiten aufgestapelt waren. Obst, Gebäck und kalter Braten verströmten in ihrer Mischung einen ungewöhnlichen, aber durchaus angenehmen Duft.

"Nicht übel...." meinte Rahor anerkennend, doch Lennys winkte Afnan zur Seite.

"Es ist ziemlich warm." sagte sie, leise genug, dass nur der Diener sie hören konnte.

"Da habt ihr recht, Herrin." Doch dann begriff er. "Oh, ich verstehe. Verzeiht, dass ich nicht daran gedacht habe. Ich werde gleich gekühlte Säfte aus den Kellern holen."

Sie zog die Brauen hoch, so wie er es schon oft gesehen hatte, wenn gleich darauf eine abfällige Bemerkung folgte.

"Für die anderen vielleicht. Ich will etwas Richtiges zu trinken."

Afnan räusperte sich. "Das würde der hohe Shaj aber gar nicht gern sehen. Aber wenn ihr darauf besteht,... vielleicht kann ich eine Flasche Met..."

"Sijak."

Beinahe hätte sich Afnan vor Schreck verschluckt.

"Herrin,... das ... das ist doch bitte nicht euer Ernst..."

"Natürlich ist es das. Die Cas trinken Sijak, also will ich das auch."

"Aber ihr habt noch nie..."

"Natürlich habe ich das. Wandan hat mich probieren lassen. Also?"

"Das ist ja wohl ein Unterschied!" protestierte der Diener. "Einen Schluck zu probieren oder..."

"Afnan, ich wiederhole mich ungern. Ich will, dass du mir eine Flasche Sijak bringst. Und wehe, du erzählst es jemandem. Mir fällt übrigens gerade ein, dass du mir noch einen Gefallen schuldest. Ich habe niemandem gesagt, dass du letzte Woche vergessen hast, die hintere Turmpforte abzuschließen. Erinnerst du dich?"

Afnan schien kurz zu überlegen, ob er eine Zurechtweisung wegen der vergessenen Tür nicht leichter ertragen konnte als die Tatsache, dass Saton erfahren könnte, dass er seiner Tochter den stärksten Branntwein des Sichellandes lieferte. Aber dann gab er sich doch geschlagen.

"Also gut." flüsterte er ärgerlich. "Aber seid vorsichtig. Ihr seid nicht mehr als einen Becher Met gewöhnt. Die gleiche Menge Sijak könntet ihr vor niemandem mehr verbergen, der euch plötzlich überrascht."

"Du wirst dafür sorgen, dass uns niemand überrascht, verstanden? Und jetzt beeil dich!"

Rahor traute seinen Augen kaum.

„Sijak?“

„Natürlich. Der Beste überhaupt. Aus dem Mooshain.“

Auch Osa und Taruq wollten ihren Mund vor Staunen kaum mehr schließen. Sijak war teuer und selbst ihre Eltern gönnten sich nur an den höchsten Festtagen einen Becher voll.

„Wo hast du den denn her? Doch wohl nicht von deinem Vater?“ Rahor wirkte misstrauisch. „Du bist gerade mal vierzehn...“

„Ja und?“ Sie zuckte gleichgültig die Achseln. „Hast du etwa noch nie welchen getrunken?“

„Nun ja... nicht direkt. Ein bisschen. Aber … das ist eine ganze Flasche. Sag schon, Lennys, wo hast du den her?“

Sie verdrehte die Augen. „Jetzt stell dich nicht so an. Wo soll ich ihn schon herhaben? Aus unseren Kellern natürlich. Und mein Vater braucht das gar nicht zu wissen. Klar?“

Dass Osa und Taruq lieber sterben würden, als Lennys an irgendjemanden zu verraten, war für die Tochter des Shajs selbstverständlich, doch Rahors Zögern irritierte sie.

„Bist du nicht vielleicht ein bisschen zu jung dafür?“

„Das ist ja wohl meine Sache! Wenn du keinen willst – umso besser. Mehr für uns!“

„Sei doch nicht gleich so empfindlich. Ich meinte ja nur. Mehr als einen halben Becher kriegst du sowieso nicht runter.“ Er grinste.

„Das werden wir ja sehen!“

Osa rutschte etwas nervös auf der ausgebreiteten Decke hin und her.

„Und wenn uns jemand erwischt?“

„Wer soll uns denn erwischen? Außerdem passt Afnan auf. Also los, holt eure Becher!“

Doch Osa winkte ab. „Lieber nicht...“

„Ach, du bist wirklich feige! Taruq?“

Der Sohn des Kochs nickte zögernd. „Na gut. Aber nur ein Schluck....“

Lennys reichte ihm die Flasche.

„Was seid ihr nur für Langweiler....“

Dann füllte sie selbst zwei Tonkelche bis zum Rand, reichte einen Rahor und nahm selbst den anderen.

„Na dann... auf unsere eigene kleine Feier! Wir brauchen die Keller der Cas nicht!“

Rahor nippte an seinem Becher, verzog kurz das Gesicht, lächelte aber dann.

„Nicht übel.“

Lennys hingegen begnügte sich nicht mit wenigen Tropfen, sondern nahm gleich mehrere Schlucke. Der Branntwein machte seinem Namen alle Ehre und sie glaubte zuerst, ihre Kehle würde Blasen werfen, doch nach einem kräftigen Husten spürte sie schon die wärmende Wirkung in ihrem Bauch. Der herbe Geschmack der Sakkalabeeren schwebte noch in ihrem Mund.

„Ja, das kann man wohl sagen.“ bestätigte sie Rahors Urteil und tat, als hätte sie eben nur Wasser getrunken.

„Bist ihn wohl doch nicht gewöhnt.“ grinste Rahor und spielte damit auf den Hustenanfall an.

„Unsinn. Ich hatte nur einen trockenen Hals. Diese Hitze heute bringt mich noch um!“ Als wollte sie ihm den entscheidenden Beweis für ihre Worte liefern, setzte sie noch einmal den Becher an ihre Lippen. Diesmal war sie auf das Brennen gefasst und fast schien es ihr, als sei es jetzt weniger unangenehm.

„He, mach langsam.“ warnte Rahor. „Dein Kelch ist schon halb leer. Ich dachte eigentlich, wir wollten noch ein wenig zusammensitzen und vielleicht einen Übungskampf machen.“

„Können wir doch.“

„Nicht, wenn du so weitermachst. Außerdem soll man nicht kämpfen, wenn man Sijak getrunken hat. Die Säbelmeister predigen das jeden Tag.“

„Ach, wir kämpfen doch gar nicht richtig. Und sie sehen es ja auch nicht.“

„Hoffentlich....“ bemerkte Osa ängstlich. „Ich möchte keinen Ärger.“

„Wir kriegen keinen Ärger, solange wir mit Lennys zusammen sind.“ sagte Taruq. „Haben wir doch noch nie. Schon gar nicht, wenn Afnan aufpasst.“ Er leerte seinen Becher, der nur wenige Tropfen enthalten hatte und räkelte sich auf der Decke. „Aber ich könnte mich ehrlich gesagt an solche Abende gewöhnen.“

„Das glaube ich...“ schnaubte Lennys. „Die Cas machen das ständig. Oder nicht, Rahor?“

„Naja, ständig ist vielleicht übertrieben. Aber die Cas sind auch älter. Das sind Männer.“

„Na und? Gib mir ein paar Jahre Training, dann stecke ich die locker in die Tasche!“ Sie erhob erneut den Kelch.

„Du gibst ganz schön an.“

„He, beleidige mich nicht, Rahor! Sonst ...“

„Sonst?“

„Soll ich dir noch einmal beweisen, dass ich besser bin als du?“

Rahor stellte seinen Becher zur Seite, der noch bedeutend voller war als der Lennys'.

„Nur zu. Aber sei vorsichtig! Der Sijak könnte dich beeinträchtigen.“

„Blödsinn.“

Beide zogen ihre Waffen. Während Taruq sich in eine bequemere Position wand, um dem Kommenden besser zu folgen, rutschte Osa ein Stück zurück.

„Passt bloß auf...“

„Yami solei!“

„Arhat zen!“

Dann klirrten die Säbelklingen aufeinander. Doch schon kurz darauf lag Rahors Shajkan im Gras und er sprang instinktiv zurück, bevor ihn ein weiterer Schlag treffen konnte.

„Nicht schlecht.“ murrte er anerkennend. „Aber das ist ein Übungskampf. Du schlägst zu fest.“

„Ich schlage zu fest? Ich bin ein Mädchen und jünger als du! Angst, Rahor?“

„Nein. Aber du musst lernen, dich zu kontrollieren.“

Sie spuckte abfällig auf den Boden, hob ihren Becher auf und leerte die zweite Hälfte in einem Zug.

„Belehr mich nicht. Los, nochmal! Yami solei!“

Diesmal hielt Rahor dagegen, und schaffte es, den Säbel zu behalten. Allerdings entging ihm nicht, dass Lennys nicht mehr ganz so gut zielte wie sonst und nach ein paar Schlägen zog er sich zurück.

„Das ist gefährlich. Wir sollten das lassen. Es ist schon zu dunkel.“ Der letzte Satz war gelogen, denn als Batí konnte er in der Dunkelheit ebenso gut sehen wie seine Gegnerin, aber er stellte erleichtert fest, dass sie ihm die Ausrede abnahm.

„Du hättest wieder verloren!“ sagte sie und schob den Säbel wieder in seine Scheide.

„Ganz wie du meinst...“ lächelte Rahor und setzte sich wieder neben Taruq, der gerade ein Gähnen unterdrückte.

„Schon müde?“

„Ein wenig...“ gab der Junge zu.

„Noch Sijak?“

„Nein, lieber nicht.“

„Gib mir noch welchen!“ forderte Lennys und Rahor wandte sich überrascht um.

„Du hast schon einen ganzen Becher getrunken!“

„Und? Willst du's mir verbieten? Gib schon her!“

Als sie versuchte, den Becher zu füllen, verschüttete sie einen Teil des blutroten Getränks über ihre Hände.

„Ich finde, du solltest langsam machen...“ Rahor schlug einen belehrenden Tonfall an. „Du bist erst...“

„Vierzehn. Das sagtest du schon. Alt genug.“

Sie saßen noch eine Weile beisammen und schon bald neigte sich auch Lennys' zweiter Kelch dem Ende. Die Flasche war bereits zur Hälfte geleert.

Taruq stand auf.

„Verzeiht, aber ich bin jetzt doch recht müde. Und ich muss morgen früh beizeiten den Hof kehren..."

„Ja, ja, geh nur...“

Auch Osa rappelte sich hoch.

„Ich komme mit, Taruq. Meine Eltern sehen es gar nicht gern, wenn ich zu spät nach Hause komme...“

„Langweiler...“ sagte Lennys noch einmal, als die beiden hinter den Hecken verschwunden waren. „Bleibst du noch?“

Rahor streckte sich auf der Decke aus.

„Wenn du willst, schon. Bist du denn gar nicht müde?“

„Müde? Ich? Ich bin eine Batí!“ Stolz warf sie den Kopf in den Nacken.

„Das bist du zweifellos. Ich auch, wie du weißt.“

„Eben.“

Sie tastete nach der Flasche, doch Rahor hielt sie am Handgelenk fest.

„Findest du nicht, dass du genug hast?“

„Hör endlich auf, mich wie ein kleines Kind zu behandeln!“

Er ließ sie los.

„Ganz wie du meinst. Aber beschwer dich morgen nicht bei mir, ich hätte dich nicht gewarnt.“

„Du bist ein unerträglicher Besserwisser!“

Sie tastete weiter und stellte fest, dass die Sijakflasche außerhalb ihrer Reichweite stand. Als sie versuchte aufzustehen, verlor sie beinahe das Gleichgewicht.

„Lennys, auch auf die Gefahr hin, dass du...“

„Halt den Mund!“ fuhr sie ihn an, holte die Flasche und ließ sich wieder neben Rahor auf die Decke fallen. Das Gehen war ihr nicht ganz leicht gefallen und mit einem Mal hatte sie das Gefühl, der Boden sei nicht mehr so sicher und fest wie sonst. Diesmal versuchte sie gar nicht erst, den Becher zu füllen, sondern setzte gleich die Flasche an den Mund.

„Na na na....“ Rahor schüttelte den Kopf. „Jetzt ist es aber wirklich genug! Du hast ja vorhin noch nicht einmal etwas von Afnans Platten gegessen.“ Er nahm ihr den Sijak weg.

„He, was soll das?“

„Da kannst du toben, wie du willst, aber wenn das hier irgendjemand mitkriegt, bekommst nicht nur du Ärger! Und mein Vater und ich haben mehr zu verlieren als du!“

„Gar nichts habt ihr!“

„Na, und ob. Saton wird uns beide rauswerfen, wenn er das hier herausfindet. Meinen Vater und mich. Nicht ganz zu Unrecht. Du bist ziemlich egoistisch, weißt du das?“

„Du bist nur sauer, weil ich besser kämpfe als du!“ Sie versuchte, Rahor mit ihrem durchbohrenden Blick zu fixieren, aber sein Bild verschwamm vor ihren Augen und es wollte ihr nicht recht gelingen.

„Nein, das bin ich nicht.“

„Doch, bist du. Willst du es nochmal sehen?“ Ihre Worte klangen nun schon reichlich undeutlich und als sie Anstalten machte, noch einmal aufzustehen, musste sich Rahor nicht sonderlich anstrengen, um sie zurückzuziehen.

„Nichts will ich sehen. Vielleicht solltest du dich jetzt besser schlafen legen...“

„Nein!“ Noch einmal versuchte sie, sich hochzurappeln, doch diesmal gab sie das Vorhaben von alleine auf. Durch die Anstrengung wirkte der Sijak nun noch stärker und sie hielt sich den Kopf. Der Garten schien sich zu drehen.

Für Rahor war dies ein eindeutiges Signal.

„Genug jetzt. Ich hole Afnan, damit er dich ins Bett bringt.“

„Brauch ich nicht! Ich bin kein kleines Kind!“ erwiderte sie trotzig. „Du bist genauso schlimm wie Wandan!“

„Du benimmst dich aber gerade wie...“

„Habe ich da zufällig gerade meinen Namen gehört?“

Die dunkle, wohlbekannte Stimme fuhr Rahor durch Mark und Bein. Er war sich nicht sicher, ob Lennys sie überhaupt erkannte, aber so sehr er die Tochter des Shajs auch mochte, jetzt galt es in erster Linie, an sich zu denken.

„Verflucht, Wandan...“ flüsterte er und sprang auf. „Tut mir leid, Lennys,... wirklich... aber... jetzt muss ich weg...“

Und schon stolperte er durch die Dunkelheit davon. Im selben Moment erhob sich ein gewaltiger Schatten hinter den Rosenhecken auf der anderen Seite und Wandan trat hinter den Büschen hervor.

„He, kein Grund wegzulaufen!“ rief er Rahor nach und lachte dann kopfschüttelnd.

„Seit wann haben deine Freunde denn Angst vor mir? Wer war denn das?“

Er sah zu Lennys hinunter, die immer noch auf der Wolldecke saß und sich mit den Händen abstützte. Zögernd blickte sie zu Wandan hinauf und schien ihn erst jetzt zu erkennen.

Der Krieger legte den Kopf zur Seite.

„Ist irgendwas?“

Sie schüttelte den Kopf, bereute es aber augenblicklich.

„Was ist denn los? Bist du eingeschlafen? Wer war der Junge gerade eben? Es war doch einer, oder?“

Lennys sagte nichts.

Nun wurde Wandan erst recht misstrauisch und kniete sich neben das Mädchen.

„Ist dir nicht gut?“

„Doch doch...“

Wandan stutzte. Er schob eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie so, ihn anzusehen. Auf seinem Gesicht malte sich ein Ausdruck von Ungläubigkeit. Sofort suchte er mit den Augen den Platz ab und es dauerte nur einen Wimpernschlag, bis er die Flasche erspähte, die Rahor fallengelassen hatte.

„Hauch mich an!“ befahl er barsch.

Doch Lennys dachte gar nicht daran.

„Wo hast du dieses Zeug her? Wie viel hast du getrunken?“

„Geht dich nichts an...“

Der Krieger griff nach der Flasche, hielt sie gegen das Licht des mittlerweile aufgegangenen Mondes und stieß einen derben, cycalanischen Fluch aus.

„Das ist doch wohl nicht zu fassen!“ polterte er los. „Das glaube ich einfach nicht! Diesmal bist du zu weit gegangen, junge Dame! Zu weit!“

Er packte Lennys recht unsanft am Arm, zog sie nach oben und machte Anstalten, sie zur nächsten Pforte zu ziehen. Doch schon nach wenigen Schritten merkte er, dass das Mädchen sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.

„Das ist ja wohl der Gipfel!“ fuhr er sie an, hob sie hoch und achtete dabei nicht im mindesten auf ihre Protestrufe.

„Na warte, du kannst morgen was erleben! Saton wird aus der Haut fahren, wenn er das erfährt!“

Als die Tür hinter dem Cas und Lennys knallend ins Schloss fiel, kroch Afnan zitternd hinter der Rosenhecke hervor und machte sich daran, die Decke und die leeren Küchenplatten einzusammeln. Die unselige Sijakflasche hatte Wandan an sich genommen.

„Mensch, Afnan...“ zischte Rahor, der ebenfalls in der Dunkelheit verharrt hatte. „Warum hast du uns nicht gewarnt?“

„Das hätte ich ja!“ verteidigte sich der Diener. „Aber ich kann nicht überall sein! Ich habe die ganze Zeit auf den Casflügel geachtet, aber Wandan kam aus Richtung des Haupttores. Als ich ihn gesehen habe, war es schon zu spät, da hatte er euch schon gehört.“

„Und da hast du dich lieber versteckt, als ihn zurückzurufen und abzulenken?“

„Hoher Herr Rahor, aber... verzeiht... aber ich... ich konnte doch nicht über den halben Platz rufen. Das hätte nur noch mehr Aufmerksamkeit geweckt. Der hohe Shaj ist oben auf der Terrasse der Cas!“

„Was? Saton? Ach herrje... nein... ich verstehe...“ Der Junge fuhr sich ratlos mit der Hand durchs Haar. „Oje, das gibt jetzt richtig Ärger. Verdammt, warum musste sie auch so unvernünftig sein?“

„Sie wird mich rauswerfen...“ sagte Afnan niedergeschlagen.

„Unsinn... wird sie nicht. Ich rede mit ihr. Sobald ich kann. Aber ich fürchte, jetzt hat sie erst einmal andere Sorgen...“

Wandan tobte. Er hatte Lennys auf direktem Weg in ihr Schlafzimmer getragen, sie dort alles andere als vorsichtig auf ihr Bett geworfen und marschierte jetzt mit donnernden Schritten auf und ab, während er seiner Wut freien Lauf ließ.

„Und ich sage ihm noch, seine Tochter würde allmählich vernünftig werden! Von wegen! Klaust Sijak und betrinkst dich im Burggarten! Mit vierzehn! Das ist wirklich der Gipfel der Ungezogenheit! Wer hat dich gesehen? Die Diener? Die Gäste? Du denkst nur an deinen Spaß! Ich wollte mich eigentlich bei dir entschuldigen, weil ich dir die Sichelstunde versprochen hatte und sie nicht einhalten konnte! Die Sichel ist ein weite Ferne gerückt, junge Frau! In sehr weite Ferne! Du willst, dass wir dich nicht wie ein Kind behandeln, aber jedes Kind in dieser Burg benimmt sich besser als du! Ich soll auf dich aufpassen! Soll dafür sorgen, dass du eine gute Kriegerin wirst! Und was machst du? Keinen Tag kann man dich aus den Augen lassen, ohne dass du irgendwelchen Unsinn treibst! Ach, was rede ich... keinen Tag... keine Stunde!“

Lennys hatte sich auf ihrem Bett zusammengekauert und sagte nichts. Zum einen, weil ihr die Zunge zu schwer geworden war, zum anderen, weil ihr einfach nichts einfallen wollte, was sie zu ihrer Verteidigung hätte vorbringen können. Und zum dritten fühlte sie sich alles andere als angriffslustig. Ihr Schlafzimmer schwankte wie eine Barke im Sturm und Wandans donnernde Vorhaltungen tobten schlimmer als jedes Gewitter über ihr.

„Das hat jetzt keinen Sinn.“ sagte der Krieger irgendwann. „Wer weiß, ob du dich morgen überhaupt noch an meine Worte erinnerst! Es ist schon fast Mitternacht. Morgen früh solltest du eigentlich zum Geschichtsunterricht erscheinen! Und damit du nicht auf die Idee kommst, den zu verschlafen, werde ich dich höchstpersönlich wecken. Und zwar eine Stunde früher als sonst! Und dann werden wir dieses Gespräch fortsetzen, das verspreche ich dir!“

Ohne sie noch einmal anzusehen, polterte Wandan wieder nach draußen, knallte die Tür zu und atmete tief durch. Er verlor selten die Beherrschung, doch nicht nur der Ärger, sondern auch die Sorge hatten ihn immer weiter angestachelt. Es wäre ein Fehler gewesen, umgehend Saton aufzusuchen, auch wenn er wusste, dass der Shaj ihm diese Verzögerung nur schwerlich verzeihen würde.

Auf dem Weg zurück zum Casflügel malte er sich mit äußerst gemischten Gefühlen aus, wie Lennys' Vater wohl auf diesen höchst unerfreulichen Bericht reagieren würde.

Ein unnachgiebiges Rütteln an der Schulter riss Lennys am nächsten Morgen aus dem Schlaf. Sie wollte den Störenfried verärgert wegschieben, aber noch bevor sie den Arm zu fassen bekam, stöhnte sie unwillkürlich auf. Ihr Schädel dröhnte und eine Welle heftiger Übelkeit überkam sie.

„Aufstehen, die Dame!“

Die laute Stimme ließ sie zusammenfahren.

„Gut geschlafen?“ Wandan gab sich keine Mühe, leise zu sprechen und der Sarkasmus in seinen Worten war nicht zu überhören.

Lennys antwortete nicht, sondern zog sich die Decke über den Kopf.

„Um den Unterricht kommst du genauso wenig herum, wie um alles andere! Also raus aus dem Bett!“

Sie drehte sich zur Seite und zwang sich, den Würgereiz, der in ihr aufwallte, zu unterdrücken. Noch nie zuvor hatte sie sich so elend gefühlt. Doch Wandan kannte kein Erbarmen. Mit einem Ruck zog er die Decke zur Seite.

„Du hast die Wahl. Entweder, du stehst jetzt auf und sprichst mit mir oder ich werde es mir anders überlegen und mich doch zuerst mit Saton unterhalten!“

Mühsam drehte sie sich wieder auf die andere Seite und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. In verschwommen, zusammenhanglosen Bildern kehrte allmählich die Erinnerung an den vergangenen Abend zurück. Als vor ihrem geistigen Auge die bauchige Sijakflasche Gestalt annahm, hätte sie sich am liebsten sofort übergeben.

„Ich kann nicht zum Unterricht...“ presste sie hervor.

„Und ob du kannst.“

„Ich bin krank.“

„Das bist du mit Sicherheit nicht.“ Wandan verschränkte die Arme und lehnte sich auf dem Lehnstuhl zurück, den er sich ans Bett gezogen hatte. „Du hast einen Kater, wie man so schön sagt. Und wenn ich bedenke, woher er stammt, würde ich sagen, dass du ihn durchaus verdient hast.“

Sie knurrte zornig und tastete nach der Decke, die zu Boden gerutscht war.

„Vergiss das mal ganz schnell wieder.“ Er hob die Decke auf und warf sie in eine Ecke. „Und setz dich hin, wenn ich mit dir rede.“

„Was fällt dir...?“

„Was mir einfällt?“ unterbrach Wandan sie laut. „Ich frage dich eher, was dir einfällt! Also, setz dich hin und sieh mich an. Ich bin gerade alles andere als geduldig und du solltest mich nicht noch weiter reizen!“

Zähneknirschend stemmte sich Lenyca hoch und lehnte sich an die Wand. In dieser Haltung glaubte sie, ihr Kopf müsse zerbersten, doch sie wollte Wandan nicht noch einen weiteren Anlass geben, herumzuschreien.

Aber der Krieger musterte sie nur interessiert.

„Du siehst gelinde gesagt furchtbar aus.“ stellte er trocken fest. Von Mitleid jedoch keine Spur. „Und so leid es mir tut, ich hoffe im Augenblick, dass du dich auch genauso fühlst. Vielleicht lernst du daraus. Aber wenn ich mir überlege, wie unbelehrbar, ungezogen und unvernünftig du bist, kann ich wohl nicht damit rechnen. Oh nein, du lässt mich jetzt ausreden. Ich will eigentlich gar nicht mehr wissen, wen du alles in diese Geschichte mit hineingezogen hast. Du warst nicht allein und du bist vermutlich auch nicht selbst in den Vorratskeller eingebrochen. Dafür hast du ja deine 'Untergebenen'.“ Er betonte das letzte Wort besonders. „Und in Anbetracht dessen, was dein Verhalten für Folgen hätte haben können – Folgen, die du nicht einen Augenblick bedacht hast – habe ich auch keine Lust mehr, mit dir eine ernsthafte Diskussion zu führen. Ich bin maßlos enttäuscht von dir, Lenyca Ac-Sarr.“

Dieser Satz hatte gesessen. Doch er weckte auch Lennys' Trotz erneut.

„Das ist meine Sache. Ihr Cas...“

„Hatten als Kleinkinder schon ein besseres Benehmen als du jetzt. Du willst wie wir sein? Gut, das kannst du haben. Schade, dass ich das nicht schon heute nacht wusste. Dann hätte ich dich zum Wachdienst auf dem obersten Turm eingeteilt. Aber es ist ja noch nicht zu spät. Die Cas haben nämlich in etwa einer Stunde eine Unterredung mit Saton. Möchtest du mitkommen? Möchtest du so vor deinen Vater treten und ihm vielleicht von gewissen Vorkommnissen des vergangenen Abends berichten? Die Cas tun das! Du willst feiern wie wir? Dann musst du auch arbeiten wie wir! Also los! Zieh dich um und komm mit zum Shaj!“

Lennys Blick senkte sich unwillkürlich.

„Aha. Das gefällt dir als auch nicht, ja? Ja, zu dumm, dass man sich das nicht immer heraussuchen kann. Also dann wohl doch der Unterricht.“

„Ich kann nicht....“ sagte sie kaum hörbar und kämpfte immer noch gegen das Würgen.

„Du kannst. Und du wirst. Es sei denn, du wirst dich offiziell krank melden. Und zwar persönlich. Und den Grund für deine Krankheit mitteilen. Bei all den Lehrern, deren Stunden du versäumen würdest. Wenn du das tust, werde ich deinem Wunsch nachgeben.“

Noch immer sah die Tochter des Shaj nicht auf. Sie spürte, wie sie rot wurde.

„Ich werde jetzt hinausgehen, damit du dich anziehen und waschen kannst. Dann kommst du zu den Rosenhecken, falls du dich noch erinnern kannst, wo diese sind. Wir werden dann einen netten kleinen Spaziergang machen, bis du wieder halbwegs sicher auf den Beinen stehst. Und dann bringe ich dich zur Geschichtsstunde. Ich nehme an, du verzichtest freiwillig auf das Frühstück?“

Sie nickte stumm.

„Gut. Ich werde mich heute mittag bei deinen Lehrern erkundigen. Wenn du ihnen auch nur den geringsten Anlass zum Tadel gibst, kannst du etwas erleben, das verspreche ich dir. Deine Säbelstunden fallen heute aus. Stattdessen wirst du nach dem Mittagessen in mein Arbeitszimmer kommen und ich hoffe, dass du dann etwas gesprächiger bist.“

Er stand auf, stellte den Lehnstuhl zurück an den Schreibtisch und ging hinaus.

„Und ich würde dir dringend raten, mich jetzt nicht zu lange warten zu lassen!“ rief er ihr noch durch die geschlossene Tür zu.

Es wurde kein angenehmer Vormittag. Wandan sprach vor dem Unterricht kein Wort mehr mit Lennys und der angekündigte Spaziergang entpuppte sich als Dauerlauf über das gesamte Burggelände. Allein danach hätte die Tochter des Shajs am liebsten doch die Schmach in Kauf genommen, sich bei jedem Lehrer persönlich von den Stunden abzumelden, doch dafür war es zu spät. Mehrere Krieger und zahlreiche Dienstboten hatten sie bereits gesehen.

Nach der trockenen Geschichtsstunde folgte der besonders zähe Landeskundesunterricht und danach noch die von Lennys besonders verhasste Schriftlehre. Sie hatte bislang nicht begreifen können, wozu sie diese zahlreichen Grußformeln und Regeln für Sendschreiben hatte lernen müssen - für so etwas gab es schließlich Diener, Schreiber und Boten. Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu der bevorstehenden Unterredung mit Wandan ab und jedes Mal riss sie eine schwierige Frage des Lehrmeisters wieder in die Gegenwart zurück. Heute hatten es scheinbar alle besonders auf sie abgesehen.

Als die Mittagszeit nahte, rebellierte ihr Magen immer noch und sie beschloss, auch diese Mahlzeit ausfallen zu lassen und die dadurch gewonnene Stunde für eine Ruhepause zu nutzen, die sie dringend benötigte. Sie war entsetzlich müde, die Kopfschmerzen hatten auch noch nicht nachgelassen und sie wollte eigentlich nur eines - sich so schnell wie möglich ins Bett legen und am besten nie wieder aufstehen.

Auf dem Weg zu ihrem Zimmer begegnete sie dem Cas Cala. Er hatte bereits nach ihr gesucht und die Nachricht, die er ihr überbrachte, ließ sie leise fluchen.

"Wandan schickt mich. Er lässt dir ausrichten, dass du, für den Fall, dass du nicht zum Essen gehst, sofort zu ihm kommen sollst."

Als hätte er es geahnt. Einen Augenblick lang fragte sich Lennys, ob Cala wusste, weshalb Wandan sie erwartete. Eine andere Frage schob sie noch vor sich her. Hatte der oberste Cas mit Saton gesprochen? Und wenn nicht, wie konnte sie ihn davon abbringen? Es war schlimm genug, wenn Wandan sie in die Mangel nahm, aber an die Reaktion ihres Vaters mochte noch nicht einmal Lenyca gern denken. Trotzdem nahm sie sich vor, sich von dem Krieger nicht kleinkriegen zu lassen. Was hatte sie schon Falsches getan? Es war nichts passiert, niemand hatte sie gesehen und sie hatte sich, soweit sie es einschätzen konnte, auch nicht ungebührlich verhalten. Für ihren Geschmack übertrieb Wandan maßlos.

Mürrisch und betont langsam ging sie um den Burghof herum in Richtung des Casflügels. Am liebsten hätte sie einen noch größeren Umweg gemacht, um der brennenden Sonne zu entgehen, aber auf der anderen Hofseite, die im Schatten lag, stand eine ganze Gruppe von Küchenmägden und Waschweibern, von denen sie sich lieber fernhalten wollte. Stattdessen bog sie in einen kleinen Seitentrakt ab.

Hierher kam sie selten. In diesem Teil der Burg lagen die Arbeitszimmer der höheren Dienerschaft, die den Haushalt Vas-Zaracs verwalteten. Aber Diener waren immer noch Diener und wenn sie einen benötigte, so ließ sie nach ihm rufen und suchte nicht selbst nach ihnen. In diesem Fall musste sie aber wohl oder übel eine Ausnahme machen.

Da sie nicht sicher war, welche Tür die richtige war, stieß sie die erstbeste Pforte auf. Dahinter fuhr ein älterer Mann, an dessen Namen sie sich nicht erinnern konnte, an seinem Schreibtisch erschrocken zusammen.

"Herrin Lenyc... Lennys... welche eine Ehre...Wie... wie kann ich euch helfen?"

"Wo ist Afnan?"

"Oh... er... er... ich habe ihn heute noch nicht gesehen, Herrin. Vielleicht ist er..."

"Ich habe keine Lust, die ganze Festung nach ihm abzusuchen."

Schon halb im Gehen, zögerte Lennys dann aber doch kurz. "Hast du hier Heilmittel?" fragte sie so belanglos wie möglich.

"Heilmittel?"

"Etwas gegen Kopfschmerzen zum Beispiel."

"Nein, Herrin, das tut mir leid. Nicht hier. Aber ich kann euch etwas bringen lassen, wenn ihr möchtet. Es wird sicher nicht lange dauern..."

"Nein." Ohne ein weiteres Wort kehrte Lennys in den kühlen Flur zurück. Konnte denn heute gar nichts nach ihren Wünschen verlaufen?

"Du warst nicht beim Essen." Wandan sah Lennys noch nicht einmal an, als sie eintrat, sondern drehte ihr den Rücken zu und studierte weiter die Schriftrolle, die er gerade in der Hand hielt.

"Nein."

"Warum kommst du dann erst jetzt? Cala hat dich doch sicher erreicht, oder?"

"Ja."

"Und?"

Sie hasste es, so von oben herab behandelt zu werden und hätte Wandan am liebsten gründlich die Meinung gesagt. Wie konnte er es wagen, so mit ihr zu reden? Dennoch beschloss sie, erst einmal abzuwarten.

"Ich habe dich etwas gefragt." wiederholte Wandan erstaunlich ruhig. "Warum bist du nicht sofort hierhergekommen, so wie ich es dir habe mitteilen lassen?"

"Ich war beschäftigt."

Jetzt sah er zum ersten Mal auf.

"Beschäftigt? Aha..."

Er ging um ein Bücherregal herum, das mitten im Raum stand, verschwand dahinter in eine Ecke, die Lennys nicht einsehen konnte und kehrte gleich darauf ohne die Schriftrolle wieder zurück.

"Setz dich."

'Ich setze mich, wann es mir passt und nicht, wenn man mich dazu auffordert.' dachte Lennys störrisch und obwohl sie liebend gern Platz genommen hätte, blieb sie stehen. Wandan achtete nicht darauf, ließ sich in einen ausladenden, gepolsterten Stuhl mit breiten Armlehnen sinken, der hinter seinem Schreibtisch stand und verschränkte die Arme.

"Du warst heute nicht gerade bei der Sache. Im Geschichtsunterricht hast du die meisten Fragen falsch oder nur teilweise beantwortet. Und über deine Fehler in der Schriftlehre an diesem Tag reden wir mal besser gar nicht erst."

"Spionierst du mir nach?"

"Natürlich tue ich das. Es gehört zu meinen Aufgaben, falls dir das bisher entgangen ist. Du siehst also, auch die Cas müssen Dinge tun, die ihnen nicht gefallen. Ich kann mir wirklich Schöneres vorstellen, als mich den ganzen Tag mit deinem Benehmen herumzuärgern."

"So darfst du nicht mit mir reden!"

"Ob du es glaubst oder nicht - ich darf. Aber es steht dir völlig frei, dich bei Saton darüber zu beschweren."

"Das werde ich auch!"

"Schön. Übrigens glaube ich, dass dies hier ein längeres Gespräch wird. Bist du dir sicher, dass du weiterhin stehenbleiben willst?"

"Ja."

"Wie du willst. Zunächst einmal werden wir ein paar ganz grundsätzliche Dinge klären." Er klang immer noch erstaunlich freundlich und Lennys fragte sich, wann genau der Krieger die große Standpauke einläuten würde.

"Vielleicht überrascht es dich, aber in den letzten Wochen war ich durchaus von deinen Fortschritten angetan. Du hast gelernt, dich zu mäßigen und dich an einige Regeln zu halten, die dir früher nur unsinnig erschienen. Und obwohl man dich nicht gerade eine fleißige Schülerin nennen kann, so sind deine Leistungen im Unterricht doch weitestgehend zufriedenstellend. Mir ist vollkommen klar, dass ich von dir manche Dinge nicht erwarten kann, andere wiederum erwarten muss. Dein Vater hatte mich angewiesen, dafür zu sorgen, dass du eine gute Kriegerin wirst, wenn du es denn möchtest und schon vor Jahren habe ich versucht, dir beizubringen, dass dazu mehr gehört als ein gewisses Talent im Säbelkampf. Ein Krieger muss Disziplin besitzen, Selbstbeherrschung und Ehrgeiz. An den ersten beiden fehlt es dir - und das in hohem Maße. Das ist der Grund, warum ich nicht nur deine Kampfkunst trainiere, sondern dich ständig und immer wieder zu Dingen anhalte, die dir eigentlich überflüssig erscheinen."

"Das hast du mir alles schon mal gesagt. Mehr als einmal."

"Anscheinend nicht oft genug, denn offenbar hast du es nicht so ganz verstanden. Außerdem scheinst du immer noch der Meinung zu sein, nur aufgrund deiner Herkunft einen Rang zu haben, der über dem aller anderen steht. Muss ich dich daran erinnern, dass Saton selbst dir sehr deutlich klargemacht hat, dass du dich in Sachen Regeln, Anordnungen und Befehlen nicht nur ihm, sondern zumindest auch den Cas zu unterstellen hast, solange du dich noch nicht in der Ausbildung befindest?"

"Und wenn schon! In ein oder zwei Jahren habt ihr mir sowieso nichts mehr zu sagen!"

Wandan hob die Brauen.

"Warum bist du so wütend, Lenyca?"

"Nenn mich nicht Lenyca!"

"Also schön. Warum bist du so wütend, Lennys? Bisher sind wir beide doch recht gut miteinander ausgekommen, oder nicht?"

Sie zuckte die Achseln.

"Ich nehme an, du bist wütend, weil ich dich gestern abend und heute morgen nicht mit Samthandschuhen angefasst habe, ist das richtig? Nein, du musst darauf nicht antworten. Ich möchte eigentlich vermeiden, dass du noch mehr Dinge sagst, die dir schaden. Gut, du bist also gekränkt. Da bist du nicht die einzige." Er beugte sich hinab, griff nach etwas und holte es unter dem Schreibtisch hervor.

Die nicht einmal mehr halbvolle Sijakflasche stand nun direkt vor ihm.

"Ich bin auch gekränkt, Lennys. Mehr als das. Ich bin gekränkt und enttäuscht. Wahrscheinlich habe ich dir in letzter Zeit ein paar Komplimente zuviel gemacht - über deine Säbelfertigkeiten und deine Leistungen. Das tut dir offensichtlich nicht gut. Du denkst, dass du dir alles erlauben kannst und auch, dass du alle Rechte hast. Du hast von der Cas-Feier gehört und gedacht 'Das kann ich und darf ich auch.'. Und dabei hast du leider vergessen, dass du ein vierzehnjähriges Mädchen bist, dass noch nicht einmal eine einzige Säbelprüfung hinter sich gebracht. Ein vierzehnjähriges Mädchen mit dem Talent eines Erwachsenen, dem Verstand seiner Eltern und der Vernunft und dem Benehmen eines Kleinkindes. Keine gute Mischung, das muss ich schon sagen. Ich hatte dich für reifer gehalten. Für verantwortungsbewusster. Genau das bist du nämlich nicht."

"Bist du endlich fertig?"

"Noch lange nicht. Und ich würde dir dringend raten, dich ein wenig zu zügeln. Willst du mir unbedingt beweisen, dass ich recht habe? Wie wäre es, wenn du das Gegenteil tätest? Mir beweisen, dass ich falsch liege? Ich bin durchaus bereit, die eine oder andere Entgleisung von dir etwas gelassener zu sehen, wenn du mir Grund zu dieser Nachsicht gibst. Möglicherweise könntest du sogar einer härteren Strafe durch deinen Vater entgehen. Du musst lediglich dich selbst überwinden und mit ein bisschen entgegenkommen."

"Willst du mich erpressen?"

"Keineswegs. Ich möchte, dass du deine Fehler einsiehst und dafür geradestehst. Dass du nicht versuchst, dich herauszureden oder zum Gegenangriff zu blasen, sondern auch einmal zurücksteckst. Und ich möchte, vor allen Dingen eines: Dass du dich entschuldigst."

Lennys starrte ihn an. Die Wut tobte nun noch gewaltiger in ihr.

"Ich soll mich entschuldigen? Ich?"

"Ja, das solltest du. Es gab viele Momente in deinem Leben, in denen das angebracht gewesen wäre, aber du hast es nie getan. Jetzt aber... ist es nicht nur angebracht, sondern auch das einzig Richtige. Und das einzige, was ich akzeptiere."

"Niemals!"

"Bist du dir da so sicher? Ich werde dir jetzt etwas erzählen. Etwas, was du nicht wissen kannst. Ich werde dir erzählen, wie Menschen sich verhalten können. Ich bin sehr gespannt, wie du darüber denkst."

Er lächelte, setzte sich etwas bequemer hin und sah beinahe so aus, als würde er sich auf diesen Teil des Gespräches besonders freuen.

"Ein junger Mann wird von jemandem, den er sehr gern mag, zu einer kleinen Dummheit überredet. Er weiß, dass es falsch ist, was er tut, aber der Jemand überzeugt ihn schließlich, so dass er nicht wagt, dem etwas entgegenzusetzen. Er versucht aber, den Jemand davon abzuhalten, diese Dummheit noch schlimmer zu machen - leider vergeblich. Die Sache fliegt auf. Der junge Mann kommt ungeschoren davon, der andere jedoch, den er eigentlich gern hat, wird erwischt und bekommt Ärger. Also, was macht der Junge? Er nimmt seinen ganzen Mut zusammen, und geht zu denen, die den anderen eigentlich bestrafen wollen und müssen. Und er nimmt die ganze Schuld auf sich. Er sagt, es sei seine Idee gewesen. Er sagt, er habe nicht recht nachgedacht und nicht genügend aufgepasst. Er stellt sich dumm und sagt, er habe die Situation unterschätzt. Und er entschuldigt sich sogar dafür, dass er weggelaufen ist. Und er bittet darum, diesem Jemand, für den er gerade lügt, nicht zu böse zu sein, denn eigentlich sei es ja seine Schuld gewesen."

"Schön blöd."

"Mag sein. Aus der Sicht des Jungen ist es sicher unnötig gewesen. Er handelt sich ja auf diese Art sehr viel Ärger ein, den er nicht verdient hat, oder?"

"Ist doch selbst schuld. Warum erzählst du mir das?"

"Versetze dich doch einmal kurz in die Lage des anderen. Denkst du nicht, es wäre nur gerecht, wenn er die Sache richtigstellen würde? Denkst du nicht, er sollte so ehrlich sein und zugeben, dass nicht der Junge den Fehler gemacht hat, sondern er selbst?"

"Dann wäre er auch dumm."

"Findest du es dumm, ehrlich zu sein? Was wäre, wenn der, der eigentlich diesen Fehler zu verantworten hat, nur um Verzeihung bitten müsste, damit die ganze Sache glimpflich ausgeht?"

"Wenn das alles ist, soll er doch, dann haben beide Ruhe. Aber du langweilst mich mit diesen Geschichten!"

"Ja, so etwas habe ich befürchtet. Wir werden dieses kleine Beispiel einmal kurz beiseite lassen. Vergiss es aber nicht gleich. Ich habe jetzt ein paar Fragen an dich..."

"Wenn es sein muss..."

"Oh ja, das muss es. Also... woher hattest du den Sijak?"

"Aus dem Burgkeller."

"Hast du ihn selbst dort geholt?"

"Nein."

"Wer war es dann?"

"Das sage ich nicht."

Ein zufriedenes Leuchten trat kurz in Wandans Augen, verschwand aber sogleich wieder.

"Hast du demjenigen gesagt, dass er es tun soll?"

"Ja."

"Nun, zumindest lügst du mich nicht an. Gut. Wer war noch mit dir an diesem Platz hinter den Hecken?"

"Das spielt keine Rolle."

"Das tut es durchaus. Waren es mehrere? Oder nur der eine, den ich weglaufen sah?"

"Das ist egal."

"Wer war der eine?"

"Ich verpetze niemanden! Was denkst du eigentlich von mir?"

Wandan lachte kurz auf. "Das möchtest du wohl lieber nicht wissen. Aber schön, du verpetzt niemanden, wie du so schön sagst. Immerhin. War diese ganze Geschichte deine Idee?"

Sie sagte nichts.

"Ich habe gefragt, ob es deine Idee war. Hast du die anderen, die bei dir waren, dazu überredet, heimlich Sijak zu trinken?"

"Ich habe niemanden überredet!"

Wandans Blick verdüsterte sich.

"Hat es ein anderer getan?"

"Nein."

"Auch Rahor Req-Nuur nicht?"

Lennys Mund klappte auf, doch die Antwort blieb ihr im Hals stecken. Wandan wusste also von Rahor. Oder hatte er nur geraten? Dann würde ihr Zögern seinen Verdacht sicher bestätigen.

"Hat Rahor Req-Nuur dich zu diesem Blödsinn überredet?" wiederholte Wandan und klang jetzt eine Spur schärfer.

"Nein."

"Hat er versucht, dich davon abzuhalten?"

Sie saß in der Falle. Wenn sie ehrlich antwortete, musste sie zugeben, dass Rahor bei ihr gewesen war. Sie konnte nur lügen, oder denjenigen verraten, der sie den ganzen Abend versucht hatte, zu bremsen.

"Was ist? Kannst du dich nicht entscheiden? Soll ich die Frage wiederholen? Hast du sie nicht verstanden?"

Doch sie antwortete nicht.

Wandan wartete. Er sagte nichts weiter, sondern sah Lennys nur sehr ernst und aufmerksam an. Nach einer Weile schüttelte er resigniert den Kopf.

"Ich werde es dir leicht machen. Du musst nicht antworten, wenn die Antwort eine Lüge wäre. Wir können diese ganze Sache abkürzen. Ich bin bereit, nicht weiter nachzuhaken, wer bei dir war und wessen Anteil dieser Dummheit am größten war. Niemand außer denen, die sich jetzt in diesem Raum befinden, wird jemals erfahren, wer beteiligt war und was ihr euch erlaubt habt. Wenn... du dich entschuldigst."

Lennys biss sich auf die Lippen. Sie hatte das ungute Gefühl, dass das merkwürdige Beispiel, das Wandan geschildert hatte, einen direkten Vergleich mit ihrer Situation darstellte. Allerdings war sie sich sicher, dass niemand wissen konnte, dass Rahor bei ihr gewesen war. Und noch weniger wahrscheinlich war, dass Rahor seine Beteiligung von selbst eingestanden hatte. Nein, das war undenkbar. Wandan wollte sie provozieren. Er wollte sie mit allen Mitten zu einer Entschuldigung bewegen. Sie sollte sich selbst erniedrigen, sich weichkochen lassen. Sie - eine echte Ac-Sarr.

"Darauf kannst du lange warten!" erwiderte sie stolz.

Wandan schwieg lange. Er sah sie nicht an, sondern spielte gedankenverloren mit einem Tintenfass, das auf dem Tisch stand. Als Lennys schon fast soweit war, das Zimmer einfach zu verlassen, ergriff er wieder das Wort.

"Ich hatte es befürchtet. Wirklich befürchtet. Vielleicht bist du doch nicht so klug, wie ich dachte. Vielleicht bist du auch einfach nur zu stolz und zu trotzig, um deinen Irrtum einzusehen. Es ist schwer, um Verzeihung zu bitten. Besonders für Menschen wie dich - Menschen, die in ein Schicksal geboren wurden, das sie nicht ändern können. Ich werde nicht länger versuchen, an deine Vernunft zu appellieren. Rahor Req-Nuur war heute bei mir. Er hat genau das getan, was ich dir vorhin erzählt habe. Er hat alles auf sich genommen. Er hat behauptet, selbst die Anordnung gegeben zu haben, den Sijak zu stehlen. Natürlich sagte er nicht, an wen. Er kenne den Diener nicht, sagte er. Rahor würde nie einen anderen beschuldigen. Er sagte mir auch, dass er dich dazu gedrängt habe und dass er die Situation einfach falsch eingeschätzt habe. Eigentlich hat er eine ganze Menge zugegeben - allesamt Verhaltensweisen, die ihm seinen Platz in der Kaserne kosten würden. Wenn seine Worte der Wahrheit entsprächen, hätte ich keine andere Wahl, als seinen Vater zu informieren und ihm die Laufbahn der Krieger zu verwehren. Immerhin bist du die Tochter des Shaj. Ja... wenn. Und wenn nicht - dann hat er gelogen. Das ist nicht schön. Aber dann hätte er gelogen, nur damit du keinen Ärger bekommst. Er hätte für dich gelogen und dabei seine gesamte Zukunft aufs Spiel gesetzt. Ist dir eigentlich klar, wie groß dieses Opfer ist? Ich bin mir selbst noch nicht im Klaren darüber, was ich davon halten soll. Vielleicht war es wirklich dumm von ihm. Vielleicht auch nicht. Vielleicht beweist es nur, dass er auf dem richtigen Weg ist. Du hättest dieses Opfer würdigen können. Wenn du dich entschuldigt hättest. Aber du behandelst es wie ein wertloses Wortgeplänkel. Ich glaube nicht, dass Rahor, so wie er es sagt, die Schuld am gestrigen Abend trägt. Du hast ihn nicht beschuldigt und auch nicht verraten, genauso wie du die anderen nicht verraten hast. Den Diener und diejenigen, die ebenfalls bei dir waren. Wir müssen ihre Namen nicht nennen. Vergessen wir sie. Sie hatten vermutlich keine großartige Wahl, hätten sich dir kaum widersetzen können. Vielleicht weißt du das und hast sie deshalb verschwiegen. Dass du sie alle - auch Rahor - nicht verraten hast und ihnen keine Schuld zugeschoben hast, um dich selbst besser dastehen zu lassen, ist das einzig Gute, was ich im Moment über dich sagen kann."

Erst jetzt sah er sie wieder an und Lennys war überrascht, wie traurig er aussah. Der Schreck, von Rahors Geständnis zu erfahren, saß ihr noch in den Gliedern, aber Wandans ruhige, enttäuschte Rede, traf sie weit mehr. Es wäre ihr lieber gewesen, er hätte sie angeschrien.

"Alles weitere liegt nicht mehr bei mir, Lennys. Und ob du es glaubst oder nicht, es tut mir leid, dass es so kommen musste." Er stand auf, nickte ihr zu und blieb neben dem Schreibtisch stehen.

Hinter ihm trat Saton aus der dunklen Ecke des Bücherregals hervor.

Der Shaj schrie selten. Nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Seine Zurechtweisungen, sein Tadel und auch seine Urteile ergingen stets ruhig, ernst und ohne das geringste Anzeichen von Zorn.

Auch diesmal.

Lennys wünschte sich an jeden erdenklichen Ort Sacuas. Überall wäre sie lieber gewesen als hier, in Wandans Arbeitszimmer, in Gegenwart der einzigen beiden Menschen, für die sie so etwas ähnliches wie Respekt empfand. Derselben beiden Menschen, die sie gerade so enttäuscht hatte und deren Ansehen sie vielleicht endgültig verspielt hatte.

Saton sagte nicht viel. Er hatte die Gabe, besonders wichtige Dinge in wenigen Worten auszudrücken, die jedoch unmissverständlich waren. Lennys hätte gern weggehört, aber sie konnte nicht. Die wütenden, frechen oder einfach nur gleichgültigen Antworten, die sie sich zurechtgelegt hatte, wollten ihr nicht über die Lippen kommen. Sie spürte, wie sie rot wurde, als Saton ihr noch einmal ihre Verfehlung vorhielt und beschrieb, welches Bild sie für jeden abgegeben haben musste, der sie vielleicht am vergangenen Abend, ganz sicher jedoch an diesem Morgen zu Gesicht bekommen hatte. Und als er ihr erklärte, dass sie in mancher Hinsicht immer noch dasselbe unbelehrbare, ungezogene kleine Mädchen war, das einst seine Kinderfrauen zur Verzweiflung gebracht hatte, wäre sie am liebsten einfach nach draußen gerannt.

Gerade als sie dachte, es könne nicht noch schlimmer kommen, hob Saton seine Stimme ein wenig. Sie wusste, was nun folgte. Das Urteil.

"Es hat keinen Sinn, dich einzusperren oder dir deine Habseligkeiten wegzunehmen. Du würdest durchs Fenster klettern oder dir das, was du zurückhaben möchtest, irgendwie anders beschaffen. Wandan hat mich gebeten, nicht allzu hart mit dir ins Gericht zu gehen, er denkt, wenn du nur ein schlechtes Gewissen hättest, sei dies Strafe genug. Ich weiß nicht, ob du das hast. Aber selbst wenn, so halte ich das nicht für ausreichend. Deshalb wirst du dieses Mal eine Strafe erhalten, die dich wirklich trifft."

Er streckte die Hand aus.

"Gib mir deinen Säbel."

Wie von selbst umklammerte ihre rechte Hand den Griff der Waffe, die sie immer bei sich trug, jedoch nicht, um sie herauszuziehen und ihrem Vater zu überreichen, sondern um sie festzuhalten.

"Ich sage es nicht noch einmal."

Mit einem Gefühl, als müsse sie ein Teil ihrer selbst fortgeben, ließ sie die Klinge aus der Scheide gleiten. Als sie den Shajkan an Saton übergab, konnte sie nicht verhindern, dass ihre Hand leicht zitterte.

"Kein Säbeltraining mehr. Für einen ganzen Monat."

Sie zuckte zusammen.

"Keine Übungskämpfe mit den Kriegern der Burg oder anderen Gebietern der Nacht, außer Wandan oder mir. Für drei Monate."

Zum ersten Mal seit Saton sprach, öffnete sie den Mund um zu protestieren, doch ihr Vater war noch nicht fertig.

"Kein Recht, den Shajkan zu anderen Gelegenheiten als zu den Kampfstunden zu tragen. Für den Rest dieses Jahres."

"Nicht das!" brachte sie jetzt endlich hervor.

"Das hast du dir selbst zuzuschreiben, Lenyca. Jeder kann einen Fehler machen. Deine Ungezogenheit von gestern war schwerwiegend, aber ich hätte vielleicht wie so oft darüber hinweggesehen. Dein Verhalten heute aber hat mir gezeigt, dass meine Nachsicht bei dir nicht mehr angebracht ist. Du erhältst die Strafe nicht, weil du heimlich zu viel Sijak getrunken hast. Die Strafe ist dafür, dass du nicht die geringste Einsicht gezeigt hast und nicht bereit warst, Vernunft walten zu lassen. Und eines sei dir noch gesagt: Dass dir nicht auch die Säbelstunden und Übungskämpfe bis zum Jahresende verwehrt bleiben, hast du Rahor Req-Nuur zu verdanken. Er hat gelogen, aber er war mutig. Und dieser Mut soll nicht umsonst gewesen sein. Du schuldest ihm etwas, Lenyca. Vergiss das nicht."

Den Rest des Tages verbrachte Lennys allein in ihrem Zimmer. Da sie kein Säbeltraining mehr hatte, konnte sie am Nachmittag und Abend tun, was sie wollte. Aber sie wollte nichts. Und vor allen Dingen wollte sie niemanden sehen, hören oder sprechen. Noch auf dem Weg zurück in ihren Wohnflügel hatte sie all ihre Beherrschung aufbringen müssen, um nicht laut herumzufluchen, gegen eine Bank zu treten und die Türen knallen zu lassen. Ihre eigenen Möbel warteten geradezu darauf, aus Wut zertrümmert zu werden.

Doch kaum war sie in ihrem Schlafraum angekommen, war die blinde Zerstörungslust verflogen. Sie war unsagbar müde, jedoch nicht nur wegen des Schlafmangels und der körperlichen Auswirkungen des vergangenen Abends, sondern vor allem, weil ihr das Gespräch mit Saton und Wandan weit mehr zugesetzt hatte, als sie es sich selbst - und erst recht nicht jemand anders - jemals eingestanden hätte.

Ohne auch nur die Stiefel auszuziehen oder den Gürtel mit der leeren Shajkanscheide abzulegen, schleppte sie sich zum Bett und ließ sich darauf fallen. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Das schlechte Gewissen, von dem Saton gesprochen hatte, hatte sich nicht eingestellt, sie fühlte sich weder schuldig noch bereute sie irgendetwas. Außer der Tatsache, dass sie mehr oder weniger auf die Verschwiegenheit anderer angewiesen war. Soweit würde es nicht mehr kommen.

'Ich brauche niemanden, der mich in Schutz nimmt.' dachte sie grimmig. Und das würde sie auch Rahor sagen. Irgendwann. Im Augenblick hatte sie nicht die geringste Lust, ihn zu treffen. Aber Wandans und Satons Worte hatten sie getroffen. Ein verzogenes Kind hatten sie sie genannt. Unvernünftig. Dumm. Das hatte sie nicht verdient. Es war falsch von den beiden gewesen und wenn sich überhaupt irgendjemand entschuldigen musste, dann die anderen. Keinesfalls sie.

Die Augen fielen ihr allmählich zu. Schlafen. Einfach nur schlafen.

Etwas ließ sie frösteln.

Ein eisiger Windhauch. Viel zu kalt, als dass er von draußen hätte kommen können, wo die Nachmittagssonne herunterbrannte.

"Hat er dich gedemütigt?"

Warum? Warum jetzt? Sie kannte die Kälte. Sie kannte den schwarzen Nebel, der sie verströmte und auch wenn sie sich weigerte, die Augen zu öffnen, um ihn zu sehen, so wusste sie doch, dass er da war. Und sie kannte die Stimme. Eine Stimme, die kein anderer hören konnte, denn sie war in ihrem Kopf und nirgends sonst.

"Verschwinde!" knurrte sie gepresst ins Kissen, das sie umklammert hielt. Sie wollte nicht. Sie wollte den Herrn des schwarzen Nebels nicht um sich haben, sie wollte nicht hören, was er sagte.

Als sie noch klein gewesen war, war er in der rauchigen Gestalt der Schlange erschienen. Er hatte ihr Angst eingejagt. Ihr, die sie noch nie zuvor das Gefühl von Angst kennengelernt hatte. Sie erinnerte sich, wie entsetzt Wandan und Saton gewesen waren, dass die Schlange sich ihr in so jungen Jahren gezeigt hatte. Doch das Entsetzen war gewichen, sie hatten nichts anderes tun können als es zu akzeptieren.

Und auch Lennys hatte es akzeptiert.

Er war wiedergekommen. Nicht oft. Manchmal blieb er über viele Monate fort. Und dann wieder nicht. Sie hatte niemandem mehr davon erzählt. Einmal hatte ihr Vater sie gefragt, ob sie Ihm noch einmal begegnet war. Und sie hatte genickt. Und gesagt, dass es ihre Sache sei.

Und das war es. Der Shaj hatte es eingesehen. Weil es ihm selbst einst nicht anders gegangen war. Er hatte ihr erklärt, was es mit diesem Nebel auf sich hatte. Hatte ihr gesagt, dass sie anders war als alle anderen Menschen. Hatte ihr von ihrem Blut erzählt, vom Blut der Nacht, das er an sie vererbt hatte. Und dass sie es niemals jemandem sagen durfte. Niemand anderem als den Dreien, die das Geheimnis hüteten. Wandan, Mondor und Beleb. Niemandem sonst.

"Hat er dich gedemütigt?" Die Stimme hallte nach.

"Ich will das nicht!"

"Ich komme, wann immer ich will. Ich zeige dir, dass ich in dir bin, du Verfluchteste von allen! Dein Leben wird allein meinem Willen unterliegen."

"Weg! Weg mit dir!"

"Du wirst lernen, Ehrfurcht vor deinem Gott zu haben. Ehrfurcht... Ich werde dich demütigen, wie es deinem fleischlichen Vater nicht gelungen ist..."

Eine unsichtbare Kraft riss sie mit unwiderstehlicher Wucht aus dem Bett und sie knallte hart mit den Knien und Ellbogen auf den Boden. Jetzt kam die Angst wieder. Wie bei dem kleinen Mädchen. Er hatte ihr damals wehgetan. Und dann nie wieder. Bis jetzt.

Um sie herum war alles dunkel, obwohl helllichter Tag sein musste. Vielleicht war es das auch. Irgendwo. Draußen. Aber nicht hier.

"Knie vor mir!"

Die Dunkelheit drückte sie zu Boden. Sie vermochte nicht aufzustehen, sondern kauerte auf allen Vieren auf dem harten Stein.

"Verschwinde!" schrie sie noch einmal.

"Ehrfurcht, Tochter des Verrats! Habe Ehrfurcht! Verneige dich vor mir!"

Ein heftiger Schlag traf sie und ihre Ellbogen knickten ein.

"Bitte um Gnade!"

"Niemals!"

Erneut traf sie die übermenschliche Kraft und diesmal hinterließ sie glühende Spuren.

"Flehe um Gnade!"

"Nein!"

"Ich bin dein Gott! Niemand steht über mir! Du verhöhnst mich! Bitte mich um Verzeihung für dein Verbrechen!"

"Das werde ich nicht!"

"Du wirst ."

"Vielleicht warst du zu hart zu ihr."

Saton schüttelte den Kopf.

"Nein, Wandan. Ich war eher jahrelang zu weich. Wie kommt es, dass du mir nun abrätst? Sagtest du nicht selbst, dass sie zu weit gegangen ist?"

"Das ist sie. Aber wie sehr? Wie alt waren wir als wir das erste Mal..."

"Es geht nicht um das Trinken, Wandan! Es geht um ihren Starrsinn! Und darum, dass sie nach wie vor viel zu eingebildet ist. Glaub mir, es schmerzt mich, so von meiner eigenen Tochter zu reden. Und niemand weiß besser als ich, dass ich einen großen Teil der Verantwortung für ihr Verhalten trage. Aber ich kann es nicht mehr länger zulassen! Ich kann sie nicht länger gewähren lassen! Eines Tages wird sie vermutlich meinen Platz einnehmen! Sie soll ein Volk führen, sie soll eine Herrscherin werden! Niemand kann das verhindern, das wissen wir beide."

"Bis dahin kann noch sehr viel Zeit vergehen."

"Und wenn nicht?"

Der Shaj wirkte verbittert.

Er hatte sich mit Wandan in sein Arbeitszimmer zurückgezogen. Nach einem anstrengenden Nachmittag, bei dem er sich wieder mit der Silbereinlagerung hatte befassen müssen, wollte er eigentlich nicht erneut über seine Tochter sprechen. Er fühlte sich zu müde, sich heute noch einmal schier unlösbaren Problemen zu stellen. Aber als Wandan zu ihm gekommen war, um mit ihm einen abschließenden Kelch Sijak zu trinken, hatte sich das Gespräch recht schnell wieder Lenyca zugewandt. Und er hatte eingesehen, dass er das Thema nicht ignorieren konnte. Nicht einen Tag lang.

"Weißt du, ich habe sicher nicht alles richtig gemacht. Aber ich frage mich immer häufiger, ob ich all das hätte verhindern können. Wie viel Anteil hatte meine Erziehung und wie viel steckte bereits in ihr selbst? Oder mache ich mich dem Großen gegenüber schuldig, wenn ich ihn verantwortlich mache?"

"Er ist ein Teil von ihr. So wie er auch Teil von dir ist. Und trotzdem ist sie anders. Und sie ist auch nicht wie ihre Mutter. Es ist vielleicht nicht der rechte Zeitpunkt, es zu sagen, denn noch nie klang es unglaubwürdiger als heute... aber ich glaube, dass sie gerade deshalb etwas wirklich Besonderes ist."

Saton sah überrascht auf.

"Du nimmst sie in Schutz. Das freut mich. Dass du sie magst. Aber warum tust du es? Gerade jetzt?"

"Ist das so schwer zu verstehen? Gerade jetzt... hat sie uns enttäuscht. Und gerade jetzt beweist sie wieder einmal ihren Willen. Sie hat sich nicht entschuldigt. Sie hat dich heute auch nicht noch einmal um ein Gespräch gebeten. Und - soviel muss dir klar sein - sie wird es auch nicht tun."

"Dann begreife ich deine Worte umso weniger."

"Denkst du, sie fühlt sich wohl dabei? Sicher nicht. Sie verwendet gerade all ihren Willen darauf, sich selbst einzureden, dass sie im Recht ist. Aber sie ist sicher nicht zufrieden. Sag mir Saton, wie viele schöne Dinge kann sie für sich verbuchen? Wie viele positive Erlebnisse?"

"Viel zu viele. Alle Welt macht ihr Komplimente und tut was sie will. Sie hat alle Freiheiten..."

"Nein, das hat sie nicht." fiel Wandan ihm ernst ins Wort. "Sie hat keine Freiheiten. Oder zumindest sehr viel weniger als jeder andere. Und die Komplimente und die Tatsache, dass alle ihr Folge leisten... das ist nichts Angenehmes für sie. Es ist selbstverständlich. Aber ich werde dir sagen, was sie stattdessen hat. Sie hat einen Vater, der stets über ihr steht. Einen wundervollen, verständnisvollen und gutherzigen Vater. Doch sie teilt ihn mit einem ganzen Volk. Und sie hat einen Hofstaat. Untergebene. Aber keine Freunde. Sie hat ein großartiges Zuhause. Eine herrschaftliche Burg. Aber Vas-Zarac ist für sie nur ein Gefängnis. Es ist nicht aufregend oder vielseitig, sondern langweilig. Sie kann nicht wie andere Gleichaltrige in den Wäldern toben oder das Hügelland erkunden. Viel zu gefährlich - für die Tochter des Shajs. Sie erhält von früh bis spät Unterricht und in ihrer Freizeit trainiert sie freiwillig mit dem Säbel. Zumindest bis heute. Aber hast du jemals gesehen, dass sie irgendetwas nur zum Spaß gemacht hat? Hast du sie jemals spielen sehen? Der gestrige Abend war vermutlich eine Art Versuch. Sie hat sich mit Gleichaltrigen getroffen und wollte so etwas wie eine Feier veranstalten, weil sie weiß, dass die Krieger, mit denen sie sich auf eine Stufe stellt, so etwas mögen. Ich will sie nicht in Schutz nehmen, nein. Ich will sie nur verstehen. Sie ist anders als andere Mädchen in ihrem Alter. Sie führt ein anderes Leben und sie ist ein völlig anderer Mensch. Wir können sie nicht behandeln, als wäre sie... normal."

"Ich habe mich als Kind nicht unglücklich gefühlt..." erwiderte Saton nachdenklich.

"Du bist in Yto Te Vel aufgewachsen, das ist etwas anderes. Und du hattest auch nicht ihren Charakter."

"Und trotzdem... Wandan, du selbst hast mich immer wieder angehalten, energischer mit ihr umzugehen. Sie muss manches endlich lernen, daran ändert auch ihre zugegebenermaßen schwierige Situation nichts."

"Da gebe ich dir völlig recht. Aber erwarte keine Wunder."

"Das tue ich ganz sicher nicht. Ich lasse mich allerdings auch nicht so einfach erweichen. Dieses Mal bin ich ebenso unnachgiebig wie sie. Ich bleibe bei dem Säbelverbot."

Wandan lächelte schwach.

"Ich empfinde dies auch als eine gerechte Strafe für mein Versagen in den letzten Jahren. Es tut mir in der Seele weh, sie im Augenblick nicht weiter ausbilden zu dürfen."

"Ich habe keinen Grund, dich für irgendetwas zu bestrafen, Wandan. Wahrscheinlich machst du bei ihr weitaus weniger Fehler als ich. Vielleicht das Los eines Vaters. Aber du kannst natürlich auch anderweitig Zeit mit ihr verbringen."

"Das ist es nicht. Sie ist großartig, das muss ich zugeben. Eigentlich ist sie schon sehr viel weiter als alle, die in diesem Jahr in die Kasernen eingeteilt werden. Wenn es nach mir ginge, würde sie jetzt schon..."

"Nein. Bis gestern hätte ich noch mit mir darüber lassen. Aber jetzt wird sie sich gedulden müssen. Mindestens bis zum Frühling. Dann ist sie fünfzehn und... nun, wenn es denn ihr Weg ist und du es unterstützt, dann soll es eben so sein. Doch ich verbiete dir, ihr etwas davon zu sagen. Wenn Lenyca erfährt, dass sie anderthalb Jahre früher als alle anderen die Säulenweihe erhält, wird sie sich womöglich noch mehr einbilden. Das will ich auf jeden Fall vermeiden."

Sie lag immer noch am Boden. Es war später Abend und in diesem Teil Vas-Zaracs herrschte wie zumeist absolute Stille.

Der Nebel war fort. Und mit ihm die Stimme.

Sie hatte Recht gehabt. Die Stimme.

Du wirst lernen, Ehrfurcht zu haben.

Sie hatte es gelernt.

Du wirst um Verzeihung bitten.

Das hatte sie.

Zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie versuchte nicht mehr an die Überwindung zu denken, die es sie gekostet hatte. Und nicht an den Schmerz, der sie schließlich so weit gebracht hatte. Und sie versuchte zu vergessen, dass sie ihren Herrn gefunden hatte. Einen, den man nicht beknien konnte, einen, der nicht nachgab und der sich nicht von ihr beeindrucken ließ, in welcher Weise auch immer.

Saton und Wandan nahmen sich vor, Lenyca in den nächsten Tagen besonders genau zu beobachten, allerdings traf ein jeder diese Entscheidung für sich, ohne sich mit dem anderen darüber zu beraten. Der Shaj wollte prüfen, ob es wirklich so wenig Grund zur Freude im Leben seiner Tochter gab, wie Wandan behauptete, Wandan hingegen wollte herausfinden, ob sich ihr Verhalten in irgendeiner Form verändert hatte.

Doch bereits am Morgen nach der unschönen Begegnung in Wandans Arbeitszimmer erlebten beide eine Überraschung. Die Tochter des Shajs erschien nicht zum Unterricht und ließ sich auch sonst nirgends in der Festung blicken. Die Reitstunde war freiwillig, sie musste nicht daran teilnehmen und somit erschien ihr Fehlen zwar als seltene, aber durchaus denkbare Ausnahme. Wandan machte sich jedoch ein wenig Sorgen, denn Lennys hatte nicht nur tags zuvor auf jegliche Mahlzeit verzichtet, sondern auch heute das Frühstück verweigert. War die Sijakwirkung so nachhaltig gewesen oder gab es andere Gründe?

Saton allerdings witterte unnachahmlichen Trotz. Machte Lennys sich nicht selbst das Leben schwer? Hatte nicht ihr eigenes Verhalten einen sehr großen Anteil daran, dass die Tage längst nicht so fröhlich verliefen, wie sie es hätten sein können?

Lennys hatte ihr Zimmer nicht verlassen. Jeder Muskel tat ihr weh und sie hatte in der vergangenen Nacht trotz der bleiernen Müdigkeit kein Auge zugemacht. Zu intensiv hallte der Donner Ash-Zaharrs noch in ihr nach und diesmal schaffte sie es nicht, die unliebsame Erinnerung zu verdrängen.

Sie kam sich schmutzig und wertlos vor. Sie, eine Ac-Sarr, hatte um Verzeihung bitten müssen. Sie hatte knien und betteln müssen.

Wie ein Sklave.

Sie hatte gehorchen müssen.

Wie ein Tier.

Niemand sollte jemals davon erfahren. Und niemand sollte sie so sehen. Obwohl sie die Reitstunden mochte und sich nach frischer Luft sehnte, war ihr der Gedanke, das Zimmer zu verlassen, zuwider. Natürlich hätte ihr niemand ansehen können, was geschehen war, aber es gab jemanden, der die Wahrheit schneller erkennen konnte als ihr lieb war. Der einzige Mensch, der möglicherweise einmal ähnliche Erfahrungen gemacht hatte.

Das Geräusch von vorsichtigen Schritten draußen auf dem Gang ließ sie hochschnellen. Suchte man bereits nach ihr? Wollte man ihr etwa das Fehlen bei der freiwilligen Reitstunde anlasten? Ihr hinterher spionieren? Sie erneut belehren?

Jemand klopfte zaghaft und gleich darauf wurde die Tür einen Spalt geöffnet.

„Ich habe nicht 'Herein' gesagt!“ blaffte Lennys den Besucher an.

„Verzeihung...“ Reichlich zögernd trat Afnan ein. „Ich dachte nur, ihr möchtet vielleicht etwas essen....“

Ohne aufzusehen, stellte er ein voll beladenes Tablett ab und nahm einen leeren Wasserkrug vom Tisch. Als Lennys ihn nicht weiter beachtete, räusperte er sich und sagte leise:

„Es tut mir sehr leid, dass ich nicht in der Lage war, euch vor dem Erscheinen des hohen Herrn Wandan zu warnen, aber ich...“

„Lass mich allein.“ erwiderte Lennys, ohne auf die Entschuldigung einzugehen. „Und sorge dafür, dass ich nicht gestört werde!“

„Ich... ich habe noch eine Nachricht... oder eher zwei...“

„Und die wären?“

„Zum einen lässt euch der Herr Rahor seine Grüße bestellen. Er reist heute wieder ab und er bedauert, dass er sich nicht verabschieden kann. Außerdem lässt der Herr Wandan anfragen, ob ihr euch heute abend mit ihm treffen möchtet.“

„Nein, möchte ich nicht.“

Etwas verwirrt nickte Afnan und verließ den Raum wieder. Als die Tür ins Schloss fiel, hatte Lennys das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Sie wollte nach draußen, weit weg von diesem Zimmer, weit weg von der Burg und vor allem weit weg von allen Dienern, Kriegern und Würdenträgern.

Das Blut des Sichellands

Подняться наверх