Читать книгу Auf die Bühne, fertig los ... - Detlef Gerhard Weiland - Страница 6

Wie entsteht eigentlich ein Witz?

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»Angefangen hat es mit einer Bananenschale, achtlos weggeworfen von einem prähistorischen Affen. Sie landete zwischen den riesigen Füßen eines unserer Ahnherren. Der Vorfahr, behaart und mit buschigen Brauen, trat auf die Bananenschale und rutschte aus. Augenzeuge seines spektakulären Sturzes war einer seiner Zeitgenossen, der seine Keule fallen ließ, sich die Seite hielt und ein seltsames Geräusch von sich gab. Es war das erste menschliche Lachen.

Später erzählte der zweite Höhlenmensch die Geschichte einem behaarten Freund, fügte aber ein paar Tupfer hinzu, damit sie farbiger wurde. Als er die hörte, ließ auch der behaarte Freund seine Keule fallen, schlug sich auf die Knie und gab dieses seltsame neue Geräusch von sich. Ohne es zu wissen, hatte er an einem Ereignis von großer Tragweite teilgenommen. Er hatte den ersten Witz der Welt gehört.«

(Chris Howland)

Das ist Situationskomik, die Komik, die durch erheiternde und zum Lachen reizende Situationen entsteht. Man lacht gerne über die kleinen Missgeschicke seiner Mitmenschen. Als ich einmal in einer Veranstaltung auf der Bühne stand und meinen Vortrag brachte, ließ ein Kellner im Saal das Tablett fallen. Es klirrte durch die ganze Halle und ich habe schlagfertig reagiert. Passend zu dieser Situation sprach ich ins Mikrofon: »Der ist auch bloß Kellner geworden, weil sein Augenarzt gesagt hat, er solle Gläser tragen.« Es folgte schallendes Gelächter. Schlagfertigkeit und Situationskomik sind eng miteinander verwoben. Schon der Schauspieler und Komiker Eddi Arent, der zusammen mit Harald Juhnke in vielen Sketchen brillierte, und in allen Winnetou Filmen zu sehen war, lief in einem Fernsehsketch über eine Straße und schaute einer knackigen Blondine nach. Während er dabei weiterging, stand ihm eine Litfaßsäule im Weg und prompt knallte er mit dem Kopf vor die besagte Säule. So einfach kann man Lacher erzeugen. Denken wir an Fips Asmussen der einmal reimte:

»Der Vater furzt, die Kinder lachen,

so kann man billig Freude machen.«

Schon Friedrich Nietzsche wusste zu berichten: »Lachen heißt: schadenfroh sein – aber mit gutem Gewissen.«

Till Eulenspiegel, die niederdeutsche Schelmengestalt, sprach: Ich halte euch den Spiegel vor, ihr lacht darüber, aber ihr erkennt euch nicht.

»Es gibt natürlich Gag-Experten, die sich Witze für Alleinunterhalter wie Harald Schmidt oder Stefan Raab einfallen lassen«, erklärt Diplom-Psychologe Michael Titze. »Aber Gag-Schreiber modifizieren meistens nur bereits vorhandene Witze. Aus Kohl-Witzen werden Schröder-Witze und daraus wiederum Schwarzenegger-Witze«, so Titze. Das wirkliche Phänomen seien spontan entstandene Pointen. »Am Stammtisch erzählt jemand eine lustige Geschichte. Dem Nächsten fällt hierzu eine überraschende Wendung ein. Solche Witze gehen vom Biertisch um die ganze Welt«, berichtet der Humorexperte.

»Witze verbreiten sich heute rasend schnell über das Internet. Ich lese oft Witze im Netz und einen Tag später höre und sehe ich sie im Fernsehen bei 7 Tage, 7 Köpfe«, erzählt Thomas Holtbernd. Er ist Humortrainer und gibt Humor-Seminare in großen Unternehmen wie zum Beispiel Daimler-Chrysler. »Die Witze sind heute weniger intellektuell und ernst als früher. Gerade in schlechteren Zeiten wollen die Leute einfach entspannen und lachen«, weiß Holtbernd. Man brauche doch nur an den bekannten Spruch von Otto Julius Bierbaum zu denken: »Humor ist, wenn man trotzdem lacht.«

Wie uns das Synonymwörterbuch lehrt, bedeutet Witz: Vernunft, Hauptsache. In Wikipedia steht zu lesen: »Als Witz bezeichnet man einen kurzen Text (Erzählung, Wortwechsel, Frage mit Antwort oder Ähnliches), der einen Sachverhalt so mitteilt, dass nach der ersten Darstellung unerwartet eine ganz andere Auffassung zutage tritt. Der plötzliche Positionswechsel (die Pointe) vermittelt die Einsicht, dass das Urteil über den Sachverhalt nicht zwingend einer einzigen Auffassung unterworfen ist. Die Öffnung zu anderen Auffassungen wird als befreiend empfunden. Die zunächst aufgebaute Beklemmung wegen eines vermeintlichen Problems löst sich in befreiendes Lachen auf. Das Gelächter der Zuhörer zeigt an, dass sie den Positionswechsel erkannt und mitvollzogen haben.«

Wer hat nur all diese Witze erfunden? Da befragen wir doch mal Chris Howland in »Ganz Deutschland lacht«.

»Auf der Erde leben heute annähernd 5,4 Milliarden Menschen. Einmal angenommen, jeder zehntausendste erfindet einmal in seinem Leben einen neuen Witz. Das würde heißen, es gibt etwa alle 70 Jahre 540.000 neue Witze, und das wiederum bedeutet jeden Tag 21 neue Witze. Gar nicht so viel, oder?«

Wollen wir nun mal als Beispiel einen Schadchenwitz von Sigmund Freud und einen ähnlich gearteten von Hellmuth Karasek analysieren, nachdem ich Ihnen beide Autoren vorgestellt habe.

Sigmund Freud wurde am 06. Mai 1856 in Freiberg, Mähren, als Sigismund Schlomo Freud geboren und gestorben ist er am 23. September 1939 in London. Er war ein österreichischer Neurologe, Tiefenpsychologe, Kulturtheoretiker und Religionskritiker. Weltweit bekannt wurde er als Begründer der Psychoanalyse. Freud gilt als einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts. Seine Theorien und Methoden werden bis heute angewendet und diskutiert.

Hellmuth Karasek erblickte am 04. Januar 1934 in Brünn, Tschechien, das Licht der Welt und verstarb am 29. September 2015 in Hamburg. Er war ein deutscher Journalist, Buchautor, Film- und Literaturkritiker und Professor für Theaterwissenschaft. Er schrieb drei Theaterstücke unter dem Pseudonym Daniel Doppler.

Zuerst der Scherz von Sigmund Freud, den ich seinem Buch: »Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten« entnommen habe.

Der Grundgedanke aller Schadchenwitze, Schadchen bedeutet in der Gaunersprache: Heiratsvermittler, Kuppler, ist immer derselbe:

Der Makler versucht, einem Junggesellen eine Frau einzureden, indem er sie als hübsch, jung und reich darstellt, obwohl sie in Wirklichkeit hässlich, ältlich und arm ist. Der Bräutigam ist bei der Vorstellung der Braut sehr unangenehm überrascht und zieht den Vermittler beiseite, um ihm flüsternd seine Ausstellungen mitzuteilen: »Wozu haben Sie mich hierhergebracht?«, fragt er ihn vorwurfsvoll. »Sie ist hässlich und alt, schielt und hat schlechte Zähne und triefende Augen …«

»Sie können laut sprechen«, wirft der Vermittler ein, »taub ist sie auch.«

Den folgenden Spaß von Karasek habe ich in seinem Werk: »Soll das ein Witz sein?« gelesen und für bühnentauglich erklärt.

Der Heiratsvermittler sagt seinem Sohn: »Es wird Zeit, dass du etwas lernst. Begleite mich auf meinen Geschäftsbesuchen, damit du weißt, wie man es macht. Du musst wissen, ein Heiratsvermittler darf, ja muss übertreiben. Wenn ich eine Partie anpreise, dann wirst du mich unterstützen und sie noch mehr als ich loben.«

Der Sohn sagt, das habe er begriffen. Als Erstes besuchen sie einen jungen Mann und der Vater beginnt: »Das Mädchen ist aus gutem Hause.« Darauf der Sohn: »Aus gutem Hause? Von Adel ist sie, von höchstem Adel.«

Der Alte fährt fort: »Und sehr gebildet ist sie.«

»Gebildet ist gar kein Ausdruck«, sagt der Sohn, »an drei Universitäten hat sie studiert.«

»Hat sie Geld?«, fragt der Freier.

»Sie kommt aus einer sehr reichen Familie«, sagt der Vermittler.

»Reich?«, ergänzt der Sohn, »ihr Vater ist Millionär!«

»Oh Gott«, meint der Freier, »bei so vielen Vorteilen wird sie mich am Ende gar nicht nehmen wollen.«

»Nun«, sagt der Alte, »es gibt da auch einen kleinen Schönheitsfehler. Sie ist nicht ganz gerade gewachsen. Sie hat gewissermaßen einen Buckel.«

»Einen Buckel«, echot der Sohn, »einen Buckel! Einen Berg von einem Buckel hat sie!«

In dem Scherz von Freud und in dem Gag von Karasek ist jeweils eine Steigerung zu verzeichnen. Es wird am Ende ganz unerwartet ein Leiden draufgesetzt. Der Zuhörer kann rasch den Positionswechsel erkennen und mitverfolgen. Er kann nicht anders reagieren, er muss darüber lachen. Es sind Übertreibungswitze. Der Freier ist in beiden Scherzen der Gelackmeierte. Wie aber entsteht ein solcher Witz? Die Begriffsbestimmung oder Beschreibung des Witzes beschränkt sich zunächst auf den Begriff »Vorstellungskontrast (stark ins Auge springender Gegensatz), der Sinn im Unsinn, die Verblüffung und Erleuchtung.«

Ich stelle das stärkste und zugleich reinste Beispiel der ganzen Gruppe voran. Es ist ein Witz.

Itzig ist zur Artillerie assentiert worden. Er ist offenbar ein intelligenter Bursche, aber ungefügig und ohne Interesse für den Dienst. Einer seiner Vorgesetzten, der ihm wohlgesinnt ist, nimmt ihn beiseite und sagt ihm: »Itzig, du taugst nicht zu uns. Ich will dir einen Rat geben: Kauf dir eine Kanone und mach dich selbständig.« Das ist bloßer Unsinn.

»Der Witz wird gemacht, die Komik wird gefunden. Die Mittel, die zum Komischmachen dienen, sind: Die Versetzung in komische Situationen, die Nachahmung, Verkleidung, Entlarvung, Karikatur, Parodie und Travestie. Wir wählen die Komik der Bewegungen, weil wir uns erinnern, dass die primitivste Bühnendarstellung, die der Pantomime, sich dieses Mittels bedient, um uns Lachen zu machen. Die Antwort, warum wir über die Bewegungen des Clowns lachen, würde lauten, weil sie uns übermäßig und unzweckmäßig erscheinen. Wenn ein Kind oder ein Mann aus dem Volke oder ein Angehöriger gewisser Rassen etwas mitteilt oder schildert, so kann man leicht sehen, dass er sich nicht damit begnügt, seine Vorstellung durch die Wahl klarer Worte dem Hörer deutlich zu machen, sondern dass er auch den Inhalt derselben in seinen Ausdrucksbewegungen darstellt, denn er verbindet die mimische mit der wörtlichen Darstellung. Er bezeichnet zumal die Quantitäten und Intensitäten. »Ein hoher Berg«, dabei hebt er die Hände über seinen Kopf; »Ein kleiner Zwerg«, dabei hält er sie nahe an den Boden. Er mag es sich abgewöhnt haben, mit den Händen zu malen, so wird er es darum doch mit der Stimme tun, und wenn er sich auch darin beherrscht, so mag man wetten, dass er bei der Schilderung von etwas Großem die Augen aufreißt und bei der Darstellung von etwas Kleinem die Augen zusammendrückt. Es sind nicht seine Affekte, die er so äußert, sondern wirklich der Inhalt des von ihm Vorgestellten«, so Freud.

Mimik, Gestik und vor allem Rhetorik sind für einen guten Witz Grundvoraussetzung. Wir erinnern uns zum Beispiel an Thomas Freitag, der das Augenzwinkern eines Helmut Kohls übertrieben darstellte und dazu die passende Stimme präsentierte (die perfekte Nachahmung) oder auch an Hape Kerkeling, der kleine Kinder imitierte, oder an einen Meister des feinen Humors, Loriot, der die Nudel an der Wange kleben hatte. Auch Müller-Lüdenscheid mit Quietsche-Entchen in der Badewanne sollten wir nicht vergessen. Es sind die Kleinigkeiten, die einen guten Gag ausmachen, die uns zum Lachen bringen. Didi Hallervorden ist ein Meister der Mimik, allein seine Gesichtszüge reizen die Lachmuskeln. Wer erinnert sich nicht an Nonstop Nonsens? Immer in heikle Situationen verwickelt und doch unverletzt geblieben. Dabei rufen wir uns Friedrich Nietzsche ins Gedächtnis, der da behauptet, dass das Lachen reine Schadenfreude sei.

»Es gibt allerdings noch andere Mittel zum Komischmachen, die eine besondere Würdigung verdienen und zum Teil neue Ursprünge der komischen Lust aufzeigen. Hierbei gehört zum Beispiel die Nachahmung, die dem Hörer eine ganz außerordentliche Lust gewährt und ihren Gegenstand komisch macht, auch wenn sie sich von der karikierenden Übertreibung noch fernhält. Es ist viel leichter, die komische Wirkung der Karikatur als die der bloßen Nachahmung zu ergründen. Karikatur, Parodie und Travestie sowie deren praktisches Gegenstück, die Entlarvung richten sich gegen Personen und Objekte, die Autorität und Respekt beanspruchen«, so Freud weiter.

Wie wir schon eingangs gelernt haben, bauen Gag-Schreiber bereits bekannte, oder anders ausgedrückt, auferstandene Witze um. Für Helmut Kohl nehmen wir jetzt einfach einen Gabriel oder Steinmeier, die ja beide auch sehr füllig sind, halt die Personen, die in die aktuelle Zeit passen. Der Zuhörer braucht Personen, mit denen er sich identifizieren kann. Der Aha-Effekt ist größer. Witze kann man mit einer Boje vergleichen. Man drückt sie unter die Wasseroberfläche und schwupp, ein paar Jahre später, taucht sie dann wieder auf, im neuen Gewand. Nur die Umgebung, die Namen oder Situationen werden ausgetauscht.

Helmut Kohl hat jetzt 20 Kilogramm abgenommen. Das ist ungefähr das Gleiche, als würde ein Dreißig-Tonner eine Zierleiste verlieren.

Helmut Kohl wurde gefragt, ob er weiß, was ein Spastiker ist. »Natürlich weiß ich das«, sagte Kohl. »Das hat was mit Sex zu tun. Meine Hannelore fragt mich immer im Bett: ‘Na, macht’s Spaß Dicker?«

Angela Merkel ist jetzt auch in einen Spendenskandal verwickelt. Helmut Kohl hat ihr seinerzeit 50 Euro für den Friseur gegeben und keiner weiß, wo das Geld geblieben ist.

Goethe schrieb in den »Wahlverwandtschaften.«

»Durch nichts bezeichnen die Menschen mehr ihren Charakter als durch das, was sie lächerlich finden.«

Schon Aristoteles behauptete, dass das Wesen des Witzes in einem Defekt bestehe. Hässliches sei darum komisch. Und Komödiendichter haben ja zu allen Zeiten Figuren auftreten lassen, die unter körperlichen Gebrechen zu leiden hatten. Gelacht wurde über Bucklige, Kleinwüchsige, Stotterer, »Tattergreise«, Betrunkene.

Nehmen wir zur Verdeutlichung zwei Gags über Kleinwüchsige (Liliputaner) und ein Beispiel über einen Stotterer. Achten Sie auf die Verdichtung und auf die prägnante Kürze der Witze. Die Pointe lässt nicht lange auf sich warten. Der Zuhörer braucht sich nicht endlos zu konzentrieren, bis er in den Genuss des Lachens kommt.

Kommt ein Liliputaner in die Kneipe und stellt sich neben einen Hünen. Er schaut ihn von oben bis unten an, stößt ihm in die Rippen und sagte: »Mensch Karl, kennst du mich denn nicht mehr? Wir sind doch zusammen groß geworden.«

Was sagt ein Liliputaner, wenn er nackt durch die Lüneburger Heide läuft? »Lass das Erika.«

Da fragt ein Stotterer einen Glatzkopf: »W-w-was ko-kostet b b bei dir ein Ha-Haarschnitt?«

Da antwortet der Glatzkopf: »16,50 €, genau so viel wie bei dir ein Ortsgespräch.«

Dieter Thoma meinte: »Was jemand witzig findet, hängt natürlich von jedem Einzelnen ab. Von seiner Veranlagung, seinem Geschmack. Der Lieblingswitz eines Menschen gibt auch psychologisch Auskunft über ihn.«

»Bei einem guten Witz ist mir egal, wen ich damit beleidige«, soll der US-amerikanische Komiker Mel Brooks gesagt haben.

»Sigmund Freud meinte, ein guter Witz sei imstande, Menschen selbst über körperliche Schmerzen hinwegzuhelfen. Und gerne erinnere ich mich an Fritz Muliar, den Wiener Schauspieler und grandiosen Witz-Interpreten. Er sagte: »Wenn das Tier einen tiefen Schmerz fühlt, dann schreit es. Der Mensch hat in so einem Fall noch einen Ausweg: Er kann lachen.«

Auf die Bühne, fertig los ...

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